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You're in the navy now
Elian & Enrique ✓✓
Szenen-Informationen
Charaktere Gast
Datum 17 Mai 1812
Ort Marine-Offiziersakademie, Escamil
Tageszeit Morgens
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Feb 2018
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#1
You're in the navy now


17. Mai 1812, Morgen
Enrique de Guzmán & Elian Montrose

Now you remember what the draft man said
Nothing to do all day but stay in bed
You're in the [navy] now
Oh, oh you're in the [navy], now
You'll be a hero of the neighborhood
Nobody knows that you left for good
You're in the [navy] now
Oh, oh you're in the [navy], now



Lange vor der Sonne aus dem Bett getrommelt, mit Eiswasser sauber geschrubbt und dann ohne Frühstück, aber in seiner neuen Uniform zusammen mit allen anderen auf einer Art Versammlungsplatz zusammen kommen, alle "Neuen" bitte in die erste Reihe... Elian war nie ein besonders schüchterner Junge gewesen, aber als er an seinem ersten Morgen als frischgebackener Kadett zum Appell antrat, musste er sich selbst eingestehen: Sein Herz war ihm ohne sein Zutun einfach so in die Hose gesackt und baumelte dort jetzt irgendwo auf der Höhe seiner Kniekehlen herum. Wenn nicht sogar tiefer. Platz war mehr als genug, denn als Zwölfjähriger war der Montrose-Sprössling einer der kleinsten Burschen hier - und entsprechend hatte es keine Uniform gegeben, die ihm perfekt gepasst hätte. Die Ärmel seiner Uniformjacke waren einmal umgeschlagen, seine Hose wurde von einem Paar Hosenträger oben gehalten und war fachgerecht mit einem Gürtel so an seiner Taille festgemacht worden, dass sie nicht herum schlackern konnte. Immerhin die Stiefel waren nur einen Fingerbreit zu groß, was er mit einem dicken Paar Socken hatte beheben können. Jetzt drückten sie ein wenig, aber immerhin rutschte er nicht darin herum.

Einen Vorteil hatte seine Größe: Er stach aus der Gruppe weitaus weniger heraus als die ältesten Burschen, die das Gros ihrer neuen Kameraden um nahezu Haupteslänge überragten. Elian schluckte den Kloß in seinem Hals tapfer herunter, wählte eine Gruppe von Knaben, die nur wenig älter sein konnten als er selbst, und näherte sich ihnen, um sich vorzustellen. Sie würden schon nicht beißen - oder?

Er wollte gerade die Hand ausstrecken, hatte sogar schon die Worte in seinem Kopf zurecht gelegt, da brüllte einer der langen Lulatsche, die scheinbar schon länger hier lebten, "Aaaachtung!", knallte seine Fersen zusammen und stand stramm. Noch ein wenig verwirrt ahmten die Neulinge den militärischen Gruß nach, mehr oder weniger enthusiastisch und mit unsicheren Blicken zu den Kadetten hinter ihnen. Elian deutete die Bewegung lediglich an - dieses Knallen sah schmerzhaft aus, danke, darauf konnte er momentan gut verzichten - und versuchte dann krampfhaft, die imposante Körperstellung der Kameraden in der Reihe hinter ihm zu imitieren. Unwillkürlich wurde er sich bewusst, wie schlecht seine Uniform an seinem dürren Körper saß, und dass er ungefähr einen Kopf kleiner war als die Jungen rechts und links von ihm, wodurch er noch winziger wirkte als sowieso schon.

Eine Bewegung von hinten ließ vermuten, dass eine weitere Person auf den Platz getreten war und die aufgereihten Rekruten nun gemächlich umrundete. Elian versuchte, an an seinen Nebenmännern vorbei zu schielen, und als das nicht gelingen wollte, verlagerte er sein Gewicht möglichst unauffällig nach vorne, um an der Formation vorbei einen Blick auf den Neuankömmling zu erhaschen.

Eines war sofort klar: Der Mann musste irgendeine Art von Offizier sein. Er trug Abzeichen an seiner Uniform, die Elian noch nicht hunderprozentig zuordnen konnte, er stolzierte herum, als gehöre ihm die Welt und starrte jeden der Jungen in der ersten Reihe nacheinander an, als wolle er ihn auf der Stelle schmelzen. Elian zuckte zurück in die Formation, blickte stur geradeaus ins Leere und blinzelte wie wild, weil seine Nase angefangen hatte zu jucken und er sich nicht sicher war, ob das hier ein guter Moment dafür war, um an ihr zu kratzen.

Der Mann hatte seine Musterung offenbar noch nicht zur Zufriedenheit abgeschlossen, denn er wanderte weiter die vordere Reihe entlang, während er den Burschen einen Fluss von Worten entgegen bellte, der sich nach einer Weile als eine Art von Begrüßung entpuppte.
Crewmitglied der Sphinx
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#2
"Da haben wir sie also.
"Seht sie euch an! Ein Haufen grünschnäbliger Kinder und möchtegern Gentlemen. Merkt es euch gut! Denn genau so haben wir alle angefangen. Und seht, was aus euch geworden ist! Stolze Anwärter und ehrbare Kadetten.
"Es ist euer Aufgabe, die Hilfe, die eure Vorgänger euch gegeben haben nun an diese Frischlinge weiterzugeben! Lieutenant Ferguson wird nachher jedem Tutor seinen Schützling zuweisen, doch ich erwarte von euch allen, dass ihr ihnen als Vorbild dient. Ist das klar?!"


"Yes Sir!", erklang die vielstimmige Antwort.

"Auch wenn wir noch nicht wissen, wer von euch das Zeug zu einem wahren Offizier und Gentleman hat, gilt: So lange ihr hier seid habt ihr euch als solche zu benehmen und euer Gegenüber auch wie einen Gentleman zu behandeln. Ausnahmslos!"

Mit diesen Worten erreichte der graubärtige Mann den freien Platz vor den Versammelten, schwenkte um und wanderte langsam die forderste Reihe entlang.

"Etwas anderes dulde ich an meiner Schule nicht.
"Stehen sie gefälligst gerade Kadett! Schultern zurück und den Rücken aufrecht! Und sie, grinsen sie nicht so dämlich! Auch das Auftreten ist für einen Offizier von entscheidender Bedeutung."


