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Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Druckversion

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RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Marionettenspieler - 28.08.2022

Die Antwort der jungen Frau ließ den Barden gutmütig lächeln und den Kopf für einen Moment so drehen, dass er die Echse auf seiner Schulter halbwegs ansehen konnte.

Sieh an, du kleiner Glückspilz, eine Familie hast du dir gesucht. Und offenbar eine, der du öfter mal ganz schöne Sorgen bereitest.

Prompt züngelte eine lange, gespaltene Zunge knapp an seiner Nase vorbei, die jedoch nach wie vor auf seine Tasche ausgerichtet war. Beiros gluckste leise, ließ den Verschluss seiner Tasche aufschnappen und hielt fast sofort wieder inne (auch Calwah hob überrascht den Kopf), als zwei weitere Gestalten in den kleinen Innenhof hineinstolperten. Beide ähnlich abgehetzt, wie die junge Frau kurz zuvor, allerdings deutlich schwerer beladen – was das Bild von drei eher harmlosen Marktbummlern, denen ihr kleiner Gefährte unfreiwillig abhanden gekommen war, nur noch verstärkte.
Es war jedoch ein ganz anderer Kandidat, der seine Stimme als Erstes wiederfand: Ein kleiner, sonnengelber Vogel nämlich, der es sich auf den Schultern des großen Bärtigen gemütlich gemacht hatte und an dessen Seite ungefähr so gut passte, wie ein Goldfisch als Begleiter eines Tigers.

Nun, wenn das keine würdige Heldentruppe für meine neue Geschichte ist“, stellte der Barde vergnügt fest, „ein rauer Seebär, ein vorlauter Sonnensittich, ein schlaksiger Junggeselle, eine reizende junge Dame und ein kleiner Basilisk. Ja... ich glaube, dazu würde mir etwas Gutes einfallen.

Er griff in seine Tasche, förderte ein Bündel getrockneter Farne zutage und warf sie mit einer lockeren Handbewegung einen halben Schritt von sich entfernt auf das Pflaster. Noch in der Bewegung stieß Calwah sich von seiner Schulter ab, segelte mit ausgestreckten Flügeln die kurze Strecke zu Boden und warf sich mit einem seltsam rollend klingenden Knurrgeräusch Schulter voran in das kleine Bett aus Grün. Sichtlich angetan begann er, sich darin zu kringeln, darüber zu wälzen, die kleinen Wangen daran zu reiben und mit der schlanken Zunge einen Duft einzusaugen, den wohl nur die Echse selbst wahrnahm.
Beiros derweil erhob sich von den Steinstufen, trat einen halben Schritt vor und verbeugte sich nun seinerseits mit einer eleganten Bewegung, bevor er mit einem freundlichen Lächeln wieder aufsah.

Freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Beiros Garisi, Barde und Medicus, zu Euren Diensten. Und das,“ fuhr er als Antwort auf Isalas Frage fort und zupfte ein weiteres, einzelnes Farnblatt aus seiner Umhängetasche, um es ihr zu zeigen, „nennt man adiantum basiliscum – oder einfach Basiliskenfarn. Eine ausgesprochen starke Heilpflanze, die es in dieser Welt allerdings nicht gibt… Und eine Art 'Katzenminze' für alle Vertreter seiner Art.“ Womit er der geflügelten Echse einen kurzen, amüsierten Blick zuwarf.

[Kleiner Innenhof nicht weit vom Hafen | bei Calwah, Isala, Rúnar & Tarón]



Beiros Garisi
gespielt von Spielleitung
Alter 47 Jahre
Beruf reisender Barde & Medicus
Größe und Gewicht 1,89 m & 86 kg
Augenfarben braun
Haarfarbe schwarzbraun
Merkmale bodenständig, in sich ruhendes Gemüt
Status aktiv



Die Heiterkeit in Gregorys Stimme perlte an Elian ab wie Wasser an einem gut gewachsten Ledermantel. Er warf dem Schiffsarzt lediglich einen kurzen Seitenblick zu, bevor er wieder über den Hafen sah und ließ beiläufig die Hand in die Tasche wandern, um das raue Papier des Briefs zwischen den Fingern zu spüren. Einfach, um das Gefühl zu haben, das dort etwas war. Nicht sicher, ob ihn das in irgendeiner Form erdete oder er sich damit schlicht und ergreifend selbst geißelte.

Mal sehen“, erwiderte er schließlich tonlos auf Gregorys Einladung. Ein herzhaftes Handbrot mit gutem Fleisch und anständig zubereitetem Gemüse hätte den gut gelaunten Elian von früher gar nicht lange zögern lassen. Doch jetzt war es ihm genauso egal, wie der ganze Rest, und der Gedanke an einen geselligen Nachmittag in der Stadt geradezu zuwider. ‚Mal sehen‘ hieß also eigentlich ‚nein‘.

Doch zumindest regte sich ob seiner kühlen Reaktion doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen in dem Montrose. Gregory hatte seine Ablehnung nicht verdient. Er war sogar der Allerletzte, der sie verdiente. Schließlich hielt er seine manchmal schweigsame, manchmal apathische, manchmal destruktive Art die längste Zeit aus, wenn Elian zu ihm kam, um ihm im Lazarett auszuhelfen. Das Einzige, womit er sich noch immer wirklich gern beschäftigte. Und nach all der Zeit wartete der Schiffsarzt noch immer mit unendlicher Geduld auf.
Also wandte der junge Pirat schließlich doch wieder den Kopf, sah Gregory einen Moment lang von der Seite an und nickte schließlich.

Warum nicht. So vertreiben wir uns wenigstens die Zeit. Brauchst du Hilfe beim Tragen?

Das Angebot war eher einem Reflex geschuldet, als wirklicher Hilfsbereitschaft, aber dennoch nicht unehrlich. Vielleicht, dachte er, war er es zumindest dem Schiffsarzt schuldig. Wenn schon sonst keinem.

