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Kapitel 6 - Mondlose Nacht
Crewmitglied der Sphinx
für 545 Gold gesucht
dabei seit May 2019
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#99
Ein brennender Schmerz durchfuhr seine Schulter und ließ Ceallagh für einige Herzschläge lang die Luft anhalten. Fast schien es ihm als verlangsamte sich die Welt zunehmend. Begleitete ihn in seinem Fall, nur um mit dreifacher Beschleunigung voran zu schreiten und ihn noch härter auf den Boden der Taverne zu pressen. Der Schmerzenslaut verkeilte sich jäh zwischen den hellen Zahnreihen, die er krampfhaft aufeinander presste und mit Händen und Füßen versuchte den massigen Leib des Bewusstlosen von sich zu schieben. Nur unterbewusst bemerkte er, wie der Schemen Luciens an ihm vorbei hechtete und den Schützen in die Knie zwang. Kurz darauf selbst dazu überging mit einem gezielten Schuss das Gesicht eines Zweites zu zerfetzen und mit einem geblafftem Befehl in seine Richtung den Rückzug einzuläuten.
“Schon dabei…“, gab der Hüne knirschend zu Protokoll und presste noch in der Hocke die Hand auf die blutende Schulter. Kam jedoch kaum weiter, als sich aufzurichten und mit geduckter Haltung einem erneuten Kugelhagel zu entgehen. Bemerkte nur aus den Augenwinkeln die Silhouette Enriques und eines weiteren Mannes, deren Klingen schimmernd voraus schnellten und Schlag um Schlag einen Kopfgeldjäger nach dem anderen in die Ewigkeit schickten. Dieses Gemetzel war widerwärtig. Und es widerstrebte dem Blonden Teil dieses Chaos‘ zu sein. Sich mitten im Auge des Sturms aus Blut, Hass und Leichen zu befinden und nichts anderes tun zu können, als um sein Überleben zu kämpfen.  Erst das abrupte Aufatmen vor ihm, richtete die wachsamen blaugrünen Augen zurück auf den schmalen Körper Luciens und stellte sämtliche Härchen in seinem Nacken auf. Die Kugel sauste knapp an seinem Kopf vorbei und hinterließ winzige Tropfen dunklen Blutes auf seinen Zügen.  Entsetzt starrte Ceallagh einen Herzschlag lang auf den Rücken seines Freundes. Spürte seinen Puls jäh in seinen Ohren wummern, ehe er voraus schnellte, um Lucien stützend aufzufangen. Dabei den Schmerz unterdrückend, kaum das der Dunkelhaarige gegen seine linke Schulter prallte.
 
“Hab dich.“, flüsterte er kaum vernehmbar, ließ die Augen prüfend über die breite Schulter Luciens gleiten und wandte den hellen Haarschopf zu Josiah hinüber, dessen Worte unter der plötzlichen Stille des Kampfes wie ein Befreiungsschlag wirkten. Enrique hatte sich nach einer letzten martialischen Attacke auf einen der Tische gestützt und wirkte kaum mehr wie das blühende Leben. Ceallagh wusste, dass sein Körper ihm bald den Dienst versagte, wenn er sich in seiner überschäumenden Wut nicht bremste. Betrunken und schwer verletzt – das war eine ungemein schlechte Kombination für den weiteren Verlauf dieses Abends.
 
“Du meinst die Großfresse? Die hat das Weite gesucht, kaum dass der erste Schuss gefallen ist…“
 
