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Free Hearts and Minds - Shanaya Árashi - 13.03.2021 Free Hearts and Minds
Mittag des 01. Juni 1822 Alex Mason & Shanaya Árashi Immer wieder schoben sich Wolken vor die Sonne, die sonst erbarmungslos auf sie hinab brannte. Shanaya hatte nichts gegen die Wärme, sie hatte sich nur einfach noch nicht daran gewöhnt. Und… dort, wo sie auf dem Weg hin war, war die Luft nicht viel besser. Ein leises Schnaufen folgte, als die Schwarzhaarige um die Ecke bog, die Werft fest im Blick. Heute war der Korb deutlich schwerer, diesmal war es nicht nur Essen für sie und Lucien… nach dem gestrigen Tag hatte sie beschlossen, jedem, der zur Crew gehörte, etwas mitzubringen. Nach den letzten Wochen, in denen sie nicht viel hatte beitragen können, kam ihr das ganz Recht. Sie konnte endlich Mal wieder etwas kochen und sich darin verausgaben und es kam dem Schiff zu Gute. Mit einem leisen, gut gelaunten Summen betrat die junge Frau also die Werft, ließ den Blick kurz schweifen. Sie blinzelte, gewöhnte sich an das dämmerige Licht und die stehende Luft, ehe sie den kleinen Tisch ansteuerte, der von gestern noch im Raum stand. Die blauen Augen betrachteten die Sphinx, die Männer, die daran arbeiteten und suchten dabei nach bekannten Gesichtern. Sie selbst griff nach einer Möhre aus dem Korb, zog sich rücklings auf den Tisch und ließ die Beine vor und zurück schwenken. „Das Essen ist da.“ Immerhin ging die Arbeit voran, was nicht zuletzt an den vielen Händen lag, die sich innerhalb der Crew gefunden hatten. Gar nicht mal so dumm, so den Preis etwas zu drücken und dem Besitzer der Werft schien es zudem nur gelegen zu kommen, mehrere Männer für die anderen Arbeiten übrig zu haben. Alex kümmerte sich nicht groß um die Organisation. Er arbeitete, wo man ihn einsetzte und das Wissen, dass das Schiff unter seinen Händen sogesehen zu seinem Freund gehörte, ließ ihm das Ganze leichter von der Hand gehen. Als der Mittag näher gerückt war, waren die anderen zur Pause aufgebrochen. Alex arbeitete meist durch, seit Liam aufgetaucht war, um die Abende anderweitig zu verbringen. Als Schritte durch die große Halle hallten, kümmerte er sich erst einmal nicht darum. Erst, als sich eine Stimme dazu mischte, die auf Antwort wartete, kletterte er von Deck, um nachzusehen. „Sieh an, das Freudenhausmädchen.“ Alex wischte sich die Finger an einem Lupen sauber, den er an seinem Werkzeuggürtel hängen hatte. „Deine Freunde sind vorhin aufgebrochen, um Pause zu machen.“ Inzwischen wusste er, dass sie zu Liams Crew gehörte. Er hatte sie das ein oder andere Mal gesehen, als sie sich vor dem Bordell getroffen hatten. „Das mit dem Flüchten scheint inzwischen ja besser zu klappen.“ Seine Art, festzustellen, dass sie wieder flotter auf den Beinen war. Einige der Arbeiter drehten sich kurz zu der jungen Frau um, musterten sie skeptisch und wogen wohl ab, ob sie auch gemeint waren. Die meisten jedenfalls schienen einzusehen, dass dies nicht der Fall war. Aber eine Gestalt entschied sich doch, zu ihr herüber zu kommen. Shanaya wartete geduldig, begrüßte den Dunkelhaarigen mit einem amüsierten Grinsen. Freudenhausmädchen. Gespielt beleidigt verzog die junge Frau die Lippen, erwiderte darauf jedoch nichts, sondern biss noch einmal von der Möhre ab. Was er dann jedoch sagte, ließ die Schwarzhaarige leise seufzen. „Ich sollte jetzt beleidigt sein, aber dann bleibt eben mehr für die, die da sind.