[Bug der Sphinx | bei Gregory | mit Blick auf den Hafen]



Elian Montrose
gespielt von Spielleitung
Alter 22 Jahre
Beruf Pirat auf der Sphinx
Größe und Gewicht 1,85 m & 85 kg
Augenfarben blau
Haarfarbe braun
Merkmale destruktiv und verschlossen
Status aktiv





RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Tarón Valur - 31.08.2022

Taróns Ozeanaugen beobachteten jedes Detail der Szenerie mit der Aufmerksamkeit des ihm sprichwörtlich zugeschriebenen Tieres. Neben dem was er sah war das was er hörte ebenfalls von enormem Interesse.
Der Falke schenkte Isa ein kurzes Lächeln, als diese sich zu ihm umwandte, doch es war eher reflexartig, ein Nebenprozess, sie bei all dem nicht vergessend. Doch an sich beachtete er sie kaum. Der konzentrierte wache Teil seines Verstandes war auf Calwah und den Fremden fokussiert, der sich nun als Baros Garisi vorstellte, nachdem Rúnar und Isa ihm bereits die Ehre erwiesen hatten sich ihrerseits vorzustellen. Tarón unterließ den Versuch einer Verbeugung – zum einen wegen des Gepäcks zum anderen, weil er nicht vorgeben wollte etwas zu sein, was er nicht war. Nicht in dieser Situation, in der das Gesagte des anderen die Härchen in seinem Nacken aufstellte und er ein Kribbeln spürte, wie er es seit Jahren nicht mehr getan hatte. Dieser Barde wusste etwas – mehr als eine dumme Fantasie und alberne Geschichten wie es schien, denn er hatte einen Beweis für echtes Wissen bereits geliefert! Und so nah war Tarón einer Spur bisher noch nie gewesen.

‚Basilisk‘ – das sagte ihm wenig. War es das was Calwah war? Der Farn benannte sich nach ihnen also war es wahrscheinlich, dass dies ein tatsächlicher Tiername war.

Er selbst nickte dem anderen freundlich zu.

„Tarón Valur, aktuell überraschter Basiliskenhalter.“

Nun mit anderen Titeln konnte er wahrlich nicht aufwarten und Beiros schien ihm ein Mann zu sein, der etwas Humor zu würdigen wissen würde.
Sein Blick glitt zu Calwah, der sich noch immer in den Pflanzen wälzte als sei dies die Erfüllung aller Träume, die sein kleines Echsenhirn je ausgesponnen haben mochte.

„Woher stammt dieser Basiliskenfarn dann genau?“


Ein vorsichtiges Herantasten, eine unschuldig geäußerte Frage. Ihm ging es nicht um den verdammten Farn, auch wenn der seinerseits durchaus interessant und im Zusammenhang mit Calwah vor allem sehr nützlich zu sein schien. Aber wenn der Farn nach den Viechern benannt war… Er spürte seinen eigenen Herzschlag, ließ seiner Miene die Anspannung nicht anmerken während er wie ein Falke um die Antwort kreiste und auf sie lauerte.


[Kleiner Innenhof nicht weit vom Hafen | bei Isala & Rúnar, Calwah und Beiros ]


RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Rúnar Rúnarsson - 31.08.2022

Rúnar ließ den Trossack von seiner Schulter gleiten und stellte ihn neben sich ab -- streckte seinen Rücken kurz unauffällig durch. 

Er musste lächeln als der Barde sprach. Sein Gefühl, dass er ihn an Kjartan erinnerte, bestätigte sich. Das Lächeln fror jedoch auf seinem Gesicht ein als zum dritten Mal das Wort 'Basilisk' fiel. Rúnars Blick glitt zu Calwah, der sich auf dem Farn wälzte, dann zu Tarón. Harald starrte ihm von Taróns Schulter entgegen, als suchte Rúnar dessen Blick. (Verräter. Immer noch.) 

Woher der Farn stammte, fragte Tarón den Barden.

Wenn Jón hier wäre--

Rúnars Mundwinkel zuckten für einen Moment zu einem ehrlichem Lächeln. Aber er war hier. Das hatte Rúnar schon vergessen. Er wusste bestimmt bescheid über Basilisken und deren Farne. Was vielleicht gar nicht nötig war -- Beiros schien wie jemand, der Taróns Frage mindestens genau so gut und genau so bereitwillig beantworten würde.

Rúnars Blick verweilte immer noch auf Tarón. Er konnte es nicht aus dessen Gesicht lesen, aber er konnte nachfühlen, was in ihm vorging. Sein eigenes Herz begann schneller zu schlagen, auch wenn die Frage so belanglos schien. Aber er wusste ja jetzt was Calwah ihm bedeutete -- und fühlte sich nun noch schlechter, dass er ihm zuvor gedroht hatte. (Auch, wenn er ihm niemals etwas angetan hätte.)


