RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Samuel Zaedyn - 02.05.2017
Dravean wirkte beinahe freundlich, als er ihm den Schlüssel zuwarf, erst seinen eigenen Kommentar auf ähnliche Weise erwiderte und dann noch klar stellte, dass er - wann auch immer - eine Gegenleistung für ihre Rettung erwartete. Nicht so unbekümmert fröhlich natürlich wie die Schwarzhaarige, die sich daraufhin an ihn wandte und ihm mitteilte, dass sie überhaupt keine Bedenken an dem Gelingen ihrer Rettungsaktion hatte. Das Lächeln, das sie ihm zuwarf, war ehrlich und kam für ihn in dieser Situation mehr als unerwartet, traf ihn so unvorbereitet, dass er es einfach nur stumm erwiderte und ihr zunickte. Nun war also auch seine Freiheit zum Greifen nahe, doch noch immer wusste Samuel nicht, ob er diese Chance auch wahrnehmen sollte. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, spürte er den Blick des Attentäters auf sich ruhen und schaute kurz zu ihm herüber. Die Aufforderung in den kalten grünen Augen war eindeutig. Er erwartete, dass Samuel den Worten ihres mittlerweile ehemaligen Zellengenossens Folge leisten würde, und das unverzüglich. Neue Fragen tauchten in seinem Kopf auf, die nicht unbedingt einfacher zu beantworten waren. Dass der Mann, der ihm in diesem Augenblick gegenüber stand, ein Mörder war, schien festzustehen. Dass er nicht zögern würde, diesen Umstand auf der Morgenwind eindrucksvoll zu demonstrieren, konnte Samuel nur vermuten, war jedoch ebenfalls wahrscheinlich. Um das Leben der unzähligen Marinesoldaten auf dem Schiff kümmerte er sich nur sekundär, auch wenn er den Gedanken überflüssiger Toter grundsätzlich abstoßend fand. Viel mehr sorgte er sich um das Schicksal De Guzmáns, dessen Verhältnis zu dem Attentäter er in keinster Weise abschätzen konnte. Gab es unter Umständen sogar böses Blut zwischen den beiden? Wäre es möglich, dass der Mörder auf Rache aus war?
Eindeutig würde er zumindest die Kampfkraft der Eindringlinge entscheidend verstärken - und unter Umständen fliehen können. Das wäre auch für ihn hilfreich, wenn er selbst an Flucht gedacht hätte, doch allein die Tatsache, dass er sich darüber Gedanke machte, öffnete ihm in diesem Moment die Augen: Er würde die Morgenwind nicht verlassen. Diese Entscheidung hatte er bereits unwiderruflich getroffen. Die Tatsache, dass er mit seinem Leben schon lange abgeschlossen hatte, machte sie ihm einfacher, als er geglaubt hätte, und genau aus diesem Grund war seine Dankbarkeit gegenüber De Guzmán und das Bestreben, diesem seine Unterstützung zurückzuzahlen, größer. Viel größer.
Es stand also fest, dass er nicht fliehen würde, weiter fortgeschritten war sein Plan jedoch nicht. Er machte sich nicht die Illusion, in seinem Zustand in irgendeiner Art und Weise zugunsten einer Seite in den Kampf eingreifen zu können. Dafür war er in einer körperlich viel zu miserablen Verfassung und hatte ohnehin keine großartige Kampferfahrung. Alles, was er tun konnte, war vermutlich, den Leutnant nicht durch seine eigene Flucht noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen - und unter Umständen sein Leben dadurch zu bewahren, dass er dem sprichwörtlichen Befehl des Attentäters nicht nachkam. Erneut warf er diesem einen Blick zu, der sofort mit offenkundiger Erkenntnis, gefolgt von einer zornigen Drohung erwidert wurde. Doch Samuels Leben war ihm nicht mehr viel wert, und daher traf ihn diese nicht im Geringsten, noch konnte sie ihn dazu bringen, seine Entscheidung zu revidieren. Entschlossen setzte er sich in Bewegung, um zunächst einmal aus der Zelle zu gelangen, doch in genau diesem Augenblick realisierte er, dass er den Attentäter sträflich unterschätzt hatte. Ohne Vorwarnung erhielt er einen heftigen Tritt gegen die Beine und ging so hart zu Boden, dass ihm jegliche Luft aus den Lungen wich. Nur Augenblicke später hatte der Grünäugige ihm die Schenkel um den Hals geschlungen und seine Luftzufuhr abgeklemmt. Die Kraft, mit der er festgehalten wurde, war enorm angesichts der Tatsache, dass auch sein Angreifer sich in Gefangenschaft befunden hatte, und er wusste, dass er ihr nichts würde entgegensetzen können. Angestrengt versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen, während auch sein Blick verschwamm. Zumindest das war ihm jedoch noch klar: Tot würde er weder den Attentäter aufhalten, noch De Guzmán in irgendeiner anderen Art und Weise unterstützten können.
"Schon... gut...", presste er deshalb hervor, was ihn den letzten Rest Sauerstoff, der sich noch in seiner Lunge befunden hatte, kostete. Ein weißer Schimmer begann, sich rasend schnell von den Seiten seines Sichtfeldes auszubreiten und drohte, alles zu verschlingen - doch dann lockerte der Attentäter den Griff um seinen Hals, Samuel schnappte röchelnd nach Luft und der nahende Ohnmachtsanfall verflog. Sobald er sich wieder halbwegs orientieren konnte und in der Lage war, sich zumindest hinzuknien, öffnete er die Fesseln seines Peinigers und versuchte dann, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, die sich in der Zwischenzeit drastisch geändert hatte. Noch immer fehlte seinem Blick ein wenig Schärfe, doch er erkannte, dass der Leutnant sich befreit hatte und nun seinerseits das Leben der Schwester seines ehemaligen Mitgefangenen bedrohte. Das Chaos hatte sich derweil nur noch weiter ausgebreitet und sich zu seinem offenen Kampf entwickelt, in den der Attentäter ohne zu zögern eingriff, kurzerhand das Leben eines verletzten Soldaten beendete und dann, desse Waffe in der Hand, davonstürmte - glücklicherweise in die entgegengesetzte Richtung. Zitternd kam Samuel auf die Beine und schüttelte kurz den Kopf, wonach er endlich wieder klar sehen konnte. Langsam kehrte die Kraft - zumindest das, was davon noch übrig war - zurück in seine Glieder und er blickte sich suchend nach einer Waffe um, mit der er notfalls ebenfalls eingreifen konnte... Als De Guzmán weitere Befehle bellte.
Samuel war kein Experte, weder in Bezug auf das Militär noch auf die Seefahrt, doch er hatte genug gelesen und besaß einen ausreichenden Verstand, um zu bemerken, dass diese Anweisungen keinen Sinn ergaben. Sein prüfender Blick fiel auf den Leutnant, der soeben den Griff um Draveans Schwester gelockert zu haben schien und ihr möglichst unauffällig einige Worte ins Ohr flüsterte. Ungläubig starrte der Bärtige den Dunkelhäutigen an. Er schien komplett den Verstand verloren zu haben.
Kurz entschlossen überbrückte er die Distanz zu De Guzmán, wich dabei den Kämpfen aus und schnappte sich im Vorübergehen eine herrenlos herumliegende Waffe, die offensichtlich zu einem weiteren der Soldaten gehören musste. Er stolperte eher auf den Leutnant zu, als dass er wirklich geraden Schrittes ging, doch zumindest erreichte er sein Ziel. Den Degen hielt er ein wenig von sich gestreckt, um den Anschein zu erwecken, am Kampf teilnehmen zu wollen und richtete ihn auf De Guzmán, setzte einen drohenden Blick auf, der ihm angesichts des Trainings der letzten Jahre nicht sonderlich schwer fiel.
