09.01.2020, 15:47
Im Grunde war es ein ernüchternder Ausgang ihrer kleinen Schatzsuche. Und trotzdem verbuchte Liam ihre nächtliche Zusammenkunft als kleinen Erfolg. Immerhin hatten sie schon einige Dinge zum Vorschein gebracht, die nicht weiter zum Erfolg führten. So unbefriedigend es auch war – er konnte sehr gut damit leben, das Geheimnis der Karte auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, der ihnen vielleicht mehr Erfolg brachte. Und sollte einem von ihnen in der Zwischenzeit nochmal ein Gedanke kommen, stand ihnen nichts im Wege, die nicht auch noch auszuprobieren, bevor sie am Rande der Zweiten Welt angekommen waren. Und Liam schätzte jeden der hier Anwesenden neugierig und verbissen genug ein, dieser Karte früher oder später tatsächlich auf die Schliche zu kommen. Während Lucien und Shanaya bereits wieder Pläne schmiedeten – er konnte sich dunkel vorstellen, um wen oder was es ging – hatte er sich wieder Talin zugewandt, die ihre kleine Runde an die Notwendigkeit erinnerte, zuerst das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen. Ein belustigter Seitenblick galt der Schwarzhaarigen schließlich, die er vermutlich mit vielem, aber nicht ausgerechnet mit ‚Geduld‘ in Verbindung gebracht hätte. Diesmal hatte sie allerdings sowieso keine andere Wahl. Bei der gutgemeinte Drohung, die sie gleich darauf an ihn richtete, überhörte er allerdings im ersten Moment den Spaß. Nicht, weil er es persönlich nahm, sondern einfach, weil ihm die recht hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Befürchtung durchaus bewusst war.
„Na, zum Glück gibt’s an Bord nicht so viele Orte, an denen wir später suchen müssen.“, spielte er die Notwendigkeit ihrer Foltermethode herunter und schmunzelte schuldbewusst, als ihm auch Talin dazu riet, vielleicht einfach von vornherein besser darauf aufzupassen.
Dann jedoch kippte die Stimmung wieder und aus der Zusammenarbeit brachen abermals Fronten heraus, die sich zwar unscheinbar und unterschwellig errichteten, aber deutlich in der Luft spürbar waren. Er seufzte innerlich, schwieg jedoch, während die Anspannung zwischen den beiden Geschwistern wieder anstieg. Und so, wie er beide einschätzte, würde keiner dieser beiden Sturköpfe alsbald nachgeben. Talin säuselte unschuldig und provokant zugleich und Liam ahnte, dass sie diese Methode durchaus zielbewusst wählte. Es war vermutlich wirklich an der Zeit, ihre Schatzsuche auf einen anderen Tag zu verschieben. Wenn ihre beiden Captains nämlich wieder begannen, zu streiten, wollte er ganz sicher nicht dazwischen stehen. Es war nicht seine Angelegenheit.
„Gut, also vertagen wir die Suche auf einen späteren Zeitpunkt.“, mischte er sich ein, bevor Lucien auf die Provokation seiner Schwester eingehen konnte. „In der nächsten Bibliothek werde ich nochmal sehen, ob ich irgendwelche hilfreichen Hinweise finde, die uns weiterbringen könnten. Ansonsten hoffen wir, dass uns die zweite Welt irgendwann weiterbringt.“ Er schaute zuversichtlich in die Runde, ehe er Shanaya sanft, aber bestimmt in die Richtung der Tür schob. „Komm, wir suchen ein trevorsicheres Versteck, bevor er sie aus Übermut noch in Brand steckt. Außerdem laufe ich keine Gefahr, von dir heimgesucht zu werden, wenn du weißt, wo ich sie verloren habe.“
Mit einem gut gemeinten Lächeln schloss er sich an und hoffte, dass sie in seinem Blick erkannte, dass sie nun wirklich besser gingen, ehe er sich ein letztes Mal zu Talin und Lucien herumwandte.
„Danke, dass ihr euch die Zeit für uns genommen habt. Gute Nacht.“