{ Innenhof zwischen Marktplatz und Hafen | Tarón, Isala und Beiros (NPC) }



RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Talin Dravean - 01.09.2022

Um ehrlich zu sein, hatte sie der alten Dame niemals unterstellt, dass die Karte gestohlen wäre. Sie würde diese nicht so präsentieren, wenn es Diebesgut wäre. Es sei denn, sie wäre sehr dreist und so schätzte sie die Verkäuferin nicht ein. Aber eigentlich war es auch egal. Viel wichtiger waren die Informationen, die sie bekam. Deshalb lauschte Talin schweigend der Erklärung der Frau, während sie darüber nachdachte, ob sie nicht in einer Bibliothek im Herzogtum Cheliya nach weiteren Hinweisen nach so einer Karte suchen sollten. Was natürlich hinfällig wäre, wenn sie nicht einmal diese hier bekommen konnten. Und offensichtlich war die Frau nicht von dem Gedanken angetan, ihr Schmuckstück außer zum Angeben herauszurücken. Auch nicht, wenn Shanaya mit solchem Feuereifer darauf hinwies, dass sie alle diese Karten besitzen wollte.
Als in den Augen der alten Verkäuferin auf Shanayas leidenschaftliche Worte hin, Vorsicht und Unsicherheit aufglomm, wollte Talin sich am liebsten gegen die Stirn schlagen. Man sagte niemanden ins Gesicht, dass deren Besitz irgendwann einmal einem selbst gehören würde. Ihr würde es auch nicht gefallen, wenn jemand sagte, ihm würde irgendwann die Sphinx gehören. Nun sie würde nicht in aller Seelenruhe die Sachen zusammenpacken, sondern sich mit Händen und Klauen dagegen wehren, dass ihr jemand ihr Schiff wegnahm. Die alte Frau schien allerdings, nur ihren Schatz wieder verstaut wissen zu wollen.
Mit einem leisen Seufzer beobachtete die Blonde, wie der Sand wieder zurück in den Beutel rieselte und die Frau sich umdrehte, um die Karte in Sicherheit zu bringen. Als sie ihnen den Rücken zuwandte, drehte Talin ihren Kopf leicht, um Shanaya mit einer hochgezogenen Augenbraue anzusehen. Ihr Blick sagte alle: Toll gemacht. Sie schüttelte den Kopf und traf schließlich eine Entscheidung, für die Shanaya sie später noch hassen konnte. Sie konnte in diesem Moment keine Rücksicht mehr darauf nehmen, dass die Jüngere in den nächsten Tagen noch stöbern wollte. Diese Karte war zu wertvoll, als dass sie sie zurücklassen konnten. Vielleicht sprach aus ihr einfach wieder ihre Ungeduld und Impulsivität, aber sie wäre verdammt noch mal bescheuert, die Karte noch die nächsten Tage hier zu lassen, für den Fall, dass sie vielleicht, vielleicht auch nicht noch einmal wiederkamen.
Ohne lange zu zögern, stützte sie sich auf die Theke auf und drückte sich nach oben, so dass sie sich nur ein paar Sekunden später leise über das Holz hinübergeschwungen hatte. Hinter der Frau blieb sie einen Moment in der Hock und zückte ihren Dolch. Nein, sie war keine alte-Dame-Mörderin. Auch nicht für die ganzen Schätzchen, die ihr heute schon um die Ohren gehauen worden waren. Mit zügigen, aber vorsichtigen und leisen Schritten trat sie näher, während die Frau noch mit Shanaya über den Preis der anderen Karte verhandelte. Die alte Verkäuferin hatte kaum geendet, da landete Talin mit dem Knauf ihres Dolches einen Schlag auf ihren Nacken. Sie zuckte zusammen, ließ die Karte zu Boden gleiten und folgte kurz darauf. Die Blonde fing die Ältere auf und ließ sie sanft zu Boden gleiten. So ein Unmensch war sie ja nun auch wieder nicht. Sie steckte den Dolch wieder in ihren Stiefel und wandte sich dann an die Schwarzhaarige mit einem Blick der sagte, sie solle sich nur trauen, etwas gegen ihre Vorgehensweise zu sagen. Gleichzeitig zuckte sie mit den Schultern.

Wenn du Glück hast, vergisst sie den Schlag und das wir hier waren und du kannst wiederkommen.“ Sie würde allerdings nicht darauf wetten.
Suchend wandte sie den Blick von Shanaya ab und sah sich kurz um, bis sie einige Transportzylinder für Karten entdeckte. Sie schnappte sich einen davon und hielt ihn der Jüngeren hin. „Deine Karte. Dir gebührt die Ehre.

[Kartenladen | Shanaya]


RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Shanaya Árashi - 02.09.2022

Während Shanaya mit vollkommener Sicherheit in den blauen Augen die alte Frau betrachtete, machte sie sich schon einmal darüber Gedanken, wie sie an die restlichen Karten kommen würde. Sie hatte, bis zu dem Moment in dem Liam ihm die Karte der Kälte gezeigt hatte, noch nie von diesen Karten gehört. Und jetzt sollte es davon sieben (vielleicht sogar acht?) geben. Eine Tatsache, die ein loderndes Feuer in Shanaya zündete, das sicher nicht all zu schnell erlöschen würde. Die junge Frau lauschte der Erzählung ihres Gegenübers. Die Bibliotheken von Cheliya. Ein vielsagender Blick galt Talin, in dem ihre Freundin erkennen würde, was Shanaya gerade durch den Kopf ging. Und sie musste nicht einmal ihren zwei Lieblings-Captains Honig um den Mund schmieren, da ihr Kurs sie drüher oder später sowieso dorthin führen würde. Kurz huschten ihre Gedanken zu Ceallagh, zu Liam, die sie in diese Suche garantiert mit einbeziehen konnte. Wen es viele Informationen zu diesen Karten geben würde, wären sie schon längst zu ihr durch gedrungen… und vielleicht hätte sie schon mehr als eine in ihrem Besitz. Immerhin waren es fast zwei, dessen war die Schwarzhaarige sich noch immer sehr, sehr sicher.
Die alte Verkäuferin wollte ihr aber noch immer einen Strich durch die Rechnung machen, zog die Karte nach Shanayas letzten Worten ein wenig zu sich und schien besorgt, dass sie ihre Worte wahr machen würde. Tja, sie schreckte nun leider wirklich nicht vor viel zurück, um ihre Ziele zu erreichen. Ob das nun ein paar Monate auf dem Schiff ihres Bruders waren oder ein, zwei Leichen mehr auf ihrer Liste. Kleinigkeiten. Sie ließ sich von der Missbilligung der Frau gegenüber jedoch nichts anmerken, biss sich nur leicht bei den Worten ihres Gegenübers auf die Zungenspitze. Sie wollte die Karte zurück in die Vitrine legen, drehte ihnen den Rücken zu und Shanayas Blick legte sich für zwei Herzschläge auf ihre Karte, die noch auf dem Tresen lag. Eins ihrer wertvollsten Stücke… und die konnte man ihr für kein Geld abkaufen. Leicht neigte die Schwarzhaarige den Kopf, verdrängte den Gedanken daran, der sie nur ablenken würde und setzte wieder ihr charmantes Lächeln auf. Sie hatte noch ein paar Karten dabei… aber wollte sie diese eintauschen? Ohne zu antworten wandte Shanaya sich ihrer Tasche zu, zog zwei Seiten Papier hervor, auf denen feine Linien zwei Inseln formten.