"Was auch immer Sie vorhaben, überlegen Sie sich gut, welche Konsequenzen sich für Sie daraus ergeben", zischte er so leise, dass nur De Guzmán und Draveans Schwester es durch den Kampfeslärm hindurch hören konnten. Dabei blickte er den Leutnant durchdringend an und hoffte, dass dieser die Worte richtig interpretierte - nicht als Drohung, das Leben der Frau zu verschonen, sondern als Hinweis darauf, dass er nicht nur seine Stellung, sondern auch sein Leben aufs Spiel setzte, wenn er versuchte, den Gefangenen aus welchen Gründen auch immer die Flucht zu ermöglichen.
[ erst in der Zelle mit Yaris, dann bei Enrique und Talin ]
RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Rayon Enarchea - 11.05.2017
Rayon hatte keinen emotionalen Bezug zu dem Mann, den die Crew der Sphinx in eben diesem Moment zu retten versuchte. Er kannte ihn nicht, hatte ihn nie gesehen, wusste nicht, ob er ein angenehmer Zeitgenosse oder ein fairer und weiser Captain war. Trotzdem war er nervös und konnte sich angesichts der Ereignisse, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Gefangenentransporter der Marine stattfinden mussten, nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Der Smutje war schon immer ein empathischer Mensch gewesen, und die Unruhe der Crew kurz vor dem Beginn ihrer Mission sowie der wenigen Piraten, die gemeinsam mit ihm auf der Sphinx geblieben waren, strahlte auch auf ihn über und ließ ihn den Erfolg der Unternehmung herbeisehnen. Immerhin war er genau dafür zur Mannschaft der Sphinx gewechselt und hatte die Sirène, die ein Jahr lang sein schwimmendes Zuhause gewesen war, verlassen - das Schiff, das vor vielen Jahren sein Heimatdorf vor der Korruption und Willkür einiger sich selbst überschätzender Marinesoldaten gerettet hatte. Für ihn war es eine Sache der Ehre gewesen, sich freiwillig dafür zu melden, um seine Schuld gegenüber Captain Tarlenn zurückzuzahlen und zumindest bisher hatte er es noch nicht bereut, denn die Crew der Sphinx schien ebenso aus ehrenhaften Männern und Frauen zu bestehen, die dem Piratenhandwerk nicht nur nachgingen, um möglichst vielen Menschen die Kehle durchzuschneiden. Nur die Kombüse, sein Reich, war in einem katastrophalen Zustand gewesen, doch auch da hatte er bereits Abhilfe geschaffen und dafür gesorgt, dass er seinem Handwerk vernünftig würde nachgehen können, sobald die Mannschaft wieder vollständig war.
Seufzend legte er das scharfe Messer beiseite, das er soeben noch in der Hand gehalten und dessen Klinge er nachdenklich geschliffen hatte. Es war still auf dem Kanonendeck, viel zu still für seinen momentanen Gemütszustand. Der Wellengang war derart ruhig, dass das Rauschen des Wassers nur gedämpft in die Räumlichkeiten drang und selbst die Planken des Schiffs knarrten kaum unter der Belastung. Einzig das Schnarchen Trevors, der bei seinem Alkoholkonsum mal wieder die für ihn typische Kurzsichtigkeit bewiesen hatte, durchdrang ab und an die Ruhe. Der Dunkelhäutige bedachte ihn kopfschüttelnd mit einem tadelnden Blick, den der junge Pirat natürlich nicht wahrnahm, und öffnete dann behutsam und so lautlos wie möglich eines der Vorratsfässer. Aus diesem angelte er sich zwei Stücke gepökeltes Trockenfleisch, verschloss das Fass wieder sorgsam und machte sich dann auf den Weg an Deck, um Greo Gesellschaft zu leisten, der dort die Morgenwind im Blick behielt und auf das Signal wartete, mit dem ihr Einsatz bei dieser Mission beginnen würde. Vielleicht würde der Seemann sich darüber freuen, seine Aufgabe nicht allein bewältigen zu müssen - und vier Augen sahen schlussendlich besser als zwei.
Die Nacht war zwar kühl, aber für einen Mann, der das Leben auf See mittlerweile gewohnt war, durchaus nicht unangenehm. Der bewölkte Himmel gewährte nur gelegentlich einen kurzen Blick auf den Mond, doch die Sicht war gut genug, um die Lichter der Morgenwind auch aus dieser Entfernung klar erkennen zu können. Regen oder Nebel wäre in ihrer Situation ein großes Problem gewesen, doch glücklicherweise schien die Natur ihrem Vorhaben gewogen zu sein. Kurz schaute er sich um, erblickte Greo am Steuerrad auf dem Achterdeck, erklomm die wenigen Treppenstufen an Backbord und gesellte sich zu dem jungen Mann, der seinen Blick aufmerksam auf den Horizont gerichtet hielt.
"Ich weiß nicht, ob dir die Anspannung eher auf den Magen schlägt oder dich hungrig macht", sagte er und hielt Greo mit einem warmen Lächeln einen der Fleischstreifen hin. "Aber da wir uns nicht alle hemmungslos besaufen können, finde ich, dass etwas zu essen jetzt genau das Richtige ist." Der Seitenhieb in Richtung Trevor war natürlich offensichtlich, auch wenn er ihn ohne jeglichen Missmut in der Stimme aussprach. Er kannte den ungestümen Kämpfer gut genug und nahm ihm seine kurzsichtigen Handlungen nicht übel - auch deshalb, weil er in dessen Alter selbstverständlich ebenfalls noch nicht die Ruhe und Umsichtigkeit entwickelt hatte, die ihn heute ausmachten.
[ Kombüse der Sphinx -> Achterdeck der Sphinx | allein -> bei Greo ]
RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Weltenwind - 12.05.2017
Ein Hauch von Bedrängnis ...
Es war absehbar, dass der Lärm, den die Gefangenen in ihren Zellen veranstalteten, nicht mehr lange unbemerkt bleiben würde. Den Piraten saß die Zeit im Nacken, denn nun war genau das eingetreten, was die junge Mannschaft während der Planung noch zu vermeiden suchte: Die übrigen Häftlinge merkten schnell, dass es sich bei dieser Aktion um eine Befreiung handelte. Und so gut wie niemand sehnte sich danach, am Ende dieser Fahrt in Esmacil zu sitzen. Als die ersten den Schlüssel entdeckten, mit dem Shanaya Talins Bruder befreite, wurden flehende Stimmen laut. „Hey! Nehmt uns mit!“ und „Komm schon, Süße! Ich helfe euch hier raus!“ Binnen Sekunden verbreiteten sich diese Rufe bis in die letzte Zelle und wer jetzt noch nicht an der Zellentür stand und daran rüttelte, war wohl schon tot.
Enrique de Guzmáns Befehle jedenfalls machten es den ohnehin längst vollkommen überforderten Soldaten noch schwerer, sich gegen das Chaos durchzusetzen und überhaupt so etwas wie den Anschein von Kontrolle über die Lage zu erlangen. Tourville und Alvarez, die schon halb die Flucht nach oben angetreten hatten, hielten zögernd inne, sahen zunächst einander an und dann zu ihrem Leutnant. In diesem Augenblick hatte jener noch mit dem Häftling an seinem Hals und der jungen Piratin zu kämpfen, während Jones und Vernal tatenlos daneben standen und nicht wussten, was sie tun sollten – denn ihr Offizier wollte sich selbst um die Blonde kümmern.