“ Ihr Blick huschte an Alex vorbei, dann zuckte sie mit den Schultern. „Also für mich. Und wenn du was willst…“ Mit einer ruhigen Geste deutete sie auf den Korb. Sollte er sich ruhig bedienen. „Zum Glück, ja. Ich war kurz davor, noch wahnsinniger zu werden, als ich eh schon bin...“ Sie lachte und biss noch ein Stück von der Möhre ab. Er hatte seine Ansprache nicht einmal beleidigend gemeint - aber wohlwissend in Kauf genommen, dass sie so verstanden werden konnte. Die Dunkelhaarige zeigte sich aber wie erwartet eher amüsiert als beleidigt. Alex befestigte den Lumpen wieder an seinem Gürtel, während er langsam nähertrat und den Korb durchaus interessiert musterte. Seine Lippen verzogen sich zu einem kurzen Schmunzeln bei ihrem Angebot, seine Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen. Freundlichkeit machte ihn in dieser Welt immer ein wenig skeptisch. „Vergiftet?“, fragte er frei heraus, ließ es sich aber nicht nehmen, einen genaueren Blick hineinzuwerfen und sich schließlich fast schon bescheiden ein Stück Gurke herauszuziehen. „Passiert dir öfter, sowas? Oder woher rührt der restliche Wahnsinn?“ Aus dunklen Augen heraus musterte er die junge Frau und biss ein Stück von der Gurke ab. Die Frage des Mannes ließ Shanaya leicht eine Augenbraue heben, ihr Grinsen noch ein wenig breiter werden. „Jap. Ich will jedes Mitglied meiner Crew ausrotten, weil ich dieses Schiff sicher allein segeln kann.“ Sie zuckte kurz mit den Schulter, als der Lockenkopf sich ein Stück Gurke aus dem Korb heraus zog. „So schlimm zum Glück nicht… Und der Wahnsinn gehört einfach zu mir. Daher auch die hellen Augen.“ Mit dem Zeigefinger der linken Hand deutete sie auf die besagten Augen. „Als Frau in einer so von Männern dominierten Welt dreht man einfach irgendwann durch.“ Und das war eine harmlose Ausführung. Aber einen gewissen Wahnsinn sprach sie sich einfach zu. Vieles, was sie in ihrem Leben erlebt hatte, wäre sonst nicht auszuhalten gewesen. „Und du arbeitest hier? Oder wieso arbeitest du mit an der Sphinx?“ Alex zuckte beiläufig mit der Schulter. „Wäre nicht die erste Leiche hier im letzten Monat.“, bemerkte er. Sie hatte mit Sicherheit von der ganzen Aktion gehört. Vielleicht auch ein Grund, weshalb die Crew es kaum erwarten konnte, wieder in See zu stechen, bevor noch mehr solcher Zufälle passierten. Ihre Entgegnung entlockte ihm ein kurzes Lachen. „Mancherorts wird sowas als eindeutiges Zeichen der Hexerei gesehen. Je nachdem, wie du also zu Scheiterhaufen stehst, wäre ich mit solchen Aussagen vorsichtig.“ Nicht, dass ihn das kümmerte, aber der gewöhnliche Pöbel erzitterte womöglich in Angst. Wie ernst er seine Warnung allerdings meinte, war dem Grinsen auf seinen Zügen anzusehen. „Aber ich versteh' schon. Die arme, unterdrückte Frauenwelt. Dürfen sich die Hände nicht schmutzig machen und werden reich verheiratet. Mein Beileid.“ Die Theatralik in seiner Stimme war deutlich sarkastisch. „Jep. Sozusagen.“ Sein Blick glitt kurz über das Schiff im Trockendock, ehe er sich wieder seiner Gesprächspartnerin zuwandte. „Eine Zeit lang jedenfalls noch.“ Shanaya gab einen zustimmenden Laut von sich. Damit hatte er wohl oder übel Recht, auch wenn sie sich nicht sonderlich um die Geschichte der Leiche geschert hatte. Für sie war nur wichtig, dass die Sphinx so schnell wie möglich fertig wurde. „Immerhin habe ich keine roten Haare. Vielleicht kann man sie damit überzeugen, dass ich keine Hexe bin.