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The great Divide - Shanaya Árashi - 30.01.2022

The great Divide

Morgen des 18. Juni 1822
Jón Nóason, Peregryne Tallant & Shanaya Árashi


Auch, wenn ihre Schulter wieder da war, wo sie hin gehörte, war die Nacht, die hinter ihr lag, keine Gute für Shanaya. Immer wieder war Schmerz durch ihre Schulter gezuckt, hatte sie daran erinnert, sich nicht auf die linke Seite zu legen. Jetzt, wo sie diese Nacht irgendwie hinter sich gebracht hatte, den Arm trotz allem in Schonhaltung hielt, wurde es etwas besser. Aber vielleicht war es auch die Müdigkeit, die ihre Sinne benebelte. Mit einem leisen Seufzen trat die Schwarzhaarige auf das Deck, achtete nicht darauf, ob noch jemand außer ihr hier oben war. Sie streckte den Rücken durch, trat damit zur Reling und ließ den Blick über die Wellen schweifen, die sachte gegen den Rumpf der Sphinx schlugen. Sie gab sich diesem müden Nebel in ihrem Kopf einfach hin, dachte nicht weiter darüber nach und konzentrierte sich auf das leichte Kitzeln des Windes, der durch ihre Haare strich.

Ob es am fehlenden Alkohol, am stetigen Schunkeln des Schiffes oder einer anderen unbekannten Variable in der Gleichung lag, wusste er nicht, nur, dass er kaum (s)ein Auge zugetan hatte. Vielleicht auch aus heimlicher Sorge, dass man ihn im Schutze der Dunkelheit doch noch über Bord zurück in die kalten Fluten werfen könnte. In aller Frühe hatte er sich an Deck gestohlen, versucht, so wenigen Augen wie möglich zu begegnen, in der Hoffnung, dass er ein paar Minuten für sich hätte. Was insgeheim schwierig war an einem Ort mit räumlich begrenzter Fläche. Er scannte die Umgebung vor sich, bis ihm die Gestalt an der Reling ein Stück weiter links auffiel. Ah ja. Die Erinnerung kam schnell zurück. Er hatte vielleicht ein Auge eingebüßt, sein Gedächtnis funktionierte noch, brauchte vielleicht nur hier und da einen kleinen Anstoß. Ohne ein Wort platzierte er sich neben ihr an der Reling, mit gesundem Abstand, nicht, dass sie ihm in selbstverteidigender Absicht noch den Ellbogen ins Gesicht rammte. „Schlechte Nacht oder einfach nur früher Vogel?“

Anders als sonst lauschte Shanaya nicht auf ihre Umgebung, auf Stimmen oder Schritte in ihrer Nähe. Vielleicht hätte sie noch liegen bleiben sollen, aber… auch das war irgendwie keine Option. Noch einmal verließ ein Seufzen ihre Lippen, als sie im nächsten Moment etwas zusammen zuckte. Direkt neben ihr eine fremde Stimme gemischt mit einem verwirrten Geist war keine gute Kombination. Mit einer schnellen Bewegung hatte die junge Frau den Kopf zur Seite gedreht, betrachtete das fremde Gesicht. Der Typ, der gestern auf ihr Schiff gekommen war. Sie hatte ein besseres Namensgedächtnis als Greo es vermutlich jemals haben würde… trotzdem fiel ihr zu diesem Gesicht kein Name ein. Es hätte alles sein können. Einige kurze Herzschläge konnte der Mann dieses Überlegen in ihrem Gesicht sehen, ehe sie sich einfach dazu entschied, auf seine Frage zu antworten. „Eine Mischung aus Beidem.“ Sie war niemand, der lange in der Koje liegen bleiben konnte – nur heute wäre das vielleicht irgendwie… besser gewesen. „Und das fällt dir mit einem Auge auf, Respekt.“ Ein leises Lachen ihrerseits folgte. Vielleicht hatte er ja mehr Humor als der Dieb, der eine Weile mit ihnen gereist war und der auch nur ein Auge sein Eigen hatte nennen können.