Das Grinsen erstarb nicht nur bei diesem Jüngling und auch nicht nur seine Haltungen straffte sich.

"Härte und Disziplin, dass ist es, was euch hier erwartet, denn Härte und Disziplin ist das, was ihr später euren Untergeben zeigen müsst. Bei all dem dürft ihr die Gerechtigkeit nicht vergessen. Nur wer Gerecht handelt verdient sich Respekt. Tut ihr das nicht werdet ihr sie nicht führen können! Und das ist—
"Was in Gottes Namen soll das sein Rekrut?! Eine Uniform? Sie sehen ja aus wie eine Vogelscheuche! Ich erwarte, dass sie sich von ihrem ersten Schulgeld direkt zum Schneider begeben und das richten lassen!"


Empört sah er Elian an, schritt aber die Reihe weiter ab.

"Und das ist das, was ihr hier lernen werdet.
"He da Kadett! Wo ist ihre Aufmerksamkeit?!"


Enrique blinzelte, fokussierte den Admiral vor sich, der tatsächlich vor ihm stehen geblieben war, und presste die Lippen aufeinander. Das, was ihm da auf der Zunge lag, sollte er definitiv nicht äußern. Doch der Offizier ließ nicht locker:

"Wohl auf den Mund gefallen wie? Wie alt sind sie Kadett?!"

"16 Sir!"

"16? Und dann kommen sie jetzt noch hier her? Wenn sie sich nicht mehr anstrengen als alle Anderen hier, sind sie alt und grau, bevor sie die Schule abgeschlossen haben und das wollen sie doch wohl nicht oder?!"

Abweisend musterte der Admiral ihn, seine Haltung verriet eindeutig, dass ihm trotz Enriques strammer Haltung, der maßgeschneiderten Uniform und dem tadellosen Verhalten missfiel, was er da vor sich hatte. Und die Antipathie war sofort gegenseitig und heftig.

"Nein Sir", erwiderte der Jüngling, behielt seine Gedanken weiter für sich und hielt trotzig dem bohrenden Blick stand. Elender Heuchler! Er wusste, er sollte seinen senken oder wenigstens an dem Mann vorbeischauen, doch seine Wut ließ das nicht zu.

"Sie merke ich mir!", drohte der Graubart und wante den hasserfüllten Blick zum Nächsten in der Reihe, um mit seiner Rede und den Zurechtweisungen fortzufahren.

Enrique hörte ihm längst nicht mehr zu. Wie oft hatte er sich schon sowas anhören müssen. Und er wusste auch ganz genau, warum dieser Mann ihn nicht mochte:
Er, ein Frischling, ein Halbblut und Händlersohn ohne Empfehlungen, wagte es ihm, Admiral Lord Hammond, Dritter des X, Sohn des Y, Träger des Z u.s.w., die Stirn zu bieten, indem er einen eigenen Kopf hatte. Als wäre alles Andere nicht schon schlimm genug!
Und dieser Mann würde bestimmt nicht der Einzige bleiben konnte er doch nichts davon verbergen, so er es denn überhaupt gewollt hätte, am wenigsten das er zur Hälfte Ara'tayu war, ein wilder, verbohrter, abergläubischer Bastard, ein halber, dreckiger Dieb.
Auch in der Menge untertauchen war hier unmöglich:
Die dunkle Hautfarbe, die klaren Gesichtszüge, die die Herkunft seiner Mutter verrieten, der Körperbau, der nicht untersetzt genug war um als Shilaini durchzugehen, das er sogar den Admiral etwas überragte, nicht viel, vielleicht ein oder zwei Fingerbreit, aber doch merkbar, all das stach viel zu sehr aus der Masse heraus. Die andere Hälfte berechtigte ihn dazu hier zu sein, doch mögen mussten sie ihn deswegen noch lange nicht.
Er seufzte tief.

Von der restlichen Rede bekam er gerade genug mit um an den richtigen Stellen mit "Ja Sir!" zu antworten, den Fahneneid zu leisten und die Hymne auf Krone und Marine mit anzustimimmen. Nichts davon erfüllte ihn mit Ehrfurcht oder Überzeugung.


***


"Bejanten zu mir!"

Lieutenant Fergusons Stimme hallte über den Platz und rief die Neulinge zu sich. Bei ihm stand eine Gruppe Kadetten, die jetzt ihr zweites Jahr am Mormaer College begannen.

"Es ist hier am College Tradition, dass jedem frischgebackenem Kadetten ein Tutor zugewiesen wird, welcher ihn darin unterweisen wird, was er über die Vorgänge hier wissen muss und der ihm auch in anderen Belangen hilfreich zur Seite steht. Ich werde sie jetzt der Reihe nach aufrufen und ihnen ihren Tutor benennen. Danach steht es ihnen frei sich mit dem Gelände der Schule vertraut zu machen. Unterrichtspläne und Zimmer haben die Meisten bereits, bei denen, wo das nicht der Fall ist bitte ich die Tutoren darum sich umgehend darum zu kümmern.
"Avery, Jac?"


"Hier Sir! Ich bin anwesend Sir."

Der Lieutenant nickte.

"Mister Masters", wies er.

Nach und nach teilte er so den Tutoren ihre Schützlinge zu. Enrique musterte sie und stellte fest, dass keiner von ihnen älter als er oder auch nur gleich alt war und seufzte hinter seiner gleichgültigen Maske. Das konnte was werden.

"de Guzmán, Enrique?", erklang es kurz darauf.

"Hier Sir", antwortete er knapp.

"Mister Langley."

Ein hochnäsiger, blasser Schönling von vielleicht 14 Jahren verzog angewidert das Gesicht. Seine Uniform schaffte es trotz der Regularien protzig zu wirken. Das blonde Haar war nach hinten geschniegelt und die grünen Augen blickten kalt. Im Gegensatz zu den Anderen machten weder er noch Enrique einen Schritt auf den jeweils Anderen zu. Stattdessen drehte sich der Schnösel zu seinen Kameraden und unterhielt sich leise und abfällig mit ihnen.
Der Dunkhäutige wand seine Aufmerksamkeit wieder auf die laufende Zuteilung und prägte sich Namen und Gesichter ein.
Dann:

"Montrose, Elian?"