“ Der Gedanke, dass irgendwelche Leute reißaus vor ihr nahmen, weil sie glaubten, sie komme direkt aus der Hölle, war dennoch ziemlich amüsant. Bei der Antwort auf ihre Frage überlegte die junge Frau kurz, ehe sie weiter sprach. „Du bist also mehr auf der Durchreise? Wohin soll es gehen?“ Damit fischte sie einen Spieß aus dem Korb hervor, auf dem etwas gebratenes Fleisch steckte und biss davon ein großes Stück ab. Sie hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Belustigt, aber eher ungläubig schnaubte er und ließ auch den letzten Happen der Gurke in seinem Mund verschwinden. „Wenn sie sich mit solchen Kleinigkeiten aufhalten.“ Meistens reichte eine bloße Vermutung, um aus einem Beschuldigten einen Schuldigen zu machen. Wen interessierten da schon Kleinigkeiten? „Das steht noch nicht fest. Ich hab‘s nur einfach nicht mit Sesshaftigkeit. Ähnlich wie ihr, nehme ich an. Oder warum habt ihr‘s so eilig?“ Als sie den Spieß herausfischte, fixierte er ihn mit den Augen. Vielleicht verbargen sich dort im Korb noch mehr Köstlichkeiten, die er beim ersten, oberflächlichen Blick übersehen hatte. „Wo hast du all das her?“, fragte er, während er sich mehr Zeit nahm, den Inhalt zu inspizieren. Shanaya ging so oder so davon aus, dass sie nicht als Hexe sondern als Piratin gehängt werden würde. Dementsprechend konnte es ihr glücklicherweise egal sein, was sie mit einem leisen Seufzen und einem vielsagenden Blick kundtat. „Naja, wären wir sesshaft, hätten wir uns vermutlich nicht für ein Leben auf einem Schiff entschieden. Und da gehören wir hin… daher kommt also vermutlich dein Gefühl, dass wir es ‚eilig‘ haben.“ Und sie selbst wurde einfach unleidlich, wenn sie zu lang an Land war. Ihr fehlte das Schwanken unter den Füßen, das Knarzen der Planken. Alex‘ Blick auf ihren Spieß entging der jungen Frau nicht, was ihr ein leises Lachen entlockte. „Bedien dich ruhig.“ Sie kaute auf einem weiteren Happen Fleisch herum, bis der Lockenkopf ihr eine Frage stellte. „Gekauft und selbst zubereitet. Ich bin handwerklich… bedingt begabt und das ist mein Teil, den ich dazu beitragen will, dass die Sphinx schnell wieder seetüchtig ist.“ „Ist euer Schiff nicht sowas wie ein Zuhause?“, sprach er offen aus, was ihm durch den Kopf ging und musterte die Dunkelhaarige interessiert. Ein mobiles Zuhause zwar, aber vom Prinzip her das gleiche, wie er fand. „Ihr kümmert euch zu hingebungsvoll darum, als dass es nur ein Mittel zum Zweck ist.“ Alex war der Blick dieses Hünen nicht nur einmal aufgefallen, der fast schon wie eine stumme Drohung in seinem Nacken gehangen hatte. Er störte sich nicht daran, aber manch anderen hatte er bereits dabei beobachtet, sich unauffällig einen anderen Platz zum Arbeiten gesucht zu haben. Die zweite Einladung musste man ihm nicht zweimal aussprechen: Ungeniert wie er war, zog er den Korb näher an sich heran, überfolg die Leckereien, die er verborgen hatte und lauschte der Antwort. Seine Lippen verzogen sich anerkennend ob der Vielfalt und - so viel konnte er zumindest schon sagen - es roch vorzüglich. „Muss ziemlich zermürbend sein für eine Frau, in einem Bordell zu wohnen, hm?“ Wieso sonst sollte man dort die Zeit haben zu kochen? Zugegeben, ihm wäre das mit Sicherheit nicht in den Sinn gekommen. Die Frage des Mannes ließ Shanaya den Kopf nachdenklich zur Seite neigen, während sie auf einem Bisschen Fleisch herum kaute. „Das schon, aber gerade deshalb sind wir ja immer unterwegs und bleiben nie lange an einem Ort.