Es dauerte also einige wertvolle Sekunden, ehe die beiden Soldaten auf der Treppe sich aufrafften dem Befehl Folge zu leisten. Keiner von beiden sah sonderlich kampflustig aus, als sie die Zelle mit Lucien, Samuel und Yaris ins Visier nahmen und schließlich die Degen zogen, um sich dem ersten Hindernis zu widmen: Der schwarzhaarigen Piratin, die die Zellentür geöffnet hatte.
Nur wenige Schritte von ihnen entfernt zog der Soldat Harknes den sturzbetrunkenen Filan auf die Beine und sah verwirrt auf, als de Guzmáns Befehl ertönte. Sein Blick huschte von dem Offizier zu den beiden Männern, die auf der Treppe kehrt machten und schließlich geradezu hilfesuchend zu Sergeant Kaladar, der jedoch selbst in einem Handgemenge mit einem der Piraten steckte. Harknes kam zu dem Schluss, dass er keine Wahl hatte. Den Kapitän zu informieren schien ihm überdies auch einzuleuchten. Sie brauchten Verstärkung. Mit einem kurzen Blick vergewisserte er sich, dass Filan auf den Beinen blieb, ehe er sich umwandte und die Treppe zum nächsthöheren Deck hinauf stürmte. Dass er nicht viel weiter kommen würde, ahnte er in diesem Augenblick nicht.
Der Soldat Willard begriff hingegen erst jetzt, was er wohl angerichtet hatte. Der Schock allein genügte, um ihn schlagartig zu ernüchtern – zumindest seinen Verstand, wenn auch nicht seinen Körper. Wankend zog auch er seinen Degen, fasste die beiden Menschen ins Auge, die ihm am nächsten standen: Skadi und Liam. Doch bevor er sich versah, flog ihm ein kleiner Schatten direkt ins Blickfeld, ehe er ihm eben dieses raubte und sich scharfe Krallen in sein Gesicht bohrten. Der Soldat schrie schmerzerfüllt auf, ließ den Degen fallen und stolperte zurück, während er nach der Ginsterkatze zu greifen versuchte, die ihn attackierte. Die Gefangenen hinter den Gittern johlten und pfiffen spöttisch und griffen sich den Betrunkenen, als er rücklings gegen die Zellentüren stolperte.
Auch Jackson, der Aspen unaufhörlich mit dem Degen vor sich her trieb, hörte Enriques Stimme über den Lärm. Sein kurzes Aufhorchen reichte dem blonden Hünen. Er nutzte den Moment der Unaufmerksamkeit gnadenlos und versetzte dem Soldaten einen schnellen Hieb gegen den Waffenarm, der ihm die Klinge aus der Hand und einen langen Schnitt über den Oberarm schlug. Sein schmerzvolles Stöhnen ging jedoch in einem leisen Gurgeln unter, als Aspen dem Mann den Degen in den Bauch rammte und dem Leben des Soldaten damit ein Ende setzte – wenn auch ein langsames. Er sackte in sich zusammen und blieb auf dem Gang zwischen den Zellen liegen.
O'Riley hingegen achtete nicht mehr auf die Stimme des Leutnants, der ihn zurück beorderte. Er hatte sein Heil längst in der Flucht gesucht und verfolgte nur ein einziges Ziel: Alarm. Und im Gegensatz zu seinem Kameraden Harknes, der den Attentäter in seinem Rücken nicht hatte kommen sehen, sollte O'Riley sein Ziel erreichen.
Am Bug der Morgenwind stürmte er auf das Kanonendeck, wo bereits die ersten Schlafenden über den Lärm unter ihnen erwachten und sich entweder noch vom Alkohol oder der Erschöpfung benebelt verwirrte Blicke zuwarfen. Der Wachsoldat kümmerte sich nicht um sie und stürmte die nächste Treppe hinauf. Hoch zum Hauptdeck. Auch dort war die Arbeit vorläufig zum Erliegen gekommen, denn selbst über das Rauschen der Wellen und das Knarzen der Planken hörte man undeutlich den Lärm aus dem Gefangenendeck. Nur der junge Fähnrich, der Posten auf dem Achterdeck bezogen hatte und hauptsächlich darauf hoffte, es möge in dieser Nacht nur nichts schief gehen, schien von dem Lärm nichts mitbekommen zu haben. Er starrte über das Deck zu den beiden hell erleuchteten Schwesternschiffen und bemerkte O'Riley erst, als dieser unter ihm stolpernd zum Stehen kam.
„Fähnrich!!!“, japste der Soldat mit vor Schreck geweiteten Augen. „Die Gefangenen!!... Ein Aufstand!!“, war alles, was er durch seine Atemlosigkeit hervor bringen konnte. Der junge Bursche auf dem Achterdeck schnappte nach Luft. „Wie bitte??“ Ein Aufstand?? Was sollte das heißen?? „Sind.. sind sie denn nicht in ihren Zellen?“ Er rang sichtbar um Fassung. Nur keine Schwäche zeigen! Keine Unsicherheit!
O'Riley schüttelte den Kopf. Dann nickte er. Der Fähnrich starrte ihn verwirrt an, bis der deutlich ältere Wachsoldat schließlich schnaufend ein „Sie fliehen!“ zustande brachte. Daraufhin wurde der Junge leichenblass. „Sind Sie sich sicher? Ich meine... vollkommen sicher?“ O'Riley nickte wieder und zerstörte mit dieser einen Geste die Hoffnungen des Fähnrichs, seine Wache ohne Zwischenfälle hinter sich zu bringen. Dennoch zögerte er nur kurz, ehe er sich an einen Soldaten schräg hinter O'Riley wandte. „Gefreiter Yalera! Schlagen Sie Alarm.“
Der Angesprochene nickte, machte auf dem Absatz kehrt und rannte zu der Glocke, die ihm am nächsten hing, während der wachhabende Fähnrich hoffte, betete, O'Rileys Warnung möge der Wahrheit entsprechen. Denn andernfalls würde der Zorn Harpers ins Unermessliche steigen.
In der Stille der Nacht, die über dem Meer lag, dröhnte das Schlagen der Alarmglocken der Morgenwind.
Was mit einer einzigen begann wurde von einer zweiten und dritten aufgegriffen, bis die friedliche Dunkelheit von dem dröhnenden Warnsignal widerhallte. Unter Deck wurden Lichter entzündet. Eines nach dem anderen, bis die schlafende Fregatte von innen heraus glühte wie das Maul eines Drachen, kurz bevor er sein Feuer spie. Die Soldaten fielen aus ihren Hängematten. Wer nicht nüchtern war, wurde es jetzt – zumindest halbwegs.
Das stille Meer trug das Läuten der Glocken weit. Auf der Königswitwe ebenso wie auf der Triumph griffen die beiden wachhabenden Offiziere zu ihren Fernrohren. Und auch auf der Sphinx blieb die Veränderung nicht unbemerkt.