"Das ist unsere kleine Vogelscheuche", ertönte ein spöttischer Zwischenruf.

"Wer war das?!", wollte Ferguson wissen, doch es kam keine Antwort.

Stattdessen sah alles zu Elian hinüber und auch der Dunkhäutige musterte ihn. Entweder hatte der die Uniform von seinem Bruder geerbt, war aus einer Familie, die auf ihre Finanzen achten musste, so dass sie beschlossen hatten, er müsse halt in sie hineinwachsen oder gehörte zu denen, die, ob später Zusage, aus dem Fundus der Akademie versorgt worden waren.
So oder so machten sich die meisten anderen über ihn lustig. Der Name Vogelscheuche würde ihn wohl länger begleiten.
Enrique lachte nicht, verzog beim Anblick der Lästerer das Gesicht und hätte sich am liebsten die Uniform vom Leibe gerissen. Oder einem aus diesem arroganten Pack. Ja, letzteres war eindeutig die bessere Idee.
Er ballte die Fäuste und kämpft gegen den Drang an sie auch zu benutzen.
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#3
Elian gab sich große Mühe, während der Begrüßung seine Zunge zu hüten. Es erforderte Anstrengung. Immer wieder lagen ihm freche bis sarkastische Widerworte auf der Zunge, die er nur zu gerne ausgesprochen hätte. Aber es war vermutlich nicht klug, gleich am ersten Tag Prügel einzustecken, und auch wenn es ihm herzlich gleichgültig war, was die hier von seinem Vater hielten und ob er dem Mistkerl Ehre machte oder nicht (Unehre wäre ihm sogar tatsächlich lieber gewesen), war es ihm nicht vollständig egal, was mit seinem Rücken und seinem Hinterteil passierte. Noch hatte er nicht ausgetestet, wie weit die Marine mit ihren Bestrafungen für Impertinenz ging. Selbst ein so rebellisches Kerlchen wie der zweitgeborene Montrose-Sprössling konnte darauf verzichten, den Preis für eine eigene Meinung gleich beim ersten Appell zu erfragen.

Etwas sagt mir, dass er uns nicht deswegen darauf hinweisen muss, uns wie Gentlemen zu benehmen, weil es unsere Vorgänger von selbst getan haben. Woran nichts auszusetzen war. Echte Gentleman-Manieren waren mit das Langweiligste, was Elian kannte. Er hatte sie, wenn er wollte, keine Frage. Aber er verabscheute es, sich irgendwelchen Regeln unterzuordnen. Insbesondere wenn sie ihm verboten, auf Bäume zu klettern und sich dreckig zu machen, wenn ihm der Sinn danach stand.

Trotzdem war Elian unter jenen, die ihre Haltung spürbar korrigierten, nachdem einer ihrer Kameraden deswegen angeblafft worden war. Er schluckte, korrigierte aber seine Mimik nicht, sondern starrte den Offizier unverhohlen düster an. Härte und Disziplin, hm? Nichts, was ich nicht von daheim gewohnt wäre. Was die Gerechtigkeit angeht, naja. Glaub ich erst, wenn ich es sehe.

Die Gedanken waren Elian wohl nur zu deutlich aufs Gesicht geschrieben gewesen und machten ihn, in Kombination mit seiner übergroßen Kleidung, direkt zur nächsten Zielscheibe für Kritik. Er biss die Zähne zusammen, damit seine Zunge ihm nicht davon laufen konnte, und erwiderte den Blick des Erwachsenen so direkt und furchtlos, wie es ihm möglich war, während gleichzeitig seine Ohren und sein Nacken vor Scham glühten. Soviel zur Gerechtigkeit. Weil ich mir ja freiwillig ausgerechnet die Uniform ausgesucht hab, in die ich "noch reinwachsen kann". Oder irgendeine Form von Uniform.

"Yes, Sir." Der subtile Unterton ließ den Ausbilder kurz stutzen, ehe er entschied, dass der kleine Bengel vermutlich aus Angst oder echter Begeisterung für die Marine so übermäßig enthusiastisch klang, und weiter die Reihe entlang ging.

Elian atmete tief durch, die Hände an seiner Seite zu Fäusten geballt. Noch immer meinte er, die Blicke aller anderen auf sich ruhen zu spüren. Seine Ohren und sein Nacken brannten und er musste sie nicht sehen können um zu erahnen, dass sie sich kirschrot gefärbt hatten. Zur Erniedrigung gesellte sich zunehmende Wut, während er nur halb mit anhörte, dass ein anderer Kadett - noch ungerechter als bei ihm selbst - aufgrund seines Alters niedergemacht wurde. Ich glaube keiner hier wird Mühe dabei haben, sich graue Haare wachsen zu lassen, wenn alle Ausbilder so viel Logik und Fairness mitbringen wie Sie, Sir, hätte er am liebsten von sich gegeben. Wie alle Bemerkungen zuvor ersparte er seinem Rücken diese Offenheit - für den Moment. Aber der Gedanke blieb in ihm und machte es nicht leichter, noch eine weitere gute Viertelstunde still zu stehen und den Ergüssen des Offiziers zu lauschen.


***

Von dem Tutoren-Modell hielt Elian nur bedingt etwas, auch wenn er in diesem Fall sogar ganz dankbar für die Chance war, jemanden zu haben, an den er sich mit seinen dutzenden Fragen wenden konnte. Und selbst wenn der Kerl ekelhaft sein sollte, würde er ihm wenigstens sagen können, wo Elian einen Schneider finden konnte, damit der ihm die Uniform mit ein paar Heftstichen kleiner machte. Er konnte doch wohl nicht der einzige Kadett sein, der jemals dieses Problem gehabt hatte, oder?

