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Gesichter der Vergangenheit
Cornelis & Enrique ✓
Szenen-Informationen
Charaktere Gast
Datum 16 September 1806
Ort
Tageszeit Mittags
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Nov 2016
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#11
van der Meers Anerkennung wischte die Sorgen und Fragen fort und beinahe wäre Enrique vor Freude auf- und abgesprungen. Als Cornelis sich dann auch noch bereit erklärte den Bollerwagen zu benutzen wurde der Drang sogar noch stärker.
Da er ihn unterdrückte, schien er ein anderes Ventil zu brauchen und so plapperte Enrique los:

"Aufgeben mag ich auch nicht. Nicht, wenn ich weiß, dass es eine Lösung geben muss. Und ich bin mir sicher, sie mögen das auch nicht Sir. Ich wünschte nur, dass mehr Leute einsehen würden, dass man Sachen auch anders machen kann... als... geplant..."

Seine Stimme verlor sich stockend im Wind, und mit ihr die gute Laune. Der Zehnjährige presste die Lippen aufeinander und hatte Schwierigkeiten nicht daran zu denken, wie sein Vater reagiert hätte. Dann packte ihn eine stille Wut.
'Nein! Vater ist nicht hier. Der kann mir gerade gestohlen bleiben!', dachte er und besann sich auf seinen Entschluss. van der Meer hatte ihn gelobt, daran würde er sich festhalten!

"Ich habe eine bessere Idee! Ich schiebe den Wagen direkt neben sie Sir.", griff er Cornelis Aufforderung auf, nur um sie mit einer Besseren Idee zu ersetzen und tat auch genau das, was er vorgeschlagen hatte. Dabei fielen ihm die Wackersteine auf, die er hineingelegt hatte, damit die heftigen Böen ihm den Anhänger samt Polsterung nicht entrissen. Kurz stockte er in der Bewegung, überlegte, hielt dann den Wagen am Holz fest, nur um festzustellen, dass der Stein für eine Hand zu schwer und sperrig war. Also griff er sich einen der Brocken und hob ihn raus.
Promt drehte der Sturm den Bollerwagen ein kleines Stück, bis er mit dem Vorderrad in einer Rille des Kopfsteinpflasters landete und gefährlich schwankte.
Nein, so würde es auch nicht gehen. Entweder er hielt den Wagen fest und bekam die Steine nicht heraus, oder er wuchtete sie hinaus, nur damit das Unwetter gewann. Auskippen wäre auch keine Lösung, weil er dabei nicht vernünftig die Decke festhalten konnte.

Cornelis bekam davon Folgendes mit:
Zunächst rumpelte wohl der Bollerwagen neben ihn, irgendetwas polterte kurz darin, dann gab es eine kleine Pause, dann schabte es zweimal, jedesmal von einem Poltern gefolgt, dann ein Schleifen, das abrupt mit einem 'Tock' endet, begleitet von einem kurzen Schreckenslaut Enriques und dann eine längere Stille, sofern man bei Sturmgeheul, Wellenschlagen, Knarzen von Holz, schwirren von stehendem und festgezurrtem laufenden Gut, einzelnen Wortfetzen von der Seepferdchen, gelegentlichem Regengeprassel und anderen Geräuschen von Stille reden mochte.
Dann plötzlich ein halbverwehtes:

"Ah!"

Enrique wandte sich Cornelis zu, und war damit dann auch wieder deutlicher zu verstehen.

"Sir? Ich brauche einen Moment lang ihre Hilfe! Könnten sie den Bollerwagen festhalten, damit ich den Ballast entfernen kann ohne das er weggeweht wird? Falls Bücken gerade zu unangenehm ist helfe ich Ihnen in die Hocke und auch wieder hoch."

***

Hallowell sah zum Kapitän auf dem Achterdeck und stellte fest, dass der genau beobachtete, was auf dem Pier geschah. Welche Gedanken dazu durch den Kopf seines Vorgesetzten gingen konnte er nicht sagen.
Fest schien jedenfalls zu stehen, dass Cornelis und sein kleiner Helfer gut miteinander klarkamen.
Er wollte sich wieder seinen Aufgaben zuwenden als O'Mahony ihn zu sich rief.

"Sir?"

"Sagen sie Hallowell, was hat der Junge ihnen eigentlich gesagt, wo er unseren Steuermann hinbringen will?"
Cornelis Feuerbart
Crewmitglied der Sphinx
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#12
Cornelis runzelte die Stirn, als er diese merkwürdigen Geräusche vernahm, die er ohne zu Sehen nicht recht zuordnen konnte.

