25.03.2020, 23:07
Der Morgen war noch jung und die Sonne stand tief über den Häusern und Dächern der Hafenstadt. Bis auf ihn, war das Zimmer leer – fast jedenfalls, denn auch Sineca starrte ihm gleich ruhig hinaus auf die Straßen. Er hatte das Fenster geöffnet, lauschte dem Gekreische der Möwen in der Ferne und fuhr der Ginsterkatze abwesend über den gefleckten Pelz. Talin und Skadi waren in der Früh aufgebrochen, um nach der Sphinx zu sehen. Er hatte sich noch ein, zwei Mal herumgedreht, ehe er selbst aufgestanden war. Seit sie hier waren, schlief er erstaunlich gut – und das, obwohl manche Hauswände mit schlechten Abbildungen ihrer Selbst gepflastert waren. Doch Liam war zuversichtlich, dass man sie nicht erkannte, wenn man nicht wusste, wenn diese Visagen auf den Plakaten darstellen sollten. Und doch nagte noch immer leise die Sorge an ihm, dass er maßgeblich daran schuld war, dass sie überhaupt existierten. Und wer wusste schon, ob nicht noch bessere Zeichnungen ihren Weg auf Pergament finden würden im Laufe der Zeit. Er versuchte dennoch, es wie die anderen zu handhaben und sich ausnahmsweise mal ein Beispiel an Aspen – mochte er in Frieden ruhen - zu nehmen. Ihn hatte es nie gekümmert, neben seinem Papierduplikaten zu posieren. Zum Verhängnis war ihm die Morgenwind und die Begleitung der Sphinx geworden.
Schließlich wandte er sich vom Fenster ab. Die Ginsterkatze zuckte nicht, behielt den Blick nach draußen gerichtet und witterte. Irgendetwas Interessantes schien in der Luft zu liegen und sie in seinen Bann zu ziehen. Seit dem Vorfall mit den Kopfgeldjägern war sie erstaunlich anhänglich geworden. Doch jetzt machte sie keine Anstalten, ihm hinaus auf den Gang zu folgen. Liam schloss die Zimmertür hinter sich und nahm sich vor, kurz bei Shanaya nach dem Rechten zu sehen. Wenn er sich recht entsann, waren sowohl Greo als auch Enrique gemeinsam mit Talin und Skadi aufgebrochen. Dass gerade die Damen des Hauses mit einem Tablett voller Speisen um die Ecke bogen, kam ihm dabei nur gelegen. Er beschleunigte den Schritt, hielt auf sie zu und nach einem kurzen Plausch hatte er einen Teller mit Obst, Gurken, Tomaten, Käse und Brot ergattert. Während die Damen weiter Richtung Aufenthaltsraum verschwanden, ging Liam noch ein paar Türen weiter, klopfte leise und öffnete sie schließlich, ohne auf eine Antwort zu warten.
Er ließ die Tür leise hinter sich zurück ins Schloss fallen. Wie erwartet schien die Schwarzhaarige noch zu schlafen und es stand ihm fern, etwas daran zu ändern. Sie brauchte den Schlaf, selbst wenn Shanaya das selbst nicht gern hörte. Sie brauchte ihn und mit jedem Tag, der mit der Bettruhe verging, kehrten mehr Kräfte zurück. So leise wie möglich stellte er den Teller auf einem Beistelltisch ab, fing dabei eine Vase auf, die er ungeschickt zum Klirren gebracht hatte und wollte wieder nach draußen verschwinden. So hatte sie zumindest ein Frühstück am Bett, wenn sie aufwachte.