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Bedeutende Persönlichkeiten des Herzogtums Brancion - Druckversion

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Bedeutende Persönlichkeiten des Herzogtums Brancion - Weltenwind - 07.02.2023



Herzogtum Brancion
Bedeutende Persönlichkeiten

Claude Riegan
Der „Gentleman-Ganove von Ostya“ – so nennt man Claude Riegan in den Kreisen, in denen er sich vor gut einer Dekade hervorgetan hat. Dabei trägt der Mittvierziger diesen Titel, als handle es sich um ein golddurchwirktes Kleidungsstück. Selten sieht man ihn ohne, doch hin und wieder lässt es sich auch ablegen.
Ein Gentleman ganz in dem Sinne, in dem dieses Wort heutzutage gebraucht wird, war Riegan freilich nicht von Anfang an. Ein Ganove dagegen schon eher. Er wuchs im Armenviertel von Ostya auf, lebte wie viele Gleichaltrige in den maroden Mausoleen des großen Friedhofs im Südwesten der Stadt, wo sie immerhin vor den vom Meer kommenden Winden und dem Unrat der Stadt geschützt waren. Doch das Leben dort war alles andere als einfach.
Damals – nicht anders als heute – organisierten sich die Kinder in kleineren oder größeren Banden und hielten sich mit Taschendiebstahl und kleinen Überfällen über Wasser. Riegan, so sagt man, tat sich dabei früh hervor. Er entwickelte ein ausgeprägtes schauspielerisches Talent und einen Hang dazu, seine Missetaten mit möglichst dramatischen Effekten auszustatten. Zugute kam ihm dabei sein ihm in die Wiege gelegtes Charisma, mit dem er Jüngere um sich scharte und in seine Vorhaben einspannte.
Es dauerte nicht lange, bis aus kleinen Scharmützeln im Hafen- oder Kaufmannsviertel schließlich großangelegte Raubzüge durch das Adelsviertel wurden. Denn der dort zur Schau gestellte Reichtum übte auf den jungen Riegan bereits von Anfang an eine geradezu magische Anziehung aus. Oft sah man ihn in den Straßen zwischen Stadtvillen und Gärten hindurchschlendern, die Menschen und ihr Gebaren beobachten und umso öfter die Soldaten ihn schnappten und aus dem Viertel vertrieben, umso stärker wurde in ihm das Verlangen nach dieser Art von Luxus.
Er begann, seine Gewinne in teure Kleidung zu investieren, lernte, zu reden, zu laufen und zu handeln wie die Menschen aus dem Adelsviertel – bis er sich auf dem gepflegten Pflaster im Südosten der Stadt so selbstverständlich bewegte, dass kein Soldat auf die Idee kam, er könne dort nicht hingehören. Wenn er es nur wollte, konnte er von einer Sekunde auf die Nächste Händler, Seemann, Künstler oder Adliger sein und niemand hätte ihn als den jungen Mann aus dem Armenviertel erkannt, der er eigentlich war.
Bis zur Perfektion arbeitete er diese Tarnung aus, nutzte sein Wissen für die ausgeklügeltsten Raubzüge, Täuschungen und Betrügereien und scharte im Laufe der Zeit ungeheuren Reichtum und loyale Anhänger um sich. Ihre Treue sicherte er sich mit Respekt und einer ausgewogenen Mischung aus zuvorkommender Freundlichkeit und gnadenloser Härte, bis jeder in der Stadt wusste: Zu Claude Riegan kannst du jederzeit kommen und um Hilfe bitten. Doch wehe dem, der sein Wort nicht hält.
Im Herzen ist und bleibt der Gentleman-Ganove jedoch ein Kind aus den Armenvierteln und einzig und allein diesen Menschen scheint er sich zugehörig zu fühlen. Dass Claude Riegans Loyalität lediglich Claude Riegan gehört, verbirgt er geschickt hinter erhabener Fürsorge und milder Gönnerschaft. Die düstere und zugleich aus dezentem Reichtum erschaffene Kneipe im Nordosten der Stadt, die er als seinen Hauptsitz erwählt hat, dient ihm lediglich als weitere Kulisse seines Bühnenstücks. Sie suggeriert die Nähe zu ‚seinen Leuten‘. Denn warum sollte sich der Mann, der sich aus den Slums hervorgetan hat und nun so gut wie alles haben könnte, ausgerechnet in einer Ecke wie dieser niederlassen, wenn sein Herz nicht für Diebe und Tagelöhner schlagen würde?
Zugleich jedoch umgibt er sich mit einem Netzwerk aus reichen Kaufmannsleuten, Richtern und Adligen, die zumindest kurz im Glanz seines Ansehens baden wollen und selten Fragen stellen. Deren Gier und Machtstreben waren Riegans Schlüssel zum Erfolg. Er etablierte sich schnell als derjenige, der ihnen beschaffen konnte, was sie wollten. Gekaufte Stimmen, das plötzliche Verschwinden von Feinden, wertvollste Kunstgegenstände – alles, was er ihnen lieferte, spielte letztlich ihm in die Hände. Bis ihm sehr viele Leute sehr viele Gefallen schuldeten und ihn an den Punkt brachten, an dem er sich heute befindet: Ein Mann, der den Schmuggel von Nordbrancion bis Shilain kontrolliert. Dem jeder Hehler Rechenschaft schuldet. Dem Richter und Adlige zwielichtige Waren abkaufen, ohne Fragen zu stellen, und die Augen vor den Dingen verschließen, die sie nicht sehen sollen. Ein Mann, der Diebe und Schläger als treue Gefolgsleute um sich schart, die ihm freiwillig einen Teil ihrer Beute als Tribut überreichen, um in seinem Schutz zu leben und vielleicht irgendwann aufzusteigen. Ein Mann, der seine Vorliebe für Glücksspiel, schöne Frauen und wertvollste Artefakte in einem der schlimmsten Viertel Ostyas offen zur Schau stellen kann, ohne um sich oder seinen Reichtum fürchten zu müssen.
Kurzum: Ein Mann, dessen Unwillen niemand leichtfertig auf sich ziehen will.