„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, aber ich denke...“

Ein dumpfes Geräusch unterbrach Shanaya. Blinzelnd warf sie einen Blick an ihre Seite – wo Talin nicht mehr stand. Die Blonde hatte sich zu der alten Verkäuferin begeben – die nun am Boden lag. Scheinbar nicht wirklich bei Bewusstsein. Shanaya blinzelte, schnaufte dann leise und lachte schließlich auf. Gut… dann eben so.

„Ich bin entsetzt, dass du nicht zugelassen hast, dass ich sie mit meinem Charme überrede. Ich hatte sie fast! Eine alte Frau zu schlagen… ich bin immer wieder begeistert von dir.“

Gespielter Vorwurf schwang in Shanayas Stimme mit, in ihren blauen Augen lag jedoch mehr ein amüsierter Ausdruck, ein Lachen untermalte ihre letzten Worte. Das einzige, was diesen schmähte war der Gedanke daran, dass sie diesen Laden vermutlich nie wieder betreten brauchte… vielleicht konnte sie das aber noch irgendwie retten? Die zwei Karten, die sie gerade hervor gezogen hatte, platzierte die Schwarzhaarige auf dem Tresen, zog ihre Karte der Insel der Drachenritter wieder vorsichtig zu sich. Bei den beiden anderen prüfte sie dir Rückseite, drehte sie um und griff nach einer Feder, die in einem Tintenglas auf dem Tresen stand. Mit geübten Bewegungen malte sie in jeweils eine Ecke der Rückseite ein verschwungenes A und ein S. Ein kleines Symbol, das sie immer wieder erkennen würde. Dann drehte sie die Karten wieder auf die richtige Seite, stellte die Feder zurück. Zusätzlich griff sie noch in ihre Tasche, fischte ein paar Münzen aus ihrem Lederbeutel und legte sie neben die Karten. Vielleicht half das ja, die Alte zu besänftigen. Damit sie diesen Laden noch einmal betreten konnte… nur… was taten sie, wenn sie jetzt wieder aufwachte? Sie konnten eine Scheibe zur Straße zerbrechen, ihr gestehen, dass sie verfolgt wurden und jemand etwas durchs Fenster geworfen hatte, was leider die Falsche getroffen hatte? Sie konnte lügen… sie hatten einen Deal abgeschlossen, dann war der Angriff gekommen… und Shanaya und ihre Freundin hatten flüchten müssen. Aber weil sie eine ehrenhafte Bürgerin war, hatte sie ihre Schuld beglichen. Natürlich. Und die fremde Karte, die nur in der dritten Welt funktionierte? Nein… die hatten sie nicht ergaunert. Das musste ihr Verfolger gewesen sein. Bedauernswert, jetzt musste sie dieser Karte hinterher jagen. Schade aber auch. Immerhin wurden sie ja wirklich irgendwie verfolgt. Ein Gedanke, der ihr die ganze Zeit leise im Hinterkopf herum geschwirrt war.
Talin lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder um, mit einem Lächeln, und einem vornehmen Neigen ihres Kofpes, nahm Shanaya das Transportgerät entgegen und trat nun selbst um den Tresen herum. Sie griff noch nach einem anderen Zylinder, ließ sich jedoch nicht viel Zeit, die beiden Karten zu bewundern. Mit schnellen Bewegungen, bei denen sie die Zähne fest aufeinander biss, um die Wärme auszuhalten, verstaute sie die Karte in dem kleineren Zylinder, dann die zwei Karten, die sie ausgesucht hatte, die Karte der Drachenritterinsel und die zu dem Ort, der verschollen war, in den den Größeren. Das kleine Beutelchen, in den die Alte den Sand gefüllt hatte, landete in ihrer Tasche. Erst, als sie alles sicher verstaut hatte, hob sie die blauen Augen zu Talin.

„Was jetzt, Captain? Es verlockt viel zu sehr, dass ich mich hier noch etwas umsehe… ich habe da noch ein paar gesehen, die mich sehr interessiert haben.“

Hin und her gerissen betrachtete sie ihre Freundin, ließ den Blick dann über das Sofa zu den Regalen wandern. Und… es gab ja auch noch diese Treppe. Gab es da oben vielleicht noch mehr wertvollen Kram? Sollte sie bei der Alten vielleicht noch einmal nachtreten, damit sie genug Zeit hatten? Fragen über Fragen.

[Kartenladen | Talin & die ko geschlagene Alte]



RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Lucien Dravean - 02.09.2022

Ceallagh bewegte sich nach diesem freundlichen Empfang als Erster, folgte dem Hünen und trat durch die schlichte hölzerne Tür. Lucien hingegen blieb noch einen Moment lang, wo er war und wandte sich Soula zu, um ihr in leisem Ton auf jene Frage zu antworten, die sie gestellt hatte, bevor der Türsteher sie alle unterbrochen hatte.

