Geht der Tag, kommt unsre Zeit

[Shanaya Árashi]

Und wieder waren sie einen Schritt weiter. Und so sehr Shanaya diese ganze Angelegenheit genoss, langsam wurde es doch ein wenig lästig. Ihr Plan stand, vielleicht hatte er Lücken, vielleicht auch nicht. Und wenn doch... Improvisation war alles. Notfalls konnten sie dann ja bestimmt das dreiköpfige Crewmitglied vorschicken. Wenn er denn zu etwas zu gebrauchen war.
Jetzt waren sie jedenfalls erst einmal auf dem Weg, um sich Uniformen zu besorgen. Shanaya graute es davor. Und das nicht, weil sie die verschwitze, vielleicht wochenlang nicht gewaschene Uniform von irgendeinem Typen anziehen würde, sondern einfach weil... Marine. Das reichte ihr schon. Auch wenn der Versuch sicher lustig war, ob mit dem Anziehen der Uniform die Intelligenz sank. Möglich war es, dann hätten sie wenigstens eine gute Erklärung dafür, wieso die der Großteil der 'Guten' so hohl in ihren Birnen waren. Über diesen Gedanken gähnte die Schwarzhaarige, hielt sich dabei kurz die Hand vor den Mund und ließ die Arme dann wieder neben sich baumeln, währen der blaue Blick suchend umher schweifte und kurz dabei jeden ihrer Begleiter musterte. Die Gruppe, mit der sie in kurzer Zeit ein Marineschiff stürmen würde. Der verwundete, der Vatermörder und ihr Captain.

„Auf dem Weg zum Kontor bin ich jedes Mal an einer Gasse vorbei gekommen, aus der verdächtige Geräusche gekommen sind. Ich denke, irgendwo da ist eine Schenke – und ganz sicher wird da irgendein Pack rumhängen.“

Bewusst sprach sie nicht das Wort Marine aus, die anderen würden schon verstehen. Shanaya schlenderte jedenfalls weiter, drehte den Kopf mit einem munteren Lächeln zu Talin herum, neben der sie lief. Wie aufgeregt die Blonde wohl war?

[Talin Dravean]

Aufmerksamk und ruhig glitt ihr Blick über die Menschen auf der Straße. Eine überwälltigende Mischung aus reich und arm, Nobel und Abschaum und irgendetwas dazwischen schlug ihr entgegen. Hier tummelte sich wirklich alles, von groß bis klein, von alt bis jung und absolut nicht das, was sie brauchten. Natürlich liefen einige Marinesoldaten an ihnen vorbei oder standen in kleien Grüppchen gelangweilt herum, doch die Straßen waren zu belebt, als das man ihnen die Uniformen klauen konnte. Oh, es juckte ihr gewaltig in den Fingern einfach mal in ihre Taschen zu greifen und Geldbörsen und ähnliches zu stehlen, aber gleich die ganze Kleidung, dass wäre zu viel des Guten. Nein, sie brauchten einen stilleren oder zumindest unauffälligeren Platz, um ihren Plan durchzuführen. Ein stiller Seufzer entkam ihr, bevor sie ihn stoppen konnte. Ja, sie hatten einen Plan und ja, ganz so dumm klang er jetzt nicht, aber es gab so viele Wenn und Abers und dann noch diese ewig langen Diskussionen und Streitereien. Das Planen hatte mehr an ihren Nerven gezerrt, als die Tatsache, dass sie dafür jetzt Marineuniformen stehlen wollten.
Ihr Blick glitt noch einmal über die Menschen, als eine Stimme an ihrer Seite ihre Aufmerksamkeit forderte. Talin wandte sich der Schwarzhaarigen und runzelte skeptisch, mit einem belustigten Funkeln in den Augen, die Stirn.

"Wenn du verdächtige Geräusche und Schenke in Verbindung bringst, dann müssen wir uns ganz dringend noch einmal unterhalten. Bei 'verdächtigen Geräuschen' denke ich eher an ein Bordell. Was es prinzipiell einfacher machen würde die Kleidung mitgehen zu lassen. Nur würde uns die Aufseherin sicher nicht einfach so reinlassen."

In Gedanken spielte sie kurz durch, was sie tun konnten, wenn es sich bei dem Geäude tatsächlich um ein Freudenhaus handelte. Nachdenlich legte sie den Kopf schief und deutete ein leichtes Nicken an.