Per ließ sich das lautstarke Grummeln nicht nehmen. Wenn es etwas gab, dass er noch mehr hasste als unqualifizierte Kommentare über den Zustand seines linken Auges, dann… vielleicht zu lange trocken zu sein. Aber nein, irgendwie auch nicht mal das. Wenn sie keine Frau gewesen wäre und er nicht unter Beobachtung stehen würde, mehr oder weniger, hätte er sie seinen Unmut über ihren harmlosen Witz vielleicht schon spüren lassen. Stattdessen murmelte er bloß: „Gewöhnungssache.“ Was so gesehen ja nicht gelogen war. „Besser als ein Bein oder einen Arm zu verlieren.“

Das Geräusch, welches der Mann von sich gab, ließ Shanaya lautlos aufseufzen. Wenn es ihrem kleinen Witz geschuldet war, dann… hatte er wohl doch keinen Humor. So war das halt… „Du magst keine Witze auf deine Kosten, hm?“ Eine ernst gemeinte Frage, immerhin klang auch seine Antwort nicht unbedingt begeistert. Vielleicht wurde er ja auch so ein Kandidat, dem man die Finger in die Mundwinkel stecken musste, um ihm Mal ein Lächeln zu entlocken. Aber gut, wenn sie ihn eh irgendwann wieder los werden würden (bestenfalls, sobald der nächste Hafen erreicht war) musste sie sich ja nicht genauer mit ihm befassen. „Meinst du nicht, auch daran würde man sich zwangsläufig gewöhnen?“

„Nicht, wenn’s derselbe Witz zum was-weiß-ich-wievielten Mal ist.“ Er seufzte leise. „Hab’ aufgehört mitzuzählen.“ Um die Bemerkungen zum Zustand seines linken Auges abzuzählen, bräuchte er wohl mehr als doppelt so viele Hände. Mittlerweile hörte er die meisten davon gar nicht mehr, zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Ein harmloses Grummeln entlockte es ihm meistens doch noch. Ob eine Augenklappe das Problem lösen würde oder noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, war fraglich. Angesichts der aktuellen Umstände wär’s thematisch eigentlich ganz passend, auch wenn er sich hier an Bord immer noch mehr wie ein Gast fühlte, dem man nicht über den Weg traute. „Vermutlich. Irgendwie kann man sich an alles gewöhnen. Sogar an die Gaffer und dauernden Bemerkungen. Tauschen würd’ ich trotzdem nicht wollen, hätt’ ich die Wahl.“

Gespielt entrüstet legte sich Shanaya die Hand des gesunden Armes auf die Brust und gab ein beinahe entsetztes Geräusch von sich. „Du kennst mich nicht, ich verzeihe dir also großherzig, dass du mich so mit dem gemeinen Volk über einen Kamm scherst.“ Ein amüsiertes Schmunzeln untermalte die Worte der jungen Frau, die die Hand nun wieder an die Reling sinken ließ. Gut, nachvollziehbar, dass er genug davon hatte, darauf angesprochen zu werden. Aber hey, sie war ja nicht in seiner Situation. „Siehst du, alles eine Sache der Einstellung.“ Damit schlug sie mit der Hand einmal auf die Reling. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich muss irgendetwas tun, um wach zu werden.“ Es war, und würde, vielleicht nicht sein Schiff und seine Crew werden, sie ließ es ihm also offen, ob er sich anschloss oder eben nicht.

Dieser kurze Moment, wenn man in einer fremden Umgebung aufwacht und kurz nicht weiß, wo man ist. Jón blinzelte nochmal. Er war auf der Sphinx. Und bei Rúnar. Mit einem zufriedenen Lächeln drehte er sich auf die Seite um weiterzuschlafen, aber nachdem er eine gefühlte halbe Ewigkeit später noch immer nicht wieder eingeschlafen war, stand er auf. Er stieg leichtfüßig aus seiner Hängematte um niemand anderen zu wecken und kletterte hoch aufs Deck. Als er zwei andere Leute oben stehen sah, fragte er sich, ob es doch nicht mehr so früh war und alle anderen nur einfach unglaublich fertig von gestern waren, oder ob die beiden einfach auch nicht mehr schlafen konnten. Vermutlich hatte er selbst auch nochmal kurz geschlafen, weil er niemanden aufstehen gehört hatte. Er nahm ein paar Gesprächsfetzen wahr, als er auf die zwei zuging. Den einen erkannte er ziemlich schnell. Peregryn. Die junge Frau erkannte er nicht wieder. Er lächelte, als er neben den beiden stehen blieb. "So fröhliche Gesprächsthemen am frühen Morgen." Er nickte der Fremden zu, noch immer lächelnd. "Ich bin Jón Haukur. Was tun wir denn, um wach zu werden?"

