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Land of all
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
#1
Land of all
bespielt von    Greo   Skadi Nordskov
31.03.1822
Mîlui
Land of all
I took a chance to build a world of mine
A one way ticket for another life
On a petrol stained sailboat

31.03.1822 |Greo & Skadi | abends im Wald von Mîlui


Langsam zog Greo sich einen dünnen, halblangen Mantel an und warf einen ruhigen Blick zurück auf das Schiff, dessen Konturen sich klar und finster gegen die Dämmerung abzeichnete. Ein paar vereinzelte Lichter brannten und auch Greo hatte noch ein kleines Öllämpchen bei sich auf einem Felsen stehen, das jedoch nur einen zaghaften Schimmer verstrahlte, der kaum bis zu seinem Oberschenkel reichte. Er atmete tief durch, genoss eine Brise, die ihm das Haar zauste und setzte dann seinen Deckel – pardon, Hut – wieder auf den rechtmäßigen Platz zurück. Er brauchte ein wenig Bewegung. Die lange Zeit auf dem Wasser, die unermüdliche Arbeit im Bauch des Schiffes, all das zehrte langsam an seinen Nerven. Ein bisschen Abwechslung war ihm willkommen. Er wusste noch nicht, wohin es ihn zog. Die Umgebung war ihm nach wie vor weitestgehend unvertraut. Aber er mochte sie gerne erkunden. Greo scharrte etwas mit den Stiefeln auf dem Untergrund und rückte den Gürtel zurecht, in dem er allerlei kleine Gegenstände, wie seine Schafschere mit sich herumtrug. Das Klimpern gefiel ihm nicht. Kurzerhand machte er sich daran zu schaffen die verräterischen Laute zu unterbinden, indem er den Inhalt neu umsortierte. So viel Zeit musste sein.
Mit einem kleinen Satz sprang Skadi aus dem winzigen Beiboot, das sie behutsam über den Sand in Richtung Buschwerk zog. Seit einigen Stunden war die Crew ausgeflogen und nur tröpfchenweise wieder zurück an Board. Lieber nutzte sie die Gelegenheit frühzeitig vom Deck ans Ufer zu verschwinden, ehe sich jemand an ihre Versen heftete und ihr beim ersten Jagdausflug auf Mîlui Gesellschaft leisten wollte. Nachdem Trevor bereits ihre ersten Ambitionen auf der verlassenen Insel zunichte gemacht hatte, war die Nordskov nicht sonderlich erpicht darauf, es wieder mit jemandem zu versuchen. Sie musste sich konzentrieren.  Und das ging nicht, wenn sie alle Nase lang damit beschäftigt war, mit eindringlichen Blicken um Ruhe zu bitten oder einem davon huschenden Trevor hinterher zu rennen wie eine Glucke.
Bemüht leise schob sie somit die kleine Jolle über den Sand in Richtung des dichten Buschwerks. Überdeckte das Schiffchen mit einigen Ästen, ehe sie sich davon entfernte und mit einem letzten prüfenden Blick in den Wald hinein lief.
Nachdem er die Ursache für die störenden Geräusche beseitigt hatte, lächelte er leise in sich rein und löschte die Lampe, die er auf dem Gestein zurückließ. Das war ein bisschen wie früher, wenn er mit den Hunden morgens seine Runden um die Weiden zog und sich nicht verraten wollte. Es bestand immerhin die Gefahr einem gefährlichen Tier über den Weg zu laufen, Buschmännern oder potenziellem Frühstück. Er ahnte nicht, dass sich die Frau-die-mal-ein-Mann-war-und-jetzt-nicht-mehr sich ebenfalls auf den Weg auf eine einsame Unternehmung gemacht hatte. Es wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, ihr wie ein lüsterner Bengel nachzulaufen. Er hatte sich ebenfalls zwischen die Büsche gezwängt, mit weichen, fließenden Bewegungen, um möglichst wenig anzuecken und Äste zum Schwingen zu bringen. Er stieg eine kleine Anhöhe hinauf. Ohne es zu wissen, näherte er sich in einem Winkel von etwa neunzig Grad einem Menschen. Er war so auf das Geräusch seiner Schuhe auf dem Untergrund konzentriert, dass ihm ihre Anwesenheit entging. Greo hatte den Kopf zum Blätterdach über sich gerichtet. Das war ein Fehler. Sein Stiefel glitt über einen schmierigen Rest Holz, der schon im Begriff war gänzlich zu verfaulen. Er stürzte mit einem überraschten Laut rücklings hinab, konnte noch die Arme schützend über den Kopf reißen und schlitterte, polterte, drehte sich schmerzhaft den Hügel hinunter – direkt auf Skadi zu.
Vorsichtig zog sich Skadi im Gehen die Schuhe von den Füßen. Genoss den kühlen Waldboden an den Sohlen und zwischen den Zehen. Spürte bereits wie jede Vibration durch ihre Beine rauschte und ihre Schritte fast lautlos werden ließ. In einer fließenden Bewegung verknotete sie die ledernen Lappen an ihrem Hüftholster und schlich in leichten Drehungen und Biegungen ihres Körpers durch das Unterholz. Gewöhnte sich allmählich an das schummrige Zwielicht, das sich durch das dichte Blattwerk über ihr immer mehr verdunkelte. Es war genau die richtige Zeit für eine Jagd. Der Moment zwischen Tag und Nacht, wo das Leben erneut erwachte. Ungesehen von den Augen der Menschen, die sich in ihre Häuser zurück zogen und den wilden Tieren endlich jenen Raum zurück gaben, der einst ihr Eigentum gewesen war.
Mit gesenktem Kopf begab sich Skadi bereits wenige Meter vom Waldrand entfernt in die Hocke. Prüfte mit ausgestrecktem Arm ein kleine Spur im Waldboden, die sie beinahe übersehn hätte. Fuhr die Ränder sorgsam mit den Fingerspitzen nach und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. Irgendetwas musste die Tiere bis an den Rand des Wald gescheucht haben. Etwas Großes und... Schweres. Doch noch ehe sie sich weitreichende Gedanken darum machen konnte, hallte ein erschrockener Laut durch das Unterholz. Näherte sich der Nordskov mit einem unerwarteten Tempo und rauschte einer dunklen Kanonenkugel gleich durch den Busch wenige Meter neben ihr. Mit entsetztem Blick hechtete der schmale Körper voraus und beobachtete wie der hoch gewachsene Körper Greos endlich zum Stillstand kam. Mit pochendem Herzen starrte sie auf den Hut, der einige Armlängen weiter gerollt war und lautlos zur Seite kippte. Blickte dann erst auf den Hünen zurück, dessen Mantel wie eine Schlange wild um ihn gewickelt war. Erst als sie bereits einige Schritte auf ihn zuging, erkannte sie das Gesicht und atmete erleichtert ein. Zumindest kannte sie den Unruhestifter - wenn auch nicht so gut, wie sie es gerne hätte.
"Hey... hast du dir weh getan?" Mit erhobener Augenbraue ließ sich die Dunkelhaarige neben dem Kameraden in die Hocke nieder. Reicht ihm helfend eine Hand und musterte das bärtige Gesicht.
Bei seinem Sturz war er auf das Steißbein geprallt und ein heißer Schmerz schoss seine Wirbelsäule hoch. Er konnte sich allerdings nicht darauf konzentrieren, denn während er über Stock und Stein hinwegrutschte, musste er irgendwie die kleinen Zweige abwehren, die ihm ins Gesicht peitschten und wie hinterhältig nach seinen Augen haschten. Das Hemd kräuselte sich hoch und ballte sich unter seinen Achseln, der Mantel hatte sich fast übergestülpt und klemmte ihm irgendwie die Arme fest. Herrje, so was war ihm aber lange nicht mehr passiert. Wo war sein Hut, wo, wo? Verwirrt und mit schwummrigen Kopf verharrte er reglos auf der Stelle, die Beine in einem dornigen Geäst verhakt und kurz verwundert darüber, dass er bis auf Schürfwunden wahrscheinlich nichts Übleres zu vermelden hatte. Seine Sicht musste sich erst wieder zusammensetzen und er zuckte trotz seiner Verwirrung alarmiert zusammen, als sich etwas näherte und über ihn beugte. Er strampelte, hing aber weiter fest und rammte sich die Dornen durch die Hose die Beine entlang. Dann keuchte er, ließ den Kopf zurück auf den Boden fallen und glubschte zu der Frau hoch. Die kannte er doch? Oder hatte er Halluzinationen?
Ihm fiel mehr als eine Person ein, die bei seinem Auftritt in Lachen ausgebrochen wäre (er selbst hätte vielleicht auch ein Schmunzeln nicht unterdrücken können), aber er war dankbar, dass sie ruhig blieb und sich Hilfe erteilend nach seinem Befinden erkundete.
„Ah, ich glaube, ich lebe.“, würge er hervor, wischte sich mit einer Hand über das Haar, das ein paar Blätter eingesammelt hatte und ergriff mit der anderen langsam ihre Hand, um sich hochhelfen zu lassen. War das das erste Mal, das er sie berührte? Greo mied Kontakt nicht grundsätzlich, war aber gerade bei Frauen eher reserviert. Ausnahme war Shanaya, die kannte er einfach schon zu gut. Er zog sich hoch, verlor dabei seinen Schuh im Buschwerk und kam lahm auf die Füße. Sein Hintern pochte. Ein unangenehmes Gefühl. Zaghaft klopfte er sich ab. Der Dreck kümmerte ihn nicht, aber er wollte gucken, ob noch alles in Ordnung war. „Danke.“, sagte er, schaute Skadi etwas unbeholfen an und ging dann auf alle Viere, um seinen Stiefel hervorzukramen. Als er ihn endlich hatte, zog sich ein blutiger Striemen über sein Kinn. Ärgerlich wischte er ihn ab und hielt ein wenig dümmlich den Stiefel in der Hand. Ihm war das ein bisschen peinlich. „Ich wollte dich nicht attackieren.“, sagte er, um den Moment zu überbrücken, glotzte auf ihre Füße und zog kurzerhand auch seinen zweiten Stiefel aus. Das schien besser zu sein.
Wie er so strampeln im Gebüsch hing, hatte schon etwas von einer Schildkröte. Die langen Arme und Beine von sich gestreckt ohne die geringste Chance aus der Falle heraus zu kommen, die ihn gefangen hielt. Dass er noch lebte war angesichts des freien Falls, in den er sich begeben hatte vielleicht keine Selbstverständlichkeit. Mit einem kurzen Seitenblick verfolgte Skadi seine Spur zurück und den Hügel hinauf, bis ihre Sicht kaum mehr als Dunkelheit übrig ließ. Half ihm dann mit einem beherzten Griff wieder auf die Beine und musterte ihn mit schief gelegtem Kopf. Er wirkte reichlich neben sich. Nichts was sie angesichts des heftigen Sturzes verwunderte. Dennoch war es ungewohnt ihn so zu sehen. Auf dem Schiff glich jede seiner Bewegungen einer eingeübten Tanzeinlagen. Vorausgesetzt sein Kopf traf nicht gegen eine niedrig hängende Decke.

“Ich frage mich wer hier wen attackiert hat.“, entgegnete sie seinen Worten mit einem Schmunzeln und lächelte eine Spur breiter als sie kurz einen Schritt voraus setzte und einen winzigen Zweig aus seinen Haaren zupfte. Man, der Wald hatte es wirklich gut mit ihm gemeint.