"Was treibst du denn da?", fragte er deshalb.

Zunächst bat ihn Enrique um seine Hilfe, bevor er eine Antwort auf seine Frage erhielt. `Aha, er hat den Wagen mit Steinen als Ballast beladen. Wirklich ein kluges Bürschchen.´ Cornelis nickte zur Antwort und entgegnete:

"Gib mir doch einfach die Zugstange in die Hand. Dann brauche ich mich weder zu bücken noch in die Hocke gehen und kann trotzdem verhindern, daß der Bollerwagen fortrollt."

Er streckte suchend seine rechte Hand nach vorn und erwartete von Enrique die Zugstange gereicht zu bekommen.

Crewmitglied der Sphinx
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#13
Hallowell wurde blass.

"Ich dachte sie kennen ihn Sir... Er... Er sagte, sie sollen pünktlich zu Essen sein. Ich— es tut mir leid Sir, ich weiß nicht, wie ich darauf kam. Ich—"

"Pünktlich zum Essen?", unterbrach ihn der Captain und musterte den Knaben noch einmal genau. Nein, ganz im Gegensatz zu dem Jungen, der ihn zu kennen schien, hatte er keine Ahnung, wer da bei van der Meer stand.

"Genau das sagte er. Und dass sein Vater von einer weiteren Verspätung nicht begeistert wäre. Er war ungehalten."

"Ungehalten?"

Der Matrose grübelte.

"Ja Sir, ungehalten. Ich glaube, Er war nicht begeistert, dass wir Cornelis seinen Willen ließen, worauf der gestürzt ist, was ich verstehen kann. Und ich meine, Thomson hat ihn direkt nach dem Anlegen fortgeschickt, als er an Bord wollte. Genau habe ich das aber nicht gesehen."

Hallowell sah den Skipper entschuldigend an.

Der wusste nur zu gut, wie stur und eigen sein Zögling war und hatte den Sturz durchaus mitbekommen. Und auch, dass Cornelis sich wieder berappelt hatte.
Jetzt festzustellen, dass alle glaubten, der kleine Helfer wäre ihm bekannt und das niemand sich deswegen weiter erkundigt hatte, gefiel ihm trotzdem nicht.
Hallowell konnte er es allerdings kaum vorwerfen, der wäre in diesem Sturm selbst fast über Bord gegangen und war dementsprechend ein wenig "durch den Wind".
Der Junge hatte also an Bord gewollt? Und mir die Anweisung erteilen lassen, rechtzeitig zum Essen zu erscheinen?
Das wollte so gar nicht zu seinem derzeitigen Verhalten und Äußeren passen, vielleicht noch zu seiner Kleidung... Erwarten tat ihn hier eigentlich nur einer. Sollte das de Guzmáns Sohn sein? So recht wollte sich auch das nicht ins Bild fügen, hätte er dann doch zumindest erwartet, den Händler auch persönlich hier zu sehen. Andererseits... O'Mahony schüttelte den Kopf. So kam er nicht weiter.

"THOMSON! ZU MIR! SOFORT!"

Hallowell zuckte zusammen, ehe er feststellte, dass der Ruf nicht ihm gegolten hatte. Und erneut, als sein Captain ihm zur Beruhigung die Hand auf die Schulter legte, sich ihm zuwandte und im vertrauten Ton anwies:

"Sollte sich das nicht klären, bevor die Beiden den Pier verlassen, dann sehen sie zu, dass sie hinterher kommen!"

***

"Oh? Si! Das geht natürlich auch."

Erleichtert ergriff Enrique Cornelis Angebot, verkantete die Vorderachse so, dass die Zugstange gleichzeitig gegen den Wagen lehnte und in Richtung des Steuermanns wies, dann lotste er dessen Hand auf den Griff und deutete ihm den Wagen über Hebelwirkung auf den Boden zu drücken.

"Si, genau so! Ich Lasse jetzt los. Vorhin habe ich versucht die Steine aus dem Wagen zu bekommen. Aber mit einer Hand kriege ich sie einfach nicht gegriffen."