Spielleitung für alle
[Im Gang vor den Zellen am Heck der Morgenwind]
# Tourville und Alvarez machen kehrt; gehen auf Shanaya los # Harknes lässt Filan stehen und stürmt die Treppe hoch # Filan kämpft mit Sineca; fällt in die Hände der Gefangenen # Skadi und Liam befinden sich nicht mehr in unmittelbarer Gefahr vor Soldaten # Aspen tötet den abgelenkten Jackson # Yaris versetzt Martínez den Todesstoß; tötet den flüchtenden Harknes # O'Riley erreicht das Hauptdeck und schlägt Alarm # Jones und Vernal unmittelbar bei Enrique, Talin, Yaris und Samuel, aber untätig
# Das Alarmsignal der Morgenwind ist weithin zu hören # Die Wache auf der Königswitwe und der Triumph sind alamiert.
# 15 Soldaten auf dem Hauptdeck; weitere 60 Soldaten auf dem Kanonendeck greifen nach den Waffen
RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Lucien Dravean - 12.05.2017
'Das hier war eigentlich anders geplant...' Bei der Antwort der Schwarzhaarigen hob Lucien unwillkürlich eine Augenbraue. Was du nicht sagst. Hier hinunter zu kommen, dem Leutnant unangenehm aufzufallen und anschließend einen Aufstand unter den Gefangenen anzuzetteln und sich die komplette Marinemannschaft auf den Hals zu hetzen war also gar nicht der eigentliche Plan gewesen? Wer hätte das gedacht. Doch der Dunkelhaarige verkniff sich die zynische Erwiderung, die an dieser Stelle alles andere als hilfreich gewesen wäre. Stattdessen nickte er knapp und auch wenn er auf die Sicherheit in ihrer Stimme und das durchaus charmante, siegessichere Lächeln alles andere als vertraute, so vertraute er immerhin auf die Tatsache, dass er eher hier sterben wollte, als die Gelegenheit zur Flucht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Noch einen kurzen Moment lang ließ er den Blick voller Skepsis über die Fremde wandern, dann lenkte eine flinke Bewegung hinter ihm seine Aufmerksamkeit zurück auf seine Zellengenossen. Was die beiden hinter ihm veranstaltet hatten, um sich gegenseitig zu befreien, kümmerte Lucien nicht. Doch der Bärtige musste seiner Aufforderung wohl auf irgendeine Art und Weise nachgekommen sein, denn der Attentäter war es, der sich die dargebotene Waffe griff und sich zunächst dem verwundeten Soldaten widmete, ehe er die Treppe zum nächsthöheren Deck erstürmte. Gut für ihn. Gut für den Bärtigen. Der 21-Jährige hielt den Grünäugigen nicht auf. In seiner eigenen Hand wäre die Klinge im Augenblick ebenso nutzlos gewesen, wie in der des inzwischen toten Soldaten auf dem Boden.
Als jedoch ein schmerzerfüllter Aufschrei über den Lärm der Gefangenen drang und seinen Blick auf den Leutnant und Talin lenkte, bereute er diese Entscheidung sofort. Der Offizier hatte Talins Dolch genutzt, um sich aus der Umklammerung des Glatzkopfs zu befreien und war nun dabei, den Spieß umzudrehen. Innerhalb weniger Herzschläge hatte er seiner Schwester den Arm auf den Rücken gedreht und hielt sie fest.
Zumindest für einen kurzen Moment – der jedoch vollkommen genügte.
Er bemerkte kaum, wie sein bärtiger Zellengenosse an ihm vorbei stürmte und den Degen gegen den Leutnant richtete, da hatte er schon ohne darüber nachzudenken nach der Pistole gegriffen, die aus dem Waffengurt der Schwarzhaarigen neben ihm ragte und sie der jungen Frau abgenommen. Mit einem einzigen Schritt in Richtung der Drei hob er die Linke und richtete den Lauf der Waffe auf den Leutnant. Dass Samuel ihm dabei mehr oder weniger im Wege stand, schien Lucien nicht zu kümmern. So ungenau das Zielen mit einer Pistole auch war, auf die wenigen Schritte Entfernung schoss er nicht daneben. Ganz bestimmt nicht.
Doch der Dunkelhaarige drückte nicht ab.
„Ich habe über das, was Sie gestern zu mir sagten, nachgedacht...“ Die Stimme des jungen Mannes war kühl. Doch für seine erste impulsive Reaktion auf Talins Zwangslage blieb er erstaunlich beherrscht. Wäre sein Gegenüber nicht der, der er war, hätte Lucien längst geschossen. Nur die lebendige Erinnerung an ihr erstes Aufeinandertreffen hielt ihn davon ab. Der Dunkelhäutige hatte zu diesem Zeitpunkt nicht ganz Unrecht: Für den jungen Häftling bedeutete Marine gleich Marine. Aber nun, da man ihn darauf gestoßen hatte, fielen ihm die Unstimmigkeiten durchaus auf. Befehle, die Chaos stifteten, statt Ordnung. Ein zu lockerer Griff, aus dem Talin sich mit Leichtigkeit befreien konnte. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er vermutet, der Leutnant half ihnen auf subtile Art und Weise bei der Flucht.
Mit einem kurzen Blick aus den Augenwinkeln bemerkte der Dunkelhaarige die beiden Soldaten, die die Treppe wieder hinunter stürmten und auf die kleine Schwarzhaarige zu hielten. Sie würde sich vorerst allein durchschlagen müssen. Und auch die beiden nach wie vor unschlüssig dastehenden Männer, die verdattert von ihrem Leutnant zu dem Bärtigen und ihm selbst hin und her sahen, behielt Lucien im Blick. Rührte sich auch nur einer von beiden, würde er ihn kurzerhand erschießen. Trotzdem blieb ihnen nicht mehr viel Zeit und er war offensichtlich auch nicht der einzige, der so dachte.
Wie zur Bestätigung ertönte plötzlich unmittelbar über ihnen, laut und durchdringend, das hysterische Geläut der Alarmglocken. Unwillkürlich biss der junge Mann die Zähne fest aufeinander. Die grünen Augen huschten zu seiner Schwester, ehe er den Blick wieder auf den Leutnant richtete. Dann fällte er kurzerhand eine andere Entscheidung.
„Vielleicht irre ich mich ja, aber ich denke, wir wissen beide, dass das hier nicht der richtige Ort für Sie ist, Leutnant. Ob Dreckskerl oder nicht, es ist an der Zeit, dass ich mich für die Hilfe, die sie mir angeboten haben, revanchiere. Nun biete ich Ihnen als Gegenleistung die Wahl. Sie können bei ihrem Kapitän bleiben und sehen, was er zu den Ereignissen hier unten zu sagen hat... oder sie kommen mit uns.“
[Zellentrakt | erst bei Shanaya, dann zwischen ihr und Enrique, Talin und Samuel]
RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Greo - 13.05.2017
Etwas angespannt hielt Greo mit dem Ruder gegen die sanften Bewegungen der Sphinx und zwinkerte ein paar Mal angestrengt, um seine Sicht zu klären. In seinem Kopf lief er immer und immer wieder die Schritte des Planes ab, spielte verschiedene Szenarien durch und überlegte, wie sie auf die unterschiedlichsten Ereignisse reagieren konnten, die da auf sie warten mochten.
Aber so sehr er sich auch bemühte, war ihm doch klar, dass es wahrscheinlich anders ablaufen würde, als sie sich das ausgemalt hatten. Das Leben kannte viele Möglichkeiten und es machte sich in der Regel einen Heidenspaß daraus den Menschen zu zeigen, dass sie vom Schicksal keine Ahnung hatten. Irgendwie faszinierte es ihn, dass viele trotzdem aus irgendeiner Tiefe ihrer Instinkte den Willen hervorkramten, sich allen Widrigkeiten zu stellen. Es dauerte ein bisschen, bis ihm gewahr wurde, dass diese Tatsache auf ihn selbst wie gemünzt war.
In der Dunkelheit der Nacht reckte er trotzig das Kinn zur Morgenwind und lächelte grimmig.
Es war ruhig. Das war grundlegend nichts Schlechtes. Aber ihm war klar, dass diese Stille durchaus trügerischer Natur sein konnte. Konzentriert heftete er seinen Blick auf die fernen Lichter. Er konnte trotz der Schwärze gut sehen, was einerseits Segen, andererseits Fluch war. Wenn ich euch sehe, seht ihr mich auch., dachte er und die steile Falte zwischen seinen zusammengezogenen Brauen verriet, dass ihn dieser Umstand besorgte. Was hatte die Sphinx schon einer gut gezielten Vierundzwanzigpfündigen entgegenzusetzen?