Auf die Geländeerkundigung freute er sich direkt, vor allem, weil er darauf hoffte, seinen Tutor nach der Schneider-Sache vielleicht schnell abgehängt zu haben (oder ihn mitzunehmen, sollte der Ältere keinen zu großen Besen im Hinterteil haben). (Etwas sagte Elian, dass sie den dir hier in den ersten zwei, drei Wochen gewaltsam reinschoben und ihn für den Rest des Marinelebens drin ließen. Würde erklären, warum bisher fast alle, die er getroffen hatte, so steif und permanent schlecht gelaunt waren. Tat sicher weh, vor allem auf Dauer.) Was wohl Aspen und Charleen gerade taten? Vermutlich schliefen sie noch, war ja fast noch dunkel. Oder sie frühstückten und überlegten sich, wie sie ihrem eigenen Tutor heute entkommen konnten. Elian seufzte wehmütig, und ein klein wenig neidisch. Erwachsenwerden ist ekelhaft.

Diese und ähnliche Gedanken tanzten ihm durchs Gehirn, während er sich mit den anderen Belanten weiter die Beine in den Bauch stand und darauf wartete, dass er an die Reihe kommen würde. Den Namen lauschte er dabei nur mit halbem Ohr und machte sich gar nicht erst die Mühe, sich die Gesichter alle zu merken. Seine Tagträumerei hatte ihn voll in Anspruch genommen.

Er merkte auf, als ein besonders großer Junge nach vorne trat. Der Ältere stach in dieser Gruppe heraus wie ein bunter Hund. Er war der Größte, aber das war nicht alles. Seine Haut war dunkler als beim Rest, die Haare kinnlang und schwarz, die Augen fast schon glühend. Auf Raízun sind bestenfalls die Ureinwohner so dunkel. Ob er von ihnen abstammt? Vielleicht seine Mutter? Es gab eine Geschichte hier, Elian konnte es förmlich riechen. Aber Ureinwohner schicken ihre Kinder nicht auf die Marineakademie. Oder auf irgendeine Schule. Das größte Maß an Bildung, das er bei einem Dunkelhäutigen bisher gesehen hatte, waren einfach, auswendig gelernte Lieder und Gebete gewesen, wie sie manche der domestizierten Wilden (auf Raízun nahmen sie bisweilen Dienerpositionen ein) bei der Arbeit vor sich hin summten. Und doch... Seine Uniform sitzt perfekt. Vielleicht weil er so groß ist, und sie mehr davon vorrätig haben? Aber es sah für Elian nicht zwingend so aus, als wäre die Uniform schon früher von Rekruten getragen worden. Sie wirkte niegelnagelneu. Und die Haut von dem Jungen war heller, als bei den meisten Wilden, die er bisher gesehen hatte. Halb und halb? Faszinierend...

Der Ältere machte den Mund auf, um seine Anwesenheit knapp zu bestätigen. Die Stimme war... hey, das war doch der, der wegen seiner bald grauen Haare verspottet worden war! Elian riss die Augen auf. Er ist größer als Aspen. Gut, und ein bisschen älter. Aber trotzdem... Ob Aspen mal genauso groß wird? Vater ist sehr groß. Vielleicht wachse ich auch mal so hoch?

Der Dunkelhäutige bekam einen Tutor, der so aussah, als ob sich mit ihm streiten viel zu einfach werden könnte. Und dann ging es weiter im Text und Elian schweifte gedanklich wieder ab, bis...

"Montrose, Elian?" Eine peinliche Pause entstand.

Elian schreckte auf, machte zwei hastige Schritte nach vorn und stolperte in seiner Eile unwillkürlich. Er fing sich direkt wieder, aber er hörte erste leise Lacher, und dann einen höhnischen Zwischenruf von jemand, der ihn noch gar nicht gut genug kennen konnte, um sich eine Meinung zu erlauben. Elian wirbelte herum, aber er war nicht sicher, wer da gesprochen hatte. Der blonde Schnösel, der Tutor von dem Dunkelhäutigen, stand in dem Klüngel von möglichen Sprechern. Aber sicher konnte er nicht sein, nicht, solange er die Stimmen noch nicht kannte.

Auf eine Zwischenfrage des Ausbilders passierte natürlich nichts. Feigling. Das störte Elian mehr als die eigentliche Beleidigung, oder die Tatsache, dass fast alle über ihn lachten. Er war selber jemand, der gerne eine dicke Lippe markierte. Viel zu gerne. Aber wenigstens hatte er das Rückgrat, Leuten ins Gesicht zu sehen und für seine Worte grade zu stehen. Von jemand verspottet zu werden, der zweifelsohne größer war und es trotzdem nicht zu Wege brachte, Eier in der Hose zu haben... na warte.

"MONTROSE, ELIAN?!" Die Ungeduld war spürbar.

Elian wandte sich um, stand ordnungsgemäß stramm und salutierte, wieder eine Spur zu keck, um ganz den Regeln zu entsprechen. "Sir." Er wollte sich beherrschen. Er wollte wirklich. Aber er hörte immer noch leises Lachen im Hintergrund, und plötzlich riss ihm sein ohnehin kurzer Geduldsfaden.

"Verzeihung, Sir... eines muss an dieser Stelle gesagt werden."

Er drehte sich um und beantwortete den Spottruf in typischer Elian-Manier so charmant und zugleich kühl, wie er nur konnte: "Die Diskrepanz zwischen der Größe meiner Kleidung und der meines Körpers wird sich in den nächsten Jahren von ganz alleine erledigen. Gegen Feigheit und Unsolidarität ist hingegen kein Kraut gewachsen. Ihr mögt euch für die Helden einer Komödie halten, aber wenn ihr mit dieser Einstellung die Zukunft der Marine darstellen sollt, hat die ganze Farce mehr Ähnlichkeit mit einem Trauerspiel."

Elian drehte sich zurück zum Gesicht des Offiziers, das vor lauter Wut knallrot angelaufen war.

"Schnauze, Montrose! Sie sprechen hier nur, wenn Ihnen eine direkte Frage gestellt wird, ist das klar?!"

"Kristallklar, Sir." Er gab sich Mühe, zerknirscht drein zu blicken, aber er wusste selbst dass es nicht vollkommen überzeugend wirkte.

"Ich dulde keine Insubordination. Dies ist Ihre erste und letzte Warnung. Haben Sie mich verstanden?"

"Yes Sir. Verzeihung, Sir."