“Und du hast dir wirklich nichts getan?“ Wieder musterte sie ihn eindringlich von Kopf bis Fuß und warf beiläufig den Zweig zur Seite. Bemerkte wie er sich bereits den verbliebenen Schuh vom Fuß zog und etwas peinlich berührt den Blick auf ihre Füße gesenkt hielt.
Greo betrachtete kurz unschlüssig seine dreckigen Hände und wischte sie dann schulterzuckend kurzerhand an der Hose ab. Das Kind war schließlich schon in den Brunnen gefallen. „Als ob die Insel nicht erpicht auf meinen Besuch wäre.“ Vielleicht hatte er irgendwelche fremden Götter erbost. Er schaute wieder hoch und registrierte die Bewegung nah an seinem Gesicht, als sie ihm das Haar nach einem Zweig lauste. Er konnte ein leichtes Zurückweichen vor der Nähe nicht verhindern, schenkte ihr aber ein mildes Lächeln. „Ich schätze, das zeigt sich die Tage.“ , meinte er und dachte an lauter blaue Flecken am Rücken. Dann fummelte er aus einem kleinen Beutel an seinem Gürtel ein zusammengerolltes Stück Leinen heraus, das sich als überraschend groß entpuppte, als er es aufschlug und damit eine Art Sack für die Stiefel fabrizierte. Er band sich das Bündel quer über die Schulter, zog einen noten vor seiner Brust fest. Schließlich bückte er sich nach seinem Hut, schüttelte ihn aus und stopfte ihn sich wieder über den Schädel. Er wirkte erleichtert. Ohne Hut war einfach etwas verkehrt. Danach gucke er wieder etwas deplatziert drein und presste die Lippen zusammen. Was sollte er jetzt sagen? Was machte sie hier eigentlich? „Ich wollte eigentlich nur mal schauen, was hier so rumkeucht und fleucht. Ich nehme an, du ebenfalls?“ Das ging ihn nicht die Bohne was an – aber sie konnte ja im Zweifelsfall lügen und ihn schnell wieder loswerden.
Bei seinen Worten musste sie unweigerlich schmunzeln. Ihr selbst war der Gedanken bereits durch den Kopf geschossen, noch bevor sie ihre Worte ausgesprochen und sich an seinen Haaren zu schaffen gemacht hatte. Gut möglich, dass die Insel ihn zurück auf das Schiff bringen wollte, aus Sorge, dass er im Gewimmel der Stadt einen ausgiebigen Fußmarsch entfernt unterging. Sein Zurückweichen nahm sie kommentarlos wahr. Sie hätte womöglich ähnlich reagiert, wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre. Berührungen waren etwas, das die Nordskov nur ungern zuließ. Vor allem bei Männern, wie nur einem aufmerksamen Beobachter aufgefallen wäre. Meist sträubten sich sämtliche Härchen auf ihrem Körper, sobald sich auch nur eine Fingerspitze auf ihr niederließ. Greos entschuldigendem Lächeln allerdings begegnete sie mit einem erneuten Schmunzeln. Er sollte nicht das Gefühl haben, dass sie ihm irgendetwas böse nahm. Dafür hätte er sie mutwillig von den Füßen reißen müssen. Und selbst dann hätte sie ihn kaum derart feindselig anfunkeln können, wie sie es bereits bei so manchen Menschen getan hatte.
"Ich würde ja vermuten, dass du deine letzte Ration nicht aufgegessen hast aber.. wir wissen beide, dass das nicht stimmt."
Mit einem Zwinkern wandte sich der hoch gewachsene Körper der Nordskov zur Seite. Beobachtete Greo eine Weile, während er sein Hab und Gut verstaute und dann ebenso unschlüssig stehen blieb wie noch wenige Herzschläge zuvor. Gott, er musste sich wirklich mal etwas entspannen. Gerade als sich der dunkle Haarschopf herum wandte, um den Weg durch das Unterholz wieder aufzunehmen, erhob sich seine dunkle Stimme und ließ sie noch in der Bewegung innehalten. Es war das erste Mal, dass sich jemand für eine Erkundungstour interessierte, der nicht Shanaya hieß und mit hellen blauen Augen beglückt war.
Erst huschte ein deutliches Nicken durch ihren Körper. Wenig später wandte sie sich wieder halb herum und schob einen Daumen zwischen ihre Brust und die Sehne des Bogens, der über ihre Schulter geklemmt war. "So kann man es sagen.", erwiderte sie ruhig und lächelte dann. "So lange wie wir hier ankern will ich etwas Frischfleisch für unsere nächste Reise besorgen. Vielleicht ....willst du mich begleiten?" Wieder sackte ihr Kopf leicht zur Seite, während sie fieberhaft darüber nachdachte, ob Greo sie nur aus reiner Höflichkeit gefragt hatte. "Ich glaube du bist einer der wenigen, der etwas von Tieren versteht."
„Ist das so offensichtlich?“ , murmelte auf den Essens-Kommentar hin, zuckte dann aber schuldig gesprochen die Schultern und schaute sich um. Je dunkler es wurde, desto wohler fühlte er sich. Greo hatte was für Extreme übrig: extreme Hitze, extreme Sonne, aber auch extreme Finsternis. Es hatte einerseits etwas Bedrückendes, andererseits etwas Beruhigendes an sich. Er konnte zwar weniger sehen, da die Linien der Umgebung sich in der Dunkelheit nahezu auflösten, aber das hieß, dass er ebenfalls kaum sichtbar war. Er genoss das Gefühl, unsichtbar zu sein. Unbedeutend. Ein Schauder flimmerte über seine Haut. Wie schön waren die Wälder in der Dämmerung. Der Faden dieses Gedankens zerriss, als sie antwortete und verweilte, obwohl sie Anstalten gemacht hatte, sich abzuwenden. Vielleicht war das hier ja eine Möglichkeit wieder mal jemanden aus der Mannschaft ein wenig kennen zu lernen. Schaden konnte es nicht. Greo folgte im schwachen Licht ihrer Bewegung und schaute den Bogen an. Nie hatte er so eine Waffe in der Hand gehabt, geschweige denn bedient. Helfen konnte er ihr also nicht bei der Jagd, er konnte der möglichen Beute lediglich schnell ein Ende bereiten. Er nickte und bedeutete ihr mit einem leichten Wink des Arms voranzugehen. Sie hatte den Bogen, sie war die Jägerin, sie kannte am ehesten den richtigen Pfad. „Kommt auf das Tier an.“ , meinte er und fragte sich, was hier so alles zwischen den Wurzeln kauerte. „Sind ja schließlich überall anders.“
Nun. Wenn man ihn ein wenig beobachtete, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er mit dem Essen der Sphinx eine innige Beziehung führte. Doch angesichts seiner Größe und der harten Arbeit, die er leistete, ließ sich kaum etwas dagegen sagen. Skadi selbst hätte es ohnehin nicht getan - ihr standen solcherlei Dinge nicht zu. Ganz abgesehen davon, dass sie ihm wie allen anderen auch ohne zu Murren ihren Teil überlassen hätte, wenn es hart auf hart käme. "Wenn man sich für mehr als nur sich selbst interessiert, kann einem das schon auffallen.", erwiderte sie ihrerseits  mit einem Schulterzucken und ohne jegliche Wertung in der Stimme. Es war vielleicht ihrer Ausbildung geschuldet, dass sie ihre Umgebung pausenlos im Blick behielt - zumindest in den meisten Fällen. Vor allem dann, wenn sie sich zwangsläufig zwischen Menschen wiederfand, die allesamt fremd und potentiell gefährlich für sie werden konnten. Nur weil man ihr eine sichere Reise versprach, hieß das noch lange nicht, dass jedes Mitglied der Crew sich strickt daran hielt.
Langsam setzte sich der schmale Körper wieder in Bewegung, als der Hüne mit wenigen Schritten zur ihr aufholte und mit einer Bewegung seines Arms bedeutet voraus zu gehen. "Mag sein." Immer wieder streckte sie ihre Hand voraus, um einen Ast lautlos aus dem Weg zu schieben und wandte sich halb auf den Zehenspitzen herum, damit Greo es ihr gleich tat und sie ihm nicht blind das Geäst ins Gesicht donnerte. Sein Körper sollte nicht noch mehr in Mitleidenschaft gezogen werden, als ohnehin schon.

Eine Weile liefen sie somit in ihrer kleinen Kolonne durch die Dunkelheit. Verursachten kaum einen Laut und verschmolzen regelrecht mit der aufkommenden Geräuschkulisse der anbrechenden Nacht. Skadi musste sich eingestehen, dass sie Greos Leichtfüßigkeit bewunderte. Ebenso erstaunt darüber war, wie umsichtig er sich an den Büschen und Bäumen vorbei schlängelte. Mit erhobener Hand blieb sie zwei Armlängen vor ihm stehen. Lauschte in die Stille hinein, die nur hier und da von ein paar Grillen und einem Vogelruf durchbrochen wurde. Irgendetwas schnüffelte nur wenige Meter vor ihnen im Unterholz. Wurde lauter, ganz als näherte es sich Herzschlag um Herzschlag dem Zweiergespann. Skadi regte sich keinen Millimeter. Blendete das Rauschen in ihren Ohren aus und versuchte in der Dunkelheit die Konturen des wilden Tieres auszumachen. Begann dann in Zeitlupe ihren Bogen vom Oberkörper zu heben und einen Pfeil aus ihrem Köcher zu ziehen.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, sich der Stiefel zu entledigen. Mit nackten Füßen konnte er den Boden besser fühlen, sich den Weg in der Dunkelheit sachte ertasten. Er war auch deswegen vorsichtiger, weil er nicht wieder stürzen wollte und sich an zu Hause erinnerte, wo man barfuß schnell mal in etwas reintreten konnte, was potenziell giftig und lebensbedrohlich war. Also sachte voran. Dabei hielt er Abstand zu Skadi, hielt sich etwas geduckt und zog auch wohlweißlich nicht die Schafschere, das einzige, was er hätte als ernsthafte Waffe verwenden konnte. Nicht einmal das kleine Taschenmesser, das er bei sich trug, hatte so lange und scharfe Klingen. Und er glaubte nicht, die Schere jetzt zu brauchen, er ging einfach davon aus, dass Skadi wusste, was sie tat. Mit ihr legte er sich lieber nicht an. Jäger wussten, wo die verletzlichen Adern und Organe lagen. Außerdem war sie ihm noch ein wenig suspekt, weil sie schließlich in Verkleidung rumgelaufen war. Das konnte er ihr nicht verübeln, aber es machte ihn ein wenig skeptisch.
Jetzt allerdings behielt er die Vorsicht vor ihr lediglich im Hinterkopf und konzentrierte sich auf die Jagd. Er nahm die Äste lautlos entgegen, die sie zurückbog und schlich ihr nach. Als sie stehen blieb, verharrte auch er mit flachem, beherrschtem Atem. Interessiert beobachtete er als passiver Teilhaber, ob sie einen Pfeil anlegen und das Tier – was auch immer es war – treffen würde.
Ihr Herzschlag verlangsamte sich mit jedem tiefen Atemzug, den sie zwischen ihren Bewegungen einschob. Konzentrierte sich voll und ganz auf das potentielle Ziel in den Büschen, während Greo im Hintergrund verschwamm. Womöglich hatte sie auf keinen besseren Jagdbegleiter treffen können. Selbst wenn dieser ihr mit reichlich Vorsicht und Skepsis begegnete. Verübeln konnte ihm das keiner. Er teilte diese Ansicht sicherlich mit mehr als einer Hand voll seiner Crew. Doch Skadi hatte weiß Gott andere Probleme als sich um das mangelnde Vertrauen zu sorgen, das man ihr entgegen brachte. Sie wusste, dass sie sich beweisen musste, wenn sie länger auf der Sphinx bleiben wollte. Ebenso gut, dass es eigentlich mehr eine Frage der Zeit denn des "ob überhaupt" war - immerhin hielt sie sich nicht für einen vollkommen unumgänglichen Typ Mensch. Etwas direkt und zuweilen brutal, doch keineswegs falsch.
Ein erneutes Rascheln ließ ihre Augen schmaler zusammen fahren. Jede Faser ihres Körpers kribbelte aufgeregt. War zum Zerreißen gespannt auf das, was sich vor ihnen im Dickicht versteckt hielt. Und doch blieb ihr Bogen locker vor ihrer Brust gen Boden gerichtet. Untätig und lauernd. Solange sie die Anwesenheit eines Menschen nicht ausschließen konnte, würde sie nicht blindlings einen ihrer Pfeile ins Buschwerk jagen. Diesen Fehler hatte sie einmal als junges Mädchen gemacht und für die nächsten Tage als blaue Male auf dem Körper getragen. Ihr Vater hatte vor Wut regelrecht geschäumt. Die Narbe an seinem Arm war aber ohne große Komplikationen verheilt.
Drückende Stille legte sich über das kleine Waldstück. Überzog ihre Körper mit einer dunklen, samtigen Decke, die Skadi augenblicklich die Luft anhalten ließ. Sie spürte, dass es bald soweit sein würde. Straffte bereits ihre Finger um den Bogen... und spannte ihn blitzschnell, als mit ohrenbetäubendem Lärm flatternde Körper aus dem Busch gen Baumkronen stoben. Für ein zwei Herzschläge folgte Skadi einem der großen Vögel mit ihrem Bogen. Ließ dann die Sehne mit einem leisen Zischeln voraus schnellen... und versenkte den Pfeil mit etwas Glück im Leib des langsamsten Tieres.
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Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
#2
Als Farmer war Greo erfahren im Umgang mit Vieh. Als Seemann war er erfahren im Angeln. Als Naturmensch aus einem Land voller Ungetüme war er erfahren darin diverse Fallen zu stellen, vorsichtig zu beobachten und auf kleine Zeichen zu achten. Aber er nie mit Schusswaffen gejagt und interessiert beobachtete er die Abläufe und versuchte sich einzuprägen, worauf Skadi achtete. Wo sie das wohl gelernt hatte?
Ruhig und gefasst, aber mit einem kleinen Flirren im Kehlkopf, verfolgte er sie, setzte seine Füße sorgsam auf und versuchte nirgends anzuecken. Irgendwann merkte er, dass er den Atem anhielt, als sie das Ziel genauer ins Visier nahm. Es musste jahrelange Übung kosten, um den richtigen Moment abzupassen, der die tödliche Spitze schließlich das zielsicher treffen ließ. Anerkennend zog er die Brauen hoch, schürzte die Lippen und wartete den dumpfen Laut ab, als die Beute zu Boden ging. Stöbernd wagte er sich nun an Skadis Seite und lief leise zu dem Ort, wo er das Opfer der Jagd vermutete.