Er musste zugeben, dass sie irgendwie Humor hatte, mehr als er von der üblichen Kneipengesellschaft gewohnt war, auch wenn er sich zusammenreißen musste, um tatsächlich drüber zu lachen. Wie auch immer. Er hatte ja gesehen, was passierte, wenn man den Damen hier an Bord zu nahe kam, wenn auch auf andere Weise. Seine Schultern zuckten als Antwort auf ihre Ansage. Gerade als er ihr noch etwas verbal ergänzen wollte, schnitt eine dritte Stimme dazwischen, eine, die etwas ungewöhnliches bekanntes hatte, und nach einem kurzen Blick zur Seite lüftete sich auch dieses Rätsel. Per nickte in Jóns Richtung, überrascht den Mann mit den dunklen Haaren zu sehen und gleichzeitig auch wieder nicht, wenn er sich an gestern erinnerte. Zumindest ein bekanntes Gesicht unter einem Haufen unbekannter. Eine Erleichterung, wenn auch klein. Sein Blick wanderte zurück zu… wie hieß sie eigentlich? „Ne Runde im kalten Wasser macht dich bestimmt wach.“, schlug er lachend vor.

Sie bekam keine wirkliche Antwort und bevor der Fremde noch etwas erwidern konnte, trat ein neues, unbekanntes Gesicht zu ihnen. Die junge Frau hob leicht eine Augenbraue, musterte den Schwarzhaarigen, den sie überhaupt nicht zuordnen konnte. Ihr Blick festigte sich, einige Herzschläge betrachtete sie den Fremden genau. Irgendwo, ganz tief in ihrem Gedächtnis, glaubte sie, sein Gesicht gestern hier gesehen zu haben. Eine vage Erinnerung. Seine Frage wurde von dem Mann fast beantwortet, der zuerst zu ihr gekommen war. Nun legt sich ein wissendes Lächeln auf die Lippen der Schwarzhaarigen, die von der Reling weg getreten war. „Eine lahme Ausrede, um mich dazu zu bringen, meine Bluse auszuziehen.“ Zumal sie das nicht einmal brauchte, weißer Stoff und Wasser ergab ja fast das Gleiche.

Jón lächelte weiter, als hätte er den zweifelnden Blick der Frau nicht bemerkt. "Bevor sich irgendwer vor mir auszieht wüsste ich zumindest gerne dessen Namen." Er sah sie erwartungsvoll an. Wegen des Namens, nicht wegen des Ausziehens. Er war nicht darauf aus, dass sich irgendwer vor ihm auszog.

In gänzlich unschuldiger Manier hob Per beide Hände. „Die Idee kam aus deinem Mund, nicht meinem. Aber jetzt wo du’s sagst…“ Er lachte noch ein bisschen mehr, bevor seine Mundwinkel wieder eine neutralere Position einnahmen. Er ließ den Blick kurzzeitig zwischen den beiden anderen hin und her wandern.

Shanaya hatte sich unter anderem dazu entschieden, Piratin zu werden, um nicht den ganzen Tag von Frauen umgeben zu sein. Und jetzt… jetzt war sie von einem Haufen ‚Männer‘ umgeben, die lieber ihren Namen erfuhren als sie nackt zu sehen. Nicht, dass sie diese Tatsache groß störte. Aber es entlockte ihr doch ein Seufzen. Wenigstens der Zweite schien seinem Geschlecht etwas mehr zu entsprechen. „Du brauchst also nicht meinen Namen wissen, bevor ich mich ausziehe?“ Ein vielsagender Blick galt dem Schwarzhaarigen, ehe sie den gesunden Arm in die Höhe und den Rücken durch streckte. „Mein Name ist Shanaya.“ Sie ließ den Arm wieder sinken, trat einen Schritt aufs Deck und ließ den Blick schweifen. „Aber ich habe mehr an etwas körperliche Arbeit gedacht.“

"Shanaya," wiederholte Jón, der Höflichkeit halber, noch immer am Lächeln. "Was genau schwebt dir denn vor? Für den üblichen Ablauf müssten wir wahrscheinlich erstmal den Rest aus den Hängematten schmeißen, nehme ich an, aber damit würde ich mich ungern direkt unbeliebt machen."