“ Ein kurzes Zögern. „Wenn sie nicht gerade repariert werden muss.“ Was der Dunkelhaarige dann sagte, verlieh Shanayas Grinsen einen vielsagenden, mahnenden und doch amüsierten Ton. „Umso bewusster solltest du dir sein, dass du gut zu ihr sein musst. Sonst nageln wir dich irgendwo fest.“ Nun schlug die junge Frau ein Bein über das Andere, biss das letzte Stück Fleisch von dem Spieß ab und dachte einige Herzschläge lang über eine Antwort nach. Tja… „Wenigstens sind die der Crew, die man als Männer bezeichnen kann, ausgelastet.“ Was sie selbst anging… Lucien hatte sie sich nicht einfach so über die Schulter werfen und in das Gebäude tragen müssen. Gerade deshalb. Eine seiner Augenbrauen wanderte skeptisch in die Höhe. Alex hielt inne, die Hand noch immer im Essenskorb vergraben. Er bezweifelte, dass es nur daran lag. Nach dem, was er von Liam gehört hatte, lag es definitiv nicht nur daran. Er schnaubte belustigt, zog nun seinerseits einen der Spieße heraus und schnupperte daran. Das Zucken seiner Achseln schien zu bedeuten, dass sie tatsächlich nicht allzu schlecht rochen. „Deshalb also und nicht etwa, weil die Marine in der Laune war, die Stadt mit euren Portaits zu verschönern.“ Keine Frage, aber die Ehrlichkeit, ihr nicht vorzuenthalten, dass er es wusste. Dann lachte er. „Oh, glaub mir. Euer schweigender Hüne versteht sich gut darin, einem das nonverbal klarzumachen. Eigenartige Vorliebe für Talismänner.“ Aber das sollte nicht seine Sorge sein - er machte seine Arbeit zu seiner Zufriedenheit. Das sollte diesen Leuten hier auf jeden Fall reichen. „Und der Rest? Hilft dir in der Küche kochen? Strickt Socken für schlechtere Zeiten?“ Alex schmunzelte. Ihre zynische Art gefiel ihm und er konnte sich vorstellen, dass der ein oder andere keine schöne Zeit mit ihr hatte. Wo genau er seinen Freund einordnen musste, wusste er nicht. Liam war niemand, der den Blick auf einen freizügigen Körper scheute. Den wahren Freuden eines Freudenhauses verschloss er sich allerdings. Alex kramte nun seinerseits einen der Spieße hervor, brachte dann ein ‚Argument‘ hervor, dass Shanaya auflachen ließ. „Dann dürften wir zukünftig wohl nirgends mehr vor Anker gehen. Immerhin ist das erst der Anfang. Und wer Angst hat, geschnappt zu werden, hat sich für den falschen Weg entschieden.“ Jemand, der den Schwanz beim Anblick des eigenen Steckbriefs einzog, war nicht für das Leben als Pirat gemacht, so einfach war das. Als der Lockenkopf von einem schweigenden Hünen sprach, überlegte die junge Frau einen Moment, ehe ihre Züge einen sanften Ausdruck annahmen. „Du meinst Greo? Hat er dich eingeschüchtert?“ Herausfordernd musterte sie ihr Gegenüber, griff dann noch einmal in den Korb und zog einen weiteren Spieß hervor, von dem sie auch direkt ein Stück abbiss. „Ersteres lassen sie bewusst, weil ich sie da sonst weg jage. Zweiteres… ist bei manch einem vermutlich wahrscheinlicher.“ Ein leises Seufzen verließ die Lippen Shanayas. „Aber genau die werden auch in nächster Zeit vermutlich nicht gesucht werden.“ Zustimmend wog er den Kopf zur Seite und zog eines der Fleischstücke mit den Fingern vom Stieß, ehe er es sich in den Mund schob. „Du klingst, als wärst du der Herausforderung nicht abgeneigt.“, stellte er nüchtern fest. Als die Dunkelhaarige dem schweigenden Hünen einen Namen gab und ihre Vermutung aussprach, runzelte Alex belustigt die Stirn. „Eingeschüchtert?