09.07.2019, 14:47
Langsam erhob sich der Dunkelhaarige, beugte sich ein Stück weiter über die Karte und fuhr ein weiteres Mal, jedoch deutlich umsichtiger als gerade eben, mit den Fingerspitzen der Linken über die glatte, sandfarbene Oberfläche. Der Ausdruck in den tiefgrünen Augen, die zunächst der eigenen Bewegung folgten, wechselte von abweisend in unleugbar interessiert. Neugier ließ ihn den Ärger von gerade so gründlich vergessen, als hätte es ihn gar nicht gegeben. Sie löschte ihn restlos aus. Als Kind hatten Geschichten, Mythen und Mysterien seinen Wunsch nach Freiheit beflügelt. Seine Leidenschaft für die Geheimnisse der Welt war es, die ihm alles eingebrockt hatte, was ihm je widerfahren war – Gutes wie Schlechtes. Und jenes längst verschüttgegangene Kind in ihm war es auch, das auf dieses neue Rätsel reagierte. Alles andere ignorierte.
Mit Liams Hand auf seiner Schulter und den Schritten seiner Schwester im Ohr, hob der junge Captain den Blick zu dem anderen Mann und konnte sich ein mild-spöttisches Schmunzeln auf dessen Worte nicht verkneifen.
„Dabei funktioniert das gerade ganz hervorragend.“, warf er mit einem Hauch freundlicher Ironie in der Stimme ein, die offensichtlich machte, dass er ihm eigentlich zustimmte. Er war längst vom Gegenteil seiner eigenen Worte überzeugt. Was auch immer diesem Pergament die Fähigkeit verlieh, Kälte auszustrahlen – billig war das sicher nicht. Es konnte unmöglich ein Scherz sein. Was sie unweigerlich zu dem Schluss führte, den Shanaya in diesem Moment laut aussprach. Es musste mehr dahinter stecken.
Sein Blick wanderte zu ihr weiter und mit einem nachdenklichen Zug um die Mundwinkel schüttelte er den Kopf.
„Ich nicht. Nicht einmal etwas Vergleichbares. Du?“
Mit jenem letzten Wort wandte er sich an seine Schwester, suchte auf ihrem Gesicht nach einem Anzeichen für Erkennen. Oder wenigstens eine Vermutung. Und nichts auf seinen Zügen deutete darauf hin, dass sie sich eben noch gestritten hatten.