Vor meiner Schwester“,

raunte er ihr mit leiser Belustigung in der Stimme zu, als müsse er verhindern, dass Ceallagh ihn noch hörte. Überhaupt wirkte in diesem Augenblick nichts an ihm auf irgendeine Art und Weise angespannt. Im Gegenteil. Er schien in der Situation, in der sie sich befanden, ganz und gar aufzugehen. Und selbst die Differenzen zwischen ihm und Talin, die ihn so vehement von seiner kleinen Schwester fernhielten – jede Ausrede nutzend, um ihr auszuweichen – und die sich sonst wie ein drückender Schatten über seine Stimmung legten, schafften es nicht, ihn jetzt zu blenden. Eher noch beflügelten sie das leise Drängen in seinem Inneren, das ihn zu dem Gebäude hinzog, das sie zu betreten im Begriff waren. Dunkel und mit dem leisen Geschmack einer wirklich dummen Idee.
Also deutete Lucien mit einer einfachen Geste seiner Linken an, dass er Soula den Vortritt ließ, und folgte ihr dann dichtauf. Im Türrahmen verharrte er kurz, bis sich seine Augen an das dämmrige Licht im Inneren der Kneipe gewöhnt hatten und ließ den Blick schließlich schweifen. Doch er musste dem Blonden zustimmen, auch wenn sich der offensichtliche Reichtum hier unten noch in Grenzen hielt. Er blitzte dennoch auf, hier und da, so unauffällig, dass man ihn hätte übersehen können. Teurer Alkohol in höheren Regalen, schlichte, aber erstaunlich gut verarbeitete Möbel, Gläser statt simpler Tonkrüge. Nur dass all dies für ihn nicht so neu war, wie für Ceallagh. Er hielt sich daran also nicht lange auf, sondern ließ den Blick bis zu der Treppe wandern, die unmittelbar hinter der Theke an der Wand entlang hinauf führte. Die obere Tür zog seine Aufmerksamkeit an, wie von einem Bann gefangen, obwohl sie sich in nichts von der zweiten Tür auf halber Höhe unterschied. Dennoch. Dort war etwas – immer noch. Es war auch gestern schon dort gewesen. Und umso länger er den schmucklosen Durchgang betrachtete, umso drängender wurde das Gefühl, dass er dort hindurch wollte. Er wollte sehen, was dahinter lag. Er musste. Um jeden Preis.

Erst der herrische Bass des Hünen riss Lucien schließlich aus seinem Bann. Nur mit Mühe konnte er ein Zusammenzucken verhindern, das ihm unangenehm bewusst machte, dass er nichts – wirklich gar nichts um sich herum mehr wahrgenommen hatte. Gerade er, der sonst stets aufmerksam blieb, um schnell genug Entscheidungen treffen zu können. Trotzdem huschte sein Blick noch einmal kurz zu jener Tür, ehe er sich gänzlich davon losriss und seine Aufmerksamkeit auf den massigen Leibwächter, der sie eingelassen hatte und der sich nun an einen reichlich erschöpft wirkenden Jungen von vielleicht elf oder zwölf Jahren wandte. Er hatte die Kneipe durch eine Tür rechts hinter dem Tresen betreten und erhielt kaum die Gelegenheit sich nur kurz auf einen Schemel zu setzen, als ihn der Hüne anherrschte. Sitz hier nicht so faul rum, Junge! Sieh zu, dass du nach oben kommst und sag dem Boss, dass Gäste für ihn da sind. Er wedelte unwirsch in Richtung des kleinen Blonden, um ihm zu bedeuten, gefälligst in die Gänge zu kommen. Wenn der Boss Zeit hat, kommst du wieder runter und bringst unsere drei Möchtegern-Ganoven zu ihm. Los jetzt!, setzte er in einem Ton hinterher, der keinen Widerspruch duldete. Sein Blick fiel dabei erneut auf Lucien, Ceallagh und Soula, verzog kurz spöttisch das Gesicht, bevor er kurz an der jungen Frau hängen blieb und sich der Ausdruck in irgendetwas zwischen anzüglich und hämisch verwandelte. Sehen wir mal, ob der Boss mit euch reden will. Ihr wartet so lange hier., befahl er und wandte sich schließlich dem Mann hinter der Theke zu, der wohl der eigentliche Wirt dieses Etablissements war. Die drei Piraten ließ er stehen, wo sie waren, behielt sie aber aufmerksam im Blick.

[Ostya - nördliches Hafenviertel | im Schankraum der Kneipe | mit Soula, Ceallagh und Cole]



RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Weltenwind - 03.09.2022

Ein Hauch von Zeit ...
Während die beiden jungen Frauen die Karten in ihren Hüllen verstauten, blieb die alte Verkäuferin reglos liegen. Ihr Atem ging regelmäßig und ihre Lider flatterten, darunter hatten sich die Augen in traumloser Ohnmacht nach hinten verdreht. Sie wachte nicht auf.

Shanaya, du erhältst Deinen Preis aus dem Weihnachtsspecial der Inselwelten: Die Karte einer unbekannten Gegend und die Karte einer uralten Stätte. Zusätzlich erhältst du einen Beutel mit Sand aus der Dritten Welt.
Dein Gewinn wird in Deinem Profil hinterlegt..


Spielleitung für Shanaya (& Talin)





RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Talin Dravean - 03.09.2022

Im Gegensatz zu der gegebenen Situation blieb Talin ruhig und geduldig mit dem Zylinder in der Hand stehen und beobachtete Shanaya. Wobei ihr Blick immer mal wieder auf die alte Frau am Boden fiel, denn sie wollte ja nicht, dass diese wieder zu sich kam. So schnell würde ihr nichts einfallen, was sie sagen konnte, um die momentane Situation zu erklären. Doch sie rührte sich nicht. Für den Moment zumindest. Also behielt Talin ihre Freundin im Blick, die nach einigen – vermutlich unnötigen – Gedanken, um den Tresen herumtrat und den Zylinder zur Hand nahm, um die Karten einzustecken. Die Blonde nickte zufrieden, bevor sie vortrat und die Achter auf dem Holz ansah, bevor sie mit den Schultern zuckte. Sie würde es der alten Frau gönnen, wenn sie darüber nachdachte, dass sie ihr sowieso gerade einen ihrer größten Schätze stahlen. Während sie sich weiter nach nützlichen Gegenständen oder mehr glitzernden Münzen umsah, dachte sie wieder an Shanayas Worte und grinste schief.

