04.08.2019, 16:29
Die betrunkenen Hampelmänner sprangen wie aufgescheuchte Hühner von ihren Plätzen und entlockten Ceallagh trotz ihres eindringlichen und bedrohlichen Gemotzes ein breites Grinsen. Sie benahmen sich wie altehrwürdige Herrschaften, dessen gemütliche Zigarrenrunde er mit einem Feuerwerk gesprengt hatte und es erstaunte ihn schon fast, dass Lucien dabei der Einzige war, der dabei noch halbwegs höflich blieb. Der Kleine hatte sich tatsächlich gemacht. Fast war der Hüne versucht so etwas wie brüderlichen Stolz zu verspüren, als das scharfe Schaben von Stuhlbeinen seine Aufmerksamkeit verlangte. Wie die Ruhe selbst ließ er Enriques Angriff über sich ergehen. Hatte, um wirklich ehrlich zu sein, nicht mit einer solchen Reaktion des Älteren gerechnet – scheinbar hatte er sich damals wirklich gut zu beherrschen gewusst, als er auf der sicheren ihrer beider Seiten gestanden und versucht hatte, Informationen aus ihm heraus zu kitzeln. Erfolglos, wie de Guzmán angesichts seines blitzenden Erinnerungsschubs auf den nun mehr bärtigen Zügen zur Schau stellte. Fast wirkte die Marinemarionette aufgewühlt und hitzköpfig. Einen Zustand den Ceallagh schon damals aus ihm heraus kitzeln wollte und an dem Dickkopf gescheitert war.
“Aber doch nicht vor den Kindern, mein Lieber.”, entgegneten die süffisant grinsenden Lippen, während der blonde Schopf stark an sich halten musste, den süßlichen und brennenden Geruch der Alkoholfahne zu ignorieren. Andernfalls hätte er Enrique seine Meinung wohl im Hohen Bogen ins Gesicht erbrochen. Und unterdes den verärgerten Ausdruck versäumt, der sich auf die braungebrannten Züge des Älteren stahl. Instinktiv wanderten Ceallaghs Augen zu Sylas hinüber, dessen Miene er nur knapp über Enriques Schulter erspähte. Nahm seine Worte wahr, empfand sie jedoch für genauso belanglos wie alles andere. Das Schaben von Stuhlbeinen wurde immer lauter und setzte eine unangenehme Gänsehaut auf seinem Körper frei. Irgendetwas stimmte hier nicht. Und es gefiel ihm absolut nicht, dass er mit dem Rücken zu eben jener Szenerie saß, die de Guzmán fluchend kommentierte.
Ruckartig stieß er Ceallagh auf seinem Stuhl zurück. Mit einer Kraft die wohl seinem alkoholisierten Zustand zuzuschreiben war und brachte den Hayes dadurch ungewollt ins Wanken. Nur mit einer auslandenden Bewegung seiner Arme konnte er sich im letzten Moment an der Kante des Tisches festhalten und das eigene Gewicht voraus verlagern. Noch immer hörte er Sylas dunkle Stimme neben sich. Versuchte sich auf seinem Stuhl herum zu drehen und einen Blick auf Lucien zu erhaschen. Erkannte in seiner Bewegung die zahllosen Männer, die mit nur einer Hand nach ihren Waffen unter den Tischen griffen und seufzte.
“Ganz ehrlich… du überschätzt echt deinen Wert mein Lieber.“, entgegnete er Sylas kühl und musterte ihn mit erhobener Augenbraue aus den Augenwinkeln. Griff bereits mit der Linken nach dem kleinen Dolch in seinem Rücken und umklammerte die Tischkante mit der Rechten.
“Also spar dir deinen kostbaren Atem und duck dich…“
Ruckartig warf er den schweren Holztisch zur Seite und errichtete eine halbwegs schützende Mauer vor den fallenden Schüssen der Umstehenden, dessen Pistolenmündungen wie klaffende schwarze Löcher auf sie gerichtet waren. Ergriff mit der nunmehr freien Hand Luciens Hemd am Rücken, nutzte seinen vom Alkohol unsicheren Stand und zog ihn mit sich in Deckung.
“Runter!“
Kaum hatte er seine Worte an Enrique ausgesprochen, fielen bereits die ersten Schüsse. Holzsplitter stoben in die Luft und ließen rissige Wunden in der Oberfläche des Tisches zurück. Ceallagh dankte den Göttern, dass das Holz massig genug war und nur unangenehm in seinem Rücken vibrierte. Den zappelnden und womöglich fluchenden Lucien hielt er schützend mit einer Hand unten und löste den Griff erst, als Stille einkehrte und Schritte laut wurden.
[ In der Kneipe | erst am Tisch zwischen Lucien und Enrique | dann hinter dem umgeworfenen Tisch mit Lucien ]