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Der Geschmack von Wolken - Shanaya Árashi - 23.11.2017


Der Geschmack von Wolken
Mittag des 19. März 1822
Greo & Shanaya Árashi


Shanaya verzog die Lippen zu einer grübelnden Miene. Die Kopfschmerzen machten nun den ganzen Morgen schon Pause, und die musste man nutzen. So hatte Shanaya sich früh genug aus der Koje begeben, hatte sich zuerst um Kleinigkeiten gekümmert und stand nun vor einem Haufen Taue, Netze und was sich darin noch verworren hatte. Wie das zu Stande gekommen war wusste sie nicht. Aber es hatte in einer Ecke auf dem Deck gelegen – und nun war es an sie geraten. Im Schneidersitz saß die junge Frau auf den Planken, hob ein paar verknotete Seile an, wedelte sie hin und her. Sie konnte jedoch noch keinen Anfang und kein Ende sehen. Also schnaufte sie leise, fing einfach an, an einem der Taue zu ziehen. Irgendwann würde schon ein Ende in Sicht sein.

Seine Handflächen schmerzten, als er sich an Deck schwang. Er löste die Sicherungsleine, mit der er sich an Bord gekettet hatte, falls der Bugspriet ihn wütend von sich weg ins Meer geschleudert hätte. Greo war ein leidlich guter Schwimmer, aber bei Fahrt und mit der geschundenen Mannschaft an Deck, wollte er ihnen kein Mann über Bord Manöver zumuten. Er steckte den Hammer an seinem Gürtel um und kramte mit kleineren Werkzeugen zum Holzbearbeiten herum, während er sich über das Deck bewegte und auf Shanaya zukam, die… was auch immer tat. Greo hielt inne und kräuselte wie in dunkler Vorahnung die Stirn. „Was soll das denn werden?“

Shanaya lauschte zuerst nicht auf die Geräusche in ihrer Umgebung, bis sie glaubte, darin Schritte zu hören. Sollte sie wohl reagieren? Es bestand ja immerhin die Möglichkeit, dass es irgend jemand war, der kein Interesse an dem hatte, was sie tat. Dieser Gedanke wechselte jedoch, als sie eine inzwischen mehr als bekannte Stimme vernahm. Ein lautes, übertrieben langes Seufzen folgte, ein dramatisches Zucken der Schultern. „Du Banause erkennst keine echte Kunst, wenn du sie direkt vor der Nase hast, oder?“ Mit leicht zusammen gekniffenen Augen wandte sie den hellen Blick zu dem Mann, musterte ihn einige Herzschläge, ehe sie sich wieder an das Gewirr aus allem möglichen wandte. „Ich hab' es in einer dunklen Ecke gefunden und dachte, ich adoptiere es Mal!“

Jedes Mal, wenn er Shanaya traf, schwankte er zwischen Sympathie, Faszination und einer gewissen Vorsicht, sie könne nicht ganz zurechnungsfähig sein. Bisher hatte sie sich ihm gegenüber stets verwirrend, spitzzüngig, aber doch recht freundlich gegeben. Greo hielt sich ganz gerne in ihrer Nähe auf, weil es dann was zu lachen gab, andererseits konnte sie auch… nun, strapazierend sein. Doch es schadete ja nicht, jemanden etwas besser kennen zu lernen und die eigene Meinung zu überdenken? Greos Mundwinkel zuckten, dann folgten seine Schultern. „Bauernkind, hast du das vergessen?“, erwiderte er und trat näher. „Adoptierst öfter mal was, das aus ‘ner dunklen Ecke kommt, was?“, fragte er dann und musterte sie frech.

Shanayas Mundwinkel verzogen sich bei der Antwort des Mannes zu einem breiter Grinsen. „Da lernt man Kunst natürlich nicht zu schätzen, das verstehe ich.“ Mit eben diesem Lächeln musterte sie den Dunkelhaarigen nun. Sie saß auf dem Deck, und der sowieso schon riesige Abstand zu ihm wurde so nur noch einmal um ein vielfaches angehoben. „Wie groß bist du eigentlich? Schmecken die Wolken süß oder eher salzig?“ Noch einmal nahm ihr Gesicht eine etwas nachdenkliche Miene an, sie wog den Kopf zur Seite und lachte bei seinen nächsten Worten munter auf. „Oh, wenn du noch jemanden suchst, der dich adoptiert... ich habe sicher noch einen freien Platz in meinem endlos großen Herzen frei!“

Oh, doch, er wusste Kunst zu schätzen. Es war eine herausragende Kunst einen Bullen auf den Rücken zu befördern und ihn innerhalb weniger Augenblicke seiner Testosteronfreunde zu entledigen. Das war Sport und Kunst zugleich. Er behelligte Shanaya darüber aber nicht, irgendwie hatte er das vage Gefühl, dass Stierhoden kein geeignetes Gesprächsthema mit einer Dame waren. Obwohl… Dame war, wie er sie einschätzte, ein Begriff, den sie aus ihrem Wortschatz gestrichen hatte. Mit geschürzten Lippen konzentrierte er sich auf die Richtung, die sie ihrer Konversation gab. „Schmeckt nach schlechtem Witz und abgestandenem Fett, danke.“ Er schmunzelte leicht. „Ich bin sicher, da habe ich schon einen Platz.“, behauptete Greo wagemutig, „Du hast mich immerhin an Deck gebracht warst bisher sehr anständig zu mir.“

Shanaya richtete die blauen Augen nun ganz zu Greo herum, grinste ihm auf seine Antwort hin amüsiert an. „Uh, scheint ja nicht sehr lecker zu sein. Dann bleibe ich lieber hier unten.“ Sie zog leicht eine Augenbraue in die Höhe, blinzelte dann aber im nächsten Moment. So, den hatte er schon? Verdammt, er hatte vermutlich sogar Recht! Sie wog also den Kopf von einer zur anderen Seite, als müsse sie über die nächste Antwort einen Moment nachdenken. „Hmm, meinst du? Du tust meine Fragen als schlechte Witze ab. Ich weiß nicht, ob ich das gutheißen kann!“

Greo lachte nur. „Wahrscheinlich nicht, aber solange du mich nicht im Schlaf meuchelst, ist alles gut und ich werde nicht klagen.“ Er ging in die Hocke und nahm sich der Taue an, die in höhnischer Unordnung dalagen. Da hatte aber jemand nicht ordentlich gearbeitet. So etwas Dummes, dachte Greo, Die hatten ordentlich aufgeschossen zu sein, was, wenn einer ihrer Verfolger kam und sie schnell handeln mussten? Was, wenn ein Knoten sie behinderte? Greos zerschrammte Hände suchten in dem Haufen Chaos. „Wäre außerdem langweilig, wenn dir jeder in allem zustimmte. Oder möchtest du sogar, dass alle nach deiner Pfeife tanzen?“