Dem Hünen war es in diesem Augenblick egal, dass der Fremde weder wusste wer er war, noch wie er hieß. Es änderte in seinen Augen nichts an der Situation und an der Antwort seiner Frage, die immer noch im Raum schwebte, während sich Ceallagh versuchte zu sammeln und geistig auf die nächsten Schritte vorzubereiten. Wenn er die Situation recht überblickte – und bei dem ganzen Chaos und Handgemenge, in das er verwickelt gewesen war, erschien ihm das wie eine Mammutaufgabe – gab es vier Problemherde: der verletzte Kopf dieser Gruppe mitsamt Wirt, der türmende Wachposten an der Tür und das blasse Gesicht, das mit Dolch in der Schulter in Richtung Nebenraum verschwunden war. Und das erneute Explodieren einer Rakete am Nachthimmel, dessen roter Funkenflug den Innenraum der Taverne in mattes rotes Licht tauchte. Was für eine Scheiße lief hier eigentlich ab? Wie viel gab die Marine auf das Kopfgeld eines vermeintlichen Offiziers, der angeblich an der Sprengung eines Marineschiffs beteiligt gewesen sein sollte? Ganz davon abgesehen, dass es Zeugen brauchte, die das Überleben des Dunkelhaarigen versicherten, stand doch hier eine Stellung in Frage, die nur mit viel Druck von oben in Schieflage gerückt werden konnte. Was im Namen der Götter hast du angestellt de Guzmán, dass sie dich so dringend drankriegen wollen?
Lucien regte sich. Riss Ceallagh mit seiner Gewichtsverlagerung aus den Gedanken und lenkte den wachsamen Blick aus blaugrünen Augen von dem Gleichaltrigen auf die eigenen feinen Züge. Nur langsam richtete sich der Blondschopf zur vollen Größe auf, während sich sein Freund auf die eigenen Beine zurück schwenkte und sich von ihm entfernte. Sein eigner pochender Schmerz in der Schulter war fast schon zweitrangig geworden, blieb das wachsame Augenpaar unverwandt auf Lucien geheftet. Bis zu jenem Augenblick als Enrique fluchend das Wort erhob. Ceallagh brauchte einen Herzschlag, um die neue Position des Dunkelhaarigen auszumachen. Verengte jäh die funkelnden Iriden, als jäh Bewegung in den Esteoraner zurückkehrte und ein Brennen in Cealls Muskeln frei setzte. Das war doch jetzt ein verdammter Witz, oder?!  War dieser Dummkopf ernsthaft auf dem Weg den beiden Flüchtigen hinterher zu hetzen?
 
“Dieser Vollidiot.“, drang es bitter und grollend aus Ceallaghs Kehle.  Schon damals hatte er das bebende Temperament des Dunkelhaarigen miterlebt und nur milde belächelt. In der wohligen Gewissheit, dass es ihn  – ohnehin gefangen und angekettete – nicht mehr schlimmer treffen konnte. Doch nun ritt ihn diese blinde Wut in ein unkontrollierbares Chaos, das nicht nur ihn, sondern ebenso Lucien mit hinein zog. Und dessen Anblick war es letztlich, der die wütende Hitzewelle just durch seinen eigenen Körper jagte und als dunkle Schatten auf seine Züge legte.
Mit einem kurzen Seitenblick auf die immergrünen Augen seines Freundes, vergewisserte er sich, was er nicht auszusprechen brauchte. Sah in dem kurzen Funkeln, das zu ihm hinauf blitzte, dass der junge Dravean wohl denselben Gedanken hegte wie er selbst. Und mit nur einem knappen Nicken wandte sich der hoch gewachsene Hayes  herum und ließ Lucien und Josiah allein im Schankraum zurück. Schenkte seinem Freund aus Kindertagen im Vorbeigehen nur ein brummendes “Ich kümmer mich drum.“, ehe er Enrique mit schnellen Schritten hinterher jagte und mit gezielten Sprüngen über die Leichen, Stühle und Tische hinweg setzte. Das stetige Pochen in seiner Schulter ignorierte er für den Moment, in dem er den dunklen Haarschopf des Offiziers fixierte. Es gab wichtigeres, um das er sich jetzt kümmern musste. Dinge, die nicht aufgeschoben werden konnten, bis sich die Wogen glätteten. Weil es kaum dazu käme, sollte de Guzmán sein Ziel erreichen und in den nächsten Strudel aus Verwüstung geraten.

Mit einem einzigen Satz beschleunigte Ceallagh seine Schritte und packte Enrique fest an den Schultern. Verlor durch dessen unsicheren Tritt und die fehlende Kraft seines eigenen Arms jedoch das Gleichgewicht und krachte mit ihm zu einer menschlichen Kugel verschmolzen lauthals durch die Küchentür. Hart drückte sich der Boden auf seine Schulterblätter, presste ihm in einem Sekundenbruchteil jegliche Luft aus den Lungen, während der Dunkelhaarigen wie ein blutender Mehlsack auf ihm lag und zappelte. Doch Ceall verschwendete keine Zeit. Rang den Offizier mit einer geübten Drehung herum und kniete nun über ihm. Das eine Knie auf die unverletzte Schulter gedrückt und mit der linken, schwachen Hand sanften Druck auf die frische Schusswunde ausübend. De Guzmán musste schmerzhaft begreifen in welcher Lage er gerade steckte, bevor er noch vollends die Kontrolle verlor und sich in seinem betrunkenen und verletzten Delirium umbrachte. Denn die blassen Züge, die Ceallagh wachsamen ins Auge fasste, zeugten wortlos vom körperlich miserablen Zustand des Dunkelhaarigen.
 
