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Kapitel 5 - Melodie des Frühlings
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Nov 2016
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Sie gingen beide in die Knie. Und auch der Jüngere griff schützend nach dem Kopf des Älteren. Enrique fing sie beide ab und bekam doch kaum mit, dass er das tat. Am Ende hatte er Cornelis einfach auf und gegen sich gezogen, dessen Kopf gegen seine Schulter gebettet, dessen Oberkörper leicht abstütztend, um dem Hünen das Atmen zu erleichtern, einen Arm nach wie vor um seinen Freund geschlungen, denn los lassen würde er ihn keinesfalls.

"Schon gut!", beteuerte er, "Alles ist gut! Ich bin ja hier."

Erschöpft lehnte er seine Wange gegen Feuerbarts Stirn. Eigentlich wollte er ihn aufheitern und beruhigen, doch seine Tränen ließen sich nicht aufhalten. Im Gegenteil, sie wurden immer mehr. Laut schluchzte er auf, rang nach Luft und Worten.

"Ich liebe dich auch Natiao. Und du wirst mich nicht allein lassen. Das kannst du gar nicht mehr. Nicht wo du jetzt wirklich meine Bruder bist. Wir sehen uns wieder. Irgendwann hinter dem Nebel. Irgendwann ... Ganz bestimmt ..."

So stark er sich auch gab und so viel Zuversicht und Glaube er auch in diese Worte legte, genauso unaufhaltsam kehrte das Eis in ihn zurück, ließ ihn frösteln und zittern. Schon einmal hatte er dies durchgemacht. Damals. Da war das erste Mal ein Teil von ihm erfroren.
Und trotz dieser Erfahrung war es dieses Mal kein Stück angenehmer. Ganz und gar nicht.
[ An der Ecke einer kleinen Seitengasse | Bei Cornelis ]
Cornelis Feuerbart
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Keine Angabe
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Während sein Blick sich schon zu vernebeln begonnen hatte, suchte er mit diesem noch einmal Enriques Augen und streichelte seinem Freund wie früher durch das schwarze Haar, während er ihn schwach, aber liebevoll anlächelte. Das sollte die letzte Geste sein, die Enrique von seinem alten Freund sah, als dieser noch bei Bewußtsein war.

Dann verschleierte Cornelis Blick völlig, glitt von Enrique ab und ging in die Ferne. Das letzte Aufbäumen des Lebens verlieh ihm noch einmal unerwartete Kraft und sollte für einen letzten Augenblick den Glanz des berühmt-berüchtigten Käpt´n Feuerbart noch einmal erstrahlen lassen.

Plötzlich stemmte sich der zuvor erschlaffte Oberkörper des Hünen in die Höhe, seine Linke griff vor ihm, was auch immer sie zu fassen bekam und umfaßte es mit festem Griff, wie damals die Reling auf der Brücke der Onyx. Die Rechte streckte er nach vorne aus, die Faust geschlossen und etwas eingedreht, als hätte er in ihr seinen Säbel, mit dessen Klinge er auf einen Punkt schräg vor ihnen deuten würde. Dann erklang seine Stimme ein letztes Mal in altgewohnter Stärke und Überzeugungskraft:

„SEHT EUCH DIE FETTE ENTE DORT VORN AN! DAS WIRD REICHE BEUTE GEBEN. MÄNNER, KAMERADEN, SO LASST DIE JAGD BEGINNEN!“ Er hielt einen Moment ein, umgab ihn jetzt doch noch einmal der Jubel seiner Besatzung. „ALLES AUF GEFECHTSSTATION! LOS, IHR FAULEN HUNDE, HINAUF IN DIE TAKELAGE, SETZT VOLLZEUG. STEUERBORDGESCHÜTZE LADEN, NOCH NICHT AUSRENNEN. HISST SCHWARZ, LEGT DIE ENTERHAKEN BEREIT, GEBT WAFFEN UND MUNITION AUS. JETZT IST ES SOWEIT – LASST UNS SIE HOLEN!“