Seine Züge glätteten sich ein wenig, als er Gesellschaft erhielt. Kurz glaubte er den blinden Passagier die Treppe hinaufkommen zu sehen, was ihm nicht so recht gefallen hätte. Sein Misstrauen löste sich allerdings, sobald er die hellen Zähne des Koches aufblitzen sah, kaum dass dieser sprach.
„Es ist zumindest nicht der Seegang, der mir zu schaffen macht.“
entgegnete er und erwiderte das Lächeln mit einem scheuen Zucken um die Mundwinkel (zumal ihn der Wink zu Trevor etwas beschämte: es war seine Schuld, dass ihr anderer Neuzugang jetzt ein Nickerchen pflegte). Greo kannte Rayon nicht wirklich und das Leben auf See hatte ihn geschärft Fremden gegenüber wachsam zu sein. Doch die offene Art des Dunklen lud ihn geradezu ein, sich aus der Sicherheitszone zu wagen. So nahm er das Pökelfleisch mit einem dankbaren Nicken gerne entgegen und gönnte sich einen Bissen.
„Stimmt schon“, setzte er an und lenkte seinen Blick erneut dahin, wo er den Horizont vermutete, „Zumal –“
Greo stockte. Irgendetwas veränderte sich. Er nahm das dumpfe, vertraute Geräusch von Alarm wahr, bevor er die frisch entzündeten Lichter erkennen konnte. Unverwandt auf das Schiff in der Ferne blickend neigte der das Gesicht ein wenig zu Rayon.
„Hörst du das?“
Hinter seinen Ohren kribbelte es. Ob ihre Mannschaft es nun geschafft hatte oder etwas anderes die Schiffe in Aufruhr versetzte: jetzt war es an der Zeit sich bereit zu halten.
[Achterdeck Sphinx | am Ruder | Rayon]
RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Talin Dravean - 14.05.2017
Ihre ganze Welt schrumpfte auf den einen Punkt vor ihr zusammen. Die Geräusche hinter ihr verstummten, wurden ausgeblendet, die Bewegungen um sie herum ebenso. Alles was zählte war dieser Mann dort vor ihr, dem sie das kalte Metall ans Kinn hielt und die Tatsache, dass sie einfach nur nach dem Schlüssel greifen musste und die Arbeit von vier Jahren wäre erledigt. Vier Jahre des Planes, des Wartens, des Leidens und das alles wäre mit nur einem einzigen Handgriff vorbei. Ihr 'Gefangener' half sogar mit, indem er die Hand vom Schlüsselbund fort nahm und sie zur Sicherung auf seinen Säbel legte. Ihr Herz schlug wie verrückte und es kam ihr fast vor, als würde alles viel langsamer geschehen als sonst. Selbst ihre Hand, die sich nach dem Bund ausstreckte, schien quasi in der Luft zu verharren.
Und dann war der Moment vorbei, das kühle Metall lag in ihren Händen und es brauchte nur einen kurzen Ruck, um sich auch von der Hand des Kerls aus der Zelle zu befreien, der ebenfalls danach gegriffen hatte. Sie sah darauf hinab, als hätte sie so etwas noch nie gesehen. Doch so seltsam dieser Augenblick auch war, er verging ganz schnell, als sie eine leichte Berührung auf ihrem Rücken spürte und Shanaya sich die Schlüssel griff. Ihr Kommentar riss Talin zurück in die Gegenwart und zwang sie alles um sich herum wieder wahrzunehmen. Ganz offensichtlich hatte sie eine interessante Ereigniskette losgetreten mit ihrer Aktion. Doch ihre Überraschung versteckte sie hinter einem belustigten Lächeln. Dazu musste Shanaya sie nicht erst noch auffordern, doch sie sagte es nicht, sondern konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Sich um den Marinesoldaten kümmern, klar, dass bekam sie hin. Aber leider hatte sie dabei nicht mit dem dunkelhaarigen gerechnet. Bei seiner Antwort runzelte sie für einen Moment die Stirn. Als ihr klar wurde, was er vor hatte, war es zu spät, die Hand weg zuziehen.
Nur einen Augenblick später übertönte ein lauter Schmerzensschrei die anderen aufgebrachten Gefangenen. Doch statt sie still werden zu lassen, stachelte dieses Geräusch sie anscheinend nur noch auf. Sie selbst wurde dabei zurückgestoßen, worüber sie eigentlich ziemlich froh war. Jetzt in der Nähe des Glatzkopfes zu sein, erschien ihr wie ein Todesurteil. Und so hasserfüllt, wie er nun den Marinesoldaten ansah, sollte dieser der Zelle besser nicht noch einmal zu Nahe kommen.
Im Nächsten Moment wurde sie auch schon nach hinten gezogen, spürte die Hitze eines menschlichen Körpers und ihren eigenen Dolch im Rücken. Das hatte er jetzt doch hoffentlich nicht wirklich getan, oder? Zähneknirschend warf sie einen Blick nach hinten, widerstand aber dem Drang sich zu bewegen und nach ihrem zweiten Dolch zu greifen. Nicht, dass sie im Moment an diesen heran gekommen wäre.
„Ich habe festgestellt, dass ich mit diesen Dolchen auch gut jemanden entmannen kann, also erübrigt sich die Frage wohl.“
Mit den nächsten Worten des Leutnant hatte sie allerdings nicht gerechnet. Sie verengte die Augen zu schlitzen, befreite sich aber nicht, obwohl er sie locker genug festhielt, dass sie sich einfach aus seinem Griff hätte winden können. Er half ihnen, obwohl er doch sicher ganz genau wusste, was für einen Ärger er sich damit einbringen würde.
Aber bevor sie ihm etwas törichtes sagen konnte, geschah plötzlich alles auf einmal. Die beiden Mitgefangenen ihres Bruders tauchten auf und auch Lucien schien sich in ihre Angelegenheit einmischen zu wollen. Bei allen Welten, was war sie gerade begehrt. Sie schnaubte leise, lauschte erst auf den Kamikazekerl, der die Treppe erst nach oben und jetzt wieder hinunter gerannt kam, dann auf das 'Schätzchen', dass sich an den Lieutnant gewandt hatte und schließlich ihren Bruder, der wenigstens ein bisschen produktiv mitwirkte, statt wie die anderen ziemlich offensichtliche Dinge festzustellen.
Es wurde Zeit zu handeln, denn die Situation spitzte sich mit den grölenden Gefangenen und der Alarmgeläut von oben immer weiter zu.
Mit ein bisschen Nachdruck, damit es den Schein von Echtheit wahrte, befreite sie sich aus dem schwachen Griff des Mannes, lockerte kurz ihre Schulter und stach dann, den Überraschungsmoment ausnutzend, dem einen Soldaten neben ihr den Dolch in die Kehle. Etwas angewidert zog sie die Klinge wieder heraus, sah kurz zu wie der Körper zu Boden sank und wandte sich dann an die vier Männer vor ihr. Kurz nickte sie dem Kamikazekerl zu, denn sie stimmte mit ihm überein. Es wurde Zeit, das sie von ihr verschwanden. Sie nahm sich einen kleinen Moment, um sich einen Überblick über die Lage im Gang zu verschaffen, bevor sie mit einem schnellen Schritt an die Seite ihres Bruder trat. Er hatte die Situation mit dem Marineangehörigen unter Kontrolle, also konnte sie Shanaya helfen. Kurz berührte sie Lucien vorsichtig am Arm, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, behielt dabei jedoch den Lieutnant im Augenwinkel.