„Hut ab.“, meinte er immer noch mit gedämpfter Stimme, „Kurz und schmerzlos, wenn man so will.“

Zweifelsohne war sie in der Lage die Geschichte auch schmerzhafter für ihr Zielobjekt zu gestalten. Aber das hatte dann vermutlich eher Kriegsstrategie und weniger mit Jagd für Nahrung zu tun. Zumindest hoffte er, dass sie niemand war, der ein Tier lang quälte.

„Wie lange hat es gedauert, das zu erlernen?“
Skadi blieb wie angewurzelt an ihrem Fleck und rührte sich nicht. Hörte in die Stille hinein, als erwartete sie eine Kettenreaktion sondergleichen. Doch außer der Dunkelheit antwortete ihr nichts. Erst als Greo sich hinter ihr zu regen begann, ließen die langen Arme den Bogen hinab gleiten. Entspannten sich unter dem dunklen Timbre seiner Stimme, die erst neben ihr aufkam und dann voraus eilte. Mit langsamen Schritten folgte sie dem hoch gewachsenen Mann und schob sich sorgsam den Bogen zurück auf den Oberkörper. Für heute beließ sie es bei diesem einmaligen Schuss und würde sich erst wieder mit Pfeil und Bogen in den Wald schleichen, wenn sie die Gegend ausreichend erkundete hatte. Außerhalb Trithêns kannte sie die raue Natur nicht. Niemand konnte ihr sagen, ob es da nicht noch Wesen gab, die ihr das Stopfen der Mäuler mehr als nur übel nahmen. Irgendwie ärgerte sie sich auch, dass sie einfach ihrem Automatismus gefolgt war, anstatt ruhig abzuwarten, bis die Luft rein genug war.
Ein kurzer Seitenblick galt Greos Silhouette, die sie im Augenwinkel ausmachen konnte, kaum dass sie aufgeholt hatte. Folgte ihm schweigend, ehe sie tief Luft holte und nickte.
“Ich jage Tiere zum Überleben…“
Ganz anders verhielt es sich mit Schwerverbrechern, die unumstößliche Tabus brachen. Bei denen genoss sie es regelrecht. Konnte das eiskalte Lächeln in ihren Mundwinkeln zucken spüren, während sie zum Rächer der Schwachen wurde.

“…nicht aus Vergnügen.“
Mit ausgestrecktem Arm schob Skadi wieder einmal einen Ast zur Seite und suchte mit gesenktem Kopf den Waldboden nach dem schweren Vogelkörper ab. Sie war immer noch gespannt, was sie dort niedergestreckt hatte. Hatte bereits einige wilde Vermutungen, die sie vorab jedoch allesamt für sich behielt.

“Ich habe als kleines Mädchen meine Ausbildung angefangen.“, sprach sie leise flüsternd  fort und sah dann über die Schulter zu Greo hinauf.
“… war eine sehr harte Schule. Aber von nichts kommt nichts.“
Beinahe andächtig wagte er es die Finger auszustrecken und über das Gefieder des erlegten Vogels zu streichen. Es war von dunklem Anthrazit, an manchen Stellen schwarz und stellte sich im Nacken zu einem bauschigen, dramatischen Schopf auf. Der Kopf des Vogels war beinahe kahl und er hatte einen langen, dünnen, rötlichen Schnabel. Schön war er nicht. Aber er war etwa von der Größe eines stattlichen Huhns und versprach eine gute Mahlzeit. Die Statur erinnerte Greo an exotische, große und heilige Vögel aus fernen Landen. Dort war es verboten, sie zu jagen. Ob sie damit hier einen Fauxpas begannen hatten?
Aufmerksam lauschte er in die Dämmerung, konnte aber keine direkten Beobachter ausmachen. Also wandte er sich mit angestrengtem Blick wieder dem Vogel zu und versuchte sich einzuprägen, wie sie ihn getroffen hatte – was bei den dunklen Federn in der Finsternis nicht einfach war.
Während er das Tier an den Füßen vom Boden hob und den Pfeil vorsichtig entfernte, nickte er. Es war in Ordnung ein Lebewesen als Nahrung zu erlegen, aber eine diebische Freude daran konnte Greo auch nicht empfinden.