Auch wenn ich vollstes Vertrauen in deinen Charme habe, muss du dir selbst eingestehen, dass du ihr Angst gemacht hast. ‚Ich werde sie alle besitzen‘ ist nicht gerade ein Satz, den sie von dir hören wollte, wenn man bedenkt, dass das bedeutet, dass du ihr ihre Karte auch wegnimmst. Vielleicht lässt du deinen Eifer etwas zu besitzen, dass nächste Mal nicht ganz so offensichtlich durchscheinen, hm?

Abgelenkt und gleichzeitig neugierig, zog sie das Kassenbuch der Verkäuferin heraus. Sie überflog einige der letzten Verkäufe. Gerade bei größeren Beträgen machte sie sich gedankliche Notizen, denn wer wusste schon, ob diese Personen nicht hier auf der Insel lebten. In schönen Häusern, die es kaum erwarten konnten, ausgeraubt zu werden. Für den Gedanken allein konnte sie niemand verurteilen. Die Sphinx war knapp bei Kasse und wenn sie sie endlich einmal gänzlich repariert wissen wollten, dann sollten sie dafür auch Geld vorlegen können. Und das würde nie etwas werden, wenn sie es nur ausgaben.
Als Shanaya sie wieder ansprach, schlug Talin das Buch zu, wandte sich noch einmal der alten, bewusstlosen Frau zu, bevor sie die Freundin mit einem sanften Lächeln betrachtete.

Ich hab doch gesagt, nimm dir, was du haben willst. Nur sei schnell, damit wir bald von hier verschwinden können. Ich hoffe einfach, dass unser Verfolger unsere Spur verloren und aufgegeben hat. Und für den Fall, dass sie wieder zu sich kommt,“ Talin zuckte unbekümmert mit den Schultern, „ich sorge schon dafür, dass sie schnell wieder im Reich der Träume landet.“ Damit machte sie eine wegscheuchende Bewegung, dass Shanaya sich ihre gewünschten Karten zusammen suchen sollte. „Sag Bescheid, wenn wir gehen können.

[Kartenladen | Shanaya]


RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Shanaya Árashi - 03.09.2022

Shanaya ging ihren Plan gedanklich immer wieder durch – und bisher konnte sie keinen Fehler darin erkennen. Vielleicht würde es also wirklich funktionieren, das sie an einem anderen Tag noch einmal hierher zurück kam. Ihr Blick huschte zu den Fenstern, zu den Menschen vor dem Laden und richtete sich erst wieder herum, als Talin antwortete. Mit leicht gehobener Augenbraue und einem vielsagenden Lächeln bedachte sie ihre Freundin, winkte dann mit einem leisen Pft! ab, ehe sie antwortete.

„Als ob sie das ernst genommen hat! Sie hat ja nichtmal meine Morddrohung durch die Blume für voll genommen. Manchmal bin ich einfach zu süß, als das man mir abnehmen würde, das sich irgendwen umbringe.“

Die junge Frau zuckte amüsiert mit den Schultern, beobachtete, wie die Blonde ein Buch hervor zog und neugierig darin herum blätterte. Shanaya selbst kribbelte es viel zu sehr in den Fingern, um sich da jetzt etwas in Ruhe anzusehen. Die blauen Augen huschten durch den Raum, neugierig, aufgeregt, so dass sie nicht einmal merkte, dass sie sich wie von selbst in die Richtung der Regale bewegte. Erst, als Talin antwortete, richtete die Schwarzhaarige sich noch einmal herum. Jetzt lag ein vollkommen begeistertes Leuchten in den blauen Augen, mit denen sie ihre Freundin einige Momente betrachtete. Auf ihre Worte ging sie nicht unbedingt ein.

„Hast du gesehen, was sie hier alles hat?! Da sind Sternenkarten, Talin! Und Riffkarten!“ Eine kurze Pause, die Begeisterung war ihr mit jedem Herzschlag deutlicher anzusehen. „Ich kann die alle überprüfen, ob die auch stimmen! Und… ohhhh!“

Nicht, dass das der einzige Grund war, wieso ihr Herz hier ein wenig höher schlug, aber… sie konnte nun einmal nicht alle mitnehmen. Sie musste sich zurück halten, nicht mit den Zylindern in ihrer Hand hin und her zu wedeln. Stattdessen riss sie sich nun von der Blonden los, schlich wie eine Raubkatze auf die Gänge zu, als müsse sie sich an ihre Beute heran schleichen, um sie zu erlegen. Wie viele konnte sie mitnehmen? Welche waren sinnvoll? Sie hatte eindeutig zu wenig Zeit, um sich darüber groß Gedanken zu machen. Zu gern hätte sie sich mit einer Auswahl auf das Sofa gesetzt, um die Karten genau anzuschauen, jede einzelne zu analysieren.
Zuerst konzentrierte sich auf die Karten, die sie auf den ersten Blick als solche erkannte, die wichtig für ihren weiteren Kurs werden konnten. Sternenkarten, die sie durch die Nacht führen würden. Dann die Karten, die ihr, vielleicht, jedes Hindernis aufzeigen würden. Der Weg ins Herzogtum Chelyia würde also ein Klacks werden… und danach? Hatte sie mit den beiden Captains schon weiteres besprochen? Einen Moment erlaubte sie sich den Gedanken an Lucien, verschloss sich daraufhin jedoch auch schnell wieder. Zu groß war in diesem Moment ihre Begeisterung, zu sehr wusste sie, wie dieses Thema sie einnehmen würde.