Kurz darauf hörte Cornelis das poltern einiger Brocken, als Enrique zunächst die Decke unter ihnen wegzog, sich diese unter den Arm klemmte und dann die Steine neben den Bollerwagen fallen ließ.
Je mehr Gewicht der Junge entfernte um so mehr bockte das Gefährt unter dem starken Wind. Nach dem letzten Poltern dauerte es einen kleinen Moment bis Enrique die Decke so gebändigt hatte, dass sie flach auf dem Boden des Wagens lag und er sich daraufstützen konnte. Derweil redete er, bloß um sich abzulenken, weiter. Antworten wären willkommen, aber hauptsächlich ging es ihm darum bei der Aufgabe zu bleiben und keine düsteren Gedanken hochkommen zu lassen.

"Stimmt es eigentlich, dass Schiffe zusätzlich zur Fracht ebenfalls Ballast geladen haben? Das klingt irgendwie komisch, finde ich, weswegen ich mich frage, ob der Ballast gegen Waren ausgetauscht wird oder ob eben beides gleichzeitig auf einem Schiff ist.
"Achtung, ich nehme jetzt den letzten Stein raus.
"Und wissen sie wie das bei Kriegsschiffen ist? Ich meine, die haben doch schon schwere Kanonen an Bord. Brauchen die dann noch zusätzlich Ballast?
"Sie können jetzt einsteigen Sir. Ich kann sie leider nicht führen ohne die Decke loszulassen."


Enrique sah Cornelis zu, wie er in den Bollerwagen kletterte und half ihm, sowie er die Decke nicht mehr mit beiden Händen festhalten musste. Die Federung dürfte den Älteren überrasch, war das doch bei solchen Wagen nicht üblich, ließ das Gefährt schwanken, gab unter dem Gewicht des Steuermann etwas nach und versprach das Ruckeln und Stoßen des Kopfsteinpflaster zu dämpfen.

***

Thomsons Aussagen halfen O'Mahony auch nicht weiter. Der hatte den Jungen nur aus dem Weg haben wollen und sich nicht weiter darum gekümmert. Also sprach er noch einmal kurz mit Hallowell und schickte ihn los.
Entweder war das wirklich der Sohn des Handelsherren oder jemand, in dessen Händen er seinen Steuermann nicht unbeaufsichtigt lassen wollte.

***

"Achtung, es geht los!", gab Enrique etwas lauter von sich, da er über die Zugstange etwas Abstand hatte und er trotz des starken Windes verstanden werden wollte.
Dann lehnte er sich zurück und zog. Schwankend drehte sich der Bollerwagen und kam, ein kleines Stückchen weiter wieder zum Stehen, ruckte erneut, rollte über ein paar Steine und hielt abermals an.

"So langsam müsste es auf jeden Fall gehen oder Sir? Und ich kann auch schneller. Sagen sie mir einfach Bescheid, wenn ich das mal kurz versuchen soll!"

Wieder setzte sich der Wagen in Bewegung und rollte langsam über das unebene Pflaster, als zunächst hastige Schritte und dann Hallowells Ruf zu ihnen herübergeweht wurden.

"Halt! Stopp, Junge! Sir, bitte warten sie noch einen Moment!"

Sie stockten zwar einen Augenblick in der Bewegung, aber Enriques verächtliches "Teh!" und die leichte Zunahme an Geschwindigkeit legten nahe, dass der Zehnjährige noch immer Hallowell gegenüber missgestimmt war und nicht unbedingt anhalten wollte...
Cornelis Feuerbart
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#14
Cornelis nahm die Zugstange entgegen und drückte sie nach unten, so daß der Wagen auf der Stelle hielt trotz des starken Windes, als der Junge die Steine aus dem Inneren entfernte. Dann tastete er sich vorsichtig an die Ladefläche des Bollerwagens heran und krabbelte hinein, was in seinem Zustand ziemlich unbeholfen aussah. In der Tat überraschte die Federung des Gefährtes den jungen Steuermann.

"Du hast wirklich an alles gedacht, wie? Selbst daran, daß ein gefederte Wagen für meinen lädierten Kopf gut wäre", sprach er ihm das nächste Lob aus.

Während Enrique den Wagen herumwuchtete, versuchte Cornelis dessen Fragen verständlich zu erklären:

"Wenn du ein Stück Holz ins Wasser wirfst, was passiert dann?"

Natürlich kam die einfache Antwort direkt:

"Es schwimmt natürlich."

Cornelis nickte langsam, um seinen Kopf nicht wieder zu überlasten.