Kopfschüttelnd blickte Per zwischen den beiden hin und her, beobachtete den kurzen aber deswegen nicht minder amüsanten Schlagabtausch, frei nach dem Motto Wer nichts sagt, hört mehr. Shanayas Namen hätte er wahrscheinlich früher oder später erfahren, aber Jón ersparte ihm die Frage danach. „Schwimmen ist dir nicht genug körperliche Arbeit? Besonders zähes Stück, hm. Oder traust du dich nicht, die Bluse auszuziehen?“ Ein kurzer Seitenblick zu Jón. „Deinen Namen wissen wir ja jetzt immerhin.“

Der helle Blick der jungen Frau huschte zwischen den beiden Männern hin und her, während sie ihren Antworten lauschte. Shanaya lachte leise, schüttelte leicht den Kopf und zog dann die Schnüre ihrer Corsage auf, setzte dann zu einer Antwort an. „Es gibt auf einem Schiff auch genug Arbeiten, die man allein erledigen kann. Oder… eben zu dritt.“ Mit geübten Fingern zog sie die letzten Schnüre, sodass sie die Corsage mit der Hand des gesunden Armes von ihrem Körper zog, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. „Mit einem gesunden Arm meine Runden durchs Wasser ziehen könnte für den zweiten Arm vielleicht nicht ganz so von Vorteil sein. Und ich hatte mehr an etwas von Nutzen gedacht, wie… den ganzen Rost von gestern zu entfernen zum Beispiel.“ Motivation schwang in ihrer Stimme mit. Gerade, nachdem sie nicht ganz einsatzfähig war, wollte sie nun umso mehr tun. „Und wenn ihr euch daran beteiligen wollt, sollte ich die Bluse definitiv noch an lassen. Sonst ist mindestens einer von euch zu abgelenkt.“ Dass sie keinerlei Angst davor hatte, ihren nackten Körper zu zeigen, würden sie wohl noch früh genug erfahren, immerhin war der nächste Hafen ein ganzes Stück weit entfernt.

Oh, Herrengötter, sie sollte ihre Bluse einfach allgemein anbehalten. Zum einen sah Sahanya nun nicht besonders alt aus -- wobei Jón allerdings die Sitten von wo sie herkam nicht kannte und wusste, dass Andalónia mit seinem heiratsfähigen Durchschnittsalter eher eine kulturelle Ausnahme bildete. Zum anderen hatte er in nächster Zeit erstmal genug von irgendwelchen Frauengeschichten. "Das mit dem Rost war ernst gemeint, oder?" Er war sich sicher, dass sie es ernst gemeint hatte, denn wenn er eines davon gelernt hatte, mit Rúnar aufzuwachsen, dann war es das Erkennen von Sarkasmus wo dieser nur minimal übermittelt wurde. Er stellte die Ernsthaftigkeit von Shanayas Aussage nur in Frage, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass jemand so viel Lust darauf haben konnte, diese Art von Arbeit zu erledigen. Jón sah sich um. Selbst in der diffusen Morgendämmerung sah man deutlich den Rost auf den Oberflächen kleben -- an manchen stellen nur eine sanfte Farbveränderung, an anderen geradezu Wucherungen, wie splittrige Pilze. Ein Phantom-Kratzen kroch seinen Rachen hinauf, bei dem bloßen Gedanken an gestern. Er rieb sich mit der Hand über den Hals, zuckte dann die Schultern. "Was soll's, irgendwer muss es ja machen. Irgendwelche Utensilien, die ich mir dabei zur Unterstützung holen könnte. Wenn ja, wo?"