“, wiederholte er. „Er ist wie meine Großmutter, die mit einem Kochlöffel hinter mir steht und nur darauf wartet, dass ich einen falschen Handgriff mache.“ Trotz des amüsierten Tons in seiner Stimme war zwischen den Zeilen durchaus herauszuhören, dass Alex Respekt vor seiner Großmutter gehabt hatte - oder zumindest vor ihrem stetigen Begleiter Kochlöffel. Der Lockenkopf gluckste belustigt und zog das nächste Stück Fleisch vom Spieß. Eine Einzelgängerin also, soso. „Ich bezweifle, dass sie da irgendwelche Unterschiede machen werden. Mit gefangen, mit gehangen.“ Er zuckte mit der Schulter. Die Marine würde sich mit Sicherheit nicht die Arbeit machen, herauszufinden, wer woran beteiligt war. „Und das werden vermutlich die ersten sein, die den Rest verraten, wenn sie auch nur den Hauch einer Chance haben, ihren eigenen Kopf zu retten.“ Eine reine Vermutung. Immerhin kannte er bislang nur einen geringen Teil der Crew. „Ganz im Gegenteil. Ich suche eher nach jeder neuen Herausforderung.“ Gut gelaunt ließ Shanaya die Beine durch die Luft vor und zurück schwingen, betrachtete den Dunkelhaarigen dabei prüfend. Ob er wohl auch von diesem Schlag war? Oder war er eher der, der den Schwanz einzog und sich auf und davon machte, wenn es brenzlig wurde? Der Vergleich von Greo und einer Großmutter war aber doch… irgendwie passend. „Jaa, das kann man ganz gut vergleichen, das könnte einem bei Greo auch passieren.“ Ihr Grinsen wurde einen Hauch breiter, die Vorstellung wie Greo jemanden mit einem Kochlöffel verprügelte… Die nächsten Worte des Lockenkopfes ließen die junge Frau dann jedoch leise seufzen. „Wo du Recht hast...“ Sie war niemand, der Vertrauen einfach so verschenkte… und selbst bei denen, denen sie näher stand, war das so eine Sache. „Aber gegen ein paar schwarze Schafe kann man leider nicht viel machen… Schmeckt gut, hm?“ Mit den letzten Worten nickte die Schwarzhaarige in die Richtung des Fleisches. „Wenn du öfter hier bist, wenn ich vorbei komme, kannst du dir bestimmt noch mehr davon ergattern.“ Seine Einschätzung des stummen Hutträgers schien also nicht ganz so unbegründet zu sein. Die junge Frau vor ihm hätte ihm aber auch so oder so Dinge vom Pferd erzählen können – Alex verließ sich lieber auf seine eigene Intuition. Aber die Belustigung auf ihren Zügen wirkte ehrlich und erheitert von diesem Bild, welches Alex kurz zuvor noch mit Worten gemalt hatte. Er kaute indes das Stückchen Fleisch und ging die Worte der Dunkelhaarigen im Kopf durch. Im Endeffekt war sich jeder der nächste. Sein Leben einem anderen anzuvertrauen, wies einen eigentlich schon als ‚lebensmüde‘ aus. Was entscheidend war, war der Punkt, an dem aus einer Gruppe ein einzelner wurde. Die einen zogen früh den Schwanz ein, die anderen später. Aber auch das hing meist davon ab, wie viel Nutzen eine Gruppe für den einzelnen brachte. Alex gehörte im Hinblick auf seine Umwelt eher zu den Skeptikern. Er vertraute sich, einer Hand voll anderer und beim Rest versuchte er, das beste für sich herauszuholen. Shanaya riss ihn mit der plötzlichen Frage aus den Gedanken. Der Lockenkopf blinzelte, hörte kurz auf zu kauen und schluckte schließlich. „Hab jedenfalls schon schlimmeres zwischen den Zähnen gehabt.“, hielt er sich mit dem Lob zurück, lächelte aber vielsagend. „Und im Gegensatz zu euch, bin ich derzeit nicht nur hier, wenn’s mir in den Kram passt.