"Genau, es schwimmt. Also haben wir zusätzlich zu der Luft, die sich in den Decks des Schiffes befindet, auch noch die Eigenschaft des Holzes, daß es schwimmt. Wenn man dann noch die hohen Aufbauten mit den Masten hinzunimmt, würde das ergeben, daß sich ein Schiff einfach auf die Seite legen würde, wenn man es ohne Beschwerung ins Wasser lassen würde. Deshalb muß an der tiefsten Stelle des Schiffes möglichst mittig Ballast, zumeist Steine, gelagert sein. Bei Handelsschiffen wird der Ballast mit der Ladung ins Verhältnis gesetzt und je nach schwere der Ladung angepasst. Kriegsschiffe, da hast du zwar recht, haben mit den Kanonen bereits eine schwere Ladung an Bord, doch liegen die Geschütze allesamt oberhalb der Wasserlinie. Das heißt, sie müssen sogar noch mehr Ballast im Bauch des Schiffes haben, da sie sonst deutlich oberlastig wären."

Er war zufrieden, denn er war der Meinung, daß er es auch für den Jungen verständlich erklärt hatte. Als er plötzlich Hallowells Stimme hinter sich hörte, wandte er instinktiv den Kopf, obwohl er ihn ja gar nicht sehen konnte. Auch war er auf die plötzliche Erhöhung der Geschwindigkeit nicht vorbereitet, so daß er nach hinten kippte und seine Hände die Bordwände suchten, um sich wieder nach vorne zu ziehen. Er hörte Enriques verächtlichen Ausruf, doch sagte er:

"Halt doch bitte noch einmal an. Hallowell bringt sicher Nachricht vom Käpt´n für mich."

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#15
Bei dem erneuten Lob stieg dem Knaben die Röte ins Gesicht. Mehr als ein leises, halbgestammeltes "I-ich gebe mir Mühe." bekam er nicht heraus. Möglicherweise so leise, dass es der Steuermann bei diesem Wind gar nicht hörte.
So gut war er doch gar nicht!

Dann lauschte er gebannt Cornelis Erklärung. Die Frage war wirklich einfach, genau wie die Antwort. Denn es ging hier ja um ein ganz normales Stück Holz, nicht ein in Lack getränktes oder eines mit Metallbeschlag.
Ja, selbstverständlich würde sich ein Schiff ohne Ballast auf die Seite legen, er erinnerte sich nur zu gut an das eine Mal als er eines von Vaters Schiffsmodellen mit zum Teich genommen hatte und genau das passiert war. Erst hatte er versucht das mit einem Stein an Deck zu verhindern — mit dem selben Ergebnis freilich — dann hatte er das Deck geöffnet und den Stein hinein getan, da er dabei allerdings den Rumpf angebrochen hatte funktionierte auch das nur kurz. Als er es dann mit Papier und Kleber am Schreibtisch Jorges reparieren wollte hatte der ihn erwischt und ihn nicht nur dafür eine Tracht Prügel verabreicht.
Seine eigentlichen Fragen hatte der Mann auch beantwortet, allerdings brachte das weitere hervor:

"Aber ich dachte, dass auch der Kiel ein Schiff senkrecht im Wasser hält, weil der dem Wasser Wiederstand leistet. Der reicht da also nicht? Ich habe meinen Lehrer gefragt und der hat gesagt, dass ich das nicht wissen müsste. Ich Solle mich auf meine Aufgaben konzentrieren. Ich will das aber wissen. Wieso—"

Hallowells Ruf unterbrach ihn und Cornelis Bitte nahm er an und hielt. Schwankend kam kurz darauf auch der Wagen zum Stehen. So wenig wie er damit einverstanden war, so wollte er doch nicht, dass der Steuermann wegen ihm Schwierigkeiten bekäme.
Hallowell bremste kurz darauf keuchend neben ihnen.

"Danke Sir, Junge!"

"Fassen sie sich kurz. Ihr Steuermann muss zum Arzt und den müssen wir erst noch rufen", ließ der Schwarzhaarige den Seemann abblitzen.

Der biss sich auf den Daumen, wie er es häufig in schwierigen Situationen tat, ehe er die Worte fand um etwas zu erwidern.

"Nun... Ja, sicher... Ich..."

Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. Ihm war klar, dass der Junge nichts mit ihm zu tun haben wollte und jetzt eine Frage zu stellen, die längst geklärt sein sollte machte es nicht einfacher.

"Also... Ja, ähm, der Skipp wüsste gerne wie du heißt und wo du van der Meer hinbringen will—"

"Das hätte ihm früher einfallen sollen! Jetzt will ich nicht mehr mit ihm reden", schnappte Enrique. Plötzlich war die Wut wieder voll da.

Dieser Schuss vor den Bug brachte Hallowell endgültig aus der Fassung.