Wieder übertönte der Jubelruf der Mannschaft alle Geräusche der See, das Knarren der Planken, das Sirren der Takelage, dann setzte hektische Betriebsamkeit ein. Finn und Pepe standen neben Cornelis und sahen ebenso erwartungsvoll wie er auf das Beuteschiff vor ihnen, während Finn seine Hand auf die Schulter seines alten Freundes gelegt hatte.
Dann mischte sich plötzlich gerade Erlebtes mit den Visionen aus der Vergangenheit und beschwor vor Cornelis´ sterbendem Geist eine Szenerie hervor, die er nie hatte erleben dürfen. Er wandte den Kopf in beide Richtungen und die nicht mehr sehenden Augen blickten suchend umher.

„Enrique? Enrique, wo steckst du? Mach dich bereit, hol deine Waffen. Nun ziehen wir in den Kampf, Seite an Seite.“


Dann plötzlich verstummte er aprupt und ein Beben lief durch den starken Körper. Das letzte Aufbäumen war vorüber, die Kraft wich aus seinen Gliedern, er kippte nach hinten um und schlug mit dem Kopf unsanft an der Wand auf, was er offensichtlich jedoch schon nicht mehr wahrnahm. Kurzatmig und rasselnd schnappte er noch mühsam nach Luft. Mit gebrochener Stimme kamen noch zwei letzte Worte über seine blutverschmierten Lippen „min hjemmehavn...“, ein Hauch nur, kaum zu hören.
Dann hob ein letzter kräftiger Atemzug seinen Brustkorb noch einmal an und mit der Luft wich auch der Lebensfunke aus dem ehemaligen Piratenkapitän. Seine Augen, zum Himmel gerichtet, brachen und sein Licht erlosch für immer.
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Aug 2017
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"Ja, hast du", lachte Gregory.

Sein Bruder hatte in den letzten Jahren so viel über das Verschwinden ihrer Eltern gesagt, da wäre es wohl einfacher zu sagen, was Trevor nicht darüber gesagt hatte.
Dieses Lachen hatte etwas befreiendes für den älteren Scovell, gab dieser neue Brief ihm doch die Hoffnung zurück, die der alte, und die Umstände wie er ihn damals erhalten hatte, genommen hatten.
Dann war er den Brief los. Schmerzhaft verzog er das Gesicht, als er die roten Spuren auf dem Papier sah. Doch er forderte ihn nicht zurück, nicht so lange, wie sein Bruder das gerade brauchte.

"Ja doch, ja."

Und langsam kam das schlechte Gewissen wieder hoch:
Er hatte seinem Bruder etwas vorenthalten. Etwas worauf der, wie er jetzt erkannte, ebenso ein Anrecht hatte, egal, ob es Schmerz und Trauer bedeutete. Er würde es ihm sagen müssen.
Da hielt er den Brief auch schon wieder in den Händen. Er wollte ihn gerade wegstecken, da fand er sich auch schon in einer kurzen Umarmung Trevors wieder. Heftig musste er blinzeln. Was war er doch für ein Idiot gewesen. Er hätte gar nicht warten sollen, sein Bruder hätte es von vornherein positiv gesehen und dann Gregs sorgen verworfen. Warum hatte er das damals nicht gesehen?
Betrübt senkte er den Blick und hob die Pinzette auf. Rückgängig konnte er es jedenfalls nicht machen.

Plötzlich flogen die Papiere durch die Gegend.

"TREVOR!
"Ich—
I'm sorry Lissa! Er ist immer so—"


Der Ausruf seines Bruders unterbrach ihn, ließ ihn herumfahren. Seine Antwort war ein Lächeln, wusste er doch, dass sie, wenn auch nur kurz, das Gleiche dachten.
Dann folgte auch schon die nächste Frage.