Ein weiterer langer, wütender Blick. Elian schluckte im Bewusstsein, dass er sich gerade keinen Freund gemacht hatte. Nicht, dass es ihn zu sehr belasten würde... er war wütende Erwachsene gewohnt. Aber er wollte den Offizier auch nicht über die Maßen reizen. Nicht heute, auf jeden Fall. Der Offizier selbst zögerte wieder sichtlich, die Augen misstrauisch verengt, dann nickte er abrupt und machte mit seiner Tätigkeit weiter, indem er Elians Tutor aufrief.

"Mister Thompson."

Elian musste nicht lange suchen. Er war mit den Augenwinkeln immer noch bei der Gruppe um den blasierten blonden Schnösel, und ausgerechnet der Kerl neben ihm schaute wütend drein, lehnte sich zu dem Blonden hinüber und murmelte so laut, dass Elians junge Ohren es mühelos aufschnappen konnten: "Ist ja wieder typisch dass wir mit den zwei Hausschweinen abgespeist werden." - "Hör dir den Akzent an. Was ein Hinterwäldler. Kein Wunder, dass er keine anständigen Klamotten hat." - "Wer die hier rein gelassen hat, möchte ich auch mal wissen. Die Schule geht vor die Hunde, sag ich dir... wortwörtlich."

Die Hände immer noch zu Fäusten geballt, trat Elian zurück ins Glied und wartete ab, bis die Verteilung endlich abgeschlossen war und sie den Befehl zum Wegtreten erhielten. Alle Neulinge stoben auseinander, um sich zu ihren Tutoren zu begeben. Elian zeigte weitaus weniger Enthusiasmus, ähnlich wie der Dunkelhäutige, und so kamen sie nahezu zeitgleich bei ihren beiden Tutoren (die sich keinen Deut in die Richtung ihrer neuen Schützlinge bewegt hatten) an.

"Du hast ganz schön Nerven, Kleiner," zischte ihm Thompson direkt entgegen, und sein blonder Kumpel - Langley - mischte sich direkt mit ein. "Feigling, ja? Trauste dich auch, mir das ins Gesicht zu sagen?!"

"So oft und so laut du möchtest." Elian richtete sich auf, so groß es ihm möglich war. Die anderen beiden überragten ihn dennoch um einen Kopf, und erneut fluchte er innerlich darüber, dass Aspen nicht hier war. Aspen hätte gewusst, was zu tun war. Oder wie er Elian da raus holen konnte. Nicht, dass Elian Schiss gehabt hätte. Vielleicht war er ein KLEIN wenig besorgt, aber er hatte keinen Schiss. Nicht vor diesen beiden Lackaffen. Die sahen nicht so aus, als hätten sie sich in ihrem Leben schonmal dreckig gemacht, geschweige denn mit den anderen Jungen an den Docks gerauft oder Nachmittage lang Pirat-und-Marineoffizier im Dschungeldickicht gespielt.

Verdammt. Er hatte Charleen versprochen, dass er hier Freunde finden würde und sich anpassen und dass er keinen Ärger mehr suchen würde. Wenn es nur die Vogelscheuche-Sache wäre, na gut. Aber sie haben schlecht von meiner Familie geredet. Und das heißt auch Aspen und Charleen. Ich kann das nicht sitzen lassen. Nein, ich WILL das nicht auf uns sitzen lassen.

"Die eigentliche Frage ist doch, ob ihr beide euch traut, mir eure Meinung zu meinem Kleidungsstil auf den Kopf zu zu sagen. Sollte leichter sein, jetzt da Mister Miesmuschel uns nicht mehr zuhört. Also? Ich warte."

Sein Herz klopfte wie wild. Wenn sie es nochmal sagen, muss ich ihnen jetzt quasi ins Gesicht schlagen. Sie hätten's vermutlich verdient. Aber ich will mich nicht prügeln. Nicht gleich heute. Wäre reichlich dämlich... okay, es würde mir sowas von ähnlich sehen. Aber nein, ernsthaft, Aspen wäre SO enttäuscht mit mir wenn er das hier sehen könnte. Ich bin nicht mal ne Stunde im Dienst und schon habe ich Streit...
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#4
Ferguson sah betont geradeaus, und wiederholte seinen Aufruf deutlicher. Allein das Stolpern hatte ihm schon verraten, nach wem er verlangte, doch er wollte, dass der Jungspund sich meldete, was der dann auch endlich tat. Die freche Art, die er dabei an den Tag legte, ließ ihn eine Augenbraue heben.
Doch es blieb nicht bei der Meldung.
Zwar fing Elian korrekt an, aber das, was danach kam glich für den jungen Leutnant einem Schlag ins Gesicht. Nicht nur waren die Worte hervorragend gesetzt, die Selbstsicherheit darin glich in ihrer Form schon fast Arroganz, nein, im Vergleich zur Leistung des Leutnants waren sie auch noch wesentlich eleganter. Dass man Ferguson ebenfalls überwachte, um ihn später zu beurteilen, machte es nicht besser. Immerhin, hielt Ferguson sich vor, hörten die Kadetten genauso wenig auf den Montrosesprössling wie auf ihn.
Wütend wies er den Jüngling trotzdem scharf zurecht. Den würde er sich merken.
Der Bejant lenkte ein und als er ihn hoffentlich weit genug an die Befehlsstrucktur erinnert hatte zögerte der Leutnant etwas verunsichert, merkte aber schnell, dass er zum einen die Gelegenheit zum Weitermachen verpaßt hatte und es ihm wohl besser zu Gesicht stünde, zeigte er jetzt, dass er sich durch diesen Vorfall nicht von der Arbeit abhalten ließe. Also rief er den Tutor auf und machte mit den Nachfolgenden weiter.

***

Der 16jährige hob bei Elians Ausbruch eine Augenbraue. Es war interessant festzustellen, dass es hier anscheinend jemanden mit mehr Temperament oder weniger Geduld gab als ihn selbst. Er verzog bei dessen Worten amüsiert den Mundwinkel. Gleichzeitig war er wütend auf sich, weil er schon wieder kurz davor war die Beherrschung zu verlieren und nicht daran gedacht hatte eine Verbale Lösung anzustreben.
Zwischen den Aufrufen kehrte sein Blick immer wieder zu Elian zurück, während auch er dem Getuschel lauschte. Vielleicht sollte er sich ein Beispiel an dem Jüngeren nehmen?
Der Schwarzhaarige zwang sich, sich zu entspannen und wartete ab, was passieren würde. Zuschlagen könnte er später immer noch.