Shanaya grinste verheißungsvoll. „Dann pass auf, dass ich nicht in der Nacht an deiner Hängematte stehe...“ Sie wechselte in einen leisen Flüsterton. „Unfälle passieren, Greo...“ Das Grinsen auf ihren Lippen blieb und als der Mann in die Hocke ging – keine Wolken mehr, die er probieren konnte – beobachteten die blauen Augen aufmerksam, was er tat. Sein Ziel war der Haufen vor ihr. „Oh Gott, bloß nicht. Ich bin froh, wenn ich Mal Gegenwind bekomme. Viel zu viele lassen sich von einer selbstbewussten Frau einschüchtern und robben sich durch den Dreck, um anderen zu gefallen. Also bei mir erreicht man viel mehr, wenn man nicht zu allem ja sagt, was ich sage. Jemand ohne eigenen Willen braucht sich nicht um mich zu bemühen.“

Er warf ihr einen Moment lang einen intensiven Blick zu. Arggh, gruselig. Greo sah sie schon vor seinem inneren Auge vor ihrer Hängematte stehen, die ferne Reflexion des Öllichts auf ihrem Messer reflektierend und mit glänzend gebleckten Zähnen. Unfälle passieren, Greo… Diese Vorstellung würde ihn ab sofort ein Leben lang in seinen Fieberträumen begleiten. Er riss den Blick resigniert von ihr los und zerrte ein Tauende aus dem Haufen. Kurz darauf folgte ein kurzes Grunzen tief aus seiner Kehle. „Sich um dich bemühen, ja?“

Shanaya beobachtete das Gesicht des Mannes und damit wurde ihr Grinsen nur noch ein wenig breiter. Was gerade wohl in seinem Kopf vor sich ging? Sie hätte es zu gern gewusst. Aber er schwieg darüber und so konnte sie sich ihren Teil dazu denken. Das musste sie sich unbedingt merken! So strich sie sich nur die Haare nach hinten, tat es dem Mann gleich und griff nach einem Stück des Netzes, versuchte es irgendwie zu entwirren. „Es gab schon genug Menschen in meinem Leben, die das versucht haben. Leider scheine ich oft genug Idioten anzuziehen. Und du kamst mir ab dem ersten Moment nicht wie ein Idiot vor.“ Damit galt dem Mann ein erneutes Grinsen.

Greo ließ sich auf seine vier Buchstaben sinken und zog das Tau über seine Knie, langsam und bedächtig der Form folgend und behutsam ziehend, um zu prüfen, wo es festhing. „Gewagte Aussage, die sich nicht bestätigen muss.“ Er ließ seine Augenbrauen den Bruchteil einer Sekunde Richtung Haaransatz tanzen und ein hauchzartes Grübchen senkte sich in seine Wange. „Ich bin vielleicht kein Idiot, aber auch nicht die hellste Kerze am Leuchter. Also warte ab.“ Mit einem Schwung löste er einen halben Meter und fügte ihn drehend der Schlinge zu, die er aus dem befreiten Tau machte. „Mal abgesehen davon, wie alt bist du, sechzehn? Siebzehn? Da triffst du noch so einige Menschen. Die können ganz anders sein, als auf dem kleinen Universum Heimatinsel. Intriganter. Undurchschaubarer. Idioten, die das gut verbergen können.“

Shanaya ließ den Mann für einen Moment nicht aus den Augen, schnaufte über seine Worte nur leise, ein Reaktion, die sie bei seinen nächsten Worten unterdrückte. „Ein Idiot ist nicht unbedingt dumm... dabei geht es mir viel mehr um das Verhalten von Jemandem. Und eben da bist du weit von 'Idiot' entfernt.“ Punkt, damit musste er leben! Diese Sicherheit sprach deutlich in ihrer Stimme, duldete keinen Widerspruch. „Ich bin auf alles gefasst, was da noch kommen mag. Die meisten unterschätzen mich eh und fallen dann auf die Nase.“

Er nahm ihre Erklärung mit einem milden Gesichtsausdruck entgegen und überlegte sich genau, ob er sich auf eine tiefere Diskussion diesbezüglich einlassen wollte. „Ja, schon. Ein Idiot ist doch immer an seinem Verhalten erkennbar. Ob dumm oder nicht, das schließt beides mit ein. Alles, was ohne Vernunft handelt. Die Dummen kann man leichter ertragen, denn sie tun es nicht mit Absicht.“ Er nahm einen Teil von dem Netz, an dem sie gearbeitet hatte. „Dann hoffe ich, dass du nicht die anderen unterschätzt und damit nicht auf die Nase fällst.“

Shanaya friemelte einen kleinen Knoten aus einem der dünnen Seile, während ihr blauer Blick immer wieder zu Greo huschte, auf seine Reaktion wartend. Hmm... „Da kommt es auf die Situation an... Manches kann man verzeihen – anderes nicht.“ Sie nickte, stimmte sich selbst damit noch einmal zu. Aber Greo wirkte bei weitem nicht wie jemand, den sie als 'dumm' bezeichnet hätte. Ganz im Gegenteil. „Ich doch nicht. Und selbst wenn, ich komme schnell wieder auf die Beine.“

Ihre erste Bemerkung ließ er unkommentiert, denn er wusste nicht allzu viel von ihr und wollte sich nicht erlauben, über ihre bisherigen Erfahrungen ein Urteil zu fällen. Sein eigenes Leben betrachtend war ihm klar, dass man Erlebnisse und Eindrücke unterschiedlicher Personen eigentlich nur schwerlich miteinander vergleichen konnte. Einen Moment war er in die Arbeit mit dem Netz vertieft und beobachtete kurz ihre feinen Finger bei der Arbeit. Bei Gott, das war sicher kein Landei mit Männerhänden. „Wie eine Katze, ja?“ Er schob sich den Hut in den Nacken und gönnte seinen wild abstehenden Haaren eine wenig Freigang. „Wo kommst du noch gleich her?“ Das war eine recht unverblümte Frage und natürlich stand es ihr offen darauf zu antworten. Greo bohrte schließlich auch nicht im Tonfall einer Klatschbase nach, sondern klang recht neutral.