"Aber— Ähh... Ich— Bitte Junge, woher hä—"

"Alles was ihr Erwachsenen könnt ist schimpfen und Anweisungen geben!", fuhr er ihn aufgebracht an, während er die Zugstange des Bollerwagens fallen ließ und zwei Schritte auf den Neuankömmling zutrat, "Und dann, wenn es euch einfällt, dann sollen wir plötzlich brav antworten. Aber wenn wir mal was wollen sind wir nur im Weg. Das ist einfach ungerecht!"

Enrique war viel zu verletzt und zornig, als dass ihm auffiele, dass er gerade nicht nur für sich Partei ergriff oder verallgemeinerte. Wieso mussten Erwachsene so sein? Trotzig und mit nach unten durchgestreckten Armen, die Hände zu Fäusten geballt, funkelte er den Mann an. Das hatte er jetzt davon!
Der Matrose sah hilflos zu Cornelis hinüber und rang die Hände.

"Bitte... Ich... Sir..?", fragte er eingeschüchtert.
Cornelis Feuerbart
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#16
Noch bevor der Matrose sie erreicht hatte, beantwortete Cornelis Enriques Frage nach dem Kiel.

"Der Kiel dient der Vergrößerung des Lateralplans, der die seitliche Abdrift des Fahrzeugs vermindert und Auftrieb Richtung Luv erzeugt. Dies ermöglicht Segelschiffen hoch am Wind zu segeln. Außerdem sorgt er für Gewichtsstabilität, die das Fahrzeug vor dem Kentern bei starker Krängung schützt. Das sind aber Dinge, die mehr für die Fahrt des Schiffes wichtig sind, daß es aufrecht im Wasser stehen bleibt, braucht man erst einmal den Ballast."

Als Hallowell sie dann erreicht hatte, kam er erst einmal gar nicht dazu etwas zu sagen. Er mußte bald den Kopf abwenden um sein Grinsen zu verbergen. Hallowell war noch nie der Hellsten einer gewesen und solch einer stressigen Situation kaum gewachsen. Andererseits gönnte er Enrique die Genugtuung, einem der Matrosen, die ihn so abblitzen haben lassen, einmal gehörig die Meinung sagen zu können. Als sich das größte Amüsement bei ihm gelegt hatte, befreite er Hallowell schließlich aus der unangenehmen Situation indem er trocken sagte:

"Sagen Sie dem Skipp, daß er mich zum Abendessen bei Don Jorge de Guzmán antreffen wird. Dies ist sein Sohn Enrique."

Dann wandte er den Kopf so, daß er, wenn er könnte, in die Richtung sehen würde, aus der er Enriques Stimme zuletzt gehört hatte.

"Komm, Enrique, laß uns endlich gehen. Ich möchte weg von diesem Hafen, in dem ich tausend starrende Blicke auf mir fühle."

Crewmitglied der Sphinx
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#17
Lateralplan? Abdrift? Seitlich? Gewichtsstabilität? So kompliziert das klang, "mehr" besagte, dass der Kiel nicht nur für Anderes sondern auch für das senkrecht Bleiben zuständig war. Das er nicht alleine ausreichte, so man ihn nicht so groß machte, dass er den Segeln entsprach, leuchtete Enrique ein. Außerdem wäre so ein großer Kiel unpraktisch für den Hafen oder flachen Strand. Und das ein Schiff seitlich driftet war irgendwie auch logisch aber wie wirkte der Kiel dagegen? Er musste sich das unbedingt ausführlich erklären lassen!

Doch diese Fragen verschwanden angesichts der Emotionen, die Hallowells Anwesenheit hervorrief.

Cornelis Eingreifen erfolgte immerhin erst, nachdem dieser Schwachkopf gehörig im eigenen Saft geschmort hatte, so dass es Enrique zwar leicht verstimmte, ihn aber nicht gegen den Verletzten aufbrachte — lieber wäre es ihm trotzdem gewesen, hätte der Matrose ohne Antwort zurückkehren oder ihnen hinterher laufen müssen, um sie zu erhalten — aber die Tatsache, dass auch der Steuermann den Hafen jetzt so schnell wie möglich verlassen wollte, besserte seine Laune ein wenig.
Zudem waren ihm die Formulierungen des Rotbarts nicht entgangen: Weder antwortete er direkt auf die Frage, wie Enrique hieße, noch wohin der ihn brächte. Dennoch wären alle Informationen da, wenn dieser patano sie zusammensetzen könnte. Und bevor Hallowell mehr als nur

"Aye! A-alles klar, Sir."

von sich geben konnte, kam auch schon die Aufforderung zum Aufbruch. Prompt drehte Enrique sich vom Matrosen weg und zum Rotbart hin.