"Weggetreten!", bellte Ferguson und verließ den Platz. Ältere Schüler hatten ab jetzt die Aufsicht.

Enrique seufzte. Am liebsten wäre er einfach gegangen, doch es war ihm nicht möglich. Zu sehr hatten ihn die beiden Schnösel und ihre Entourage herausgefordert.
Also schlenderte er widerwillig zu ihnen hinüber.
Der Zwerg erreichte sie kurz vor ihm und prompt setzten sie ihr Streitgespräch fort.
Da sie Enrique zunächst nicht mit hineinzogen wartete er mit vor der Brust verschränkten Armen ab.
Mumm hatte der Kleine, dass musste er ihm lassen und er hätte zu gern gewusst, was die Beiden ihm geantwortet hätten, doch seine Selbstbeherrschung versagte.

"Lass sie doch Montrose. Wenn die Beiden meinen, sich in der Masse verstecken zu müssen, dann werden sie nie gute Offiziere abgegeben. Dass sie welche werden wird das leider trotzdem nicht verhindern, dafür sorgt das Geld ihrer Eltern."

"Du wagst es?! Du wagst es, so mit mir zu sprechen, Arak?"

Langley entledigte sich seines Uniformrockes, in dem er ihn einem dunkelhaarigen, pickligen Jungen shilainischer Herkunft in die Arme drückte, der sich, wie noch zwei Andere, mit den Beiden gemein machte, und schickte sich an, die Ärmel des Hemdes hochzukrempeln.
Thompson schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf, als seine rechte Hand zu ihm sah.

"Wir verstecken uns nicht in der Masse Braunhaut. Und ich sag es dir so oft du willst Vogelscheuche: Sieh zu, dass du aus diesen Lumpen was besseres machst. Andernfalls übernehmen wir das."

"Und das Geld unserer Eltern brauchen wir auch nicht, um Offiziere zu werden Papagei. Mach dir keine Sorgen, im Gegensatz zu dir ist es uns bestimmt Offizier zu werden."

Grob riss Thompson dem shilainischen Tutor die Jacke wieder aus den Händen und funkelte Enrique wütend an.

"Aber darauf verzichten werdet ihr nicht. Genauso wenig wie auf den Ruf eurer Eltern. Im Gegensatz dazu weiß ich immerhin definitiv, dass ich wenn dann wegen meiner Fähigkeiten Offizier werde. Geld und Ansehen kann man verlieren. Talent nicht.",

Die Erwiderung des Dunkelhäutigen kam, trotz seines emotionalen Zustandes, kalt. Er war mindestens so wütend wie Elians braunhaariger Tutor, konnte spüren, wie der Zorn in ihm tobte, bemüht einen Weg nach außen zu finden, doch sowohl die Erinnerung an Isabella, als auch an Cornelis Worte ließen nur seine Augen seine Gefühle verraten, ihn äußerlich ansonsten eisern Ruhe bewahren.
Auf eine handfeste Prügelei mit seinem Tutor als einstand wollte er eigentlich verzichten, leicht würde es ihm aber nicht fallen.
______
(Arak und Papagei {Ara} sind, genau so wie Braunhaut, Beleidigungen in Richtung Enriques, abgeleitet von Ara'ke'ni, dem verbreitetesten "Eingeborenen"stamm)
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#5
Elian wollte es sich nicht anmerken lassen, aber ihm flatterte das Herz ziemlich in der Hose. Wenn die Älteren es darauf anlegten, würde er sich mit ihnen prügeln müssen, vermutlich als der eingebuchtet werden, der angefangen hatte, und hätte hier vom allerersten Tag an einen katastrophalen Stand. Es war alles in allem keine rosige Aussicht, aber klein beigeben, buckeln und die Mistkerle gewinnen lassen ging ja mal GAR nicht. Lieber hätte er auf der Stelle seine unbequemen Stiefel aufgefressen.

Dass sich der Dunkelhäutige hinter ihm einmischte, überraschte ihn - positiv. Es fühlte sich fast so an, als wäre Aspen hier, um ihm wie gewohnt den Rücken zu stärken. Auch wenn der Einwand von de Guzmán eher so klang, als würde dieser sich zurückziehen wollen. Was vermutlich weise war. Er bot Elian die Chance, das Gesicht zu wahren und gleichzeitig ohne allzu großen Ärger hier abzuziehen. Was mehr konnte er verlangen, auch wenn es ihm gerade wirklich verlockend in der Faust juckte?

"Du hast Recht, de Guzmán. Wie es aussieht, müssen wir ihren Eltern und deren Geld für eine Menge Dinge dankbar sein, nicht zuletzt für das Privileg, ihren glorifizierten Nachwuchs überhaupt erst in die Welt zu setzen," trumpfte er also nur sarkastisch auf Enriques Bemerkung auf. Seine Worte gingen allerdings in den Reaktionen der Älteren unter, von denen einer sich prompt seines Uniformrocks entledigte. Theatralisches Gehabe. Wenn es ihm ernst wäre, könnte er ja auch einfach zuschlagen, wie ein echter Kerl. Aber nein, lieber erst eine Show draus gemacht. Pussy. Elian, der sich zeitlebens schon seine schön genähten Hosenböden an Dachrinnen und seine seidenen Hemden im Dschungel zerfetzte, sah nicht wirklich den Sinn dahinter, die eigene Garderobe zu schonen. Prügeln, Ausbüxen, Abenteuer... das alles gab früher oder später Prügel, so oder so. Ein paar Schläge extra wegen eines Risses in der Klamotte waren dann auch egal.

"DU willst MEINE Uniform aufbessern?" Elian musste lachen, es ließ sich nicht unterdrücken. "Du hast weder den Geschmack, noch das Talent dazu. Lass' lieber stecken, ehe ich dich beim Wort nehme und du beim ersten Mal, das du dir in den Finger stichst, in Ohnmacht fällst." Wie sie mit Enrique redeten, fand er allerdings weitaus weniger amüsant. Zwar war die Antwort des Älteren kalt und überlegt - und mindestens so eloquent, als hätte er mit Elian die Schulbank gedrückt - aber das machte diesen ganzen Wortwechsel trotzdem nicht wieder gut.