"Solas na Maiden oder so ähnlich. Ja. Aus der f—"

Da wurde er auch schon gepackt und auf die Gasse gezogen. Hastig griff er seine Tasche und warf sich den Riemen über die Schulter.
Dann wandte er sich noch einmal um.

"Danke Lissa! Danke für alles! Ich—
"Ja doch! Ich komme ja schon!
"Bis bald, vielleicht sieht man sich wieder!"

{ Marktplatz, Lissas Stand | bei Trevor und Lissa }
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Nov 2016
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Der Anflug eines Lächelns mischte sich in seine Traurigkeit ob des fahrigen Versuchs der altvertrauten Geste, des letzten Sehens und doch nicht Sehens. So nahe er auch war, Cornelis war schon viel zu weit fort, als dass Enrique ihn noch irgendwie hätte wirklich erreichen können und es brachte ihn fast um.
Doch die Heftigkeit seines bisherigen Schmerzes war so groß, dass er das kaum noch wahrnahm.
'Siehst du? Das hast du jetzt davon. Weil du dich herausgewagt hast, deshalb verbrennst und erfrierst du jetzt zugleich.'
Gehässig machte sich die Stimme in seinem Kopf breit und gab ihm dass Gefühl, neben sich zu stehen und alles nur aus der Ferne zu betrachten, obwohl er sich heftig dagegen wehrte. Er wollte — nein, er musste jetzt voll und ganz für seinen Freund da sein. Und dennoch waren sie da, die Gedanken und Stimmen, die ihn fortrissen von dem Punkt, an dem er gerade so dringend gebraucht wurde.
'Bist du jetzt zu frieden? Jetzt, wo du sogar deinen Bruder getötet hast?'
'Er ist noch nicht tot!'
'Dank dir nur eine Frage der Zeit.'
'DAS IST NICHT WAHR!'
'...'

Schweigend und unerbittlich starrte die Stimme ihn an, und war um so überzeugender, gerade weil sie nichts sagte. Sie hatte nämlich recht. Er war immer schuld gewesen, unfähig und unzureichend.
Trotzdem klammerte er sich an den Schmerz, ließ zu, dass er ihn fast zerriss, denn gäbe er ihn auf, dann gäbe er auch seine Zusage auf, alles zu tun, damit sie wieder wie früher verbunden wären.
Dann mischte sich ein weiterer Schmerz dazu, als der Rotbart seinen Oberarm mit überraschender Kraft griff und sich daran emporzog, doch auch hier war ihm, als betrachtete ein Teil von ihm das alles aus der Ferne. Was ging es ihn an, dass jener dort Morgen blaue Flecken tragen würde? Außerdem: Wäre das überhaupt noch wichtig?
Frost rieselte bei jedem Wort des Capitáns in sein Herz. Mehr und mehr begann das Band zwischen ihnen zu verschwinden, es war noch da, würde es immer sein, so sehr hatte ihn dieser Mann geprägt, doch er wurde mehr und mehr unfähig es zu sehen, denn den Mann da vor sich kannte er nicht.
Als dann aber sein Name fiel, da brannte er sich wie Säure durch seinen Verstand, bohrte er sich tief in Enriques Herz. Ohne zu zögern antwortete er leise:

''Keine Sorge, ich bin hinter dir. Wohin du auch gehst, immer nur einen Schritt hinter dir."

Und genau so würde es sein. Es war kein bewusster Entschluss, sondern einer des Herzens. Schlagartig war das Band wieder da, zog es ihm mit aller Macht zu seinem Freund und aus dem Leben. Er würde ihn zu Havet bringen und sowie er das geschafft hätte, mit ihm gehen.
Zu plötzlich brach der Hüne dann zusammen, als dass der Schwarzhaarige ihn hätte auffangen können, lediglich den Sturz abfangen konnte er, so dass der nicht mit voller Wucht aufschlug. Aber es war unwichtig. Die geflüsterten letzten Worte beruhigten ihn, hießen sie für Enrique doch, dass Cornelis Goeiz sich entscheiden hatte fast sofort eine Operi'to zu werden. Um so besser würde er ihm hinter den Nebel folgen können. Doch dabei vergaß der Schwarzhaarige in diesem Augenblick gänzlich den Satz des alten Acu'Y's:
"Uantai guaiba' an'goeiz ahupia."
Es bringt Unglück mit einem Geist zu segeln.
Lange hockte er da, halb über Cornelis Leiche gebeugt, eine Hand auf den erloschenen Augen, die er mit einer beiläufigen Geste geschlossen hatte. Das war einfach nicht fair.