Shanaya fand ihre eigene Reaktion auf den Mann ziemlich amüsant. Er war nicht einer von diesem typischen Gesocks, bei ihm hatte man nicht das Gefühl mit einer leeren Tüte zu sprechen. Er hatte seine eigene Art – und die Schwarzhaarige war froh darüber, an so jemanden geraten zu sein. Während sie also weiter die kleinen Knoten lockerte, lachte sie bei dem Vergleich des Mannes auf. „So in etwa. Mir fehlt nur der Schwanz. Das süße Stubsnäschen habe ich.“ Und um genau das zu verdeutlichen wackelte sie locker mit ihrem Riechorgan, biss sich dann bei der nächsten Frage auf die Zungenspitze, ohne davon etwas nach außen dringen zu lassen. „Yvenes,“ gab sie dann in ruhigem Ton von sich. Auch wenn sie den Mann wirklich mochte, mehr musste er dazu nicht wissen. „Eine Insel voller Händler, Idioten und Leuten die glauben, sie könnten es zu etwas bringen.“ Und in den Adel aufsteigen. Ihre 'Familie' zum Beispiel.

Ihr Selbstbewusstsein hatte etwas von einer wabernden Aura, die bei jedem selbstglorifizierenden Wort aus ihrem Mund aufleuchtete und sich ausbreitete, um alles um sich herum zu überstrahlen. Dieses kleine Weibsstück war ein Phänomen. Greo sah sich in seiner Annahme bestätigt, dass sie gleichermaßen vertrauenserweckend und verstörend war. Er machte eine versöhnliche Miene und verschwieg, dass sie wahrscheinlich mehr von einer Katze hatte, als ihr lieb war. Langsam nickte er. „Ah, ja, da war ich mal.“ Was für eine Überraschung. „Leider gibt’s diese Typen überall, aber man lernt damit zu leben.“ Und durch sämtliche Welten zu reisen, schoss ihm noch durch den Kopf, aber das sagte er nicht. „Ich weiß ja nicht, wo du sonst noch so warst… aber es gibt auch viele wundervolle Flecken Erde. Und Meer. Je nachdem. Und ganz nette Menschen, die dort leben.“ Er überlegte kurz. „Na ja. Am schönsten ist’s aber da, wo keiner ist.“ Etwas grumpig geworden riss er plötzlich an dem Tau und fiel hintenüber, als es sich aus seiner Sperrung löste und ihm entgegenschnellte.

Shanaya dachte einen Moment an ihre Heimat, dem Ort dem sie so dringend hatte entfliehen wollen. Und nun war sie seit wenigen Wochen nicht mehr dort – und stellte mit jedem Tag fest, dass es die beste Entscheidung gewesen war. Auch wenn sie nur mehr oder weniger freiwillig gewesen war. Greo erzählte weiter und die Schwarzhaarige konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Ja, die gab es überall. Mann musste Idioten nicht suchen, es gab so viele, dass sie von allein auftauchten und zu einem kamen. „Darauf bin ich gefasst und hoffe einfach, dass keine größeren Unfälle dieser Crew beitreten. Sonst muss ich sie leider vergraulen.“ Und das war nicht einmal ein Scherz. Die Marinetypen zum Beispiel. „Deshalb bin ich hier, weil ich genau diese Flecken erkunden will. Jeden von ihnen.“ Seine letzten Worte wollte sie noch kommentieren, aber dann musste sie über den Anblick des Mannes lachen. „Wie war das mit der Kerze?“

Die Formulierung der größeren Unfälle gefiel ihm und ließ ihn kurz lächeln. Er blieb ein wenig auf dem Rücken liegen und starrte in die Segel über sich. Er beobachtete die Linien des Tuches, das sanfte Wölben durch den Wind und lauschte dem Knarren des Guts. Etwas knurrend kam er wieder ins Sitzen und warf ihr einen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu. „Du, du, verwende meine Worte nicht gegen mich, das kann ich auch ganz gut.“ Das würde sie schon irgendwann wieder Retour bekommen. „Gibt’s einen Ort, den du besonders gerne sehen möchtest?“, schwang er sich wieder zu dem anderen Thema zurück und widmete sich wieder – wie es so immer seine Art war – der Arbeit.

Shanaya grinste munter in Greos Richtung, auch wenn er dies vermutlich aus seiner Position nicht sehen würde. Aber er blieb liegen und so richtete sie den Blick wieder auf das Chaos vor ihr, packte sich den nächsten Knoten und erkannte langsam ein Ende des Taus. Na also! Auch als sie aus den Augenwinkeln erkannte, wie der Riese sich wieder aufrechter hinsetze ließ die junge Frau die Aufmerksamkeit, wo sie war, lachte nur leise auf. „Das war schon meine Rache genau dafür. Wir sind also quasi quitt. Alles, was du mir jetzt antust kriegst du auch zurück.“ Ein sehr kurzer, verschwörerischer Blick. „Hm, nicht unbedingt. Ich will von jedem Ort, an dem ich war, eine Karte anfertigen, aber ich habe keinen Ort, an den es mich besonders zieht. Ich genieße erst einmal die Freiheit des Meeres. Das ist schon viel wert. Und du? Es steckt doch irgendetwas dahinter, dass du dich hast auf ein Piratenschiff entführen lassen hast.“

Sie wusste, wie man mit Worten spielte – oh, das war gefährlich. Greo vermied es absichtlich sie anzusehen und in ihrem Treffer zu bestätigen. Aber ein innerliches Touché konnte er nicht verhindern. Zufrieden lauschte er ihren Worten und stellte sich vor, was für eine Mammutaufgabe sie sich da selbst gestellt hatte. Allerdings: wenn sie ihr Leben dem Meer verschworen hatte, wieso sollte sie sich diese Freude nicht geben? Sie würde allerlei sehen und die Karten konnten sehr hilfreich für verschiedene Belange sein. Er wollte soeben unhöflich sein und sie unterbrechen, um weiter auf die Karte einzugehen, als sie etwas sagte, dass ihn in seinem Vorhaben erfrieren ließ. Nicht nur ein Treffer. Versenkt. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber Greos Muskeln spannten sich mit einem Male an und zogen ihm unangenehm bis in den Nacken hinauf. Er spürte das Kribbeln bis in die Haarwurzeln. Seine Nasenflügel weiteten sich ein winziges, ganz winziges bisschen. Er zwang sich sofort wieder zur Lockerung seiner Position. Er brummte. Darüber sprach er eigentlich nicht, denn es war gesellschaftlich betrachtet nichts besonders – für ihn als Betroffenen aber schon. Ach, es war schon zu kompliziert darüber nachzudenken. „Ja, ein paar Idioten.“, sagte er und sah sie an. „Wie du schon sagtest, die sind überall.“

