11.03.2018, 15:01
Er beantwortete ihre Frage mit einem flüchtigen Schmunzeln. Was sie natürlich nicht sehen konnte, denn sie blickte in diesem Moment nicht noch einmal zu ihm zurück. Nun ja. Der 21-Jährige zweifelte zumindest nicht daran, dass sie glaubte, sie sei nicht wie andere Mädchen. Und er hatte bisher genug von ihr gesehen, um das zumindest im Ansatz zu bestätigen. Ob sie hinter der unnahbaren Fassade immer noch so tough war, wie sie tat, würde sich zeigen, wenn er sie ein bisschen besser kennengelernt hatte. Zumindest war er jetzt neugierig darauf.
Doch in dem Moment, in dem sie den Fuß der Treppe erreichten, richtete sich seine Aufmerksamkeit zunächst auf ihre Umgebung.
Lucien sah das Mannschaftsdeck der Sphinx heute zum ersten Mal. Vor allem sah er zum ersten Mal, in welchem Zustand sich das gesamte Schiff befand. Durch etliche Ritzen in den Planken drang Tageslicht, ein paar der Träger wirkten porös, sodass man an ihnen keine Ladung oder Hängematten hätte befestigen können. An den Wänden waren Löcher – vermutlich irgendwann in der Vergangenheit von großen Bleikugeln verursacht – eher schlecht als recht mit Holzleisten geflickt worden und auch Tische, selbst Laternen fehlten. Nicht an jeder Geschützluke stand eine passende Kanone und die, die noch da waren, machten einen eher schäbigen Eindruck.
Trotzdem wirkte das Mannschaftsdeck aufgeräumt. Was die Crew hatte entfernen können, hatte sie entfernt. Was sie hatten säubern können, hatten sie gesäubert und was sie reparieren konnten, hatten sie repariert. Mit dem tadellos geführten Schiff seines Vaters war die Sphinx allerdings so nicht zu vergleichen. Sie musste Jahre lang vernachlässigt worden sein und in den wenigen Tagen, in denen Talin mitsamt der frisch angeheuerten Crew unterwegs gewesen war, um nach ihm zu suchen, hatten sie nur das Nötigste tun können, um den kleinen Dreimaster Instand zu setzen.
Der Dunkelhaarige beendete seine Musterung mit einem unzufriedenen Gefühl und nahm sich gedanklich vor, nach seinem Gespräch mit dem Attentäter auch mit Talin zu reden. Doch dazu später. Sein Blick kehrte zu Shanaya zurück, ebenso wie das spöttische Funkeln in den grünen Augen und das amüsierte Schmunzeln. Lucien winkte ab.
"Wahrscheinlich. Aber lass mal gut sein. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem, was es bisher gab."
Er folgte ihr, nun wieder ganz auf sie konzentriert, und hob über ihre Bemerkung flüchtig eine Augenbraue. Man würde ihr also die Finger abhacken? Das klang ganz so, als hätte sie sich unter der Besatzung nicht nur Freunde gemacht. Ob sie damit wohl den Smutje meinte?
"Naja. Wenn man bedenkt, in welcher Proviantsituation wir uns gerade befinden ist das vielleicht keine schlechte Idee. Wir essen einfach die Gliedmaßen der Crew, die keiner braucht...",
meinte er lapidar, während er an einen Topf heran trat, der ordentlich auf dem Herd stand, und dessen Deckel lüpfte. Darin fand er nur leider keine Reste vom Frühstücksbrei, sondern das bereits vorbereitete und köstlich duftende Mittagessen. Er stieß ein leises Seufzen aus und schloss den Deckel sorgfältig, bevor er der Schwarzhaarigen einen Seitenblick zuwarf. Gerade in dem Augenblick, da sie sich nach unten beugte und ihm ein zweites Mal ihren entzückenden Hintern darbot. Lucien musste sich ein leises Lachen verkneifen, doch in den grünen Augen blitzte es vielsagend. Nur weiter so.
"Und? Schon den geheimen Geheimvorrat gefunden, an dem wir uns gütlich tun können?"