Per hätte ihr nicht zugetraut, dass sie sich überhaupt darauf einließ, aber am Ende war es auch nicht viel mehr als das. Ein Teaser sozusagen. Er zuckte mit den Schultern und stieß ein halbherziges Schmunzeln aus. Dass sie Humor hatte, hatte sie ja bereits bewiesen. „Zumindest einer? Danke für Nichts.“ Dass sie gewissermaßen Recht behalten sollte, rieb er ihr nicht unter die Nase. Jón lenkte die Aufmerksamkeit schließlich zurück auf das Wesentliche, den Rost. Worum Shanaya sie wohl eigentlich gebeten hatte. Oder beten wollte. „Wenn’s hier sowieso schon nichts besseres zu sehen gibt, kann ich auch gleich Rost klopfen. Also?“

Shanaya war sich noch nicht ganz sicher, wie sie die geplanten Arbeiten mit nur einem gesunden Arm ausführen sollte – und ob ihr nicht ein Mitglied der Crew sofort alles dafür wegnehmen würde, sobald man sie bei der Arbeit erwischte. Auf die Worte des einen Mannes hin lachte sie amüsiert auf. „Das Leben als Mann ist schon schwierig, hm?“ Einen Moment noch ruhten die blauen Augen auf Jón, ehe sie sich dem zweiten Gesellen zu wandte. „Wäre das ein Scherz gewesen, wäre das ein verdammt schlechter.“ Sie grinste dem Dunkelhaarigen zu, streckte dann kurz ihren Rücken durch, ohne dabei die verletzte Schulter stark zu belasten und ließ den Blick bei den Worten der Männer schweifen. Sie konnte nicht aus ihrer Haut, traute den beiden keinen Steinwurf weit. „Wartet hier, ich gehe unter Deck und suche dafür alles zusammen.“ Ohne noch auf eine Reaktion zu warten, wandte die Schwarzhaarige sich um, machte sich in ruhigem Tempo auf den Weg unter Deck.

Jón wartete bis Shanaya weit genug von ihnen entfernt war, grinste, und boxte Per dann leicht in gegen den Arm. "Mach dich nicht gleich unbeliebt mit deiner Flirterei."

Per reagierte kaum auf den leichten Schlag, erwiderte bloß das Grinsen, auch wenn seines deutlich seichter ausfiel. "Die hat sich doch sowieso längst 'ne Meinung gemacht. Gestern wollte sie mich noch an die Vögel verfüttern." Sein Blick scannte kurzzeitig das Deck, aber Shanaya schien sich Zeit zu lassen, vielleicht bewusst. "Aber deine Scherze waren auch schon mal besser. Nervös?"

Er hätte fast gesagt, dass er hoffte, dass die anderen etwas umgänglicher wären, aber nachdem er bewusst gegangen war, um ziellos durch die Gegend zu reisen -- und dazu gehörte nun mal, unterschiedliche Menschen kennenzulernen, sagte er: "Scheinen zumindest angenehmer zu sein, als die Handelsleute." Er hatte begonnen mit den Fersen auf und ab zu wippen, was nicht immer hieß, dass er nervös war, aber es half nicht dem Eindruck, den er übermittelte. Dass Per ihn auch so durchschaute -- das passierte selten. "Nervös nicht, eigentlich. Bisschen durch den Wind, nachdem ganzen Dreck der gestern passiert ist. Und -- weiß nicht, ob du das mitbekommen hast -- aber der dünne, blonde Kerl ist mein Cousin. Hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass ich ihn irgendwo mitten auf hoher See wieder sehe." Geschweige denn irgendwann in nächster Zeit.

Reine Spekulation. Er war sich gar nicht sicher gewesen, ob Jón wirklich nervös war. Dafür kannte er den dunkelhaarigen Mann trotz ihrer gemeinsamen, wenn auch kurzen Zeit am Handelsschiff zu wenig. Und doch hatte er einen anderen Eindruck von ihm gewonnen als er jetzt vor sich sah. Per lächelte. „Jeder Pirat ist mir tausendmal lieber als ein Vasario.“ Und soweit er es bisher beurteilen konnte, lief durch die Venen der Besatzung dieses Schiffes nicht zwingend nur böses Blut. Vielleicht auch nur, weil er sich, seit man ihn an Bord gezogen hatte, ein paar Mal zu oft auf die eigene Zunge gebissen hatte. „Aber lassen wir das.“ Kaum hatte er seinen Satz beendet, ließ Jòn gleich die nächste Bombe platzen. Sprach von einem blonden, dünnen Jungen und davon, dass der wohl dessen Cousin. Pers Stirn legte sich in sichtbare Falten. Blonder, dünner Kerl. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Oh. "Das klingt fast schon nach einem schlechten Witz. Ich glaube... dann habe ich seine Bekanntschaft wohl als allererstes gemacht." Doch, die Beschreibung passte, auch wenn er nicht mehr wirklich dazu gekommen war, noch weitere Worte mit dem Jungen, der mehr oder weniger sein Retter war, auszutauschen.