"Du solltest längst gelernt haben, dass das Leben nicht fair ist Enrique", hatte der Hüne mal ernst zu ihm gesagt und ihn anschließend in die Arme genommen.

Jetzt hinterließ die Erinnerung nur einen schalen Nachgeschmack und machte ihn wütend. Wütend auf den Mann vor sich, auf dessen Leichtsinnigkeit und dieses tausend Mal verfluchte Scherbe. Er würde sie herausholen und zertrümmern, bis nichts mehr von ihr übrig war!
Ohne weiter nachzudenken riss Enrique das Hemd beiseite und bohrte die Finger in die Wunde, griff das Stück Glas und zog es aus dem Fleisch. Prompt folgte ein Schwall Blut und er warf sie bei Seite. Hektisch presste er die Hände auf die Wunde.
'¡No!'
Wenn er so weitermachte, dann würde Cornelis verbluten! Dass durfte er nicht zulassen.
'Er ist tot.'
'¿Qué?'
Verwirrt hielt er inne.
'Er ist längst tot und du weißt das.'
Ja. Das wusste er, und doch musste seine Verstand es ihm erst vorhalten, damit er den Versuch aufgab eine Blutung zu stoppen, die längst nicht mehr floss. Er konnte nichts mehr für ihn tun. Punkt. Er hatte keine Zeit für solchen Blödsinn. Die Tür, die sein selbstgewählter Bruder in seinem Herzen mühsam geöffnet hatte, schlug unter dem Druck von Eis und Dornenranken wieder zu, ohne dass er es bemerkte.
Da war er wieder:
Der grausame, gleichgültig Offizier, der niemandem traute, den nichts berührte, weil er nichts empfand außer Hass.
Wieder hatten sie ihm alles genommen.
Doch der Mann hatte ihn um etwas gebeten. Also griff er sein Hemd, breitete es aus und legte die Weste und den Samtbeutel hinein. Dann leerte er Feuerbarts Taschen. Kalt und blutbeschmutz funkelte der Schmuck in der Sonne, doch weder seine Schönheit, noch die makabere Inszenierung erreichten den 26-jährigen, die Wurfmesser aus den Stiefeln schob er hinten, bei sich, kreuzweise in den Gürtel. Präzise bettete der Skadis Bogen darüber und verschnürte das Bündel. Gerade wollte er sich wieder dem Leichnam zuwenden, als sich Schritte und Stimmen näherten. Stimmen, die eindeutig zwei bekannten Stadtwachen und einer verstörten Alten gehörten.

"E-es ist gleich hier vorn ..."

"Ganz ruhig gute Frau! Wir glauben Ihnen ja. Außerdem:
"Leichen rennen nicht weg und ich glaube nicht, dass der andere noch da sein wird."


"Auch wird der andere sich kaum die Mühe gemacht haben, den Toten mitzunehmen. Solchen Leuten geht es darum, was der andere bei sich trägt."

Er musste hier weg!
Hastig griff er das Bündel und die Scherbe und zog sich in den nächsten Hauseingang zurück.
'Geister, lasst sie vorüber ziehen! Bitte lasst sie weitergehen!'
Doch das taten sie nicht, vielmehr trieben sie Enrique weiter fort, bis ihm klar wurde, allein würde er die Leiche nicht bergen können...

{ An der Ecke einer kleinen Seitengasse | Bei Cornelis }


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