"Ich glaube sofort, dass euch dieser Weg hier bestimmt wurde. Ihr seid der Typ dafür. Lasst Daddy fein euer Schicksal für euch entscheiden, statt eure eigene Verantwortung zu tragen, und seid noch stolz darauf. Komm, de Guzmán. Wir finden uns auch ohne diese Hanswürste zurecht."

Es war schwer, das nicht wie eine Bitte klingen zu lassen. Wenn du dich mit ihnen prügeln willst, mache ich mit, aber ich glaube wir sollten einfach abziehen. Vier oder fünf gegen zwei, das sind beschissene Quoten. Klar, der Ältere war größer als alle hier, aber gleichzeitig war Elian kleiner, und von daher ging es sich vermutlich numerisch zu ihren Ungunsten aus. Elian nahm Enriques Ärmel in die Hand und zog daran.

"Mein Hauslehrer hat nicht viele kluge Dinge gesagt, aber 'wer ein Maul wie in der Gosse führt, gehört vom Hirn her dort hin' war unter den besseren Sprüchen. Außerdem, wenn diese Idioten das oberste Niveau dieser Akademie darstellen, bin ich stolz, wenn ich kein Teil davon bin."
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#6
So richtig bekam er Elians Reaktion nicht mit, trotzdem stutzte er über das du; er hatte es aber wohl selber provoziert.

Stattdessen trat er, ob Langleys aggressiven Verhaltens, mit einem Fuß einen halben Schritt zurück, spannte die Schultern und verfluchte sich dafür, dass er diesen Impuls nicht hatte unterdrücken können.
Doch er blieb in der kampfbereiten Position, denn sie wieder zu verlassen hätte ihn unentschlossen wirken lassen. Schweigend beobachtete er, mit finsterem Blick, was danach geschah.

Auf Elians lachende Gegenfrage kam von Thompson sarkastisch:

"Immer doch, ich glaube allerdings nicht, dass dir meine Nähkunst gefällt."

Gelächter begleitete die Erwiderung, war doch den Anderen klar, was ihr Anführer damit meint.

"Warte du! DAS lass ich mir von dir nicht bieten Knirps!", fauchte Langley, doch Thompson stoppte ihn relativ unsanft, indem er ihn die Hand mit seiner Jacke vor die Brust drückte.
Gesetzt erwiderte er erst ihm dann Elian:
"Lass gut sein, wenn die Beiden Streit anfangen wollen, sollen sie doch. Und was meine Zukunft betrifft Vogelscheuche, ich bin hier, weil ich das sein will, aber bei euch Beiden deucht es mir, als wäret ihr lieber in der Gosse und würdet euch prügeln, da schafft es eure Sprechweise auch nicht eure Herkunft zu verbergen, egal wie glorreich die Sprüche deines ach so geschätzten Hauslehrers auch waren.
"Ach und verlauft euch nicht, oder beschwert euch hinterher lieber nicht. Wir sind immer da, falls ihr Fragen habt."


Unter dem Gelächter der Anderen wandte Thompson sich ab und zwang allein mit dem Blick auch Langley herum und zum gehen. Gemeinsam verließen sie den Platz und den jüngeren Montrose und Enrique stehen.

Der Schwarzhaarige verfluchte sich gerade still aber aufs heftigste, dass er auch jetzt noch eine Augenblick brauchte, ehe er sich soweit unter Kontrolle hatte, dass er nicht gleich irgendwie ausrasten würde, sowie er auf den Zug an seinem Ärmel reagieren täte. Erst nach ein paar Atemzügen war er soweit.
Unwirsch machte er sich los und fing an auf und ab zu wandern.

"!Mierda!"

Seine Finger gruben sich in sein Haar, ehe er sich schließlich resigniert, aber in vorbildlicher Haltung, Elian zuwandte.

"Bitte entschuldigt! Das hätte besser laufen müssen."

Einen Moment lang schwieg er, ehe er mit einem seufzen und einer ausladenden Handbewegung anfügte:

"Enrique de Guzmán Ochoa, aber wenn es für euch in Ordnung ist Sir, können wir auch beim Du bleiben. Und falls ihr wissen wollt, wo was ist, ich bin schon ein paar Tage hier und hatte Gelegenheit einiges herauszufinden."

Das Sir war vielleicht noch nicht ganz angebracht, aber ein Teil von ihm wollte sich irgendwie entschuldigen und wie täte er das, nach dem Geschehenen, besser als durch Respekt? Außerdem verzichtete er auf eine höfische Verbeugung, sondern hielt ihm in typischer Händlermanier eine ausgestreckte Hand hin.
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#7
"Jeder hier hat mitgekriegt, dass ich zuerst die erwachsene Reaktion hatte, Dumpfbacke!" Elian rief es den Abziehenden mit einigem Oberwasser hinterher. "Tu ruhig so als wärst du zuerst über deinen Schatten gesprungen, am Ende glaubst es doch nur du selbst!"

Göttin, was für ein Haufen Trottel... Er konnte von Glück sagen, wenn er mit diesen Leuten künftig möglichst wenig zu tun hatte. Da suchte er sich doch lieber Freunde wie de Guzmán. Der schien bisher in Ordnung zu sein, und sein nur mit Mühe unterdrücktes Temperament erinnerte Elian einmal mehr an Aspen - so sehr, dass es fast ein wenig weh tat, aber auf die gute Art, nicht die total ätzende bei der man weinen musste.