"¡Si señor! Sie halten sich besser gut fest!"

Dann eilte er zur Zugstange, griff sie und zog an.
Der einfache Seemann sah den Beiden zu und überlegte, ob er sich vielleicht noch einmal versuchsweise bei dem Jungen entschuldigen sollte, doch bevor er zu einer Entscheidung gelangen konnte waren sie auch schon unterwegs.


***

Don Jorges Sohn also...
O'Mahony sah ihnen vom Achterdeck nach. Diese Information ließ einiges in anderem Licht erscheinen. Aber da der Vater bis jetzt noch nicht am Pier erschienen war, war der Junge wohl auf eigene Faust hier gewesen. Oder der Händler war dermaßen erbost über die Verspätung, dass er es nicht für nötig hielt sich um dieses vielleicht längst veraltete Geschäft zu kümmern. Oder steckte, möglicherweise wegen der Verspätung, jetzt so tief in Arbeit, dass er einfach keine Zeit fand...
Nein, das erschien ihm dann doch alles unlogisch. Denn dann hätte O'Mahony erwartet, dass am späten Nachmittag ein Dienstbote geschickt worden wäre, gerade weil der Junge ein eigenwilliges Gefährt organisiert hatte, denn das legte nahe, dass das Haus de Guzmáns ein gutes Stück weit entfernt lag. Und das wiederum hieße, dass der Händlersohn sehr früh aufgebrochen war. Eigentlich zu früh für 'Ohne Erlaubnis'. Hatte der Händler ihn also doch geschickt? Aber ohne Schuhe? Hatte der Junge sie irgendwo abgestriffen? Und wie kam dessen Erscheinung zustande? Hatte Don Jorge eine Wilde geheiratet?
Irgendwie hatte der Kapitän der Seepferdchen das untrügliche Gefühl, ihm stünden Heute noch viele Überraschungen bevor...

***

Zunächst holperten sie über das Kopfsteinpflaster des Hafen. Da Cornelis einiges wog und er häufig gegen den Wind ankämpfen musste schaffte der Junge keine allzu großen Geschwindigkeiten, was gut war, denn so reichte die Federung aus, alle bis auf die schlimmsten Stöße abzufangen. Doch alles konnte weder sie noch Enrique wirklich verhindern, denn so sehr der Zehnjährige auch Schlaglöchern aus dem Weg ging, Kanten und Stufen mied, so wenig konnte er den Boden wirklich eben gestalten noch verhindern, dass eine Sturmböe den Wagen griff und gegen eine Kante oder in ein Schlagloch stieß.
Wann immer Enrique es mitbekam rief er:

"¡Lo siento! Ich versuche besser aufzupassen Sir" oder etwas ähnliches über die Schulter. Und jedes Mal zog Don Jorges Sohn das Gefährt wieder aus dem Dreck.
Dann aber kamen sie an den Punkt, wo sie die Straße hinauf zu den Klippen nehmen mussten. Hier hielt der Schwarzhaarige erst einmal heftig atmend an und überlegte.

"Sir? Ich hoffe das war bis jetzt nicht zu schlimm für euch. Und kann ich kurz noch schneller werden? Wir müssen nämlich jetzt bergauf", meinte er schließlich.
Cornelis Feuerbart
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#18
Cornelis war es zufrieden, als die Fahrt ihn endlich aus dem Hafen herausführte, was er an den immer leiser werdenden typischen Geräuschen eines solchen Ortes erkennen konnte. Enrique gab sich die größte Mühe und auch die untypische Federung des Wagens verhinderte die gröbsten Stöße, doch konnten die Unebenheiten der Straße und auch das ruckartige Eingreifen der heftigen Windböen, die Ausläufer des Sturmes in der Nacht waren, nicht ganz ausgeschaltet werden. Für einen gesunden Menschen wäre diese Fahrt unter diesen Verhältnissen sehr angenehm gewesen, doch Cornelis´ geschundener Körper setzte nach einer Weile seine Schutzfunktionen in Kraft, so daß der junge Steuermann schließlich in einem Zustand zwischen Wachen und Bewußtlosigkeit dahindämmerte. Hatte er zunächst noch auf jede Entschuldigung Enriques mit mildernden Worten wie "Macht nichts" oder "Alles in Ordnung" reagiert, bekam der Junge irgendwann nur noch ein müdes Brummen zur Antwort und als er vor der Steigung zu den Klippen hoch die Frage nach der erhöhten Geschwindigkeit stellte, reagierte Cornelis überhaupt nicht mehr.
Als Enrique sich nun umwandte, um zu sehen was los war, sah er bei dem jungen Steuermann einen abwesenden Blick, der auch gläsern wirkte wie bei einem Fiebernden.