„Talin, wo wollen wir hin, wenn wir in Chelyia nach Informationen zu den anderen, mysteriösen Karten gesucht haben? Ich bin mir gerade nicht sicher, ob wir mit deinem Bruder schon irgendwas besprochen haben?“

Wann hatten sie sich das letzte Mal zu dritt zusammen gesetzt? Vielleicht wusste ihre Freundin darauf eine Antwort. In Shanayas Stimme schwang ein leises Lachen mit. Sie wusste, dass sie nicht deswegen dorthin segelten… aber… amüsant wäre es schon irgendwie. Ein paar Karten waren nun in dem zweiten Zylinder verschwunden, darunter auch welche, die wiederkehrende Wetterphänomene verzeichneten. Und nun, möglichst vorsichtig, um das wertvolle Stück nicht zu beschädigen, landeten auch noch ein paar andere im ersten Zylinder, die, die genauer den Meeresboden darstellten, Karten mit eingezeichneten Strömungen, uralte, zwar ungenaue, aber wunderschöne Karten der ersten Welt. Vielleicht reichte das… und vielleicht würde sie noch einmal zurück kehren.
Mit einem seligen Grinsen trat sie nun wieder zwischen den Regalen hervor, strahlte Talin noch immer voller Begeisterung entgegen. Ihr lag auf der Zunge zu sagen, dass das Ganze hier fast so gut wie Sex war… aber sie verkniff es sich, hielt nur mit einem begeisterten Blick in den blauen Augen die beiden Transportgefäße fest.

„Du musst mich hier raus ziehen, sonst bleibe ich einfach den ganzen Tag hier. Egal, wer uns verfolgt, und ob die da unten aufwacht.“

Sie nickte in die Richtung der Verkäuferin. Sie konnte diesen Laden immerhin zufrieden verlassen… auch wenn sie gern jedes einzelne Pergament mitgenommen hätte.

[Kartenladen | Talin]



RE: Kapitel 9 - Der Ruf der Königin - Cole O Shea - 04.09.2022

Eine verwaise Schweißperle bahnte sich ihren Weg über Coles Schläfe, kitzelte kurz an seinem Ohrläppchen, ehe sie an seinem Hals herunterrollte und schließlich vom Stoff seines einfachen Hemdes aufgesogen wurde. Es war nicht besonders heiß an diesem Tag, zumindest nicht so außergewöhnlich, dass man sich über die Hitze beschweren müsste. Doch es herrschte eine drückende Schwüle, die in dem Jungen das dringlicher werdende Bedürfnis hervorrief, ins nächstgelegene Gewässer zu springen. Die Luft in der Schenke war mitnichten angenehmer. Getränkt mit einer Mischung aus Zigarrenrauch, Alkoholgeruch und Schweiß war sie so dick, dass man sie eher mit der Klinge hätte zerschneiden können, als damit seine Lungen zu füllen. Insbesondere dann, wenn man, wie Cole, den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war.
Der blonde Junge hätte sich gerne, und sei es nur für eine Minute gewesen, an den Tresen gesetzt und den Wirt um einen Schluck Wasser gebeten. Am Morgen hatte er bei genau diesem Mann wieder einmal einen Auftrag angeleiert. Keine besonders anspruchsvolle Mission, doch mit einer angemessenen Vergütung. Dann aber hatten die Dinge ihren Lauf genommen und Cole hatte mehr Gelegenheit als erhofft bekommen, sich nützlich zu machen. Den halben Tag lang hatte er sich Laufbursche verdingt und von einfachen Botengängen, übers Flaschenschleppen bis hin zum Putzen allerhand Arbeiten verrichtet, die sonst keiner machen wollte. Der Blonde beschwerte sich nicht. Ein paar Extramünzen waren schließlich immer willkommen und die Arbeit bot ihm die Gelegenheit, ein paar hilfreiche Kontakte zu knüpfen. Außerdem mochte er raue Atmosphäre, die in der Spelunke herrschte und die in einem befremdlichen Kontrast zu dem Gefühl stand, das ihn beschlich, wenn er daran dachte, was im oberen Geschoss hinter verschlossenen Türen vonstatten ging. In diesem Moment aber hätte er wirklich gern eine kurze Pause gemacht.

Hätte. Denn der zerschlissene Hosenboden des Jungen hatte den Hocker vor der Bar noch nicht einmal berührt, als der Dicke ihn, einmal mehr an diesem Tag, barsch anfuhr. Eigentlich war er gar nicht besonders dick, sondern in erster Linie nur groß und kräftig, was man eigentlich, jedenfalls aus Coles Perspektive gesehen, über die meisten Männer sagen konnte. Dass der Blonde dieses Exemplar innerlich trotzdem so getauft hatte, lag wohl weniger daran, dass ihm dessen wirklicher Namen nicht bekannt war, sondern war viel mehr der Tatsache geschuldet, dass der dunkel gekleidete Mann mit der rauen Stimme eine derart ungemütliche Ausstrahlung hatte, dass er in dem Jungen ein mulmiges Gefühl auslöste. Nicht, dass Cole das jemals zugegeben hätte! Nein, nicht einmal sich selbst gegenüber.  Er behalf sich lieber damit, dem Dicken in Gedanken dämliche Spitznamen zu geben und sich vorzustellen, wie hinter dessen kräftigen, mahlenden Kiefern und stechenden Augen ein winziges Erbsenhirn hauste, das mit allem, was über das Speichellecken für den großen Bossmann hinausging, heillos überfordert war.

‚Schon gut, du Pummelotto!‘, quittierte Cole dessen Ausbruch – rein in Gedanken natürlich, auch wenn er das letzte Wort stumm mit den Lippen formte und anschließend seine liebe Mühe damit hatte, das Grinsen zu unterdrücken, dass sich auf dieselbigen stehlen wollte. Schon stand der Junge wieder und wischte sich mit der Handkante den Schweiß von der Stirn, während sein Blick, den wilden Gesten des Dicken folgend, auf besagte Gäste fiel. Zwei Männer und eine Frau, die für diese Absteige eigentlich viel zu hübsch war, als dass er sich vorstellen konnte, dass sie in irgendeiner Weise in dunkle Machenschaften verwickelt war. Aber was verstand Cole schon davon? Er war nur hier, um sich ein paar Münzen zu verdienen und einen guten Eindruck bei gewissen Drahtziehern zu hinterlassen. Also flitzte er ohne weitere Umschweife in Richtung der hölzernen Treppe und schlängelte sich wie selbstverständlich an dem dort positionierten Wachmann vorbei, der zwar grimmig dreinblickte, aber dennoch hundertmal sympathischer wirkte, als der Dicke vor der Theke.
Mit leichten Schritten, denn viel mehr hätte sein Federgewicht auch nicht hergegeben, sprang der Blonde die leise knarrenden Stufen hinauf bis hin zur obersten Tür, deren Zutritt den meisten Menschen zeitlebens verwehrt blieb. Für den kleinen Jungen mit den zerzausten Haaren jedoch unterschied sich diese Tür nicht von anderen in diesem Gebäude, die er schon etliche Male durchschritten hatte. Vonseiten der Wachen, die hier Stellung bezogen hatten, um unerwünschte Gäste fernzuhalten, stieß er dabei auf wenig Widerstand.