Er hatte das Wort 'mierda' noch nie gehört, aber dem Tonfall nach war es ein schlimmes Wort, für das er den Hosenboden stramm gezogen bekommen hätte. Elian beobachtete seinen neuen Bekannten folglich mit einer kindlichen, begeisterten Faszination. Es war mutig, zu fluchen. Irgendwie erwachsen. Erwachsene fluchten andauernd und bekamen keinen Ärger dafür, außer wenn sein Vater oder ein anderer Vorgesetzter es hören konnte. Aber untereinander fluchten sie sehr sehr oft, und es hieß immer, dass sie stark und wütend waren. Vielleicht sollte ich mir ein paar Schimpfworte zulegen... wobei, nein, lieber nicht. Die Offiziere hier fanden es sicherlich nicht gut und so wie es anfing würde er sich so oder so viel zu viel Ärger einheimsen, indem er er selbst war. Lieber nicht noch mehr Ärger, indem er jemand anderes war.

Er hob die Augenbrauen, als der andere ihn 'ihr'-te, statt auf das 'Du' einzugehen, in das Elian einem anderen Jungen, den er als möglichen Freund erachtete, gegenüber automatisch verfallen war. Als der Ältere ihn dann aber 'Sir' nannte, musste er unwillkürlich seufzen.

"Können wir bitte?" Er steckte die Hände in seine Hosentaschen, auch wenn das alles andere als eine militärische Körperhaltung war. "Ich meine wenn du dich dann besser fühlst, kann ich dich gerne offiziell betiteln, aber wir sind auf demselben Rang und 'Sir' ist glaube ich dann doch den Vorgesetzten vorbehalten. Zum Glück."

Er schauderte. Vater wollte immer 'Sir' genannt werden. Ich bin heilfroh, wenn mir das noch ein paar Jahre erspart bleibt... bringt mich in keine gute Gesellschaft.
Erst dann fiel ihm auf, dass er gerade sehr unhöflich war, also nahm er schnell die Rechte aus der Hosentasche und schlug ein, wie er es von den Arbeiterkindern auf Raízun gelernt hatte. Fühlte sich richtiger an als eine Verbeugung. Ehrlicher, irgendwie. Und viel mehr nach Freunden.

"Elian Montrose. Freut mich sehr, dich kennenzulernen, Enrique de Guzmán Ochoa. Hättest du Lust, mir bei der Suche nach 'nem Schneider zu helfen?"

Wo er wohl her stammt? Er sparte sich die Frage vorerst. Es kam ihm unhöflich vor, und, was schlimmer war, so als ob jeder hier Enrique vermutlich exakt dasselbe fragte und es sich längst anfühlen musste als würden sie eigentlich 'Du gehörst nicht hierher' meinen, wenn sie es sagten.

Stattdessen erzählte er munter los: "Ich komme von Raízun. Ist viel wärmer dort als hier, und... alles ist kleiner. Ich hab' noch nie so viele Uniformen auf einem Haufen gesehen."
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#8
'Und all jene, die hiervon nur erzählt bekommen', dachte ein Teil von ihm, während ein anderer immer noch viel zu aufgebracht den Abziehenden hinterherstarrte.
'¡A la mierda la Senioridad!'
Das ihm dann ein bewundernder Blick folgte irritierte ihn, doch das verbarg er hinter seinem Zorn. Darin war er gut: seine Gefühle in Wut zu ertränken. Wenn er es jetzt auch noch schaffte, die immer hinter einer neutralen Maske zu verstecken, dann würde er das hier erfolgreich abschließen können. Und dann würde er die Verantwortlichen finden!

Sein Ziel wieder fest vor Augen, hielt er sich gegen alles gefeit. Wie sehr er sich da geirrt hatte zeigte ihm seine Reaktion auf die, die Elian, ob Enriques Anrede, an den Tag legte.
Erst war es Verwunderung, dann stürmten schmerzhafte Erinnerungen auf ihn ein. Tonlos formten seine Lippen "Natiao", sein Blick ging unfokussiert durch den Jüngeren hindurch, er vergaß völlig, seine Hand zurückzuziehen und übersah deswegen nebenbei gänzlich die Beleidigung, die Elian ihm damit zuteil werden ließ, dass er nicht sofort zupackte.
'Ich hatte doch nur höflich sein wollen ...'

Elians fester Griff brachte ihn zurück.
Schlagartig straffte sich seine Haltung. Irgendwie brachte er ein Lächeln zustande und wischte damit die Taubheit aus dem Gesicht. Aber was hatte der Kleine gesagt?
Da er nicht darauf kam blieb ihm nicht viel mehr, als mit dem Rest zu arbeiten und die Lücke sinngemäß zu ergänzen.

"Nein, schon gut. Du ist völlig in Ordnung."

Etwas verspätet erwiderte er den kräftigen Händedruck und grinste.

"Die meisten werden uns deshalb für Straßenkinder halten, aber das ist mir egal. Ich rechne sowieso nicht damit, hier viele Freunde zu finden.
"Und suchen müssen wir nicht, Montrose? Oder Elian? Was ist dir lieber? Ich kann dich zu meinem bringen."


Dann musste er wirklich schmunzeln, schien ihm doch, als ob Elian einfach nur losplapperte, um irgendwas Anderes zu sagen, als dass, was er eigentlich sagen wollte.

"Raízun. Das ist wirklich weit im Süden."

Kurz glitt sein Blick über den Platz, zu den vereinzelten Offiziersanwärtern, die sich entweder darum bemühten, Wissen in ihre Köpfe zu bekommen oder sich zügig zu ihrem Ziel bewegten.

"Und das mit der Anzahl der Uniformen, dass glaube ich dir sofort. Nur einmal habe ich mehr — nein, wohl eher mehr Ausgehuniformen gesehen als Heute. Und das war in Linara, bei der Prozession zum Königlichen Geburtstagsjubiläum..."

Seine Gedanken drifteten für einen Moment zurück zu jenen wenigen Tagen, dem einzigen Mal, dass er zusammen mit seiner ganzen Familie Estero verlassen hatte, erinnerte sich daran, wie er als Sieben- oder Achtjähriger, geblendet von all dem Prunk ein einziges Mal bei Jorge glücklich gewesen war, zu jung um zu kapieren, dass sein Vater sie nicht mitgenommen hatte, um ihnen eine Freude zu bereiten, sondern um seinen Nachfolger zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen.
Dann schüttelte er diese Gedanken ab und sah auf den jüngeren Montrose hinab.

"Willst du gleich zum Schneider? Oder soll ich dir erst etwas Anderes zeigen? Es ist möglicherweise noch etwas zu früh."


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