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#19
Panik ist eine seltsame Sache. Sie verleitet uns, wenn wir ihrer nicht Herr werden oder wir nicht wegrennen können, völlig irrational zu handeln um uns zu beruhigen. Und so war es auch bei Enrique:
Der Junge wusste nicht, was er tun sollte. Zwar entsann er sich, wie seine Mutter ihm hin und wieder die Hand auf die Stirn gelegt hatte um zu schauen ob er Fieber hätte und tat das auch bei Cornelis, aber da war ein Verband im Weg, ein anderer Ort zum Fühlen fiel ihm nicht ein und seine Finger waren so kalt vom heftigen Wind, dass ihm alles heiß vorkam — sogar seine eigene Stirn, und Fieber hatte er momentan bestimmt nicht. Oder doch? Auf jeden Fall wollte er den Kopf des Mannes besser schützen, zog seine Jacke aus, faltete sie zusammen, klemmte sie kurz zwischen die Beine, glitt aus dem Hemd und fixierte damit die Jacke in Cornelis Nacken so, dass sie leicht den Kopf stützte, indem er die Ärmel unter dessen Achseln hindurchzog, konnte sie aber nicht verknoten und dachte auch nicht daran, ihn tiefer in den Wagen zu ziehen. Lange würde sie wohl nicht halten...
Er redete auf Cornelis ein, um so mehr, da dieser nicht antwortete, erzählte ihm von seiner Nacht und wie das Schiff auf dem Meer ausgesehen habe, während er die Zugstange griff und dann mit der Ursache seiner Panik loslief.
Kurz darauf hatte er damit zu kämpfen, dass Gewicht vorwärts zu bekommen und nicht von den Böen an die Wand gedrückt zu werden. Trotzdem hörte er nicht auf weiterzureden. Völlig außer Atem musste er oben eine geraume Weile pausieren, wo er sich gegen den Wind hinter die Mauer auf der Klippe kauerte, ehe er mit dem Verletzten weiterhetzte. Durchaus möglich, dass er den Rotschopf ohne die Panik gar nicht nach Hause bekommen hätte...

***

"MA! MA!"

Enrique hetzte über den Kies der Zufahrt, bis er samt Anhänger schlitternd vor dem Haus zum Stehen kam. Das Hauspersonal hatte längst die Herrin verständigt und eilte herbei. Anweisungen wurden gegeben, Aufregung herrschte. Nahia musste nicht nur ihren Sohn immer wieder zur Ordnung rufen sondern versuchte ihn und die Angestellten zu beruhigen. Schließlich wurde der Steuermann von starken Händen aus dem Bollerwagen gehoben und hineingetragen. Es wurde nach dem Arzt geschickt und Nahia schaffte es schließlich die ganze Geschichte zusammenhängend von Enrique erzählt zu bekommen.

"Peio, lauf zum Kontor und verständige deinen Vater. Sag ihm, dass dein Bruder wieder zurück ist, dass die Seepferdchen mit Capitán O'Mahony endlich sicher im Hafen liegt, dass wir einen Gast haben und wir den Capitán abends zum Essen erwarten!"

"Warum sollte ich? Soll er doch selber gehen!"

"Peio! Dein Bruder muss sich jetzt aufwärmen."

"I-Ich g-gehe schon, M-ma. Ich m-muss den B-bollerwagen eh zurück b-bringen", stotterte Enrique leise. Ihm war trotz der Decke immer noch kalt und sein Puls raste.

"Nichts da! Du bleibst hier und machst dich zurecht! Du hast einen Gast. Er ist deine Verantwortung. Theodor wird das erledigen.
"Und du, sieh zu, dass du dich endlich zu Jorge bewegst!"
Nahia sah ihre Söhne streng an.

"Aber—", protestierte der jüngere.

"Du bleibst hier!"

Enrique wollte erneut protestieren, doch Isabella, seine Schwester nahm stumm seine Hand und lächelte. Einen Augenblick lang sah er sie irritiert an, entspannte sich dann aber und nickte.