“Verdammt nochmal de Guzmán. Hör auf uns noch weiter in die Scheiße zu reiten. Du wirst noch dabei draufgehen!“
 
Hatte er die Worte bereits ausgesprochen, zischte etwas an seinem Kopf vorbei. Streifte sein Ohr nur um Haaresbreite und drang zitternd und klappernd in das Holz der Küchentür in seinem Rücken. Irritiert und perplex wanderten die grünblauen Augen hinauf. Erspähten erst im zweiten Anlauf den Leib des Wirtes und des Anführers, dessen Fluchtversuch jäh am anderen Ende des Raumes geendet und in den Schutz einer Kiste geführt hatte. Mit einem tiefen Grollen in der Kehle kletterte der Hüne von Enrique hinab, ließ sich sicher auf die Füße gleiten und schielte prüfend die Seitenwand hinauf. Ruckartig blieben die wachsamen Iriden auf einem Messerblock hängen. Bingo. Ohne zu zögern sprang der Schmuggler zur Seite und entkam  nur knapp einem zweiten Messerwurf.
 
“Jetzt hab ich aber die Schnauze gestrichen voll.“, blaffte er in das gedimmte Licht und umfasste den Griff eines filigranen Filetmessers. Ließ kaum eine Sekunde verstreichen, bis er den ersten Wurf gezielt in jene Richtung lenkte, aus der ihn panische Augen musterten und versenkte die Spitze des schimmernden Metalls mit einem splitternden Geräusch im oberen Drittel der Kiste.
Während sich seine Angreifer zuversichtlich in Sicherheit wähnten und bereits erneut die Köpfe hinter ihrem Versteck hervor wagten, warf der junge Hayes bereits ein zweites Messer aus dem Block und verfehlte nur um Haaresbreite den Scheitel des Wirts. Fluchend presste dieser seinen Anführer schützend zu Boden, ließ einen Schwall wütender Beschimpfungen hervor sprudeln, ehe er nach der Pistole am Holster seines Komplizen griff und sie zu laden begann. Doch vergebens.
 
“Das würde ich sein lassen.“
 
Mit einem süffisanten Grinsen stand Ceallag bereits über die beiden gebeugte, stütze sich mit einem Knie auf dem Deckel der Kiste ab, während er kaum eine Sekunde verstreichen ließ und die zwei gusseisernen Pfannen in seinen Händen auf die Kontrahenten hinab regnen ließ. Bewusstlos sackten die Körper zu Boden. Ebenso die Pfanne in Ceallaghs linker Hand, dessen Zittern durch das unbarmherziges Pochen in seiner Schulter nun nicht mehr zu ignorieren war. Er konnte nur auf einen glatten Durchschuss oder eine früh gestoppte Kugel hoffen. Denn heraus puhlen konnte er sich das Ding wohl kaum selbst. Und ob der Rest der Bande, dessen einen Teil er mit ernstem Blick ins Auge fasste, dazu überhaupt in der Lage war, schien fraglich.
 
“Hey.“
 
Für einen Augenblick herrschte Stille in dem kleinen Raum, dessen Halbdunkel schlagartig an Bedrohlichkeit verlor.

“Wenn du nochmal versuchst abzuhauen... “
 
Weiter sprach er nicht. Hob nur demonstrativ die verbliebene Pfanne in seiner Hand und… gluckste? Ja, er gluckste. Weil diese Situation über die Maße absurd und kaum zu glauben war. Und es ihm besser erschien, über den Schmerz hinweg zu lachen, der ihm etwas Farbe aus der Miene trieb. Zumindest für den Moment.

[erst direkt hinter Lucien | dann Enrique hinterher in die Küche ]


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Kapitel 6 - Mondlose Nacht - von Weltenwind - 18.05.2019, 11:43
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