„Harte Schule?“, fragte er abwesend und hielt die Beute in die Höhe. Dann reichte er ihr den Pfeil. „Widrige Bedingungen und strenge Lehrmeister?“
Eine Hand breit blieb sie hinter ihm stehen, den Blick schweigend auf seine Gestalt gerichtet, die dem Vogel sanft über das dunkle Gefieder strich. Irgendetwas an seiner Haltung, der Art wie er dem toten Tier begegnete und ebenso der darauffolgende, prüfende Blick auf seine Umgebung, kamen ihr vertraut vor. Als beobachtete sie nicht irgendeinen Fremden, von dem sie ebenso wenig wusste, wie er von ihr. Für einen kurzen Wimpernschlag hatte sie das Gesicht ihres Bruders vor Augen. Die dunklen, braunen Augenpaare, die aufmerksam durch das dichte Blattwerk lugten, ehe er mit Katzen gleichen Schritten voraus ging.
Skadi nickte knapp auf Greos Worte. Folgte seinen Bewegungen aus wachsamen Iriden und musterte ein weiteres Mal den Vogel, dessen Körper Kopf über von den langen Fingern des Älteren hinab hing. Blieb abzuwarten ob das zugegeben eher dämonisch aussehende Tier überhaupt genießbar war. Allerdings war das weder Greos noch ihr eigenes Problem. Damit würde sich Rayon befassen müssen.
“Strenge Lehrmeister und große Verantwortung.“, korrigierte die Dunkelhaarige den Hünen daraufhin leise und nahm den Pfeil mit ausgestreckten Fingern entgegen. Verstaute ihn kurzerhand wieder in ihrem Köcher und richtete ihre Augen eine Weile schweigend auf die hoch gewachsene Silhouette.
“… aber ich glaube, dass ich da wohl nicht die Einzige bin.“ Fast konnte man den Hauch eines Lächelns in ihrer Stimme vernehmen. Ein aufrichtiges, wissendes Lächeln, das nur schwer in ihren Mundwinkeln haften blieb.
Tief einatmend kam der schmale Körper wieder in Bewegung. Schlich bemüht lautlos an Greos Seite und signalisierte ihm unmissverständlich, dass sie ihren Spaziergang durch das Unterholz fortsetzen würde.
Da er bisher lediglich das Schlachten von Vieh auf dem Hof gewohnt war und es auf der Farm üblich war Geflügel direkt vor Ort zu verarbeiten, war er nicht ganz sicher, wie er mit dem Vogel verfahren sollte. Er ließ ihn schlicht etwas ausbluten, befestigte ein Band um die Läufe und schwang ihn sich möglichst sanft über die Schulter. Er wollte nicht mehr Geräusche als nötig verursachen.
„Vermutlich nicht.“, erwiderte er währenddessen schlicht auf Skadis Antwort und blickte sie mit klaren Augen an. Was sie sagte schien aufrichtig, aber ein wenig vage. Er konnte es ihr nicht verübeln. Sie kannten sich nicht und da rücke er schließlich auch nicht mit zu viel Infos raus. Was das wohl für eine Verantwortung war? Vielleicht die Versorgung der Familie. Das konnte er sich zumindest gut vorstellen. Ohne ein weiteres Wort nickte er und schloss sich zu einem weiteren Erkundungsgang, an. Zwischendurch raschelte es. Die Finsternis legte sich schwerer auf sie und drückte schier auf die Augen. Greo fragte sich für eine Sekunde, ob Skadi vielleicht einer Katze gleich im Dunkeln sehen konnte und verwarf den Gedanken wieder. Das war zu abstrus. Allerdings… wäre es für eine Jägerin wahrscheinlich praktisch gewesen. „Was jagst du am häufigsten?“, fragte er mit tiefer, gesenkter Stimme und spürte den Leib des Vogels zwischen seinen Schulterblättern herumwippen. Indirekt spielte er damit auf ihre Heimatinsel an. Was das wohl für eine war?
Es tat gut eine Weile schweigend durch das Unterholz zu laufen. Sich nur auf den Weg vor ihnen zu konzentrieren und den Geräuschen des Waldes unbedarft zu lauschen, die sich immer wieder hinter einem Busch erhoben und verschwanden. Greos Gesellschaft fühlte sich erstaunlich "normal" und angenehm an. Womöglich weil er nicht darauf erpicht war seinen Gegenüber mit Fragen zu löchern oder ihm seine eigene Geschichten aufzwingen. Skadi vermutete, dass er einer dieser Menschen war, der sehr gut mit sich allein zurecht kam. Der die Ruhe und Abgeschiedenheit durchaus genoss und sich nicht permanent mit dem Chaos einer Gruppe umgeben musste.
Erst als seine Stimme sich leise in ihrem Rücken erhob, wandten sich die dunklen Augenpaare von ihrer Umgebung ab und lugten über die schmale Schulter zurück. Offensichtlich hatte sie mit ihrem Fang, der leblos über seiner Schulter lag, seine Neugierde geweckt. "Du meinst vor der Zeit auf der Morgenwind?" Worauf sollte er sich auch sonst beziehen? Es war abstrus zu glauben, dass er das dritte Auge besaß und tief in ihre Seele hinein blicken konnte. Ihr ansah, dass sie in den letzten Jahren dazu übergegangen war, Menschen statt Tiere zu jagen. Nicht etwa, weil sie einen unstillbaren Blutdurst besaß, sondern es ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit entsprach. Und sie damit nicht nur ihre Familie rächte, sondern auch jene schützte, die sich nicht gegen die Masse und Kraft eines Mannes behaupten konnten.
"Hauptsächlich diverse Hirscharten und Böcke. Unter anderem auch Schweine, Riesenhörnchen und Hühnervögel."
Allmählich verlangsamte sie ihren Schritt und hielt auf einen dicken Baumstamm zu, der seltsam unter dem diffusen Licht unterhalb des Baumkrone schimmerte. "In absoluten Ausnahmefällen auch Affen und Schlangen." Vor allem letztere hatten nur dann zu ihren Mahlzeiten gehört, wenn sie wochenlang für Trainingszwecke im Wald unterwegs gewesen waren und nicht zu den Rindern und Ziegen zurückkehren konnte, die im Dorf gehalten wurden.
"Ihr habt eure Tiere wohl eher gezüchtet als gejagt oder?" Mit einem letzten Blick auf Greos kantige Züge verließ ein mattes Schmunzeln ihre Lippen. Ihr war die Schafsschere an seiner Hüfte nicht entgangen, als sie ihn das erste Mal aus der Entfernung beobachtet hatte. Es war also nahe liegend, dass er irgendwo groß geworden sein könnte, wo es nicht notwendig gewesen war mit Pfeil und Bogen durch das Unterholz zu hetzen. Und dass er mit Tieren umzugehen wusste - ob tot oder lebendigt – hatte er sowohl bereits auf der Sphinx, als auch mit dem seltsamen Vogel über seiner Schulter bewiesen.
Wenn Greo nicht redete, waberten seine Gedanken unbestimmt von einem Ohr zum anderen. Dann kam er gerne mal vom Hölzchen aufs Stöckchen und landete schließlich nach dem Ursprungsthema bei sauren Gurken oder Holzlasuren. Um sich davor zu bewahren, konzentrierte er sich mehr als sonst auf seine Schritte und versuchte so was, wie eine Konversation aufrecht zu erhalten. Auf ihre Rückfrage hin gab er dennoch erst einmal nur ein einfaches Geräusch der Zustimmung von sich und schob vorsichtig ein paar Äste beiseite. Er konnte nicht ahnen, was ihr so im Kopf vorging und dass ihre Pfeilspitzen sich nicht nur auf die Herzen von Tieren, sondern auch auf die von Menschen richteten. Vermutlich war es besser, dass er das nicht wusste – seine doch eher pazifistische Natur hätte ordentlich den Nacken gesträubt.
„Riesenhörnchen?“, fragte er und runzelte die Stirn. Unter dem Begriff konnte er sich nichts vorstellen. Schlangen waren allerdings etwas, womit er wirklich etwas anfangen konnte und er genoss das Gefühl von Vertrautheit, das die Bilder der geschuppten Tiere in ihm auslösten. Er lächelte milde. „Weitestgehend, ja. Vor allem Schafe. Wir jagen eher, wenn irgendwas Ärger macht. Schlangen zum Beispiel. Krokodile. Spinnen in der Größe von Kindsköpfen, die irgendwo im Zimmer lauern.“, berichtete er, als sei das selbstverständlich. „Du bist rumgekommen.“, stellte er dann unvermittelt fest und strich mit den Fingern über die Borke des Baumstammes, bevor er sich hinüberschwang.
Skadi überlegte kurz wie sie ihm die Form des Tieres beschreiben sollte, ohne es mit anderen Nagern zu vergleichen, die ihm eventuell ebenso wenig ein Begriff waren. Seit ihrer Zeit bei der Marine war ihr klar geworden, dass ein Großteil der Flora und Fauna ihrer Heimat nirgendwo außerhalb Trithêns existierte. Und dass es ebenso vieles gab, was sie noch nicht kannte. Wie den Vogel über Greos Schulter und dessen dunkles Gefieder sie einen Moment musterte, als die den Kopf zurück wandte und sich im Gehen auf den Ballen drehte. “Du kannst sie dir wie riesige Ratten vorstellen. Mit weichem Fell und einem langen buschigen Schwanz.“ Das passte irgendwie noch am besten in das Bild, das sie für ihn zu malen begann und in einer kurzen Abschätzung der Größenverhältnisse die Hände vor den Körper hielt. Automatisch blieb sie stehen, um nicht blind über herausschauendes Wurzelwerk zu stolpern. Und erst als sie ihrerseits den Blick auf Greos Züge hob und ihm eine Gegenfrage stellte, wandte sie sich dem Baumstamm zu. Drückte sich in einer fließenden Bewegung ab und schwang den Körper auf die andere Seite.
“So groß wie Kindsköpfe?“
Sichtlich fasziniert war die Dunkelhaarige auf der anderen Seite stehen geblieben und blickte dem Hünen mit schief gelegtem Kopf entgegen. Sie selbst war einiges Getier in abnormalen Größen und Formen gewohnt - doch das wohl gefährlichste das sie kannte war klein und farbintensiv. Und Spinnen zählten nicht dazu. Genauso wenig Krokodile, mit denen auch sie die ein oder andere unliebsame Begegnung gemacht hatte. Lästige Biester. Seinen Kommentar allerdings ließ sie hörbar in der Dunkelheit schmunzeln. “Das meiste kenne ich eher aus der Heimat.“, gab sie leise flüsternd zu und ließ die Augen auf den Baumstamm zurück gleiten, dessen Glitzern irgendeine Assoziation bei ihr auslöste. Doch irgendwie konnte sie es nicht greifen. Spürte nur ein dumpfes Drücken in ihrer Magengegend. “Ich glaube die meisten Soldaten hätten Reiß aus genommen, wäre ihnen ein Jaguar vor die Füße gelaufen.“ Was die Lebenschance definitiv erhöht hätte, sofern sie zu dem Zeitpunkt überhaupt existent gewesen wäre. Fast schon beiläufig lief sie auf Greo zu, kaum dass dieser über den Baumstumpf hinwegsetzte und zum Stehen kam. Ging neben ihm wortlos in die Hocke, um die Fingerspitzen über die schimmernde Spur auf der Rinde zu führen. Stocherte mit zusammengezogenen Augenbrauen fieberhaft in ihren Erinnerungen und hielt dann Daumen und Zeigefinger in das sperrliche Licht über ihrem Kopf. Rieb die Fingerkuppen aneinander und spürte das plötzliche Kribbeln in ihrem Nacken. Irgendwas stimmte hier nicht.
Sein Hirn verknotete sich ein wenig bei der Vorstellung, die sie mit ihrer Erklärung zu Riesenhörnchen zeichnete und er gab ein grunzendes Geräusch von sich, was so was wie ein unterdrücktes Lachen war. Ratten waren ihm durchaus ein Begriff und ihre Beschreibung klang putzig, doch nur, weil etwas nett aussah, war es das nicht unbedingt. Das wiederum wäre eine treffende Beschreibung für alles Lebende auf seiner Heimatinsel Elanora gewesen. Die Menschen eingeschlossen. Ihre Rückfrage quittierte er mit einem Schulterzucken „Ja, Kindsköpfe. Groß halt. Und angriffslustig.“ Seine Mimik verzog sich etwas. Kindsköpfe und „angriffslustig“ in einen Zusammenhang zu setzen war zu merkwürdig. Also schwieg er zu diesem Thema lieber wieder.
Er folgte Skadis Bewegungen mit dem Blick und überlegte, ob er noch eine Frage zu ihrer Heimat stellen sollte oder was ein Jaguar war – aber ihre Reaktion auf den Baumstamm erstickte dieses Bedürfnis im Keim. Er würde sich das für später aufheben müssen. Plötzlich wieder für die Umgebung sensibilisiert, sah er sich alarmiert um und sank sehr vorsichtig ebenfalls in eine Hockposition. Ohne die Umrisse um sich aus den Augen zu lassen, fragte er gedämpft: „Was ist los? Spürst du was?“
Sie hörte das leise Rascheln seiner Hosenbeine, hielt ihren Blick allerdings weiterhin skeptisch auf das schimmernde Sekret an ihren Fingerkuppen gerichtet. Es war erstaunlich wie aufmerksam er ihre Reaktion wahrnahm und sich augenblicklich darauf einzustellen verstand. Eine wirklich angenehme Abenteuergesellschaft, wenn man davon ausgehen musste auf nahezu alles vorbereitet zu sein. Mit einem tiefen Atemzug wandte sie langsam den dunklen Schopf in seine Richtung, ließ die Augen an seinem Profil vorbei in die dunklen Schatten des Waldes huschen und sprach so leise und deutlich wie nur irgend möglich. “Das ist Blut, Greo.“
Etliche Herzschläge verharrte sie in ihrer Position. Lauschte den Geräuschen des Waldes und wartete auf ein Rascheln, Knacken oder Schnauben. Doch nichts davon mischte sich in die ruhige Kulisse um sie herum. “Sogar noch ziemlich frisches.“ Allerdings konnte sie kaum sagen, ob es ein Tier oder ein Mensch gewesen war und warum und wie lange das Blut bereits an der Rinde klebte. Die Blutmenge war zu gering und die Nacht unter dem dichten Blattwerk zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen. Skadi konnte nur hoffen, dass es kein Raubtier war. Andernfalls konnte sie nur noch beten ein Zusammentreffen ohne komplizierte oder schwerwiegende Verletzungen zu überleben. “Wir sollten vorsichtig sein, wenn wir weitergehen.“ Eine Maßnahme, die sie womöglich nicht einmal in Worte fassen musste. Der Ältere erschien ihr clever genug, um zu selbigem Entschluss gekommen zu sein. Doch lieber ging sie auf Nummer sicher, ehe sie sich wenige Augenblicke  später wieder aufrichtete und mit einem Pfeil in der Hand voraus ging. Lieber bildete sie die schützende Vorhut als den Hünen in eine gefährliche Situation zu manövrieren.
Konzentriert sprang sein Blick von ihrem linken zum rechten Auge, während er ihrer Diagnose lauschte. Er fuhr sich mit der Zunge im geschlossenen Mund über die Zähne und überlegte kurz. Die erste Frage, die ihm durch den Kopf ging, beantwortete sie ad hoc. Wenn es relativ frisch war, konnte das betroffene Lebewesen ja eigentlich nicht zu weit sein. Und der Jäger – falls es sich nicht irgendwo anderweitig verletzt hatte – auch. Andererseits kannte er die Wesen hier nicht und er wusste schon, was für ein Tempo und welche Kraft sie an den Tag legten. Unwillkürlich schaute er prüfend zum Boden, als ob er eine Lache ausfindig machen konnte, aber das war zwecklos. Auf ihre Worte hin entschloss er sich nun doch dazu seine Schere zum Schafscheren zu ziehen. Die Klingen waren lang und sehr spitz, die Schneideflächen stets geschärft. Sie waren nicht als Waffen vorgesehen, aber Greo wusste, dass sie genauso gut wie Messer verwendbar waren. Ohne Einspruch zu erheben schloss er sich ihr an. Sie war die Jägerin, sie würde auf ganz andere Zeichen achten als er, der gerade mal Erfahrung in der Treibjagd auf Füchse oder schreckbares Geflügel hatte. Und er rechnete nicht damit einem Tier zu begegnen, dass wie in seiner Heimat war. Leicht geduckt folgte er ihr, diesmal aus Sicherheitsgründen etwas dichter, aber immer noch mit genug Abstand, dass sie sich nicht bei einem plötzlichen Angriff allzu sehr in die Quere kommen würden. Lautlos hob er den Arm und deutete über ihre rechte Schulter hinweg schräg ins Gebüsch. Hatte ihm das Lichtspiel einen Streicht gespielt, oder war das Flackern die Bewegung von etwas gewesen?
Greo bewaffnete sich. Skadi bemerkte es nur beiläufig, während sie versucht lautlos an ihm vorbei schlich und die Vorhut bildete. Letztlich war es sein eigenes Pech, wenn er sich nicht ausreichend um seine Sicherheit kümmerte – wenngleich sie ihm zu Hilfe kam, sollte die Situation ungewollt brenzlig werden oder gar ausarten. Sie waren auf fremdem Grund und Boden und hatten mit allem zu rechnen. Ob es die Nordskov also irgendwie erleichterte, dass er diese Angelegenheit ernst nahm? Zumindest sprach es in ihren Augen für einen wachen und logischen Verstand, dem sie durchaus etwas Positives abgewinnen konnte – war er ihrem schließlich nicht unähnlich. Für weitere Überlegungen war letztlich keine Konzentration mehr übrig und der Gedanke daran ebenso schnell verpufft wie ihr intensiver Blickkontakt.
Schweigend und mit angespannten Muskeln schlichen die beiden somit durchs Unterholz. Machten kaum einen Laut in der tiefschwarzen Nacht, die sich sonderbar drückend ausbreitete und als eisiger Nebel über den Boden glitt. Skadi hielt abrupt inne, als sie Greos Hand in ihrem Augenwinkel bemerkte. Wandte den verengten Blick aus dunkelbraunen Augen auf die gezeigte Richtung und lehnte sich schon fast automatisch zur Seite. Spürte die Wärme seines Armes an ihrem Gesicht während sie darunter hinab tauchte und ihm wortlos zwei Finger in die Luft hielt. Der Bogen lag nach wie vor einsatzbereit in ihrer Hand. Der Pfeil sicher daran gelehnt und mit einem Finger am Zentrum fixiert.
Doch was sich Skadi mit jedem weiteren Schritt eröffnete, ließ sie die dichten, dunklen Brauen zusammenfahren. Erst war es ein einnehmendes Knistern, das sich unter ihre Schritte mischte, aber weder von ihr selbst, noch von Greo zu stammen schien. Und erst als sie den Busch erreichte und durch die vereinzelten Zweige hindurch spähen konnte, erkannte sie das leichte Flackern, das dem Hünen aufgefallen sein musste. Ein Lagerfeuer. Darum vereinzelte Silhouetten, deren verschwommene Umrisse stetig das blasse Licht unterbrachen.
Nur an der Stimmfarbe vermutete die Nordskov, dass es Männer waren. Erkannte in geduckter Haltung drei von ihnen direkt am Feuer und vermutete einen vierten irgendwo weit hinter der kleinen Gruppe im Gebüsch. Immer wieder wandten sich die Blicke in jene Richtung herum und verzerrten das Gespräch, das über die weite Distanz kaum zu vernehmen war. Skadi selbst war nicht sonderlich erpicht darauf den Fremden näher zu kommen. Alles in ihr schrie danach das Weite zu suchen, solange sie die Möglichkeit dazu hatte. Wie es um Greo bestellt war, ergründete sie mit einem intensiven Blick über ihre Schulter. Versuchte das kantige Gesicht des Älteren im Dunkeln zu erkennen und bedeutete ihm mit einem lautlosen Kopfschütteln, dass ihr diese Situation definitiv nicht behagte.
Er wusste nicht einzuschätzen, ob sie wirklich furchtlos war, oder das nur gut verbarg. Obwohl er selbst niemand war, der es gerne auf gefährliche Situationen anlegte, zollte er ihr Respekt dafür, dass sie die Initiative ergriff und vorausging. Aktivität ist gut, dachte Greo, Passivität ist gefährlich. Sie konnten noch nicht ahnen, worauf sie sich zubewegten. Es war riskant. Aber vielleicht würden sie herausfinden, was das Blut auf dem Stamm hinterlassen hatte.
Greo neigte leicht das Kinn, als sie ihm mit zwei Fingern ein Zeichen gab und spürte eine Gänsehaut über seine Arme aufflammen. Da war also wirklich etwas gewesen. Behutsam duckte er sich und versteinerte zu einem Felsen. Lediglich sein Blinzeln verriet, dass er keine Statue war, während er ihr erst einmal nachsah, wie sie sich anpirschte. Weiche, behutsame Bewegungen.
Erst wagte er keine Regung. Er fürchtete in einem unbedachten Moment auf etwas zu treten, was sie verraten würde. Minutiös begann er sich voranzuschieben und etwas zu der Frau aufzuschließen, bis er etwas ein, zwei Meter hinter ihr erneut verweilt und an ihr vorbei einen schmalen Streifen Szene entdeckte. Viel war es nicht, was er sah. Und als sich Skadi umwandte, konnte er außer einem sanften Schein um ihren Schopf nicht viel von ihrer Mimik sehen, die in tiefe Schatten getaucht war. Aber ihr Kopfschütteln sagte ihm genug. Er presste die Kiefer aufeinander, die Augen geweitet, die Nasenflügel bebend. Eine Gruppe fremder Männer irgendwo im Nirgendwo musste nicht direkt eine tödliche Katastrophe bedeuten. Aber das letzte Mal, dass er offenherzig auf Fremde zugetreten war, hatte er nicht in guter Erinnerung. Er nickte zaghaft und zog sich unauffällig zurück: langsam und vorsichtig. Jeder Krümel am Boden schien sich in seine Fußsohlen zu drücken, jeder Halm kitzelte ihn nicht nur, sondern kratzte ihn scharf an der Haut. Alle seine Sinne liefen auf Hochtouren.
Einer der Männer am Feuer war aufgestanden und rief etwas zu der Person, die sich irgendwo entfernt befinden musste. Jemand lachte und es raschelte. Greo befürchtete hinter dem Feuer den Kopf eines Hundes aufmerksam in die Höhe schnellen zu sehen und hoffte sehr, dass das nur eine Täuschung war. Lautlos formten seine Lippen das Wort: Hund. Die Haut um Gesicht und Ohren kribbelte ihm.
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Crewmitglied der Sphinx
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#3
Ebenso wie Greo, setzte sich auch der Körper der Nordskov in Bewegung. Behielt das kleine beschauliche Lagerfeuer im Blick, an dessen Rand noch immer die drei Männer saßen und sich augenscheinlich mit den Geistern des Waldes in ihrem Rücken zu unterhalten schienen, während es Schritt um Schritt aus ihrem Sichtfeld verschwand. Doch im selben Moment, indem das dunkle Augenpaar Skadis prüfend erneut zu dem Älteren zurück sah, erkannte der Schäfer eine Regung. Wirkte schlagartig angespannt und unruhig, während sich die vollen Lippen zu einem einzigen Wort formten: Hund. Mit geweiteten Augen schnellte der kurze Haarschopf der Nordskov wieder zurück. Suchte für ein paar Herzschläge zu lange nach dem hinauf fahrenden Kopf des Tieres, dessen Ohren alarmiert aufgestellt waren und mit einem tiefen Knurren die Aufmerksamkeit seiner Besitzer auf sich zog. Selbst auf die Distanz war es unverkennbar, dass es sie oder zumindest ihre Gerüche bemerkt hatte. Im selben Augenblick schob Skadi bereits ihren Bogen zurück auf ihren Oberkörper, vergrub ihre Hände tief im kalten dunklen Boden und rieb sich Arme und Brust ein. Wandte sich dann mit ausladenden Schritten zu Greo herum und erwischte ihn nur noch an der Schulter, ehe die irritierten Stimmen und das erste Bellen erklangen. “Wie gut kannst du klettern?“ Wachsam fixierten die braunen Augen das im Schatten liegende Gesicht und erkannten doch jede Regung darin, als sie nur noch eine Hand breit von ihm inne hielt und über seine Schulter hinweg zu einem der dickeren Bäume schielte.