Shanaya schmunzelte über die scheinbare Tatsache, dass er ihr still Recht gab. Jedenfalls kamen keine Widerworte – und das zählte sie ganz automatisch als einen Sieg für ihre Seite. Aber allgemein schien der Mann in diesem Moment eher schweigen zu wollen. Nur zu, sie konzentrierte sich umso mehr auf die Taue und Knoten. Und dann entschied er sich doch zu einer Antwort, die die Schwarzhaarige dazu brachte, die Augen von den Seilen zu heben. Sie erwiderte seinen Blick mit ruhiger Miene, wog den Kopf etwas zur Seite. Aber sie hackte nicht weiter nach, so wie er ihr ihre Antwort offen gelassen hatte. „Ich beschütz dich vor den Idioten hier. Das bin ich dir schuldig.“ Damit grinste sie ihm doch wieder munter entgegen.


RE: Der Geschmack von Wolken - Shanaya Árashi - 16.04.2018

Leider hatte sie ihn nicht vor anderen Idioten beschützen können. Er war ihnen einfach ins Netz gegangen. Natürlich war dieser Gedankengang Unfug: dass alles so gekommen war, war seine eigene Schuld und überhaupt hätte sie ihn nicht aus der Sache raushauen können. Obwohl er sicherlich kein Problem damit gehabt hätte, ihre Hilfe anzunehmen. Greo besaß keinen patriarchalischen Standesdünkel. Aber immerhin tat es gut zu wissen, dass sie möglichen Dummköpfen an die Gurgel gehen würde, die sich hier auf dem Schiff befanden. „Hier sind Idioten, ja? Ich dachte, du hast sie angeworben.“, erwiderte er mit einem zaghaften Schmunzeln im Mundwinkel und guckte sie frech von unten her an.

Shanaya verzog auf die Worte des Mannes hin beinahe beleidigt die Mundwinkel. „Nicht alle, ich heuere doch keine Idioten an!“ Shanayas Kopf wog sich ein wenig zur Seite. Hm. „Ich heuere nur so wunderbare Leute wie dich an!“ Nun änderte sich ihre Miene wieder zu einem gut gelaunten Grinsen. „Aber leider ist das Idiotentum unter Piraten sehr weit verbreitet.“ Die Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern, ließ den Mann dabei nicht aus den Augen. „Umso glücklicher bin ich um jeden, der mehr im Hirn hat als heiße Luft.“ Die blauen Augen huschten kurz zu beiden Seiten, als ob sie erwartete, jemand belauschte sie. „Und hier haben wir auch genug von solchen Leuten...“

Er kniff kurz beide Augen im Scherz zusammen. Natürlich heuerte sie nicht nur Idioten an, andernfalls müsste er sich auch dazu zählen. Jedoch… angesichts seines Dilemmas, in das er sich selbst manövriert hatte, war er vielleicht auch schlichtweg ein Idiot. Es fiel ihm schwer das zu leugnen. Langsam rückte er sich in eine bequemere Position. So richtig aufstehen wollte er gerade nicht. Er mochte die Perspektive, die ihn dazu zwang, jetzt mal zu einem anderen Menschen hochzusehen und nicht wie sonst hinabzuschauen. „Den Eindruck habe ich auch. Wobei ein Mittelding wahrscheinlich das Beste ist, hm? Nicht zu doof, um jedes Unternehmen zu gefährden, aber nicht zu schlau, um das System zu gefährden.“ Gott, klang das hochgestochen. Wo ging dieses Gespräch denn hin?

Shanaya beobachtete die Regungen auf dem Gesicht des Mannes, auch während er sich ein wenig anders hinsetzte. Bei seinen Worten konnte sie ein Auflachen nicht unterdrücken, gab dann ein überlegendes Brummen von sich. „Wahre Worte... Wobei wir glaube ich auch niemanden hier haben, der SO klug ist, sich gegen das 'System' zu stellen...“ Mit einem Finger stubste sie locker gegen den Hut des Mannes und wog den Kopf dann wieder zur anderen Seite. „Außer ich selbst. Aber... ich bin handzahm. Solange die Captains nicht irgendetwas verbocken.“

Ein Muskel an seiner rechten Schulter zuckte im Begriff, den Arm alamiert hochschnellen zu lassen und mit der Hand auf ihr Fingerschnippen zu reagieren. Er mochte es nicht, wenn jemand den Hut anfasste. Einmal aus Prinzip, zweimal, weil ihm das zu nahe an seinem Gesicht war. Da sein Verstand im Gegensatz zu seinem Körper das junge Gemüse aber in ihrer fröhlichen Stimmung nicht als Gefahr wahrnahm, konnte er den Impuls gut unterdrücken. „Bleibt abzuwarten.“, brummte er zurück, noch nicht ganz von den Qualitäten der Oberen überzeugt. Für ein paar Sekunden grub sich eine Falte zwischen seine Augenbrauen. „Also nicht, dass ich eine Meuterei anzetteln würde. Sie wirken ja… anständig.“

Shanaya bemerkte von ihrer Position aus nicht Greos Missfallen ihrer kleinen Berührung, hatte die Hand aber auch schon längst wieder zurück gezogen. Sie hatte ja auch kein Loch hinein gepiekst, auch wenn sie ein Ekel war – den Eigentum von anderen wusste sie zu akzeptieren. Im Gegensatz zu manch anderem. Dafür entging ihr nicht sein Missmut über die Captains, auch wenn er sie ein wenig zu überspielen versuchte. „Ich schätze dich auch nicht als den ein, der aus einer Mücke eine Meuterei anzettelt... aber ich denke, sie werden schon anständig bleiben... sonst bin ich die erste, die die Stimme hebt.“ Sie hatte einen guten Draht zu Talin – und auch wenn sie noch nicht wusste, wie die Blonde auf Kritik reagierte, so würde Shanaya sich davon nicht abhalten lassen. „Aber Mal sehen, wenn sich Mister Captain zeigt, wie gut die Beiden zusammen arbeiten und eine Crew führen können...“

Das Wort Meuterei war übel und nichts, dass man schnell oder unbedacht in der Gegenwart jeder Person in den Mund nehmen durfte. Aber wie er ihrer Antwort entnehmen konnte, wusste sie ihn wohl tatsächlich einzuschätzen. „Nein, tatsächlich, bisher sind wir ja zurechtgekommen.“, meinte er und hatte Talins Bild vor Augen. Er hielt sie eigentlich für einen Grünschnabel, aber sie bemühte sich und er vermutete, dass sie Qualitäten hatte, die sich mit der Zeit noch zu größerer Souveränität verfestigen würden. Den Kerl konnte er noch nicht beurteilen. „Ja, hab‘ noch nie von zwei Kapitänen gehört. Erst recht nicht gemischt.“ Dahinter stand eine etwas kritische Haltung. Kapitäne, Offiziere, wie auch immer Hierarchien aufgebaut war, einer hatte am Ende das Sagen. Das zeigte zumindest seine bisherige Erfahrung. Und er war nicht sicher, ob er sich einfach einem Fremden unterordnen wollte, den sie erst retten mussten, den er so gar nicht kannte, und über dessen Führungsideale er noch keinen Schimmer hatte.

