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Kapitel 6 - Mondlose Nacht
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
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Ruckartig hechtete Skadi zur Seite und presste den ganzen Körper rückwärts gegen die Hauswand. Hatte den Fremden wortlos mit sich gezogen, der ihr dabei beinahe über die Füße gestolpert war und nun vollkommen aufgelöst neben ihr stand - von Kopf bis Fuß zitternd. Doch sie konnte sich nicht auf den Blondschopf fokussieren, während ihre Angreifer in hörbarer Nähe waren. Auch das Blut, das von seinem Unterarm an ihren Fingern klebte, rückte jäh in den Hintergrund, kaum dass sie sich einen tiefen Atemzug erlaubte. Wo kamen nur diese ganzen Menschen her? Kaum hatten sie einen Moment der Ruhe, schossen die nächsten Kopfgeldjäger aus ihren Löchern und wetzten grinsend die Säbel. Wenn das so weiter ging, kamen sie nicht mehr lebend von dieser Insel, so viel war klar.

“Scheiße…“

Scharf schnalzend wandte sie sich zu Rúnar herum. Ließ die dunklen Augen nur knapp über sein mit Blut verschmiertes Gesicht gleiten, ehe sie etwas in seinem Rücken erkannte, dass sie beinahe erleichtert aufatmen ließ. Mit energischem Schritt glitt die Jägerin an dem Hünen vorbei auf die Tür zu, dessen abgenutztes Holz sichtlich schief in den Angeln hing. Lugte durch den kleinen Spalt hindurch, ehe sie mit ausgestrecktem Arm die Türkannte weiter ins Freie zog und prüfenden Blickes die Lage im Inneren sondierte.

“Hier rein…“, raunte sie Rúnar zu und wartete nicht einmal darauf, dass er reagierte. Zog ihn stattdessen wie zuvor ohne Rücksicht mit sich ins Haus und den Flur hinab. Angespannt lauschte sie in die Stille hinein. Erwartete schon beinahe den nächsten Hinterhalt, in den sie womöglich unwissentlich gelaufen waren. Doch auf Stille, folgte gähnende Leere. Und wenig später Schritte, die am Eingang der Gasse innehielten. Schritte die nach einem kurzen Wortgefecht lauter wurden und sich unmissverständlich auf sie zubewegten. Kurz blickte Skadi über die Schulter und an Rúnar vorbei in Richtung Eingangstür. Verfluchte sich jäh dafür, dass sie das Ding nicht vorsorglich zugezogen hatte.

“Nach oben.“

Es war mehr eine stille Anweisung, denn nett gemeinter Ratschlag. Zumal sie den Blonden wie eine Puppe die Treppe hinauf führte und in das erstbeste Zimmer einbog, das unbewohnt war. Denn so, wie der Fremde nun neben ihr stand, vollkommen aufgelöst und mit sich und der Situation überfordert, konnte sie ihn nicht sich selbst überlassen. Geschweige denn dass er auch nur im Entferntesten für einen Kampf bereit gewesen wäre. Mit einem Ohr an der Tür stand sie somit neben ihm. Hatte von ihm abgelassen, kaum dass sie eingetreten waren und lauschte mit dem Gesicht zu ihm gewandt in die Stille des Hauses hinein. Glaubte sie erst, dass ihr Herz immer hörbarer gegen ihren Brustkorb donnerte und jegliche Hinweise auf ihre Verfolger übertönte, war der unregelmäßige Takt der Geräusche eben das, was sie stutzig machte. Mit zusammengezogenen Augenbrauen presste sich das Gesicht der Nordskov noch stärker gegen das kalte Holz. Ehe sie sie hörte.
Schritte.  Gefolgt von Stimmen, die sich den  unteren Flur entlang schoben. Ruckartig lehnte sich Skadi zur Seite und überspannte Rúnars Lippen mit ihren Fingern. Zwang ihn dazu seine Laute zu mindern, die fast schon unkontrolliert seine Kehle verließen. Er sah mitgenommen aus. Skadi konnte mit Gewissheit sagen, dass ihn diese Situation regelrecht verstörte. Dass sie ihn bis ins tiefste Mark verängstigte. Doch sie hatten bei weiterem größere Probleme, wenn die halbe oder gar ganze Insel hinter ihnen her war.