“ Bedeutete im Umkehrschluss, der er vermutlich öfter hier sein würde, wenn sie es waren. „Aber in … zwei Wochen sollte euer Schiff denke ich wieder seetauglich sein.“ Shanaya Lächeln wurde bei dem überraschten Blick des Lockenkopfes noch einen Hauch breiter. Wo er wohl mit den Gedanken war? Vielleicht in einer Schwärmerei für ihr, mit so viel Liebe, zubereitetes Fleisch? Möglich, auch wenn er dies mit seinen nächsten Worten zu revidieren versuchte. Shanaya erwiderte seinen vielsagenden Blick nur, neigte kurz den Kopf. „So sollte das auch sein, wenn du dafür bezahlt wirst.“ Immerhin wurden die Mitglieder nicht dafür bezahlt, wenn sie an der Sphinx arbeiteten – auf dem direkten Weg jedenfalls nicht. Aber sie blieb lieber bei dem Handwerk, das ihr wirklich lag. „Glaub mir, ich hoffe es. Ich würde vor versammelter Mannschaft nackt auf Tischen tanzen, wenn es damit schneller voran gehen würde.“ So ganz im Zusammenhang stand das Ganze vielleicht nicht, aber womöglich wurde dem Fremden damit ihr Verzweiflung klar. „Es wird wirklich Zeit, dass wir wieder in See stechen.“ Wohl oder übel hatte sie Recht – Alex allerdings wusste ganz genau, weshalb er damals lieber aufgebrochen war, als fest im Betrieb seines Stiefvaters anzufangen. Ihm wurden Dinge, Umstände und Orte schnell langweilig, besonders wenn sie kaum Abwechslung boten. Natürlich war jedes Schiff anders – die Handgriffe allerdings recht überschaubar. Ähnlich vermutlich, wie die Zeit, die er hier noch verbringen würde. Er brummte dementsprechend nur nichtssagend auf ihre Anmerkung. Als sie fortfuhr, musterte Alex sie einen Augenblick stumm, kaute das letzte Stück Fleisch erstaunlich langsam und schluckte es hinunter, ehe er ihren Vorschlag abwiegend den Kopf zur Seite neigte. „Hm. ‘N bisschen Motivation würde keinem hier schaden. Also nur zu. Vielleicht arbeiten die Herren dann ja wirklich ein bisschen schneller.“ Der ein oder andere Kopf war bei ihrem Angebot vielleicht wirklich aufmerksam in die Höhe geschnellt. Alex verschränkte abwartend die Arme. In seinen Mundwinkeln hatte sich ein gespanntes Schmunzeln eingenistet. Nicht, weil er wirklich erwartete, dass sie ihr überspitztes Angebot in die Tat umsetzen würde, sondern weil er sich auf die Ausrede freute. Auf das kurze Brummen des Mannes hin, das schon genug aussagte, und sein darauf folgendes Schweigen wog Shanaya nur leicht den Kopf etwas zur Seite. Sie glaubte nicht wirklich, dass er über ihre Idee lang nachdenken musste – schließlich war er eben auch nur ein Mann. Und auch, wenn sie nicht behaupten konnte, den Lockenkopf zu kennen… Mann blieb eben Mann. Und so viel auch schließlich seine Antwort aus, die Shanaya mit einem leisen Schnaufen auflachen ließ. „Oder sie wären so abgelenkt von einer nackten Frau, dass sie die Arbeit komplett einstellen würden und… sich anderen Dingen zuwenden würden.“ Der Ton ihrer Stimme machte deutlich, worauf sie hinaus spielte und genau das war nicht besonders unwahrscheinlich. Der abwartende Blick des Mannes ließ ihr Grinsen dann ein wenig breiter werden. „Du wartest drauf, dass ich diesen Plan direkt vollziehe, oder? Oder wägst du nur ab, ob ich den Mumm dazu hätte?