"Dann muss Theodor Señora Briggs aber unbedingt sagen, dass es mir leid tut, dass ich den Bollerwagen genommen habe ohne zu fragen. Es war keiner da und ich konnte nicht warten."

Theodor und die anderen schnappte hörbar nach Luft. Nahia maß sie mit strengen Blick.

"Tu was er sagt, Theo! Sag ihr, ich habe das angeordneten. Und gib der alten Dame noch diese Münzen für die Reparatur eventueller Schäden."

"Aber—"

"Du hast deine Anweisungen!"

Der Hausdiener senkte bereits kurz darauf den Blick und tat wie geheißen. Enriques Bruder musste Nahia länger anstarren, bis der nachgab und das Haus verließ. Erst dann lächelte sie, zufrieden, dass sogar ihr Jüngster daran dachte, dass die Menschen hier Besitz anders sahen als es bei ihrem Volk üblich war. Sie hatte länger gebraucht um das zu respektieren.

***

Später dann hatten sanfte, geschickte Hände sich um Cornelis gekümmert, ihm wurde etwas verdünnter Mohnsaft unter die Zunge gestrichen und auf die Wundränder gerieben. Als kurz darauf andere Hände den Verband erneut lösten, ihm ein Stück Holz zwischen die Zähne schoben und die Wunde nähten, hatte der Pflanzensaft seine betäubende Wirkung voll entfaltet, so dass der Seemann überraschend wenig davon mitbekam und nach der Behandlung für eine kleine Weile in den Schlaf hinüber glitt, so er nicht eh bewusstlos war.

***

Nur ein seltsamer Geschmack auf der Zunge und eine leichte Benommenheit im Schädel mochten hängen geblieben sein als der Steuermann aufwachte.

"Schau! Er kommt zu sich", gab eine sanfte Mädchenstimme von sich.

Leises Rascheln drang vom verhängten Fenster herüber als Enrique sich halb umdrehte, die schwere Stoffbahn aber nicht los ließ.

"Nun komm schon! Baba kommt wann er kommt. Rausschauen bringt Baba nicht nach Hause." Leises, gutmütiges Kichern begleitete die Bitte.

Der Junge seufzte, ließ dann die Übergardine fahren, trat zu ihr und hielt sich krampfhaft an der Stuhllehne fest. Hinter ihm schloss der Vorhang das Licht des frühen Nachmittags aus. Nur eine Kerze, durch den Betthimmel von Cornelis abgeschirmt, verbreitete noch gedämpftes Licht.

"Wie fühlen sie sich Sir? Geht es ihnen wieder besser?"

Die Stimme des Jungen klang besorgt.
Was wenn die Antworten 'Schlecht' und 'Nein' waren? Was wenn er daran schuld war?
Cornelis Feuerbart
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#20
Bis sie die Anhöhe der Klippen erreicht hatten, war Cornelis aus dem Dämmerzustand in eine richtige Bewußtlosigkeit hinübergeglitten. Er hatte bereits am Fuße der Klippen nicht gemerkt, wie Enrique ihm die Jacke hinter den Kopf geschoben hatte und merkte auch nicht, wie sie verloren ging, als er im Wagen zusammensackte und nun an der rechten Bordwand lag. Das Hemd hatte sich unter seinem linken Arm verklemmt und wehte nun wie eine Fahne hinter ihnen her. Von den ganzen weiteren Vorgängen bekam der junge Steuermann nichts mit - nicht wie er aus dem Wagen gehoben und ins Haus getragen wurde, nicht wie er behandelt und die Wunde genäht wurde.

Als er nun aus der vom Mohnsaft verstärkten Bewußtlosigkeit langsam wieder erwachte, flog beim ersten Regen ein leises Stöhnen von seine Lippen. In seinem Schädel brummte und hämmerte es und er fühlte sich noch benommen. Außerdem hatten die Bewußtlosigkeit und der Mohnsaft seinen Geist im ersten Moment des Erwachens verwirrt. Er schlug die Augen auf und hörte im selben Moment verschwommene Stimmen. Doch war eine dieser Stimmen nicht die Stimme eines Mädchens? Dann die Stimme eines Jungen...

"Chick?", rief er nach dem Schiffsjungen der Seepferdchen. "Chick, was macht das Mädchen an Bord? Und warum liegt das Schiff so still, sind wir etwa aufgelaufen? Und warum, zum Klabautermann, ist es hier so stockdunkel? Was geht hier überhaupt vor?"


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