Jón riss die Augen auf. "In jedem Fall besser als ein Vasario!" Und Rúnar kannte diese Leute. In ihrem flüchtigen Gespräch -- das einzige, wofür sie bisher die Zeit und den Nerv gehabt hatten -- hatte es sich so angehört, als sei Rúnar schon eine Weile mit dieser Crew unterwegs und konnte absegnen, dass sie im schlimmsten Fall etwas anstrengend und im besten Fall seine Freunde waren. Jón schnaubte ein Lachen. "Meine Witze werden wohl immer schlechter." Er lächelte aber noch immer, als er hinzufügte: "Dann hast du jedenfalls direkt gute Bekanntschaft gemacht."

Da sie so oder so geplant hatte, allein zu arbeiten, nahm Shanaya sich wenigstens diesen kurzen Moment, in dem sie ein paar Bürsten organisieren würde. Den Weg unter Deck hatte sie schnell hinter sich gebracht, genauso wie in ihrer Hand schnell ein Eimer ruhte. Ein paar Bürsten jeglicher Art fand sie im Frachtraum, womit sich die Schwarzhaarige wieder auf den Weg zurück machte. Wenn sie schon nicht ihren Platz am Steuer beziehen durfte, wollte sie wenigstens dafür sorgen, dass die Sphinx (die gerade frisch aufgerüstet worden war) wieder in ihrem gewohnten Licht erstrahlte. Auf dem Weg zurück machte die junge Frau noch kurz Halt an ihrer Truhe, kramte ein paar Stücke Trockenfleisch heraus, die in ihrer Hosentasche verschwanden. Kurz danach betrat sie wieder das Deck, steuerte mit gut gelaunten, tänzelnden Schritten auf die beiden Männer zu. Ihr leises Summen verstummte erst, als sie den Eimer vor den Beiden abstellte, in ihre Tasche griff und eines der Fleischstücke in ihrem Mund verschwand, ungeachtet dessen, worüber die Beiden gesprochen hatten. Dann bückte sie sich, griff nach einer der Bürsten. „Ich hoffe, ihr seid keine Mädchen, die Angst haben, sich die Finger schmutzig zu machen.“ Mit einem vollkommen amüsierten Ausdruck in den blauen Augen betrachtete sie abwechselnd die beiden Männer. „Nicht, dass wir euch doch zurück lassen müssen, weil ihr nichts taugt.“ Eine deutliche Herausforderung schwang in ihrer Stimme mit, die ihrer guten Laune jedoch keinen Abbruch tat. Shanaya überlegte, einem der beiden die Bürste zu zuwerfen, besann sich jedoch aus Gründen eines Besseren.

Angst, pff. "Das können wir ja ganz gut dir überlassen." Mit seinem Blick folgte er der Bewegung ihrer Hand von ihrer Tasche zu ihren Lippen. Schüttelte den Kopf. Streckte den Arm nach einer der Bürsten aus. "Gib schon her. Oder willst du's doch lieber selbst machen?"

Jón musste lächeln, als Shanaya ernsthaft fröhlich wieder mit den erfragten Utensilien zurück kam. Ihm verging das Lächeln zunächst als sie weiter stichelte -- dann setzte er selbst eines auf, das etwas zynisch war, aber hauptsächlich durchscheinen ließ, dass er ihr nicht die gute Laune verderben wollte. Er nahm den Eimer und eine der Bürsten. "Ich hatte meinen Arm schon bis zur Schulter im Darm eines Pferdes und habe dessen Scheiße da rausgekratzt, also mach dir keine Gedanken."