“ Ihr Schnauben klang, als hätte sie genau damit gerechnet. Nichts, was Alex groß kümmerte, immerhin waren all die Klischees nicht nur in der Frauenwelt verbreitet. Zudem hatte er auch schon genug in der Welt gesehen, um zu wissen, dass viele Männer eben diese Erwartung erfüllten. Davon abgesehen – niemand von ihnen konnte sich freisprechen, sich gerne mal den schönen Dingen des Lebens hinzugeben. Ob nun nur gedanklich oder auch körperlich. Ihre Vermutung kam also nicht von ungefähr. Alex schnaubte nun seinerseits, als hätte er mit einer Ausflucht gerechnet, die in diese Richtung ging und zuckte schließlich lässig mit der Schulter. „Gibt doch nichts Schöneres, als mit Essensgeruch in der Nase fleißig bis zum Feierabend zu schaffen, bis man dann endlich zum Essen kommt.“ Alex spielte damit nicht auf sexuelle Übergriffe an, sondern tatsächlich auf die Hausfrauen, die zuhause auf ihre Männer warteten. Ihr Grinsen entgegnete er weiterhin ebenfalls schmunzelnd mit einem Funken Herausforderung. „Mumm? Braucht man den?“, blieb er ihr eine eindeutige Antwort schuldig und schmunzelte nur noch breiter. „Ich meine – wenn wir sowieso alle nur sabbernde Hunde sind, die sich über alles freut, was auch nur im Entferntesten an Brüste erinnert?“ Er übersetzte ihre vorherige Aussage absichtlich möglichst plump und negativ. Einen kurzen Herzschlag lang dachte Shanaya über die Worte des Mannes nach, ehe sie leise auflachte. „Sehr schön zweideutig.“ Eines ihrer blauen Augen zwinkerte dem Lockenkopf zu, wog bei seinen nächsten Worten dann den Kopf etwas zur Seite. „Normale Frauen brauchen dafür Mumm, ja. Ich habe genug Selbstbewusstsein, um kein Problem damit zu haben, wenn irgendein gaffender Haufen, und vermutlich auch du, mir auf die nackten Brüste starrt. Ich kann es im Gegenteil sehr gut nachvollziehen.“ Da gab es in dieser Sache nur ein Problem. „Ich muss nur leider niemanden irgendetwas beweisen, es tut mir also furchtbar Leid, aber ich ziehe mich nicht auf Kommando aus.“ Mitfühlend tätschelte sie dem Dunkelhaarigen die Schulter, ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen. „Aber ich bin sicher nicht das letzte Mal hier… und bei der Luft, die hier steht...“ Er lächelte, ehe er ein offensichtlich ironisches „Weiß nicht, wovon du redest.“ erwiderte. Er hatte doch bloß von Essen geredet. Nicht mehr und nicht weniger – was sie hineininterpretierte, war ganz allein ihre Angelegenheit. Interessiert lauschte er ihrer Ausführung und nickte übertrieben verstehend an den passenden Passagen. „Nett, dass du mich aus dem ‚gaffenden Haufen‘ rausnimmst.“, war es ihm nicht entgangen. Allzu viel Wert legte er daraufhin entgegen seiner Bemerkung allerdings nicht. Ihr Selbstbewusstsein war in der Tat bemerkenswert. Manch andere Dame hätte schon längst völlig errötet das Weite gesucht. Mit diesem Individuum hätte er es allerdings auch nicht so weit kommen lassen. Alex mochte ein Mann sein, aber keiner der wirklich widerlich-aufdringlichen Sorte. Musste ja nur nicht jeder direkt wissen, der sich auf solch ein Spielchen einließ. Als sich schlussendlich das Angebot ausschlug, lächelte er passend zu ihrer Geste mit gespielter Enttäuschung (okay, ein bisschen echt war sie schon). „Dir fehlt also doch der Mumm.“ Er zwinkerte, raffte sich einem Seufzen wieder auf und zuckte mit der Schulter. „Na, siehst du. Dann kannst du noch einen edlen Tropfen mitbringen, um dir den Mut anzutrinken und dann klappt das doch noch.“ Er lachte und seiner Stimme konnte man deutlich anhören, dass er die letzte Aussage wirklich mehr scherzhaft gemeint hatte. „Danke jedenfalls für die Verpflegung. Dann mach‘ ich mich jetzt wieder dran, euer Baby wieder fitzukriegen.“ |