„Sieh zu, dass du fertig wirst. Wir müssen von hier verschwinden.“
Schon lief sie in Richtung von Shanaya, als sie sich noch mal an den gruseligen Mitgefangenen von Lucien wandte.
„Wenn du noch Kraft hast, halt uns die Soldaten vom Hals, die von oben kommen. Geht dann alle nach unten, verstanden?“
Sie wartete auf keine Antwort, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Bedrohung vor der Schwarzhaarigen. Den Dolch nun in der linken Hand zog Talin ihren Degen, hielt sich nicht damit auf anzuhalten, sondern ging auf die beiden Soldaten los. Sie parierte kurz einen halbherzigen Schlag von einem der Soldaten und rammte ihm den Dolch in die Seite, bevor ihr Degen durch das Fleisch auf der anderen Seite drang. Aus dem Augenwinkel warf sie Shanaya einen Blick zu und ein leichtes Grinsen huschte über ihre Lippen.
„Zeit zu gehen.“
[Zellentrakt | erst bei Enrique, Yaris, Lucien und Samuel, dann bei Shanaya]
Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Shanaya Árashi - 14.05.2017
Bisher war das alles hier fast zu einfach gewesen. Wenn man von Aspens kleinem Fehltritt absah, lief es doch ganz gut. Einer der drei Gefangenen war frei – die Kampfgeräusche der Anderen waren also nicht mehr als ein leises Hintergeräusch. Und wenn die beiden sich jetzt wegen des Schlüssels umbrachten, für sie wäre das kein Verlust. Dass eben jener Befreite keinen Mucks von sich gab, als Antwort nur ein Nicken übrig hatte, nahm die junge Frau nur mit einem lautlosen Schnaufen hin. Er würde noch Gelegenheit bekommen, ihr seine unendliche Dankbarkeit zu zeigen. Oder auch nicht, je nachdem, wie Talins Bruder drauf war. Vielleicht kroch er auch dankbar vor ihr auf dem Deck rum und küsste ihr die Füße? Möglich war alles, aber... das war nicht wirklich wünschenswert, wenn sie ihrem neuen Captain nicht direkt mit dem Fuß ins Gesicht treten wollte. Ein Gedanke, der das Lächeln zurück auf ihre Lippen lockte.
Der blaue Blick ruhte noch einen Moment auf dem Mann, ehe auch sie von der Bewegung einer der Gefangenen abgelenkt wurde. Er kam aus der Zelle, nahm sich den Degen und erlöste den Soldaten, den sie angeschnitten hatte. Shanaya hob leicht skeptisch eine Augenbraue. Ein guter Samariter, hm? Er saß ganz bestimmt für all die guten Taten in seinem Leben auf diesem Schiff. Für die Leben, die andere in Gefahr gebracht hatten – und die er gutherzig beendet hatte. Trotz dieses lächerlichen Gedankens umfasste die Schwarzhaarige ihren Dolch ein wenig fester. Jeder der Anwesenden konnte zu einer Gefahr werden, wenn er bewaffnet war. Wenn nicht für Lucien, weil sie ihre Zeit zusammen in dieser Zelle verbracht hatten, dann für sie. Der Dunkelhaarige wurde also genau gemustert – aber er schien mit den Gedanken schon woanders zu sein. Kaum hatte er einen Soldaten erledigt, war er wohl darauf aus, sich noch einen zu schnappen. Die junge Frau hob eine Augenbraue, verkniff sich aber jeden weiteren Gedanken. Gut, mit dem Gegröhle der ganzen Gefangenen und seiner Aktion würde es hier unten bald recht voll werden.
Erst ein bestimmtes Gefühl riss ihre Aufmerksamkeit von der Treppe weg, die der Dunkelhaarige nach oben genommen hatte. Das Gefühl, leichter zu sein, wenn auch nicht viel. Mit einem verwirrten Blick wandte sie den Kopf herum, betrachtete den Mann, der ihr gerade die Pistole aus dem Gürtel geklaut hatte. Also wirklich, unerhört! Die Pistole, die sie auf jeden Fall brauchen würde...! Aber mit dem nächsten Herzschlag war einen Schritt vorgetreten, hatte die Pistole auf – Oh, das hatte sie nicht einmal ernsthaft wahrgenommen! - die kleine Gruppe um Talin gerichtet. Die Dunkelhaarige betrachtete kurz seine ausgestreckte Hand, ehe sie den Blick ganz auf das Geschehen richtete. Die Blonde wurde einen Moment von dem Griesgram festgehalten, der dritte Gefangene mischte sich auch noch ein und Shanaya wartete nur darauf, dass der Schuss fiel. Aber das Geräusch blieb aus, den Gedanken, Lucien auffordernd anzustoßen, verwarf sie jedoch sehr schnell wieder. Sie wusste Nichts von seinen Schießkünsten, ob er wirklich treffen würde und nicht aus Versehen einen von ihnen hinrichtete. Kein guter, erster Tag als Captain. Oder vielleicht doch, wenn er den richtigen traf... Ungehört von den Anderen räusperte die junge Frau sich, wollte nun selbst zu der kleinen Gruppe treten, als hinter ihr hektische Schritte laut wurden. So bemerkte sie auch irgendwie am Rande, dass der gute Samariter wieder da war. Er schien seine Sache im 'Marinesoldaten aufwecken' gut gemacht zu haben.
Shanaya gab sich selbst keine Zeit zum zögern, umfasste nur wieder fester den Degen und machte sich auf den Angriff bereit, der folgen würde. Mit einer ruhigen Drehung richtete sie sich den beiden Soldaten zu, blendete das Geschehen hinter sich bestmöglich aus. Sie lächelte, trat den Männern einen Schritt entgegen, ehe sie mit dem nächsten Atemzug bei ihr waren und sofort mit den Degen ausholten. Mit einem Schritt zur Seite wich Shanaya dem ersten aus, konnte so den zweiten Hieb parieren. Er setzte auf seine Stärke, als wolle er diesen Kampf schnell hinter sich bringen. Das konnte sie gut für sich nutzen, auch wenn sie selbst das schnell hinter sich haben wollte. Ein paar Hiebe ging es also so weiter, Shanaya teilte aus, parierte und beobachtete dabei so gut es ging die Bewegung der beiden Männer. Als sie jedoch gerade zu einem neuen Angriff ansetzen wollte, tauchte in ihrem Augenwinkel eine weitere Gestalt auf – die kurzen Prozess mit dem Mann machte. Ob er sie als Frau unterschätzt hatte? Wahrscheinlich. So gelang es der Dunkelhaarigen jedenfalls besser, sich auf einen der Männer zu konzentrieren, der nach einem weiteren, verzweifelten, halbherzigem Angriff seinerseits eine Klinge durch den Rumpf gebohrt bekam. Beide waren erledigt, sodass Shanaya sich mit einem breiten, gut gelaunten Grinsen zu der Blonden herum drehte, sie locker mit dem Ellenbogen gegen den Arm stieß.