„Nachricht für den Boss.“

Die mit einem freundlichen Lächeln ausgesprochenen Worte dienten eher als Information denn als Bitte um Einlass. Zur Antwort erhielt Cole ein knappes Nicken, ehe ihm die Tür geöffnet wurde und er hindurch flutschen konnte. Der Junge mochte die beiden irgendwie. Sie schauten zwar genauso grimmig durch die Gegend wie ihr Kollege am Fuß der Treppe, aber das gehörte wohl auch einfach zu ihrem Job. Trotzdem schien irgendetwas an ihrer Ausstrahlung dem Jungen gegenüber freundlich gesonnen zu sein. Jedenfalls freundlicher als vielen anderen.
Mit gestrafften Schultern spazierte Cole inzwischen unbekümmert den schmalen Korridor im oberen Geschoss entlang und ließ den Blick aus einem der Fenster schweifen, die eine Aussicht auf das Dach des Gebäudes unter einem beinahe wolkenlosen Himmel freigaben, ehe er sich gestattete, die feindselige Atmosphäre zu registrieren, die das nächste Paar Wachen vor der doppelflügeligen Tür am Ende des Flurs ausstrahlten. Im Gegensatz zu ihren Kollegen zuvor schien es diese beiden weniger zu interessieren, dass sie den blonden Jungen bereits öfter zu Gesicht bekommen hatten. Ein selbstbewusster Blick allein reichte offenbar nicht aus, um die beiden davon zu überzeugen, dass er hier oben durchaus etwas verloren hatte. Stattdessen schienen sie dem Jungen etwa soviel Aufmerksamkeit zu schenken, wie einer lästigen Fliege, die man solange ignorierte, bis sie einem ins Gesichts schwirrte. Also schwirrte Cole – mit Worten natürlich, den Flügel hatte er ja nicht.

„Nachricht für den Boss“,

wiederholte er seine letzten Worte so unbekümmert wie er konnte, noch bevor er, einige Schritte Sicherheitsabstand wahrend, vor den beiden Männern zum Stehen kam. Einen Moment lang schaute er die Wachen direkt an, dann aber ließ er seinen Blick wieder aus einem Fenster schweifen, während er auf Antwort wartete und versuchte, die leichte Aufregung, die sich mit einem Kribbeln über seinen Nacken legte, zu ignorieren oder sich wenigstens nicht anmerken zu lassen. Egal wie oft er dieses Zimmer noch betreten mochte, er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Habseligkeiten und Schätze, die der der Boss hier zur Schau stellte, jemals ihre faszinierende Wirkung auf ihn verlieren würden. Tatsächlich verspürte Cole eine gewisse Ehrfurcht vor dem Reichtum und der Macht dieses Mannes und dieses Gefühl wurde nur bestärkt von den eisernen Blicken, die gerade auf ihm lagen und ihn mit einem Misstrauen musterten, das so kalt war, dass er einen Moment lang glaubte, die stickige Wärme sei einer kühlen Brise gewichen. Also tat der Junge, was er oft tat, wenn er sich ein wenig unwohl fühlte und schob noch ein breites Lächeln hinterher. Ein Lächeln, an dem Tapfer festhielt, bis ihm etliche ewig scheinende Sekunden später mit einem dumpfen Murren, von dem er nicht sicher war ob es von einem der Wachen oder aber der Tür kam, endlich dieselbige geöffnet wurde.

Cole musste sich selbst bremsen, um nicht kurzerhand loszuspringen. Die beiden Wachen hatte er bereits vergessen, sobald er sie hinter sich gelassen und den ersten Fuß in das geräumige Zimmer gesetzt hatte. Nun schlängelte er sich im Versuch, seinen Übermut im Zaum zu halten, mit kurzen Schritten um die Tische, die hier platziert waren, und hatte nur Augen für das, was ihn in der hinteren Nische des Raumes erwartete. Für Cole war das weniger der durchaus ansehnliche Schreibtisch vom Bossmann, als vielmehr, was sich dahinter verbarg: ein für das Verständnis des Straßenjungen unermesslicher Reichtum, präsentiert auf prunkvollen Kommoden, die die gesamte Länge der Wände einnahmen. Gold, Schmuck, Edelsteine und andere wertvolle Schätze, es gab wohl kaum etwas, dass dieser Mann nicht besaß. Während Coles leuchtende Augen von einer Kostbarkeit zur anderen wanderten, vergaß er sogar für einen Moment den eigentlichen Grund, der ihn hierher verschleppt hatte. Aber natürlich nur für einen Moment, denn es war unmöglich, jenen Mann zu übersehen, der über all diesem Reichtum thronte: Claude Riegan.

„Hey Boss, es sind ein paar Gäste für dich gekommen. Zwei Männer und eine Frau.“

Natürlich hatte Cole brav gewartet, bis er die Aufmerksamkeit des Angesprochenen bekommen hatte, ehe er sein Anliegen vortrug. Gleichermaßen brav wartete er nun auf Antwort, jedoch natürlich nicht ohne dabei seine Augen wieder über den Glanz und Reichtum im Hintergrund wandern zu lassen.


[Ostya - nördliches Hafenviertel | im Schankraum der Kneipe und schließlich in Riegans Büro | mit Soula, Ceallagh und Lucien]