Der Mann, der direkt neben dem Hund saß, beobachtete die Haltung des Tieres und folgte dessen Blick, indem er sich selbst umwandte und mit konzentrierter Mimik in das dunkle Gewächs starrte. Greo registrierte nicht wirklich Skadis Bewegungen und ging nur ein paar Schritte rückwärts, das Gesicht unverwandt auf die Gruppe gerichtet. Was sollte er sich noch einreiben? Er war barfuß durch die Erde gestapft und hatte mit Sicherheit schon genug Düfte für den Hund hinterlassen, dessen Schemen sich in der Ferne erhob und lauernd loszulaufen begann. Er straffte die Schultern, als Skadi ihn berührte. „Besser als der Hund.“, sagte er, wobei er die Worte leise beim Ausatmen über die Lippen gleiten ließ. Fließend drehte er sich um und begann ohne groß Federlesen hochzusteigen. Um sie machte er sich da keine Sorgen, sie war vermutlich schneller.
Er hoffte nur, dass die Äste hoch und breit genug waren – denn wenn die Männer Waffen hatten, mit denen sie blindlings in die Wipfel schossen, hatten sie kaum eine Chance sich zu verbergen. Außerdem mussten sie sein Gewicht tragen und er schätzte, dass er deutlich schwerer und plumper war als die Frau-die-mal-ein-Kerl-war-und-dann-nicht-mehr-wie-war-noch-gleich-ihr-Name. Da er ohne Schuhe unterwegs war, ging es leichter mit dem Halt, aber dafür hingen sie ihm ihm mit den Senkeln um den Hals, rutschten auf seinen Rücken und drückten ihm gegen die Luftröhre. Greo kletterte trotzdem – und spürte jäh einen Widerstand. Er versuchte sich erneut auf den Ast zu hieven, wurde aber ruckartig zurückgehalten. Ein kurzer Moment von Panik überkam ihn. Seine Füße rutschten an der Borke ab und pendelten frei in der Luft. Er keuchte, versuchte das Geräusch aber so gut wie möglich zu unterdrücken. Er konnte den Kopf nicht drehen, um zu sehen, wo er fest hing, aber es mussten die Schuhe oder das Bündel mit dem toten Vogel sein, die ihn festsetzten. Innerlich fluchte er. Er musste das Ding bald loswerden, der Geruch nach Blut musste den Hund ohnehin auf ihre Spur bringen. Vorsichtig ließ er los und sank auf die Gabelung zurück, von der aus er gestartet war. Mit flinken Fingern zog er sich Vogel und Schuhe vom Rücken vor die Brust und kletterte erneut los. Er wollte erst etwas höher kommen. Seine Augen suchte kurz nach Skadi. Derweil waren zwei der Männer aufgestanden und folgten dem Hund bis zu den Bäumen. Ihre Stimmen wurden lauter. Sie waren irritiert. Hinter ihnen rief einer vom Feuer, sie sollten sich nicht so anstellen.

Greo machte keine Anstalten sich sonderlich lang bitten zu lassen. Wandte sich fast im selben Moment herum, als er seine flüsternde Stimme erhob und Skadi für einen kurzen Augenblick allein hinterm Busch zurück ließ. Mit verengten Augen sah die Jägerin seiner Silhouette hinterher und folgte ihm erst, als sie sicher gehen konnte, dass er hoch genug war, um nicht an den Knöcheln gepackt und hinab gezerrt zu werden. Immerhin konnte sie ihm oberhalb der Gabelungen kaum zu Hilfe eilen, sollte er sich ungewollt an einem der Zweige verheddern. Doch wie es schien bewegte sich der Hüne erstaunlich flink und elegant an den Ästen und der rauen Baumrinde hinauf und entlockte der Nordskov ein kurzweiliges Blinzeln, ehe sie sich endlich selbst in Bewegung setzte und Ast um Ast hinauf zog. Genauso wie vor 5 Jahren, als die Wälder ihrer Insel ihr zweites zu Hause gewesen waren.
Ein Japsen lenkte ihren Blick über die Schulter nach unten zurück. Ließ sie im letzten Moment den strauchelnden Hünen erkennen, der ganz offensichtlich irgendwo hängen geblieben war und wie ein Fisch mit zappelndem Unterkörper abzurutschen drohte. Wie von selbst, ließ sich die Jägerin ohne zu Zögern von ihrem Ast Kopf über hinab baumeln. Streckte sich mit angespanntem Körper in Greos Richtung, um das Band mit ihrem Dolch zu durchtrennen, das sich in einem der kleinen Abzweigungen des Astes verheddert hatte. Doch der Schäfer kam ihr zuvor und ließ sich bereits auf die Astgabel unter sich zurück gleiten. Zog seine Schuhe und den toten Vogel vor seine Brust, um einen Herzschlag später erneut in ihre Richtung hinauf zu klettern. Unmissverständlich deutete sie mit ausgestrecktem Finger auf seinen Ballast. Streckte kurz darauf beide Hände in seine Richtung, um ihm das Federvieh abzunehmen und es an seiner Statt weit hinauf in die Baumkrone zu tragen. Oder als Lockmittel weit genug von ihm entfernt zu deponieren. Doch der aufkommende Lärm lenkte ihre Aufmerksamkeit für einen Herzschlag zu lang auf den Boden unter ihnen zurück, um mit einem angespannten Schlucken die Tatsache zu verdrängen, dass ihn nicht mehr viel Zeit blieb, um unbemerkt ins schützende Geäst vorzudringen. Denn wenn sie den flackernden Lichtkegel richtig deutete, befanden sich die zwei Männer schon in unmittelbarer Nähe. Und mit ihnen das dröhnende Bellen des Hundes.
“Scheiße… was hat der Köter nur für ein Problem?“, erklang es dumpf und deutlich betrunken unter den Wipfeln empor. Darauf folgend scharrende Geräusche, als hätte der Mann verärgert seine Schuhspitze in den Boden gerammt oder versucht den Hund am Hinterteil zu erwischen.
Mit verengten Augen schielte Skadi auf Greo zurück. Presste die Lippen fest aufeinander, während sie bereits die Hände um ihre neue Beute schloss und sich ohne viel Mühe auf ihren Ast zurück zog. Das zusätzliche Gewicht war deutlich spürbar und drückte sich einer Schlinge gleich auf ihre Schulter. Doch wie so üblich ignorierte sie die Signale ihres Körpers und kletterte –wenn auch bedeutend langsamer- in Richtung Baumkrone hinauf.

“Keine Ahnung! Hat bestimmt wieder nen Kaninchen gerochen. Lass uns zurück gehen.“
“Hey… hast du das gehört?“

Stille setzte ein, in der auch Skadi in ihrer Bewegung inne hielt und versuchte mit einem zaghaften Blick zurück durch die vereinzelten Blätter die Szenerie am Baumstamm zu beobachten. Lauschte in die knisternde Stille hinein, die lediglich vom Knurren des Hundes und Knacken der Fackel durchbrochen wurde, die einer der Fremden bei sich trug. Und erst als die Nordskov bereits die dunklen Augen abwenden und sich weiter am Stamm hinauf ziehen wollte, hörte sie es. Das stetig lauter werdende Rascheln, das unter ihnen aus den Büschen ertönte.