"Ich wäre dafür, dass wir es uns zumindest einmal anschauen. Was meint ihr?"

Dabei fiel ihr Blick auf Liam und Aspen.

[Liam Casey]

Natürlich stellte es ein Problem dar, sich die nötigen Uniformen zu beschaffen. Ihnen allen wäre es wahrscheinlich lieber gewesen, sich gerade den Punkt ersparen zu können. Wenn es darum ging, so auffällig wie möglich zu sein, wäre genau das auch ein wunderbarer Anfang gewesen, aber leider ging es hier um das Gegenteil und ihnen fehlte die nötige Zeit, sich einen wirklichen Plan zu überlegen. Liam hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und war den beiden Mädchen bisher eher schweigend gefolgt. Er mochte den Anschein erwecken, dass er nachdachte und nach einer Möglichkeit suchte, an ihr Ziel zu kommen – so wie sie es hoffentlich alle taten – aber eigentlich erfreute er sich schlicht der angenehmen Abendluft. 'Angenehm' jedenfalls, wenn man das Muffen der Stadt und der Straßen mal außer Acht ließ. Allein deshalb war er viel lieber in der Natur, selbst wenn er nur selten 'Nein' zu einer Schenke oder einem Gasthaus sagte. Genau das war auch das Wort, das ihn aus den Gedanken riss. Schenke, Freudenhaus. Ersteres wäre ihm tatsächlich lieber gewesen. Es wäre zwar gelogen gewesen, wenn er behauptet hätte, dass er sich nicht gerne mal umsah, aber im Endeffekt trieben sich dort schmierige und widerliche Kerle herum. Sein Blick glitt kurz zu Aspen, ehe er kurzerhand auf Talins Frage nickte.

„Anschauen kostet nichts.“, bestätigte er. Immerhin hatten sie nichts zu verlieren, wenn sie erst einmal nur die Lage überprüften. „Müssen die ihr Zeug nicht auch irgendwo waschen? Von der Leine mopsen kommt nicht in Frage? Ist war nicht ganz so spannend, aber zweckgemäß.“

Er machte hier keinen Rückzieher. Trotzdem wusste er nicht so recht, wie fit er war, nachdem die Wunde an seiner Flanke noch immer unangenehm zwickte und pochte.

[Shanaya Árashi]

Shanaya ging die vielen Möglichkeiten durch, die sie hatten. Wenn sie sich gut anstellten sollte es kein Problem sein, an Uniformen zu kommen. Vielleicht nicht unbedingt an passende, aber das, was die Marinesoldaten an Muskelmasse hatten, hatte sie im Kopf – quasi ausgleichende Gerechtigkeit. Talins Worte lenkten ihre Gedanken jedoch ab, woraufhin die Schwarzhaarige leicht die Nase rümpfte. Ein Bordell? Nun hob die junge Frau den Kopf ein wenig an, ließ den blauen Blick dabei auf der anderen Frau ruhen.

„Da siehst du Mal, wer von uns beiden die Unschuldigere ist. Darüber sollten wir vielleicht einmal reden...“

Ein verstohlenes Lächeln lag auf den Lippen der jungen Frau, die einen nur zu guten Grund hatte, zu hoffen, dass es sich wirklich um eine Taverne handelte – und nicht um eines der unzähligen Freudenhäuser dieser Welt. Shanaya unterdrückte ein angewidertes Schnaufen, richtete den Blick kurz auf die beiden Männer, ehe sie sich wieder zu der Blonden drehte. Sie grinste.

„Wir haben unsere zwei werten Herren dabei – die können wir also vorschicken mit dem Verlangen, sich zu amüsieren. Und sollte es doch eine Schenke sein – umso besser.“

Wie gerufen erklang nun Liams Stimme, sodass die Dunkelhaarige sich leicht zu ihm herum wandte. Sie musste nicht einmal lang über eine Antwort nachdenken.

„Jetzt sind wir schon hier, also können wir doch auch diesen Weg gehen. Wo bleibt die Spannung, wenn wir wie gewöhnliche kleine Gassendiebe agieren?“

Gut, das taten sie oft genug... aber jetzt hatten sie die Chance auf ein bisschen Action. Und die wollte genutzt werden!