„Den dramatischen Abgang konntest du dir nicht verkneifen, hm?“ Ein kurzer Blick zu den anderen, ehe sie der anderen Frau zunickte. „Ich bin ganz deiner Meinung.“
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RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Skadi Nordskov - 14.05.2017
All das hier lief aus dem Ruder. Schreie und Rufe ertönten, ohne das Skadi sie mehr zuzuordnen wusste. Hörte hier und da eine bekannte Stimme aus dem Gewirr heraus und war doch zu sehr mit dem dunklen Schopf vor sich beschäftigt, dessen augenblicklicher Hieb einen stechenden Schmerz durch ihren Körper jagte. Abgelenkt von dem katzenähnlichen Tier, bemerkte sie den zurückschnellenden Kopf zu spät, als dass sie ihm noch ausweichen konnte. Spürte erst den Schwall roten Lebenssaft auf ihre Lippen tropfen, kaum dass ihr schmaler Oberkörper zurück taumelte und kraftvoll gegen die Holzplanken krachte. All die Jahre auf diesem Schiff und sie ließ sich von einem Vieh ablenken, das selbst nicht so recht wusste, ob es ein Wolf oder ein winziger Panter sein sollte? Scheiße! Schnaubend und leise fluchend hob die Dunkelhaarige eine Hand an ihr Gesicht, lokalisierte das heftige Pulsieren ihrer Nase und atmete zischelnd die abgestandene Luft ein. Der Dreckskerl hatte ihr Gesicht mit voller Breitseite getroffen und es blieb zu hoffen, dass es nicht mehr als nur eine Prellung war.
Ein Funkeln durchfuhr die dunklen Iriden beim Anblick des Fremden, der unter dem aufkommenden Chaos wie eine Fackel aufleuchtete. Sie kannte sein Gesicht irgendwoher, wusste den düsteren Ausdruck jedoch kaum zuzuordnen. Womöglich eine Halluzination oder der tief vergrabene Herzenswunsch eines kleinen Mädchens, das nach Hause zurückkehren wollte. Und wenn sie diesem Vogelfreien nicht gerade ihre Hilfe angeboten hätte, würde sie sich mit reichlich Kampfeskraft für den Hieb revanchieren, der alarmierendes Rot über ihr Kinn gen Boden tropfen ließ.
"Wäre mir neu, dass Schlangen schmecken."
Entgegnete die Jägerin mit einem Zucken in den Mundwinkeln. Umfasste die Hand des Piraten mit festem Griff und erhob sich mit einem Ruck zur vollen Größe. Machte der Schmerz sie für einen kurzen Sekundenbruchteil unsicher auf den Beinen, fasste sie sich wieder binnen weniger Herzschläge und löste geschickt zwei Dolche aus ihrem Gürtel. Beobachtete den schlanken Körper der Ginsterkatze in seiner Flugbahn, gefolgt vom dunklen Haarschopf, dessen Aufmerksamkeit von ihrer Wenigkeit auf den Rest der Crew übergegangen war. Nur leise drang der Ruf des Offiziers hinter ihrem Rücken über die Köpfe der Meute hinweg. Zupfte an den Spitzen ihrer Ohren und ließ die wachsamen Augen über die Schulter zurück gleiten. Für einen Augenblick erkannte sie das Gesicht Enriques im Gemenge, verengte die Augen und spürte ihr Herz mit zunehmendem Tempo in ihrer Brust wüten. Was zum Teufel hatte er nur vor?
Angespannt musterte sie die feine Miene des Älteren, dessen Absichten so verschleiert schienen, wie dichter Nebel über eisigem Wasser. Manchmal wusste sie nicht so recht, ob ihr mittlerweile fest verwurzeltes Vertrauen ihm gegenüber nicht naiv war. Ob sie sich nicht instinktiv darin verrannte, ihn als Familie zu sehen, die sie nie wieder haben würde.
Doch es waren weder Liam, noch Sineca, die ihren Verstand in die Realität zurück holten. Es waren Glocken, schrill läutende Glocken, die ihre Miene kreidebleich werden ließen. Den Ausdruck schieren Entsetzens in ihre Miene meißelten und einen Lidschlag später einen herben Fluch über ihre Lippen schickten. "Verfluchte Scheiße, dieser räudige Bastard!"
Ruckartig hechtete Skadi voraus in Richtung Treppe, umklammerte den Griff der beiden Dolche mit festem Griff, der die bleichen Knochen hervortreten ließ. Bald würde es hier nur vor Soldaten wimmeln und eine Flucht angesichts dieser Anzahl an Gegnern wäre unmöglich - es sei denn, sie blockierten die Wege und eliminierten jeden Angreifer, der sich in den Bauch des Schiffes verirrte. "Ein waschechter Pirat also, mh?", wandte sich der drahtige Körper auf der Hälfte der Treppenstufen herum, starrte direkt zu Liam hinab, der Filans zappelnden Körper an den Gitterstäben der Gefangenen klebend beobachtete. "Na dann lass mal sehen, wer von uns beiden mehr Soldaten ins Jenseits befördert."
Skadi konnte nur hoffen, dass der Fremde ihre Aufforderung verstand und ihr folgte. Zwar behauptete sie gern von sich eine waschechte Jägerin zu sein, doch hatte selbst sie bisher keine Meute dieser Größenordnung im Visier ihrer Pfeilspitze gehabt. Oh. Wie gern sie doch den Bogen ihres Vaters an ihrem Körper gewusst hätte. Alles wäre so viel leichter mit diesem kunstvollen Instrument, im Gegensatz zum schimmernden Metall, das bei ihrer Bewegung an ihren Beinen vorbei sauste. Sie musste Enrique vor dem Schlimmsten bewahren, wenn es hart auf hart kam. Musste ihm die Chance frei räumen mit den Piraten zu verschwinden, denen er offensichtlich Zeit schenkte. Das Chaos verschlimmerte, das hier unten herrschte, nur um Sekunden zu schinden. Atemzüge, in denen eine Rückkehr zum Greifen nah schien.
Das Geräusch von Fußschritten drang an ihre Ohren, kaum dass Skadi den letzten Absatz der Treppenstufen erreicht hatte. Mit kurzem Blick um die Ecke sah und im Zwielicht des Kanonendecks die schläfrigen, trägen Körper ausmachte, deren hektische Bewegungen in der Mitte des Raumes mit jedem weiteren Läuten der Glocken zügiger wurde. Aus ihrem Tiefschlaf geweckt, purzelten die Soldaten wie aus dem Winterschlaf erwachte Bären aus ihren Hängematten, wuselten konfus und vollkommen irritiert durcheinander. Einem Schatten gleich schlich sich die Jägerin an den Kisten entlang, entfernte sich ein Stück weit vom Tumult und musterte aus den Augenwinkeln die Kanonen, deren Silhouetten wie massive Bergfriede im Halbschatten aufragten. Sie musste sich etwas einfallen lassen, wenn sie hier lebend heraus wollte. Mit etwas Glück sogar den Kapitän wie ein Schwein auf ihrem Zahnstocher aufspießen konnte, bevor sie mit einem Sprung ins Wasser und in die Freiheit sprang. Ganz gleich ob die Piraten sie dort heraus zogen oder sie den Frieden findend unterging.
Ruckartig blieb sie stehen, schielte über den dunklen Pony an die Decke, ehe sich lange Finger auf das harte Metall einer Kanone niederließ. Der Lärm oberhalb wurde deutlicher, lauter, durchdrang ihre Knochen wie der Schrei einer Sirene. Angespannt biss sich der Sergeant auf die Lippen, blickte über die Schulter und... schnappte augenblicklich nach Luft. Wer sagt's denn! Wenige Meter entfernt, halb verdeckt durch eine der unzähligen Kisten voller Kanonenkugeln, ruhte die kleinste der weitreichenden Geschosse. Lugte mit ihrer winzigen Öffnung zu ihr hinüber und versetze ein breites Grinsen auf das Gesicht der 22 Jährigen. Vielleicht mochte sie mit ihren Dolchen auf geringe Distanz Blut vergießen können, doch wer sagte, dass man seine Gegner nicht lieber auf Distanz hielt?
{Zellentrakt, in Sichtweite von Enrique und den anderen | zu Beginn direkt neben Liam | dann auf dem Weg zum Kanonendeck }
Viel bekam er von Martínez Ende nicht mit aber es reichte, um sich ihm einzubrennen. Damit stand der Erste auf der Liste der Toten, die bei der Befreiung Draveans fielen und die er zu verantworten hatte.