“Okay… hör zu.“, erhob die Nordskov mit gedämpfter Stimme und streckte sich so gut es ging zu den weißblonden Spitzen hinauf. Zum ersten Mal an diesem Abend blickte sie direkt  in das verheulte Gesicht, das ihr ein dumpfes Gefühl in die Magengrube presste.

“Du bleibst hier und versteckst dich. Ich kümmere mich um unsere Verfolger.“

Immer wieder umrissen die dunklen Augen die feinen Züge, ergründeten jede noch so kleine Regung seiner Mimik, ehe die Jüngere unter einem tiefen Atemzug sanfter hinzufügte:
“Ich lasse nicht zu, dass sie dich finden, okay? Verhalte dich ruhig und warte, bis ich dich holen komme.“

Ein letzter intensiver Blick ruhte auf den eisig blauen Augen. Dann löste sich die Nordskov langsam von ihm. Lauschte auf die Geräusche außerhalb ihres Verstecks und zog mit angehaltenem Atem die Tür einen Spalt breit aus dem Rahmen. Anhaltende Finsternis erstreckte sich noch immer über den Flur zu ihnen hinüber. Von den Kopfgeldjägern war nichts zu sehen. Nur ihre Stimmen halten durch das Gemäuer, flüsternd und offensichtlich genervt. Doch sie waren noch im unteren Stockwerk. Irgendwo in der Küche, wenn sie das laute Scheppern einer Schar von Töpfen zuordnen konnte.
Ohne noch einmal zurück zu blicken, presste sich der schmale Körper der Nordskov durch den Spalt und zog das Holz lautlos ins Schloss. Die Augen wie gebannt auf den Treppenabsatz gerichtet, den sie wenig später hinab stieg und Rúnar im ersten Stock allein zurück ließ. Die Männer waren nun von der Küche ins Wohnzimmer und den Essbereich gewandert. Untersuchten die Abstellkammer und den Kamin, während Skadi in einem eingespielten Automatismus nach ihrem Blasrohr und den Pfeilen mit Froschgift griff. Ihr würde nicht viel Zeit bleiben, um beide Männer mit einem Schlag zu überwältigen. Vor allem nicht auf so engem Raum und einer Umgebung die ihr schnell zum Verhängnis werden konnte. Ihr blieb nur noch eine Möglichkeit: sie musste die beiden trennen.
Auf Zehenspitzen schlich die Jägerin, nun völlig in ihrem Element über den Boden hinweg. Erkannte die schemenhafte Silhouette des ersten Mannes, als sie am Wohnzimmer und Esszimmer vorbei in die Küche schlich und biss sich auf die Lippen. Wie zu erwarten zeichnete sich deutlich der Umriss einer Pistole in seiner Hand ab. Schon wieder. Wieso mussten diese Vollidioten mit diesen Dingern um sich schmeißen wie Süßigkeiten? Nicht nur dass sie unfassbar unhandlich und beschissen nachzuladen waren, auch bargen sie eine unkontrollierbare, zerstörerische Kraft in sich. Selbst wenn ihnen diese nichts mehr bringen würde, sollte der Plan der Nordskov funktionieren.