Erst später würde er sich daran erinnern, dass sie nach ihm losgeklettert war und ihn ohne große Mühen flink überholt hatte. Dann würde er in der Stille eines frühen Morgens anerkennend nicken. Jetzt war dafür jedoch nicht der richtige Zeitpunkt. Skadi wollte ihm zur Hilfe kommen und nahm ihm das Bündel mit dem Vogel ab. Er hatte keine Hand frei, um ihr zu gestikulieren, dass sie ihn weit wegwerfen sollte, um die Aufmerksamkeit des Hundes auf die Bewegung abzulenken. Seine Finger krallten sich um einen Ast, der sich gefährlich unter seinem Gewicht zu biegen begann. Viel weiter nach oben wagte er sich nicht. Er konnte also nur hoffen, dass man ihn von unten nicht sah und das Geäst jenseits seiner Füße mögliche Schüsse in die Höhe abfangen würde. Er kletterte noch einen Meter hinauf, dann hockte er sich auf einen halbwegs stabilen Ast, der sich fröhlich abgabelte. Greo drückte sich so eng wie möglich an den Stamm und warf mit verengten Augen einen Blick nach oben, ob er Skadi entdecken konnte. Er wagte es nicht, etwas zu sagen, nicht mit den wachen Ohren des Hundes in der Nähe, der kein Wort verstehen, aber seine Stimme sicherlich vernehmen würde. Kurz flammte in ihm Hoffnung auf, dass die Kerle verschwinden würden. Stattdessen wurde das Misstrauen unten am Boden größer. Der Hund stromerte zwischen den naheliegenden Stämmen herum. Er schnüffelte, leckte sich die Schnauze, schnaubte vernehmlich und scharrte gelegentlich im Grund. Immer wieder drückte er sich durch Gebüsch, hob den Kopf irritiert und schaute einmal in die Baumkronen.
„Blödes Vieh.“, knurrte einer der Männer, der nicht ganz so benebelt schien, und kniff die Augen gegen die Dunkelheit zusammen. „Da ist nix, komm zurück!“
„Was, wenn doch?“, lallte sein Begleiter. „Ein Tier oder so?“ Seine Augen wurden rund. „Jemand hat uns belauscht!“
„Vielleicht deine Mutter.“, höhnte Ersterer. „Du Schwachkopf, wer sollte uns hierhin verfolgen?“ Das sagte er zwar, kehrte jedoch nicht um.
Der Hund kratzte derweil am Stamm des Baumes, auf dem Skadi und Greo hockten – wandte sich dann aber auch schon wieder ab und taperte witternd in das Unterholz.
„Was macht ihr da hinten?“, rief der dritte Mann vom Feuer her. Er stand auf und etwas klickte. „Stellt euch nicht so an. Da ist niemand.“ Der vierte Mann pflichtete ihm bei. Der Betrunkene runzelte die Stirn, drehte sich kurzerhand um und schlug sich durch das Gestrüpp zurück. Der erste blieb skeptisch. Er betrachtete den Hund und starrte in die Baumkronen. Irgendetwas hatte sich da bewegt. Er war sicher. Ob er eine wertvolle Kugel verballern sollte? Was, wenn sich da doch jemand versteckte? Er legte mit seiner Donnerbüchse an – zielen konnte er in der Dunkelheit aber nicht gut. Er zog hörbar die Nase hoch. „Ich krieg dich. Ich krieg dich du Bastard.“, sprach er zu sich selbst und drückte ab.

Greo hatte sichtlich Probleme damit weiter ins Geäst vorzudringen. Wann immer Skadi die dunklen Augen zurück wandte, um nach seinem Verbleib zu sehen, erkannte sie unter angehaltenem Atem wie sich der Hüne vorsichtig weiter hinauf zog und mit derselben Besorgnis auf den sich biegenden Ast über ihm blickte wie sie. Weiter würde er es wohl kaum mehr in die sichere Baumkrone schaffen, ohne krachend hinab zu stürzen und sich womöglich an den dickeren Ästen unterhalb sämtliche Rippe und Knochen zu brechen, ehe er schmerzhaft am Boden aufschlug. Somit schenkte sie ihm ein verstehendes Nicken. Fokussierte sich auf die Geräusche am Fußende des Baumes und ließ sich bäuchlings auf den Ast gleiten. Krabbelte Millimeter um Millimeter voraus, bis das erste leise Knacken ertönte. Weiter unten hörte sie bereits das Rascheln der Büsche. Das geräuschvolle Schnüffeln und Grunzen des Hundes, dessen Augen zu ihr hinauf blickten, ohne sie unter dem dichten Blätterdach erspähen zu können. Mit äußerster Vorsicht zog sich Skadi den Vogel von den Schultern und platzierte ihn dicht vor sich auf dem Ast. Ging dazu über das Seil von den schwarzen, ledrigen Füßen zu lösen, das Greo mit geübten Fingern daran festgebunden hatte. Im rechten Moment würde sie den Vogel ein letztes Mal fliegen lassen. Ihn als Ablenkung verwenden und hoffen, sich damit sowohl den Vierbeiner, als auch dessen betrunkene Herrchen vom Leib zu halten. Doch was auf die fortführenden Schritte folgte, war ein leises, bösartiges Zischeln und ein ohrenbetäubender Schuss. Irgendwo zersplitterte Holz. Flog in kleinen Stückchen durch die Luft und streifte die Nordskov am Bein.
So glaubte sie zumindest. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt das Gleichgewicht zu halten, das der Schuss jäh durcheinander gebracht hatte. Versuchte sich mit ausgestreckten Armen an einem der umliegenden Äste festzuhalten. Nur um dann doch ruckartig zur Seite zu rutschen. Erschrocken starrten die weit aufgerissenen Augen der Nordskov in die Dunkelheit des Blätterdachs. Sahen dem unausweichlichen Fall entgegen, den sie nur in letzter Sekunde verhindern konnte – die Hände fest um den Ast geschlungen, der leicht zu wippen begann. Der Vogel krachte jedoch geräuschvoll hinab und hinterließ vereinzelte schwarze Federn in der Luft. Nur wenig später hörte die Nordskov das Knurren des Hundes. Ebenso das triumphierende Auflachen des Mannes, kaum dass er sich siegessicher näherte und darauf hoffte, seinen Angreifer endgültig zur Strecke gebracht zu haben.
“Was zur Hölle ist denn das?“
Skeptisch stand er über das tote Vogelvieh gebeugt und trat erneut nach dem Hund, dessen Fang bereits nach dem Hals des Tieres ausgeholt hatte. Es glich einem Wunder, dass er bei seinem irritierten Blick nach oben nicht den hängenden Leib der Nordskov erkannte.
“Verdammt… wieso schießt du wie ein Irrer durch den Wald? Hast du sie noch alle?“
Abermals erhob sich Geraschel aus dem Unterholz. Einer der anderen war, aufgeschreckt vom lauten Schuss der Pistole, zurückgekehrt und rügte seinen Kameraden mit einem Schlag auf den Hinterkopf.
“Ich dachte da wäre was.“, entgegnete dieser brummend und unterdrückte den jähen Impuls seinem Kameraden eine überzubraten.
“Ach.. du meinst es lohnt sich die Jäger für nen dämliches Vogelvieh auf sich aufmerksam zu machen? “

Langsam versuchte sich Skadi unter dem Lärm des Gesprächs wieder hinauf zu ziehen, bevor ihre Arme jegliche Kraft verloren und ein weiterer Blick der Männer sie in dem aufgebrochenen Blätterdach entdeckte. Ganz davon abgesehen musste sie nach Greo sehen. Sicher gehen, dass ihn die Kugel nicht unerwartet getroffen hatte und er nur noch mit Müh und Not aufrecht am Baumstamm sitzen bleiben konnte. Mit einem kraftvollen Schwung glitt der Körper zur Seite und erreichte im rechten Moment mit einem Fuß die Oberseite des Astes. Zog sich unter einem schieren Kraftakt hinauf und stützte sich schwer atmend mit beiden Händen auf. Doch viel Zeit für eine Verschnaufpause ließ sich die Dunkelhaarige nicht. Hörte den allmählich entflammenden Streit der Männer bis hoch in den Wipfel, während sie in Zeitlupe auf ihrem Ast zurück rutschte und den Abstieg in Richtung Greo begann.
“Aber da war …“,erhob sich die dunkle Stimme unterhalb erneut und stockte, als ein heftiger Hieb gegen seine Schulter ihn aufatmen ließ. Wut blitzte in den dunklen Augen auf, die sich brummend zurück wandten und in die sichtlich genervte Miene des Älteren blickte.
“Da war gar nichts… und jetzt beweg deinen nichtsnutzigen Arsch zurück.“

Angespannt presste er sich an den Baum und schaute unter minimalsten Bewegungen abwechselnd hoch zu Skadi und dann wieder runter, wo sich ihre unbeliebte Gesellschaft befand. Er konnte unten kaum jemanden sehen und auch von der Jägerin konnte er allenfalls was von der Hüfte und mal vom Ellbogen ausmachen, je nachdem, wie sie sich gerade bewegte. Er hatte die Hoffnung, dass die Kerle unten entsprechend ebenso wenig erkennen konnten und zählte innerlich – mehr oder weniger korrekt – nervös von Tausend rückwärts. Er linste erneut über sich, wo er beobachten konnte, wie sich der Schnabel des Vogels zwischen ein paar Blätter in sein Blickfeld bewegte und irgendwie verharrte. Sie musste einen Plan haben. Werd‘ ihn los, beschwor Greo sie innerlich, schick das Ding zur Hölle und lenk sie von uns ab. Er hatte noch einen Gedanken, der jäh von einem Schuss unterbrochen wurde. Greo, mit seinem ganzen Leib dicht am Stamm, knallte mit der Stirn gegen die schroffe Rinde und fügte sich damit selbst eine Schürfwunde am Haaransatz zu, ohne, dass die da unten ihm tatsächlich gefährlich wurden. Der Schuss hatte ihn nicht erwischt, sondern war dicht an ihm vorbeigerauscht und etwas oberhalb in den Baum eingedrungen. Hätte er seinen Hut auf dem Kopf getragen: die Kugel wäre durch die Krempe geschossen und das wäre für ihn wahrscheinlich genauso schlimm gewesen, wie körperlich getroffen zu sein. Aber nichts dergleichen war passiert und Greo wagte es, sich wieder zu regen. Skadi hatte den Vogel fallen lassen und obwohl das für die Ablenkung sorgte, die sie dringend brauchten, war sein erster Impuls ein Schreck.
Erneut prickelte ein Schauer über seine Haut und die Härchen an seinen Armen stellten sich protestierend auf. War die Frau da oben etwa getroffen worden? Er konnte sie kaum ausmachen. Er getraute sich jedoch nicht nach ihr zu rufen, und sei es noch im leisesten Flüsterton. Prüfend schaute er zum Boden. Die Männer wähnten sich als erfolgreiche Jäger, oder zumindest teilweise. Sie waren beschäftigt und Greo war erleichtert darüber. Noch erleichterter war er, als er merkte, wie Skadi sich bewegte und versuchte sich weiter in Sicherheit zu bringen. Er sah ihr entgegen und hob kurz warnend eine Hand. Prüfend spähte er nach den Männern, die sich nun mit ihrer Beute wieder zum Feuer zurückbegeben hatten. Der Hund setzte sich unwillig und glotzte vom Feuer aus zurück ins Gebüsch, aber der Duft vom Leib des Vogels lenkte ihn an. Einer der Männer schaute ebenfalls skeptisch zurück, griff dann aber nach einem Humpen und beließ es zunächst dabei. Greo konnte das freilich nicht sehen, merkte aber, dass sie erst einmal weg waren. Er lockerte sich und winkte Skadi zu. „Die sind weg, schätze ich. Aber wenn sie merken, dass der Vogel ausgeblutet ist und keine Kugel drin war – wir sollten abhauen.“
Vorsichtig drehte er sich auf dem Ast und rutschte den Weg runter, den er hochgekommen war. Adrenalin überflutete ihn, als seine Füße den feuchten Grund des Waldbodens berührten und er verharrte kurz, als ob er ertappt sei. Dann wandte er sich behutsam um und hielt geduckt nach den Kerlen Ausschau. Sie mussten jetzt schnell sein. Er hielt Daumen und Zeigefinger zu einem O zusammen als Signal, dass die Luft soweit rein war und drückte sich hinter den Baum weg ins tiefe Dunkel zurück auf den Pfad, den sie hergekommen waren. In seinem Kopf klingelte es. „Das Blut vom Stamm“, wisperte er und schaute sich um, ob Skadi seine zaghaft geflüsterten Worte hören konnte, ob sie überhaupt in der Nähe war, „meinst du, das waren die?“