Shanaya lächelte mit den Worten des Mannes noch ein wenig breiter. „Wir haben unter Talins Führung immerhin unsere erste Mission als Crew erfolgreich durchgeführt. Das muss man ihr schonmal anrechnen.“ Und das meinte sie sogar ernst. Im Gegensatz zu den meisten anderen empfand sie diese Aktion als Erfolg – wenn auch nicht alles haargenau so gelaufen war, wie sie es geplant hatten. Aber das Endresultat passte – was zählte das dazwischen? „Ich auch nicht, umso gespannter bin ich. Sie haben sich lange nicht gesehen – umso mehr werde ich aufpassen, wie sie das zu zweit machen.“ Kurz huschte ihr heller Blick in die Richtung der Kajüte, ehe sie sich in die Hocke sinken ließ, die Ellenbogen auf ihre Knie und das Kinn auf die Hände stützte. Mit einem belustigten Grinsen – und einem Ton in der Stimme, der deutlich machte, dass sie ihre Worte nicht ernst meinte – musterte sie Greo. „Notfalls übernehmen wir beide das Schiff!“

„Ich habe nie behauptet, dass ich das nicht tue.“, meinte er und zuckte die Achseln. „Unter ihrer Führung ging es ja irgendwie, aber da waren wir ja eben noch nicht unter zwei Kapitänen.“ Er beobachtete sie, wie sie sich auf seine Ebene hinunterbegab und rückte leicht mit dem Kopf zurück – vielleicht hatte er insgeheim doch etwas Sorge um seinen Hut. Seine Augen huschten von einer ihrer Pupillen zur nächsten und versuchten zu erraten, was so dahinter vor sich ging. Offenbar nichts Gutes. „Ja, ja, ist klar.“, frotzelte er, nicht so ganz sicher, ob sie das nicht doch irgendwo erst meinte. „Und wo soll’s hingehen?“

Shanaya bedachte den Mann mit einem abschätzenden Blick, verzog die Lippen dabei zu einer grübelnden Miene. „Du hast vollkommen Recht, aber uns bleibt Nichts anderes übrig, als abzuwarten, oder? Abwarten und genau beobachten.“ Wie weit Greo wohl seine Meinung sagen würde? Soweit konnte sie ihn dann doch nicht einschätzen. Dass er seinen Mund aufmachen würde – ja. Nur wie weit? Als er sich zurück lehnte, schmunzelte die Schwarzhaarige nur munter. „Keine Sorge, ich beiße dich nicht, wenn du lieb zu mir bist. Das weißt du doch.“ Seine Frage ließ sie dann kurz nachdenken, ein Blick zum Himmel und zurück. „Hmm... wie wäre es mit einem Ort, an dem keine Idioten willkommen sind? Also so jemand wie Aspen ist dort nicht willkommen.“

Er runzelte leicht die Stirn. Aspen? Den hatte Greo bisher als recht sympathisch wahrgenommen. Er redete nicht unnötig viel, konnte mit anpacken und sie kamen sich nicht ins Gehege. Im Gegenteil, er kam wirklich gut mit ihm zurecht und hohl wie eine leere Holzschachtel kam er ihm auch nicht vor. Aber gut, das konnte sie natürlich ganz anders erleben. „Was für Menschen sind dir denn eher Willkommen? So vom Typ?“

Shanaya erkannte die Regung auf dem Gesicht des Mannes, machte sich aber nicht so viel daraus. Viel eher regte sie seine Frage zum nachdenken an. Was für einen Typ? Hmm... „Die, die einen nicht nach dem Alter oder Geschlecht beurteilen, das wäre schonmal ein Vorteil.“ Wieder ein Blick zur Seite, ehe sie sich erhob, dem Drang widerstand, noch einmal gegen den Hut zu stubsen. „Bei vielem anderen bin ich wirklich tolerant. Aber was hälst du davon, wenn wir nicht herum sitzen, sondern irgendetwas tun? Ich werde schon ganz hibbelig.“

Erneut zuckte er nur die Schultern. „Klar, eine Idee?“, fragt er und richtete sich langsam auf. Was sie gesagt hatte, überraschte ihn nicht. So etwas hatte sie auch vorher schon angedeutet. Sie musste als Frau und vor allem junge Frau vielen Vorurteilen und Reglungen ausgesetzt gewesen sein. Auch das überraschte ihn nicht. Er kannte die gesellschaftlichen Konventionen in seiner Kolonie und wusste allzu gut von seinen Reisen, dass das auch woanders so war.

Shanaya musterte den Mann, der gewohnt gelassen reagierte, nicht viel zu sagen hatte, außer einer simplen Frage und sich dann erhob. Von hier unten wirkte er nur noch riesiger, worauf die Schwarzhaarige also auch mit einer federnden Bewegung aufsprang. „Ich hatte gehofft, wenn ich einen Denkanstoß gebe, kommt so ein Arbeitstier wie du mit einer passenden Idee um die Ecke.“ Die junge Frau senkte den Kopf ein wenig, ließ den Blick aber zu Greo nach oben gewandt. „Du hast doch sicher eine super Idee!“ Shanaya breitete die Arme aus. Genug zu tun gab es sicher. Nur wo anfangen?