Die junge Frau warf Peregryne einen vielsagenden Blick zu. „Das Mädchen sein? Ich fürchte, da muss ich dich enttäuschen. Ich hab‘ vermutlich mehr Eier in der Hose als die meisten ‚Männer‘ auf diesem Schiff.“ Sie betonte dieses eine Wort bewusst, immerhin war der Großteil für sie nicht sonderlich männlich. Auf Jons Worte hin ward sie dem Mann einen prüfenden Blick zu, zuckte leicht mit den Schultern. „Große Reden schwingen kann jeder.“ Peregrynes Aufforderung kommentierte sie dann mit einem vielsagenden Blick. „Da steht ein ganzer Eimer voll mit Bürsten. Bedien dich.“ Mit einem charmanten Zwinkern klatschte sie mit ihrer freien Hand gegen die des Mannes, bereute diese abrupte Bewegung dank ihrer verletzten Schulter und drehte dann die Hand mit der Bürste etwas hin und her. Eine ruhige Bewegung, ehe sie ein weiteres Stück Fleisch im Mund hatte und sich der Reling zu wandte, um sie abzusuchen, wo sie sie von Ungewolltem befreien konnte. „Und lasst unser schönes Schiff heile, es wurde gerade erst alles repariert!“

"Ich meinte eher das mit der Angst. Das andere halte ich durchaus für möglich. Außer vielleicht der Kerl mit der Eidechse auf der Schulter." Den hatte er direkt nach seiner Rettung immerhin live in Action erlebt... und sich direkt geschworen, dass er mit dem keinen unnötigen Stress anzetteln wollte und würde. Nicht zuletzt, weil er keine Lust hatte, dass ihm dessen Echse – oder was auch immer das Vieh letztlich war – sein letztes Auge auskratzte. "Zu gütig.", scherzte er, machte einen Schritt nach vor, um sich nach dem Eimer zu bücken und eine der Bürsten daraus zu entnehmen. Sah sich um, um zu entscheiden, wo er anfangen wollte und drehte sich dann noch einmal zu Shanaya um. "Dafür, dass du 'nen verletzten Arm hast, bist du aber noch ganz schön... zäh. Dich kriegt wohl nichts so schnell klein, was?" Sein Blick wanderte zu Jòn. "Dann wohl an die Arbeit."

Jón nickte Per zu und schritt zum nächstgelegenen Mast, um sich um die Metallteile zu kümmern, durch die die Takelage lief. Er hatte einige Dinge, die er Shanaya entgegenwerfen konnte. Von ihm aus konnten sie sich den ganzen Tag lang ansticheln -- aber er entschied sich, es bleiben zu lassen. Irgendetwas schien bei ihr im Argen zu sein, sodass sie irgendeinen fehlenden Stolz, irgendeinen fehlenden Selbstwert genau damit zu kompensieren schien, dessen sie Jón beschuldigt hatte: Große Reden schwingen kann jeder.

Shanaya fuhr mit den Fingern über das Holz, folgte ihren Fingern dabei kurz mit dem Blick. Dieses Schiff war ihr zu Hause und ihr war nicht sonderlich danach, wieder drei Wochen darauf zu warten, dass sie seetauglich war. Bei Peregrynes Worten wurde ihr Lächeln einen Moment etwas wärmer, der Blick, den sie dem Mann zu warf, hatte dann etwas schelmisches an sich. „Das erkennst du ganz richtig. Dafür braucht es schon deutlich mehr.“ Jón machte sich derweil an einen Mast, suchte nach etwas, woran er arbeiten konnte. Shanaya gluckste leise, amüsiert, tat dann so, als würde sie Peregryne etwas zu flüstern – sprach jedoch in normaler Lautstärke. „Habe ich deinen Freund jetzt verletzt oder wieso schweigt er plötzlich?“

Hatte er sich innerhalb der letzten Minuten zu einer Art Mittelsmann machen lassen, wo sonst er derjenige war, der sich gefühlt jedes Detail aus der Nase ziehen ließ? Per unterdrückte ein Seufzen, sah Jón zu, wie er sich daran machte, die ersten Metallstreben von Rost zu befreien, aber gerade als er selbst Hand anlegen wollte, mischte sich erneut Shanayas Stimme in sein Ohr. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe zu flüstern, wieso sollte er also? "Wieso fragst du ihn nicht selbst?" Mit diesen Worten drehte er sich wieder um, setzte die Bürste an und begann zu schrubben.

Jón hörte das Gespräch der beiden mit, aber beschäftigte sich weiter mit seiner Arbeit.