Ein Klimpern ertönte. Nicht unweit vom Treppenaufgang zum Keller. Drang bis zum Wohn- und Essbereich hinüber, in dem die beiden Männer schlagartig innehielten und sich einen skeptischen Blick durch den hölzernen Türbogen zuwarfen. Ihr Gespräch war jäh verstummt und folgte wortlosen Kopfbewegungen. Mit gezückter Waffe trat der Erste voran in Richtung Flur, während der Zweite  seinen Rückweg über die Verbindungstür zur Küche antrat. Eine drückende Stille legte sich über das Haus und ließ Skadi, im Schutz der Dunkelheit eine kribbelnde Gänsehaut über die Arme fahren. Fast spürte sie den lieblichen Geschmack von Adrenalin auf ihren Lippen. Duckte sich für einen Moment in ihr Versteck hinein, von dem aus sie zwar den Fremden im Blick behalten konnte, vor dessen Blick sie jedoch geschützt  blieb und wartete. Immer stärker presste sich ihr Lebensmuskel gegen ihre Rippen, konnte den Moment kaum erwarten, in dem der Fremde endlich voraus schritt und ihr direkt in die Schussbahn lief. Schweres Schuhwerk  schob sich mit sonderbaren Schleifgeräuschen über den Boden. Mischte sich in die aufkeimende Geräuschkulisse des Zweiten, der wohl den Keller erreicht hatte und zum Aufschrecken seiner Beute irgendetwas umwarf oder zerschoss. So genau konnte Skadi es kaum von ihrem Standpunkt ausmachen, während sie versuchte das stete Rauschen in ihren Ohren zu unterdrücken und ihre Muskeln zu entspannen. Immer fester spannten sich die langen Finger um das Blasrohr in ihrer Hand. Bis der hoch gewachsene Körper endlich in den blassen Lichtstrahl trat, der durch das Fenster auf der andere Seite drang. Tief sog die Nordskov die stickige Luft ihres Verstecks in die Lungen. Versenkte mit einem leisen Zischeln den Giftpfeil in die helle Stelle seines Halses, die wie ein Licht in der Dunkelheit  aufleuchtete, und zog sich schlagartig wieder in den Schatten des lädierten Schranks zurück, zwischen dessen Türspalt sie den Fremden anvisiert hatte. Zumindest ein Gutes hatte es, dass diese Gegend keinen Wert auf Etikette und hochwertiges Mobiliar legte. Die schief hängenden Flügeltüren des massiven Schranks boten reichlich Platz, um aus dem Hinterhalt zu agieren.
Und um ihrem Verfolger beim Überlebenskampf zuzusehen. Laut fluchend tastete dieser bereits  nach dem Ursprung seines Schmerzes und senkte die gezogene Waffe. Rief vor Entsetzen nach seinem Kumpanen, als die ersten Lähmungserscheinungen einsetzten und der massive Körper auf die Knie sackte. Abwartend verharrte Skadi in der Dunkelheit und lauschte den stetig lauter werdenden Schritten, während sie das Blasrohr in seine Halterung zurückgleiten ließ. Blieb selbst dann noch in den Schatten verborgen, als der Zweite jäh im Türrahmen stand und perplex ins Zwielicht starrte. Verfolgte die Szenerie in der Küche mit wachsamen Augen und trat erst dann mit gezücktem Dolch heraus, als der Körper des einen reglos auf dem Boden ruhte und der Verbliebene dazu übergegangen war sich erneut mit erhobener Waffe durch den Raum zu bewegen. Direkt auf sie zu.

Skadi nutzte den ersten Schreckmoment mit einem lauten Aufschrei und gezielten Hechtsprung auf seine Hüfte zu. Spürte den harten Boden unter sich, als sie mit den Knien voran aufschlug und krampfhaft versuchte die Waffenhand gen Decke zu drücken. Doch der stämmige Körper presste sie bereits wie eine Feder von sich und verkeilte seine freie Hand schraubstockartig um das Handgelenk ihrer Waffenhand. Schaffte es sogar sich mit ihr aufzurichten und reckte ihr sein vor Wut verzerrtes Gesicht entgegen. Erneut reagierte ihr Körper, ehe sie auch nur einen logischen Gedanken fassen konnte. Lehnte sich ihm für einen Moment entgegen, um ihre Beine in einen sicheren Stand zu bringen und dann schlagartig fest und kräftig in seine Achsel zu treten, während sie mit einer gezielten Rück- und Seitwärtsbewegung am Handgelenk seiner Waffenhand zog. Ein Schrei durchschnitt jäh die Kampfgeräusche und übertönte beinahe das sonderbare Knirschen, das seine Schulter freisetzte. Es war der einzige Moment, der ihr bleiben würde, ehe die kochende Wut in seinen Adern ihn für ein paar Minuten skrupellos werden ließ. Unter einem starken Ruck befreite Skadi ihr Handgelenk aus seinem Griff. Rappelte sich auf und stürmte durch das Esszimmer ins Wohnzimmer zurück. Hörte wie der Kopfgeldjäger sich fluchend aufrappelte und seine Waffe vom Boden auflas, die ihm beim Zweikampf aus den Fingern geglitten war. Schwere Schritte hallten durch das Haus und wurden zunehmend schneller. Ein letzter Blick auf den Durchgang und der schmale Körper der Nordskov schlüpfte bereits durch die Tür in Richtung Flur. Trampelte regelrecht zur Kellertür, um sicher zu gehen, dass der Fremde nicht die Treppe nach oben nahm. Sie hatte einen Plan. Hoffte, dass er funktionieren würde. Alsbald würde sie keine Kraft mehr haben, um sich erneut in einen Zweikampf zu begeben. Bereits jetzt pochte jeder Muskel ihres Körpers und ganz gleich wie geübt sie darin war ihre Schmerzen zu ignorieren, bestand sie immer noch aus einem verletzbaren Konstrukt aus Fleisch und Knochen.