Das enttäuschte ihn jetzt ein bisschen. Sie hatte doch ständig so viel (zu viel) Energie, wieso erwartete sie jetzt von ihm Kreativität? Er war doch nicht so gut in so was. „Bedaure?“, sagte er und setzte eine unschuldige Miene auf. „Ich komme mit Arbeit um die Ecke, aber ich weiß nicht, ob dir so etwas vorgeschwebt hat.“ Wahrscheinlich eher nicht. Es hatte nicht für jedermann (oder -frau) einen fantastischen Reiz Holz zu schmirgeln. „Ausmisten. Kochen. Fässer reinigen.“

Shanaya wedelte ein wenig mit den Fingern in der Luft herum, ohne den Blick dabei von Greo zu nehmen. Seine Miene ließ die junge Frau leise seufzen, dann warf sie ihm einen vielsagenden Blick zu. „Hauptsache irgendetwas zu tun. Sonst muss ich meine Hände benutzen und dich befummeln. Das willst du vermutlich eher weniger.“ Sie grinste, patete dem Hünen dann sachte gegen den Arm, ehe sie sich in Bewegung setzte. „Ausmisten klingt gut. Ein bisschen gackernde Gesellschaft ist immer gut.“ Und ohne auf eine Antwort zu warten steuerte sie auf den kleinen Vorraum zu, der unter Deck führte. Auch wenn sie die Wärme der Sonne genoß, es gab einfach zu viel zu tun!

Erst etwas irritiert, glotzte er sie lahm an und marschierte dann auf den Vorraum zu. „Gott bewahre.“, meinte er, „geben wir deinen Händen lieber einen Besen.“ Verschmitzt blickte er noch einmal zum Himmel hinauf und schob sich den Hut in den Nacken, um das Licht besser sehen zu können. Dann bückte er sich in die Dunkelheit hinab und verengte angestrengt die Augen, bis sie sich an die anderen Verhältnisse gewöhnt hatten. „Wo willst du anfangen?“

Shanaya grinste breit über die Worte des Mannes. Genau das hatte sie erwartet. Er war einfach nicht wie der ganze große Rest. Und vielleicht war er ihr deshalb solch eine gern gesehene Gesellschaft. Nur ein kurzer Blick huschte zurück zu ihm, richtete ihre Aufmerksamkeit dann aber auf die erste Treppe nach unten. „Vielleicht zählen, ob alle Hühner noch da sind? Nicht, dass jemand der Neuen sich heimlich eins gebraten hat.“ Was sie durchaus für möglich hielt. Nach so langer Zeit in Gefangenschaft... „Und dann müssen die armen Wesen es gemütlich und sauber haben.“ Wenn sie schon nicht an Deck konnten... Einer der Gründe, wieso sie als Haustier kein Huhn haben wollen würde. Lieber etwas, was sie ohne Sorge mit an Deck nehmen konnte. „Und vielleicht finden wir ja auch das ein oder andere Ei.“ Sie plauderte munter vor sich hin, bis die zweite Treppe des Mannschaftsdecks erreicht war, von wo man das verhaltene Gackern schon hören konnte. „Und du bist hier der Tierflüsterer. Vielleicht kannst du ihnen eine gute Nacht Geschichte erzählen?“ Nun klang ihr Stimme wieder deutlich amüsiert.

Greo blieb einen Moment etwas zurück und kramte in der Ecke nach geeigneter Ausrüstung. Er förderte eine Bürste mit harten, störrischen Borsten zutage und zwei Eimer. Den einen bestückte er mit einem Lappen, der sicher schon bessere Tage gesehen hatte, den anderen befüllte er am nächsten Fass mit ein wenig Wasser. Er schlurfte Richtung Hühnergehege. „Ich würd’s ihnen nicht raten, schätze dann steigt ihnen mehr als nur eine Person aufs Dach.“ Greo merkte, wie ihm das Herz aufging, als er nahe das verhaltene Glucksen der Hennen hörte. Es hatte etwas Beruhigendes an sich. Er ging vor ihnen in die Hocke und schob die Finger zwischen die Gitterstäbe. „Na, die Damen? Heute schon fleißig gewesen? Sie da – “, er deutete hinter sich auf Shanaya, „hätte gern ein Ei. Dafür gibt’s auch ‘ne Geschichte.“ Er war im Begriff die Tür zu öffnen, rümpfte dann aber die Nase und hielt inne. Er pfriemelte an einer Gürteltasche und förderte ein viereckiges Tuch zutage, dass er in der Mitte zerriss. Das hielt er Shanaya hin. „Nimm und bind dir das über Mund und Nase. Vogeldreck ist fies.“

Shanaya beobachtete zuerst die Federtiere mit prüfender Miene, ehe der blaue Blick sich zu Greo herum wandte, der Dinge zusammen suchte und schließlich zu ihr kam. „Vermutlich, aber wer weiß schon, ob DIE das wissen. Und nach ewiger Zeit hinter Gittern und nur Brei zu Essen...“ Zumal sie keinen der neuen so weit einschätzen konnte, ob sie so weit gehen würden. Aber sie hatten ja ihren Beschützer, der sich nun vor das Gatter hockte, mit den Tieren sprach und Shanaya damit noch breiter grinsen ließ. Er war schon irgendwie putzig. Als er sich nun an den Gürtel griff, ein Tuch zerriss und es ihr mit einem Ratschlag hinhielt, wog sich der Kopf der jungen Frau kurz zur Seite. Aber sie tat wie geheißen, band sich das Tuch am Hinterkopf zusammen. „Wie gut, dass ich einen Profi an meiner Seite habe.“ Damit hockte auch die junge Frau sich hin, lauschte dem aufgeregten Gackern. „Dir sind Tiere lieber als Menschen, oder?“

Sie hatte vermutlich nicht unrecht. Auch er würde seine Tierliebe sicherlich vergessen, wenn sein Magen nach Hilfe schrie. Das konnte er den Kerlen eigentlich nicht verübeln – es ging ihm lediglich gegen den Strich, wenn sie etwas ohne zu fragen an sich nehmen sollten. Aber sie konnten ja nicht vierundzwanzig Stunden auf die Hühner aufpassen. Er blickte nachdenklich auf den Käfig und überlegte, wo sie das Geflügel unterbringen konnten, während sie ihre Unterkunft reinigten. Greo tat es Shanaya gleich und knotete sich das Tuch am Hinterkopf zusammen. Seine Stimme drang gedämpft hinter dem Stoff hervor und seine Augen lächelten sie über den Saum des ausgeblichenen Musters an. „Profi wäre wirklich übertrieben.“, korrigierte er und kraulte einer Henne mit dem Zeigefinger die Stelle über dem Schnabel. Er schwieg kurz und sagte dann nur kurz: „Dir nicht?“