Shanaya schrubbte mit der Bürste über die Reling, auch wenn dort kein Rost entstanden war, hatte sich doch ein Beleg darauf geschlichen. Die Worte des Mannes ließen sie, von den Beiden abgewandt, lautlos seufzen. Ohje. Welche von dieser Sorte. Einige Herzschläge später wandte die Schwarzhaarige sich um, auf ihrem Gesicht lag nun ein ernsthaft erschrockener Ausdruck. Sie legte sich die Hand auf die Brust, warf beiden Männern bestürzte Blicke zu. „Ich… habe euch doch jetzt nicht verletzt?“ Sie konnten ihr doch nicht böse sein! Also ließ sie ihre Stimme noch etwas zittern.

Er war sich nicht hundertprozentig sicher, ob das ein abgekartetes Spiel von ihrer Seite war oder ob sie ausnahmsweise mit offenen Karten spielte. Warf einen kurzen Blick über die Schulter, schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger auf sein eines, funktionierendes Auge. "Es braucht ein bisschen mehr als nur Worte dafür."

"Da stimme ich zu," sagte Jón und er lachte kurz leise auf, als er sich umdrehte und sah, wie Per auf sein Auge zeigte. Außerdem bekam er das Gefühl, dass Per dasselbe durch den Kopf ging wie ihm selbst. Was für ein Spiel trieb diese Frau? Und wenn es keines war, was steckte hinter ihrem sprunghaften Gemüt?

Ob sie ihr nun glaubten oder nicht – es war der jungen Frau egal. Der Plan, ein wenig Verwirrung zu stiften, schien jedoch zu funktionieren. Ihr Blick wurde noch ein wenig leidender, als hätte sie nun wirklich ein schlechtes Gewissen. Als wäre SIE für die Narbe des Einäugigen verantwortlich! „Tut mir wirklich Leid, wenn es trotzdem so war...“ Sie spielte beinahe ein wenig nervös am Saum ihrer Bluse herum. „Manchmal übertreibe ich es wirklich… und merke es nicht einmal.“ Die junge Frau blickte traurig drein, wusste innerlich jedoch nicht ob sie lachen oder sich übergeben sollte.

Der Blick, den er Jón zuwarf, war eindeutig. Was zum Teufel sollte das hier gerade? Eine gewisse Sprunghaftigkeit hatte er bei Shanaya bereits kennengelernt, aber das hier fühlte sich mehr nach einer vollen 180-Grad-Wendung an. Wie ein dummes Spiel, bei dem nur einer seinen Spaß haben konnte. Oder eben eine. "Ich blick's nicht durch.", wandte er sich an Jón, im vollen Bewusstsein darüber, dass Shanaya ihn vermutlich auch hören konnte. Lachte dann auf, weil die Situation ihm so absurd schien. "Hast du 'ne Idee, was das plötzlich soll?"

Jón kam es so vor, als ob die Situation immer prekärer wurde. Was auch immer hinter Shanayas Verhalten steckte, es gab ihm ein ungutes Gefühl. Im Bruchteil einer Sekunde, sodass er es bewusst gar nicht wahrnahm, strömten seine Gedanken in die unterschiedlichsten Richtungen, in die er sich begeben könnte, wenn er sich auf Pers Zurücksticheln einließ. Alle davon hatten einen unangenehmen Ausgang. Was er aber, vor allem, selbst zu oft und zu schmerzhaft am eigenen Leib hatte erfahren dürfen: Solche Dinge fütterten die Monster die in einem wohnten. Er wollte Per ungern den Spaß verderben und gab ihm das friedlichste Lächeln, das er ihm geben konnte, aber sagte: "Lassen wir es besser gut sein, Per." Wandte sich an Shanaya, sein friedliches Lächeln nun ein neutraler Ausdruck. "Alles in Ordnung."

Herrje. Außer ein paar verwirrter Blicke kam erst einmal nichts. Die beiden Männer schienen etwas überfordert mit ihrem Verhalten zu sein. Sie sprangen nicht darauf an – als ob sie genau wussten, dass sie die Beiden gerade an der Nase herum führte. Die Schwarzhaarige schnaufte irgendwann also einfach nur, zuckte ergeben mit der gesunden Schulter. „Ihr seid ganz schön langweilig zusammen. Ich hoffe, alleine mit euch ist es spannender.“ Sie warf die Bürste in ihrer Hand in die Luft, fing sie wieder auf und richtete sich der Reling zu, schrubbte nun wieder leise summend und gut gelaunt darüber. „Ihr könntet ja wenigstens so tun, als ob ihr mit spielt.“