25.04.2021, 20:24
Mit Kopfschmerzen, vergequollenen Augen und ein wenig mürrisch, wenn auch gleichzeitig zufrieden, schleppte Talin sich zur Treppe nach unten. Der letzte Tag hatte es in sich gehabt. Nicht so sehr die Tatsache, dass sie ein neues Crewmitglied angeworben hatte, hatte ihr den Boden unter den Füßen weggerissen, sondern der unveränderbare Grund, dass dem Bordell der Kaffee ausgegangen war. Natürlich gab es noch welchen – auf dem Schwarzmarkt konnte man alles kaufen – aber das äußerte sich dann auch im Preis. Und da sie nach der Reparatur der Sphinx und einigen anderen Ausgaben, so gut wie kein Geld mehr übrig hatte, musste sie Kürzungen vornehmen. Da auch ihre Privaten Vorräte im Moment aufgebraucht waren, musste sie wohl oder Übel auf ihr morgendliches Getränk verzichten. Das war damit auch der Grund, warum sie es erst jetzt zur Mittagszeit geschafft hatte, aufzustehen. Es gab auch sonst im Moment wenig, was sie aus dem Bett der sehr netten, sehr aufmerksamen Naya hätte reißen können. Sie gab sich im Moment dem Müßiggang hin, was sich langsam auf ihre Stimmung auswirkte. In ihren Fingern kribbelte es, weil sie endlich wieder etwas tun wollte, ja sogar musste.
An der Treppe angekommen hielt sie inne und seufzte einmal tief bei dem Gedanken, dass sie da unten nichts weiter empfangen würde, was ihre Kopfschmerzen würde lindern können. Sie hatte ja nicht einmal wirklich hunger. Ihr ganzer Körper sehnte sich nur nach dem schwarzen, bitteren Getränk. Eine Bewegung zu ihrer rechten, lenkte ihre Aufmerksamkeit von ihren Gedanken ab und sie entdeckte jemanden, mit dem sie nicht gerechnet hatte und den sie auch nicht wirklich sehen wollte. Als sie an das letzte Zusammentreffen mit dem blonden Jugendfreund ihres Bruders dachte, verschlechterte sich ihre Laune ungemein. Es lag nicht an ihm, sondern – und dafür würde sie sich am liebsten Ohrfeigen – an ihr selbst. Wenn sie an ihr letztes Treffen dachte, da fühlte sie sich schlecht, nicht so sehr um Ceallaghs Willen, sondern wegen Lucien. Es war kindisch gewesen, wie sie sich dem Mann gegenüber verhalten hatte, aber sie konnte es schlecht rückgängig machen. Und in der Laune in der sie sich jetzt befand, wäre es unklug, ihm zu begegnen, richtig?
Schon machte sie die ersten Schritte die Treppe hinunter, als kurz Luciens Bild vor ihren Augen aufblitzte und sie innehalten ließ. Wenn Ceallagh schon der beste Freund ihres Bruders war, dann... Talin seufzte und drehte sich leicht in Richtung des Mannes um, dabei biss sie die Zähne etwas fester als nötig zusammen, rang sich aber ein leichtes Lächeln ab.
„Morgen. Willst du auch runter und was essen?“
Ihre eigenen Worte klangen hölzern und übertrieben höflich in ihren Ohren.