Shanaya stützte das Kinn wieder auf eine Handfläche, musterte den Mann mit belustigter Miene, während er eines der Hühner kraulte. Wenigstens konnte er mit Tieren umgehen. Das bezweifelte sie bei manch einem aus der Crew. Wozu sie sich selbst wohl auch irgendwie zählen musste. Aber dafür gab es eben auch Gründe, die sie sich mit einem kurzen Zucken der Schultern eingestand. „Ich hatte nie viel Kontakt mit Tieren. Meine Kleidung war eh immer dreckig, wenn ich mich jetzt noch mit den Schweinen im Schlamm gewälzt hätte, hätte man mich vermutlich gleich erhängt.“ Ihre Stimme klang bei diesen Worten kein bisschen bedrückt, viel eher belustigt. Zu gerne hätte sie die Gesichter ihrer Eltern gesehen, die mit Verzweiflung ihrer Tochter dabei zusehen musste, wie diese sich neben den rosa Borstenviechern im Dreck suhlte. „Aber wenn ich mich entscheiden müsste... vermutlich sind sie die angenehmere Gesellschaft.“ Sie lachte leise, strich einer Henne dann über die glatten Federn.


RE: Der Geschmack von Wolken - Greo - 04.06.2018

Greo hob lediglich leicht das Kinn an, als sie über ihre Familie sprach. Es war offensichtlich, dass sie ganz unterschiedlich aufgewachsen waren. Greo kannte es nicht anders, als Dreck an der Kleidung zu haben, Flicken mit alten Getreidesäcken zu stopfen und eine Staubwolke hinter sich herzuziehen. Das war normal, niemand auf der Farm beklagte sich deswegen – denn es ging ja allen so. Aber er erinnerte sich auch an Hemden für besondere Anlässe und Mutters Pantoffel, den sie ihm über den Kopf zog, wenn er sich das Gesicht nicht wusch. Nur… gehängt hätte sie ihn sicher nicht. Gott, wenn er darüber nachdachte, konnte er sich glücklich schätzen.
Greo warf ihr einen kurzen Blick zu und angelte dann nach einem Korb. Er öffnete den Hühnerstall, fischte sich eine gackernde Dame heraus, klemmte sie sich unter den Arm und schob sie ohne großes Federlesen unter den Korb. Das Huhn gluckste empört, gab in der Dunkelheit aber schnell Ruhe. „Hmpf. Na, damit tu man vielleicht ein paar Menschen Unrecht.“, versuchte er sein Verhältnis zu Mensch und Tier wieder gerade zu rücken, „Kommt drauf an. Wobei, Viehzeug betrügt immerhin nicht.“ Er zuckte die Schultern. „Und wenn sie egoistisch sind, dann nicht aus schlechten Motiven, schätze ich. Die denken ja nicht drüber nach.“



RE: Der Geschmack von Wolken - Shanaya Árashi - 05.06.2018

Die Henne hielt nur einen Moment still, ehe sie mit einem Glucksen der Hand der jungen Frau entkam. Für einen Moment verzog Shanaya daraufhin die Lippen zu einer Grimasse, wurde dann aber wieder von Greo abgelenkt, der nach einem Korb griff – unter dem im nächsten Moment eins der Hühner verschwand. Die Schwarzhaarige zupfte das Tuch, das noch immer über ihre Nase gebunden war, ein wenig zurecht, lauschte den Worten des Mannes und wog dann den Kopf ein wenig zur Seite. „Es ist nur leider nicht jeder so eine Gesellschaft wie du.“ Die junge Frau zuckte mit den Schultern, grinste ihrem Gegenüber offen entgegen. „Vielleicht denkst du das auch nur. Vielleicht sind sie viel intelligenter als wir und haben uns alle längst einer Gehirnwäsche unterzogen. Wer weiß das schon...“



RE: Der Geschmack von Wolken - Greo - 09.06.2018

Greo schmunzelte und tippte sich an den Rand der Hutkrempe, um sich für dieses - wie er es einschätzte - Kompliment zu bedanken. Gleich darauf angelte er mit dem Arm erneut im Hühnerstall herum, im Begriff die nächste Glückliche nach draußen zu komplimentieren. Aber die Glucken hatten Lunte gerochen. Das spurlose Verschwinden ihrer Freundin hatte sie in Unruhe versetzt und führte dazu, dass sie ihm hektisch auswichen.
„Davon bin ich -.“, begann er, musste sich aber unterbrechen, weil eine Henne die Gunst der Stunde nutzte, als er die Federn einer Legegenossin ergriffen hatte; sie flutschte flink an ihm und Shanaya vorbei und flitzte einfach davon. Verdutzt knallte Greo den Hühnerstall zu und stierte der Flüchtigen nach. „Eine Deserteurin, ich fass es nicht.“



RE: Der Geschmack von Wolken - Shanaya Árashi - 09.06.2018

Greo sagte Nichts auf die Worte der jungen Frau hin, aber sie nahm seine kurze Berührung des Hutes – wurde ihm da nicht furchtbar warm drunter? - als Reaktion. Das reichte ihr, ließ sie munter weiter lächeln und beobachten, wie der Mann erneut nach einem der Federtiere griff. Dieses Mal jedoch scheinbar weniger erfolgreich und sie selbst – die sich nie um Hühner gekümmert hatte – beobachtete den Profi schlicht bei der Arbeit. Bis er ihr antworten wollte, und noch bevor sie irgendwie reagieren konnte, war eines der Hühner entkommen. Greo reagierte deutlich schneller als sie selbst, schlug den Käfig zu und hechtete der Flüchtenden nach. Einen Moment nach seinen Worten blickte die Schwarzhaarige ihm nur hinterher, ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach. Shanaya lehnte sich an den Hühnerstall, hielt dabei mit einer Hand das Gatter verschlossen. „Wolltest du sagen, dass du davon überzeugt bist?“ Und wieder konnte sie ein Lachen nicht unterdrücken.