Somit huschte sie die hölzernen Stufen in den Keller hinab. Trat zuvor, beide Hände stützend an den Rahmen gelegt, kräftig gegen die Holztür, die knirschend aus ihren Angel rutschte und so kaum mehr zu verschließen war. Andernfalls hätte sie der Fremde, der just am anderen Ende des Flurs auftauchte, wohl kurzerhand im Keller eingesperrt. Wenn ihr selbst dieser Gedanke gekommen war, wollte sie ihm wohl kaum die Chance dafür lassen.

Denn nun war er es, der in das schummrige Zwielicht starrte. Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht und einem Fluch auf den Lippen. Höchst wahrscheinlich hatte niemand von seiner Bande damit gerechnet, wie schwer sie es mit diesen Piraten haben würden. Waren womöglich davon ausgegangen, dass ihr Plan aufgehen würde. Doch je tiefer er in den Keller hinab stieg und hoffte, dass sich sein Widersacher an dem Chaos, das er hier unten hinterlassen hatte, verletzen würde, desto geringer waren seine Chancen dieses Haus lebend zu verlassen. Skadi lauerte bereits unter der Treppe. Den Dolch im Anschlag und die dunklen Augen auf den Spalt zwischen den Stufen fixiert. Sie hatte nur noch eine Möglichkeit, den sie zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Sie musste schnell sein, um den Kerl als erstes zu Fall zu bringen, bevor er ihre Hand vollständig in Mitleidenschaft zog.
Und dann erschien die gestiefelte Silhouette im Halbdunkel. In einer ruckartigen Bewegung schnellte ihre linke Hand voraus, um den Knöchel oberhalb zu packen. Brachte durch seine Wucht den massiven Körper bereits aus dem Gleichgewicht, der weiter voran schreiten wollte. Unterbrach ihn in seinem natürlichen Bewegungsfluss und entlockte der rauen Kehle einen erstickten Laut. Bevor der Fremde die Stufen hinab stolpern konnte, versenkte Skadi die Spitze ihres Dolches tief in der Verse. Zog mit aller Kraft den Griff zu sich heran und an ihrem Körper vorbei, um die festen Sehnen und Muskelstränge zu durchtrennen. Tauchte dann, vom Dolch ablassend unter der Treppe hervor. Sah die dunkle Silhouette schreiend die letzten Stufen hinab rollen, ehe sie sich lautlos auf ihn stürzte und seinen Qualen ein Ende bereitete.

Plötzliche Stille breitete sich in dem Haus aus. Kroch die Wände bis zum ersten Stockwerk hinauf, in dessen Kinderzimmer der weißblonde Fremde hockte. Von der Jägerin und ihren Verfolgern war kaum mehr etwas zu vernehmen. Erst eine gefühlte Ewigkeit später waren Schritte zu hören. Schritte, die den Flur entlang und dann die Treppe zum oberen Stockwerk bewegten. Das darauffolgende Klopfen auf Holz durchdrang das Kinderzimmer beinahe wie ein Kanonenschuss.
Doch Skadi wartete nicht darauf, dass Rúnar antwortete. Trat mit versteinerter Miene ein und wischte sich in einer beiläufigen Bewegung Blut aus dem Gesicht. In ihrer Linken ruhte sicher verwahrt eine Pulle Rum, die sie geräuschvoll entkorkte, während sie nach dem hellen Blondschopf Ausschau hielt.

“Du kannst rauskommen. Die Zwei sind wir erstmal los.“

[in einem der Häuser | erst bei Rúnar im ersten Stock | dann bei ihren Verfolgern im Erdgeschoss]


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