Just in der Bewegung hielt Skadi inne, ein Bein bereits auf den Ast unter sich gestützt und die beiden Hände fest um die Rinde des darüber liegenden gelegt. Mit starrem Blick sah sie der erhobenen Hand Greos entgegen, ließ das dunkle Braun nur langsam in die Augenwinkel und am Baum hinab huschen. Noch immer konnte sie dunkle Schemen zwischen den Blattbüscheln erkennen, wurde jedoch durch die eigenen Arme behindert und seufzte innerlich. Zumindest konnte sie nun mehr davon ausgehen, dass die Kugel den Hünen allerhöchstens gestreift und nicht getroffen hatte, so sicher wie er an den Baumstamm geklammert saß und den Blick ebenfalls gen Boden richtete. Was hätte das wohl für ein Drama gegeben, wäre sie mit einem verletzten Greo auf die Sphinx zurückgekehrt? Wahrscheinlich wäre sie zu allem Überfluss auch noch der Buhmann gewesen. Verwundert hätte es die Nordskov zumindest nicht – wenngleich ihr das darauffolgende Misstrauen gleichsam egal gewesen wäre. Erst als die ersten dumpfen Wortfetzen ihr Ohr erreichten, wagte sie es aufzusehen. Direkt in das von Schatten übersäte Gesicht des Älteren. Entgegnete ihm nur mit einem deutlichen Nicken ihre Zustimmung und machte sich leichtfüßig an den Abstieg. Nichts war ihr lieber als das. Von hier zu verschwinden und so viele Fuß und Meilen zwischen sich und diese Banditen zu bringen wir irgend möglich. Denn etwas anderes konnten sie bei diesen Worten kaum sein, oder? Gesuchte Verbrecher, wenn sie den Begriff „Jäger“ recht zu interpretieren versuchte.
Mit einem dumpfen Aufprall kamen die nackten Füße auf dem staubigen Boden zum Stehen und krallten sich jäh in den sicheren Untergrund. Noch während die Dunkelhaarige einige Herzschläge schräg neben dem Hünen in der Hocke verweilte, späten die dunklen Augen bereits sehnsüchtig zum sicheren Gebüsch hinüber, das schützend die Arme nach ihnen ausstreckte. Somit folgte sie dem Älteren ohne zu zögern wie ein Schatten. Blieb dicht hinter ihm, um jeden seiner Fußspuren mit einer wischenden Seitwärtsbewegung ihrer Füße im Nichts zu zerstreuen. Erst als sie bereits tiefer in den Wald vorgedrungen waren und die angenehme Stille ihre Köpfe umspielte, wagte sie es voraus zu eilen und in immer noch geduckter Haltung neben ihren Begleiter zu huschen. “Ich bin mir ziemlich sicher…“ War das dunkle Augenpaar prüfend umher geglitten, richteten sie sich mit einem skeptischen Funkeln auf das kaum erkennbare Gesicht neben sich. War die Dunkelheit jäh einnehmender geworden oder hatte das Licht des Lagerfeuers ihr Sehvermögen getrübt? “Bei dir alles okay? Hat dich der Schuss erwischt?“
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Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
#4
Sein Puls rauschte ihm nach wie vor in den Ohren, als müsse er ihn wie eine aufgebrachte Mutter rügen. Greo machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf. Das beruhigte das aufdringliche Wummern in seinem Gehörgang nicht, aber es ordnete seine anderen Gedanken. Fast etwas grimmig ob der Kerle, denen sie begegnet waren, sah er Skadi an. „Idioten.“, sagte er nur und setzte sich den Hut auf. Damit fühlte er sich direkt sehr viel mehr nach sich selbst – und das wiederum ließ das Pochen in seinem Schädel nachlassen. Kurz tastete er nach der Schramme oben auf seiner Stirn, konnte aber nichts als ein paar oberflächliche Kratzer feststellen. Obwohl er es eilig hatte wegzukommen, war er nun noch aufmerksamer als vorher und prüfte eingehend, ob er auch den richtigen Weg einschlug. Das war bei den widrigen Lichtverhältnissen und dem Umstand, dass er sich nicht auskannte allerdings schwer. „Nichts weiter passiert. Ist in den Baum geballert. Bei dir alles in Ordnung?“, fragte er und sein forschender Blick versuchte im schummrigen Etwas von ihrem Gesicht zu erkennen. Soweit schien sie unverletzt, zumindest bewegte sie sich genauso flink wie vorher, aber manchmal war an so was auch nur der Schock schuld. Skeptisch schaute er über seine Schulter zurück, obwohl klar war, dass er nichts mehr von dem Feuer erkennen konnte. „Turbulenter Spaziergang.“, brummelte er und schüttelte den Kopf.

Ein kurzes Zucken durchfuhr ihren Mundwinkel, kaum dass Greo sich mit einem leisen Fluch den Hut auf den Kopf zurück setzte. Treffender hätte sie es wohl kaum formulieren können, selbst wenn sie diese eine Frage auf ihrem Weg zurück durch das Unterholz kaum losließ. Was taten diese Kerle nur so tief im Wald? Es war fast schon offensichtlich, dass sie sich verfolgt fühlten oder zumindest nicht sonderlich erpicht darauf schienen, heimlich beobachtet zu werden. So ganz hatte sie die Gespräche der Männer durch die Sträucher nicht verstehen können.
Auf Greos Frage hin nickte sie nur beiläufig und bemerkte erst ein, zwei Schritte später, wie sie unbewusst langsamer geworden war. Mit fest aufeinander gepressten Lippen und dicht zusammengezogenen Augenbrauen den Kopf auf den immer schwarzen Boden gerichtet. Instinktiv schob sie ihren pulsierenden Daumen unter der Sehne ihres Bogens hinweg und richtete die dunklen Augen blinzelnd auf den Hünen neben sich, während sie zu ihm aufschloss und schnaubte.
“Ich frage mich nur, was die hier treiben…“
Erfahren würde sie es allerdings wohl nie. Ganz gleich wie verdammt neugierig sie war. Ein leises Brummen verließ ihre Kehle, während sie den Brustkorb mit Sauerstoff fühlte und sich streckte. Hörte das leise Knacken ihrer Gelenke und Wirbel in ihren Ohren und schielte ein letztes Mal aus den Augenwinkeln auf die Silhouette des Hutes.
“Willst du lieber zum Schiff zurück?“

Im Gegensatz zu Skadi hatte Greo kein weiteres Interesse an den Machenschaften der Männer. Ihn erinnerte die Situation grotesk an entlaufene Sträflinge, die sich im Buschland versteckten und dann begannen zu wildern. Es war ihm gleich, was die Typen veranstalteten, solange sie ihm nicht zu nahekamen und er es auf keinen handgreiflichen Konflikt ankommen lassen musste. War einfach nicht sein Ding. Er zog die Nase kraus. „Was auch immer, solang sie das Schiff nicht sehen.“ Wahrscheinlich war es vernünftig das Beiboot schleunigst wieder aufs Wasser zu befördern und Eindringlingen gar nicht erst die Chance zu geben, auf die Sphinx zu kommen. Wo ein Idiot war, waren meist viele – wer wusste schon, was sich noch hier im Wald für Früchtchen rumtrieben. Greos Ohren zuckten, als er Skadis Gelenke knacken hörte. „Schätze schon.“, meinte er nur, „So ‘ne Kletterei in der Nacht reicht einmal.“ Nun schlich sich doch ein leicht verschmitztes Lächeln auf seine Lippen. „Jagst du noch?“

Solange sie das Schiff nicht sahen. Es war erstaunlich, wie klar seine Gedanken in jenem Moment auf die Sphinx fokussiert waren, während sie selbst immer noch über die Beweggründe dieser Männer philosophierte. War sie nach all den Jahren immer noch so sehr darauf fixiert, die Dinge bis ins kleinste Detail verstehen zu wollen? Unweigerlich pressten sich die vollen Lippen der Nordskov zusammen. Sie beneidete Greo für seine pragmatische Art, die ihn den Blick auf das Wesentliche lenken ließ. Zumindest entnahm sie seinem Gesichtsausdruck ein erhebliches Desinteresse an den Fremden, das ihr durchaus gut getan hätte.
Mit einem deutlichen Nicken nahm sie seine Antwort zu Protokoll und seufzte vernehmlich angesichts seiner darauffolgenden Frage. Ihr blieb wohl kaum etwas anderes übrig.

“Ich kapituliere vor deiner Vernunft.“, entgegnete die Dunkelhaarige und wandte den Blick unter einem sanften Schmunzeln auf die feinen Züge des Älteren.

“Jagen kann ich auch noch morgen.“ Oder zumindest den Versuch unternehmen, die eher nachtaktiven Tiere vor Pfeil und Bogen zu bekommen. “Wegen der Wilderer wäre es jetzt so oder so schwierig geworden.“

Greos verschmitztes Lächeln, das sich im plötzlichen Lichtschein des aufgebrochenen Blätterdachs gen Boden reckte, verwunderte Skadi für einen Moment. Ließ sie augenblicklich den Schritt beschleunigen und im Rückwärtsgang seine Gestalt noch gründlicher in Augenschein nehmen.
“Wieso fragst du?“
Nun waren es ihre Lippen, die den Anflug eines Grinsens trugen.

„Weil du mehr Abenteuer suchst als ich.“, erwiderte er schlicht und legte die Hände auf die Schuhe, die immer noch um seinen Hals baumelten. Er hob leicht die Schultern an, ließ sie fallen und stieß den Atem zwischen den Zähnen aus, während er sie beobachtete, wie sie vor ihm herlief. Himmel, wo hatten die Damen des Schiffes bitte alle ihren Elan her? Kurz einer Massakrierung entgangen und immer noch scharf drauf im Dunkeln spazieren zu gehen. „Ich ziehe den Hut, dafür bin ich wohl zu fad.“, stellte Greo dann nüchtern fest. „Keine Ahnung, wie du noch Interesse daran haben kannst, dich in der gleichen Gegend wie die Typen herumzutreiben.“ Er musste lachen, drückte sich aber den Handrücken auf den Mund, um das Geräusch zu dämpfen und nicht noch wer weiß wen auf den Plan zu rufen. „Vielleicht nimmst du dafür wen anders mit, zumal wir alle froh um einen leckeren Bissen Beute wären.“ Wen genau, wusste er nicht. Er hatte das Gefühl die anderen zu wenig einschätzen zu können.

Schlagartig lag ihre Stirn in Falten. Nicht etwa, weil Greos Aussage sie verärgerte. Es verwunderte sie viel mehr, dass sie auf ihn wie ein abenteuerlustiger Mensch wirken musste. Oh, pardon. Abenteuerlustiger als er, was nach seiner eigenen Aussage so gut wie „normal neugierig“ sein musste. Skadi lächelt matt. Schloss unter einem tiefen Atemzug die dunklen Augen und trat zur Seite. Greo war also nicht der Typ Mensch, der sich freiwillig in eine brenzlige Situation begab. Gut zu wissen.

“Ich suche sie nicht. Aber ich habe auch keine Angst davor.“, entgegnete sie mit einem Achselzucken und folgte Greo, kaum dass er auf selber Höhe war. Das war wohl einer dieser gravierenden Unterschiede zwischen ihnen. Er, der ruhige Berg, der seine Umgebung im Blick behielt, aber Auseinandersetzungen so gut es ging vermied - fast als interessierte ihn seine Umgebung nur peripher. Und sie daneben, der kleine Kampfzwerg, dessen Neugierde oder Moral zumeist stärker war, als ihre rationale Vernunft.

“Und davon abgesehen tut es Menschen wie mir auch mal ganz gut, auf den Boden der Realität zurückgeholt zu werden.“

Durch wache Geister wie ihn oder Lucien. Manchmal auch Enrique, wenn sein Temperament nicht mit ihm durchging. Und dass sie lieber allein jagte, verkniff sie sich in diesem Moment lieber, steuerte auf einen Baumstamm zu, um kleine Pilze von seiner Rinde zu schneiden.