RE: Der Geschmack von Wolken - Greo - 09.06.2018

Er war definitiv nicht schnell genug, zumal der enge Raum ihn in seiner Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. So fiel seine Reaktion entsprechend holprig aus. Er krachte vorwärts der Länge nach in den Korb hinein, unter dem er das erste Huhn verwahrt hatte. Der Korb lichtete sich, das Huhn erkannte seine Chance - und fort war es. Konnte das die Möglichkeit sein? Greo stützte sich auf die Unterarme. Der Hut war ihm ins Gesicht gerutscht, seine Beine grotesk ineinander verflochten. Er kämpfte sein Gesicht hervor, schaute erst kurz verwirrt und dann mit einem lodernden Blick in die Richtung, in der sich die Hennen auf und davon gemacht hatten.
Sein Kampfgeist war geweckt.
„Ich glaub', es hakt!“, rief er anstelle einer vernünftigen Antwort auf Shanayas Frage hin, knotete sich auseinander und sprang den Entflohenen hinterher. Die Hennen waren jedoch nicht ganz so dämlich, wie er gehofft hatte. Sie teilten sich auf; eine nach rechts, die andere nach links, und huschten unter und hinter allerlei Dinge, die in der Nähe gelagert wurden. Greo entschied sich für die dunkle Henne links, und flog ihr nach. Es knallte. Es knallte gewaltig. Jemand keuchte, jemand gackerte hysterisch auf und dann war Stille.



RE: Der Geschmack von Wolken - Shanaya Árashi - 10.06.2018

Vielleicht war ihr Lachen ein wenig gemein – aber das Bild, welches Greo gerade abgab, wollte nicht so Recht zu dem Dunkelhaarigen passen. Als er dann jedoch lang lag, den Korb mit der bereits geretteten Henne umstieß – die die Chance natürlich sofort nutzte – verstummte das Lachen der jungen Frau, das breite Grinsen blieb jedoch auf ihren Lippen. Ein kurzer Blick zu dem Gatter, dann griff sie nach dem Korb, ehe Shanaya einen Schritt vortrat, um dem am Boden liegenden zu helfen. Sein Ausruf und Kampfgeist, der daraufhin erneut aufflammten, ließen die junge Frau leicht eine Augenbraue heben, ohne dass das Lächeln von ihren Zügen wich. Ein weiterer, kleiner Schritt – und der Mann lag wieder am Boden. Shanaya biss sich auf die Zunge, trat an die Seite des am Boden liegenden. „Die machen sich über dich lustig. Du solltest ihnen die Meinung sagen.“ Eine der Hennen war zum stehen gekommen, ziemlich aufgeplustert. Aber sie hielt still. Diesen Moment wollte die junge Frau nutzen, ging leicht in die Knie, um sich im nächsten Moment mit dem Korb vor zu beugen, als das Tier aber schon verstanden hatte, was ihr Plan war. Die Schwarzhaarige selbst beugte sich zu tief, und bekam dafür im nächsten Moment die Quittung. Die wollte den Korb über das Federtier werfen, die Henne reagierte jedoch schneller, machte mit wild schlagenden Flügeln einen Satz auf Shanaya zu, die einen Moment von den vielen Federn im Gesicht verwirrt war und rücklings auf den Hintern fiel. Die Henne lief gackernd weiter, die Schwarzhaarige blieb einfach sitzen – und musste schon wieder lachen. „Wir sollten ihnen wirklich Mal gewaltig die Meinung sagen.“



RE: Der Geschmack von Wolken - Greo - 10.06.2018

Ihr Lachen registrierte er gar nicht wirklich. Dazu war er zu sehr auf die Verfolgungsjagd konzentriert. Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass ihm ein Tier durch die Lappen gegangen war. Und bestimmt war es auch nicht das erste Mal, dass er sich beim Einfangen so dumm anstellte. Aber es war durchaus eine Premiere, dass er sich innerhalb eines Schiffes dermaßen löffelte, dass ihm nebenbei stehende Kisten auf den Schädel krachten und für einen Augenblick die Wahrnehmung vernebelten. Unter seinem Kinn rumorte es: der Boden musste ein Eigenleben entwickelt haben. Das Holz wölbte sich, versuchte sich unter ihm weg zu zwängen. Er krallte sich feste in das, was er für weiche Splitter hielt, um gleich darauf von dem Holz ordentlich in die Finger gehackt zu werden. Greo spuckte ein paar Federn und die Ecke des Mundtuchs aus. Hinter ihm krachte es und jemand lachte. Er zog ein paar Grimassen und besann sich, was da eigentlich gerade passiert war.
Anstelle einer selbstständig gewordenen Holzdiele hielt er eine äußerst aufgebrachte Henne fest, eingekeilt zwischen seinem Kopf, seinen Armen und dem Boden. Sie war nicht begeistert. Aber gegen sein Gewicht kam sie nicht an. Greo schnappte sich ihre Füße mit der einen Hand, fixierte mit der anderen ihre Flügel und hievte sich ungeschickt auf die Knie. Langsam drehte es sich um und robbte zum Hühnerstall zurück. Verdutzt schaute er Shanaya an, die lachend auf dem Boden saß. „Ich glaub, den Spieß haben sie umgedreht.“, erwiderte er überrumpelt. Sein Blick schweifte über das Chaos am Boden. Da war Hopfen und Malz schon verloren. Schulterzuckend zog er sich eine grob gezimmerte Kiste rüber und kippte sie keuchend um. Kartoffeln ergossen sich über den Boden, aber das störte ihn nicht. Er stopfte das Huhn unter die Kiste und setzte sich kurzerhand drauf. „Hast du nun davon.“, grunzte er und lächelte dann der Dunkelhaarigen verschmitzt zu. „Wer hätte das gedacht, das sind kleine Ganoven.“



RE: Der Geschmack von Wolken - Shanaya Árashi - 10.06.2018

Shanaya pustete sich eine Strähne aus der Stirn, während sie noch immer auf den Dielen saß, trotz allem ziemlich amüsiert drein blickte. Das Federvieh hatte die beiden ziemlich vorgeführt, aber irgendwie auf eine amüsante Art und Weise. Nach noch einem kurzen Moment der Verwirrung wandte sich die Dunkelhaarige jedoch zu Greo herum, der sich inzwischen wieder aufrappelte, unter anerkennendem Blick eine der Flüchtenden festhielt. „Du kannst das sogar, wenn du es nicht kannst.“ Ein erneutes Lachen drang über ihre Lippen, ehe auch Shanaya sich erhob, den Korb wieder mit einer Hand umfasste und sich in die Richtung des Mannes begab. Dabei pflückte sie sich eine Feder aus den dunklen Haaren, grinste auf die Worte des Hutmannes, als sie bei ihm ankam, mit einer vorsichtigen Berührung den Hut auf seinem Kopf wieder zurecht rückte – und dann die Feder auf die Hutkrempe legte. „Sie wissen nicht, wer der Boss ist. Sonst würden sie dir sicher nicht so auf der Nase herum tanzen.“ Gut gelaunt stubste sie dem Mann gegen die Schulter, ehe die hellen Augen sich suchend nach der zweiten Henne umsahen.