“Ich werde auf unserem Rückweg ein paar Fallen aufstellen. Wie gesagt bezweifle ich, dass ich bei dem Krach, den die veranstalten überhaupt etwas fangen würde.“

Ihre Reaktion auf seine Aussage hin konnte er nicht einsortieren. Er sah zu ihr, wie sie an seine Seite trat und richtete den Blick dann wieder auf das Unterholz. Letztlich war es auch gleich, ob sie ihm nach seiner Aussage hin den Langweiler-Stempel auf die Stirn pfefferte. Er musste sich ja eigentlich vor niemandem rechtfertigen, dass er andere Interessen hatte, als sich das Fell über die Ohren ziehen zu lassen. „Angst schützt dich, es darf nur keine blinde Panik werden.“, wendete er ein und duckte sich unter einem Ast weg. Realität. Greo dachte kurz darüber nach, wie sehr er mit den Füßen auf diesem verdammten Boden stand, sagte aber nichts weiter dazu. Stattdessen sah er Skadi kurz zu, wie sie Pilze sammelt und knibbelte mit den Fingerspitzen etwas Moos von seinen Schuhsohlen, während er die nackten Zehen in den Untergrund grub. „Auch nicht verkehrt.“, kommentierte er, fragte sich jedoch kurz, ob die Hohlköpfe dumm genug waren und vielleicht selbst in die Fallen tappten. „Ich nehme an, du kannst dir auch in fremden Gebiet gut merken, wo was platziert wurde?“, fragte Greo schließlich und überlegte sich, dass das eine nützliche Eigenschaft sein konnte.

Greo mochte unter Umständen Recht haben. Doch der Nordskov war ihr eigenes Überleben nicht besonders wichtig. Schon gar nicht, wenn sie damit für ihre Überzeugungen einstehen konnte. Womöglich war das der wohl größte Vorteil ihres Glaubens, zumindest wenn man sie um eine Einschätzung bat. Der Hüne allerdings wirkte mehr und mehr wie jemand, der die Sicherheit bevorzugte. Was nichts schlechtes war. Bei den Göttern. Solche Menschen sorgten reihenweise dafür, das Überleben ganzer Gruppen zu sichern. Das war eben ihre spezielle Aufgabe im Gefüge einer Gemeinschaft - einen kühlen Kopf zu bewahren und die Situation mit einem rationalen Verstand zu bewerten und einzuordnen. Den Rest konnte er getrost anderen überlassen.

“Mh... irrationale Angst kann dich aber auch davon abhalten, über dich hinaus zu wachsen und neue Erfahrungen zu sammeln.“, erwiderte sie leise und die dunklen Augen auf einen eher störrischen Pilz gerichtet. “Meinst du nicht?“ Fragend wandte sich der dunkle Haarschopf herum, mit offen interessierter Miene und einem Bund voller Pilzköpfe in der Linken. Angesichts seiner Frage schürzte sie nachdenklich die Lippen und gluckste kurz vernehmlich.

“Zum Großteil. Sofern der Wald markante Punkte hat, die sich für mich gut einprägen lassen. Andernfalls muss ich mir selbst Landmarken setzen. Je größer und dichter der Wald, desto schwieriger.“

Mit einem Hund als Fährtenleser war das definitiv einfacher. Konnte aber auch schneller zum Problem werden, als einem lieb war.

“Hast du dich jemals in einem Wald verlaufen?“

Mittlerweile war die Nordskov dazu übergegangen, die Pilze in ihrem Beutel zu verstauen und einen der Trampelpfade vor Greo anzusteuern.

Seine Brauen zuckten für einen kurzen Moment Richtung angeschürftem Haaransatz und seine Mundwinkel regten sich ebenfalls zu einem Lächeln. „Du nennst es irrationale Angst, ich nenne es Panik, das war das, was ich meinte.“, sagte er und ging in die Hocke, um lose nach kleinen Stöckchen zu haschen. Er mochte es nicht, dumm rumzustehen und nix zu tun. Innerlich krampfte es ihm einen Augenblick lang. „Neue Erfahrungen.“, quetschte er gehaucht zwischen seinen Lippen hervor und schüttelte langsam den Kopf. Er hätte auf viele neue Erfahrungen gerne verzichtet. Er war froh, als sie auf seine letzte Frage einging und richtete sich wieder auf. Er wandte sich dahin, wo er Strand und Schiff vermutete und setzte sich wieder in Bewegung. Während er ihr folgte, nickte er lahm. „Mjmja. Ab und zu. Aber nicht solche Wälder. Gibt es bei uns nicht.“, erklärte er, „Da wären Landmarken hilfreich. Machen die Eingeborenen manchmal. Sie orientieren sich dabei auf ihren Wanderungen.“ Vermutlich war das etwas, was er von ihnen lernen konnte. „Sicher, dass man die Pilze essen kann?“ Er war ein wenig skeptisch: wer wusste schon, was in anderen Welten alles essbar war.

In einem anderen Leben hätte Skadi womöglich den Versuch unternommen, mehr über das in Erfahrung zu bringen, was sich auf Greos Zügen abzeichnete. Doch weder sah sie seine Mimik in jenem Moment, noch hörte sie seine gehauchten Worte, die folgten. Einzig und allein seine Antwort auf ihre Frage schwappte gegen ihr Bewusstsein, als sich der Körper der Jägerin herum wandte und den Weg zum Schiff zurück fortsetzte.

“Eingeborenen?“

Augenblicklich schnippte eine der dichten Augenbrauen hinauf. Ganz als wollte sie der Intention ihrer Frage Nachdruck verleihen. Zumindest klang diese Aussage in Skadis Ohren als wären Menschen wie  Greo und seine Familie Besetzer. Zumindest da wo er herkam. Was keinem Dschungel glich, wie sie bereits wusste.

“Inwiefern?“

Waren es Menschen die schon seit Generationen auf demselben Grund lebten und mit der Natur eng verbunden waren? Dann würde sie... und hätte es auch ihre Stammesmitglieder definiert. Oder?

“Spricht da die rationale oder irrationale Angst aus dir?“

Ein süffisantes Schmunzeln schob sich auf Skadis Lippen. Nicht, dass sie jemals vorgehabt hätte, eines der Crewmitglieder zu vergiften, allerdings verstärkte sich zunehmend der Eindruck, dass ihr absolut niemand vertraute.

Greo wusste nicht viel über seine Mannschaftskameraden. Die persönlichsten Gespräche führte er wohl mit Shanaya, aber besonders viel Schimmer von ihrer Vergangenheit hatte er dennoch nicht: außer, dass sie beide deutlich unterschiedlich groß geworden waren. Und dann wurde ihm manchmal umso mehr bewusst, dass die Uhren auf Elanora ganz anders tickten als sonst auf der Welt. Oder waren da doch einige Parallelen? Er wollte nicht zu viel nachfragen, das hätte er selbst als impertinent wahrgenommen. Aber wenn sie von Jagd und Wäldern und komischen Tieren ihrer Heimat erzählte, fragte er sich unwillkürlich, ob tatsächlich sie so merkwürdig war – oder nicht vielmehr er selbst, der er so weltfremd und fernab geboren war. „Ja, Buschleute. Sind in Ordnung, willst dich aber nicht mit ihnen anlegen.“, wiegelte er das Thema mit einem Handwisch ab und deutete auf die Pilze. „Wenn ich eins bin, dann rational.“, brummelte er, „Aber andere Länder, andere Sitten. Komischen Gewächsen trau ich weniger noch als komischen Tieren. Das hat nix mit dir zu tun.“ Der Strand kam langsam wieder in Sicht und Greo, der Landmensch,  war diesmal auf ungewohnte Art und Weise erleichtert das Meer zu sehen.

Buschleute, das klang in Skadis Ohren unfassbar seltsam. Nach kleinen Menschen, die mit Erde und Moos bedeckt waren und jederzeit aus den Büschen kletterten. Vielleicht war es sogar das, was Greo damit meinte und die Nordskov schlagartig an ihre Vergangenheit erinnerte. Womöglich gesellte sich deshalb ein wissendes Lächeln auf ihre Züge, nachdem das Grinsen verklungen war und der Hüne bereits neben ihr das Thema wechselte.

“Das beruhigt mich.“, flüsterte sie leise, aber dennoch deutlich vernehmbar.
Es entsprach immerhin der Wahrheit und war nicht nur auf den Fakt bezogen, dass er eher den Pflanzen, als ihr misstraute.

“Greo...“

Just durchbrachen sie den letzten Abschnitt des Waldes und tauchten mit den nackten Füßen in den weichen Sand des Strandes ein.
Für einen Moment blieb Skadi stehen, fixierte die Züge des Älteren, die sie nun, ohne die dunklen Schatten der Baumkronen deutlich erkannte. Sogar die verschiedenen Farben seiner Seelenspiegel.
Fast war sie geneigt ihre Frage mit einem Kann ich dir eine Frage stellen. einzuleiten. Nur um festzustellen, dass er so oder so antworten oder schweigen würde, wenn sie ihm nicht gefiel. Ein Mann der wenigen Worte brauchte solche rhetorischen Floskeln nicht. Er hatte immer eine Wahl.

“Was treibt einen Mann wie dich auf ein Piratenschiff?“

Greo nickte ihr mit dem Anflug eines Lächelns zu und schwieg, während sie dem Strand näherkamen und folgte ihr aus dem Dickicht heraus auf den Sand. Er straffte automatisch den Rücken, als er das Gefühl hatte, wieder vernünftig aufrecht stehen zu können, ohne sich den Schädel an irgendwelchen Ästen einzuschlagen. Irritiert von ihrem plötzlichen Stoppen hielt auch er inne und guckte sie an. Die Frage kam unerwartet, aber sie wirkte auch nicht wie jemand, der viel Trara um etwas machte. Nur leider hatte sie sich ein Thema ausgesucht, das er gerne umschiffte. Er holte Luft, um zu einer ähnlich gebauten Erwiderung anzusetzen, aber er hatte ihren Namen wieder vergessen und das war so peinlich, dass er einen anderen Weg einschlug.

„Und dich?“

, kam es schlicht aus ihm heraus und er guckte sie mit wachen, klaren Augen an. Dann zog er die Mundwinkel zu den Seiten und presste die Lippen aufeinander, was kein richtiges Lächeln war, sondern eine komische Mimik, die zwischen einem ‚Nunja‘ und ‚Lassen wir das‘ schwankte und drehte sich zum Schiff. Entschlossenen Schrittes marschierte er zu dem Beiboot, was er an Land gezogen hatte und machte es bereit, es wieder ins Wasser zu lassen.

Greo schwieg. Sie hatte es in gewisser Weise bereits geahnt und es dennoch auf einen Versuch ankommen lassen. Seine Gegenfrage quittierte sie mit einem süffisanten Zug um ihre Lippen. Er sollte nach dem Angriff auf die Morgenwind wissen, wieso sie auf der Sphinx war. Sicherlich nicht, um neue Freundschaften zu knüpfen. Doch der Hüne erweckte nicht den Eindruck, als wolle er dieses Thema vertiefen. Schritt an ihr vorüber und bückte sich zu dem kleinen Boot hinab, das vor ihnen auf dem Sand ruhte. Ihr eigenes Dingi lag gut getarnt im Gebüsch zu ihrer Linken. Mit losen Ästen und Sand überhäuft und dank des nächtlichen Halbdunkels kaum zu erkennen.
Wortlos folgte Skadi dem Hünen den Strand hinab. Zog sich dabei den Bogen von der Brust und rammte ihn in den weichen Sand. Umfasste die Kanten des Beibootes weniger später und trug das Gefährt wortlos und möglichst leise ins Wasser.

Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen und vielleicht war das besser so, denn er hätte ihn nicht zu deuten gewusst und wäre mit Verwirrung aus dem Ganzen herausgegangen. Er hob den Bug des kleinen Beibootes an und schob es mit einem auf dem Sand schabenden Geräusch zurück in die kleinen Wellen. Die Schot hatte er sich um die Hand gewickelt. Während sein Gefährt auf dem Wasser langsam vor sich her schwankte, drehte er sich noch einmal zu Skadi um. Sie hatte ihr Boot zu versteckt. Hatte er das vorhin, als er an Land gekommen war, überhaupt gesehen? Er erinnerte sich nicht. Jedenfalls kam sie gut zurecht. Er tippte in ihre Richtung mit zwei Fingern an seine Hutkrempe, stieg in das kleine Holzding und begann zur Sphinx zurückzuruden.
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