Später würde er sich nur all zu deutlich daran erinnern, derzeit speicherte sein Verstand seine Wahrnehmungen nur ab, so sie nicht für sein Handeln wichtig waren.
„Ich habe festgestellt, dass ich mit diesen Dolchen auch gut jemanden entmannen kann, also erübrigt sich die Frage wohl.“
Darauf hatte er kurz Lachen müssen, ehe er ihr seine nächsten Worte zugeflüstert hatte.
Dann, während sie sich versteifte und, wie es schien, seine Aufforderung erst verarbeiten musste, registrierte Enrique nebenbei Jackson Stolpern. An dessen Tod trug er direkt mit Schuld, und der war ein guter Mann gewesen. Wie Martínez hätte er mindestens einen schnellen Tod verdient. Ihm diesen geben konnte er ohne aufzufliegen nicht. Genauso wie er ihn nicht wieder gesund machen konnte. Also schob sein Unterbewusstsein das Bedauern sammt dieser Gedanken bei Seite. Nachher wäre Zeit genug. Jetzt würde er nahezu unberührt noch mehr Männer in den Tod schicken. Denn wenn er wollte, dass Samuel und Yaris entkamen, dann hatte er keine andere Wahl.
Sein Hauptaugenmerk lag allerdings auf ihr. Was Talin hatte antworten wollen würde er wohl nie erfahren. Denn der Richter tauchte vor ihnen auf, machte aber eine mehr als lächerliche Figur. Irgendwas hatte ihn so gefordert, dass er sich kaum auf den Füßen zu halten können schien, geschweige denn die Waffe heben, trotzdem funkelte er den Leutnant finster an.
Enrique fing dessen Blick auf - und resignierte fast. Kurz schloss er die Augen.
Das hätte er wissen müssen und hatte es doch übersehen. Da verschrieb er sich dem Untergang, der eh schon auf ihn wartete um den Leuten zu helfen, die es verdient hatten oder die ihm wichtig waren - und dieser Mann wollte aus falsch verstandener Loyalität die Hilfe nicht annehmen. Aber Samuel würde das Schiff verlassen und wenn er ihn persönlich über Bord werfen musste! Und er wusste auch schon, wie er das anstellen würde. de Guzmán fing an zu grinsen. Du hast keine Ahnung Richter. Und das ist auch gut so!
Entschlossenheit brannte in seinem Blick als er die Augen wieder aufschlug, Zaedyn erneut fixierte und mit scharfem Ton erwiderte:
"Mister Zaedyn, ich habe mir das sehr gut überlegt und werde mit dieser Frau machen, was ich will. Aber haben sie sich gut überlegt, was ihr tun für Folgen haben wird? Wenn sie mich oder diese Leute aufhalten wollen, dann müssen sie schon mehr zustande bringen, als—"
Weiter kam er nicht. Luciens Worte übertönten den Lärm zwar kaum, teilweise mußte er sogar raten, und dann ließ er den Satz auch noch unvollendet aber der Ton war mehr als eindringlich.
Mit dieser Aktion hatte der Schmuggler ihm gerade gezeigt, dass er ihn richtig eingeschätzt hatte. Denn der kleine Fuchs hatte nachgedacht und ihn bis jetzt nicht erschossen.
Der Dunkelhäutige sah ihn über den Lauf der Waffe an, das Grinsen zog sich schlagartig in sein Inneres zurück und er dachte sich seinen Teil. Die Beiden mussten sich wirklich sehr nahestehen, wenn ihn diese Situation so aufwühlte.
Die Schiffsglocke schlugen plötzlich alarm. Sogar über den infernalischen Lärm der Gefangenen war ihr Dröhnen hier unten zu vernehmen. O'Reily. Damit war der aus dem Weg. Dafür rannte die Zeit davon. Aber Irgendwas war immer.
Denn der Kleine Fuchs sprach weiter und die Wahl die dem Leutnant dann geboten wurde kam für ihn völlig überraschend.
Was passieren würde, wenn er bliebe, darüber hatte er schon ausgiebig nachgedacht. Zeit abzuwägen, welche Vor-und Nachteile es hatte sich Lucien anzuschließen, brauchte er nicht.
Ihm war sofort klar, dass er damit Samuel vom Schiff bekäme, dass er damit Harpers Wüten und wahrscheinlich dem Gefängnis entging; andererseits würde er Kaladar noch früher im Stich lassen, und zwar so, dass der die gesamte Schuld hierfür erhalten würde; er würde seine Ehre und seinen Ruf verlieren, gut, für letzteres würde der Kapitän sowieso sorgen, das bräuchte er nicht zu berücksichtigen, seine Aufstiegschancen in der Marine konnte er wahrscheinlich eh abschreiben und selbst wenn, er wusste, dass er auf diesem Wege nicht das erhalten würde, was er wollte; Geld würde er verlieren, aber nicht soviel, dass er seine Geschäfte nicht fortführen könnte und wo es knapp würde könnte er...
All das war aber irrelevant, reduzierte sich auf eine Frage:
War er ein Angehöriger der Marine, der lediglich dafür sorgen wollte, dass ein paar Leuten Hilfe zuteil wurde oder längst jemand anderes, ein Gesetzloser, der nur noch den Schafspelz abstreifen müsste um als Wolf auch erkennbar zu sein?
Talin entwand sich seinem Griff mit genug Kraft, dass er nur ein kleines bisschen nachhelfen musste, um in Brown hineinzustolpern und so von Lucien umbemerkt in dieser Deckung seine Rechte auf den Griff seines Säbels fallen lassen konnte.
Der Gefreite nuschelte etwas von "Vorsicht Sir!", und schob wankend den Leutnant von sich.
Yaris erschien neben der Blonden und flüsterte ihr etwas zu. Harknes Tod hatte er nicht einmal mitbekommen, aber da der Attentäter unbehelligt zurückgekehrt war musste er ihn zur Strecke gebracht haben. Er war also Nummer Drei.
Und auch wenn Harknes ein grobschlächtiger Idiot und ein verabscheuungswürdiger Trinker war, sogar, dass sie einander nie gemocht hatten noch je mögen würden machte es nicht angenehmer ihn zu verlieren. Doch auch das schob der Offizier in ihm beiseite und konzentrierte sich auf Situation und Ziel.
Aus dem Augenwinkel sah er Kaladar die Treppe hinaufhetzen, innehalten und etwas nach unten sagen. Der Sergeant floh? Nein, ihm war niemand auf den Fersen, nicht mal ein Rückzugsgefecht. Und da außer den Eindringlingen und Befreiten kaum noch einer stand konnte er nur mit den Gesetzlosen reden.
Was hatte er vor?
Da er weder wehement versuchte zu ihm vorzudringen, noch einen Grund hatte, Alarm zu schlagen oder sich mit einem der Fremden im Kampf befand konnte das eigentlich nur eines heißen: Er arbeitete nicht gegen sondern mit ihnen.
Ahnte er worum es Enrique ging? Tat er es aus eigenem Antrieb?
Was es auch war, es machte vieles einfacher.
Derweil ließ die kühle Schönheit Vernal ihren Dolch spüren. Genugtuung schickte dem Dunkelhäutigen den Anflug eines Grinsen aufs Gesicht. Wie oft hatte er das bei diesem Lügner schon tun wollen?
Als er dann auch noch Filan erstickten Aufschrei hörte brach es sich wieder Bahn.
Im nächsten Moment sprach der kleine Singvogel mit Dravean. Sie wies ihn nicht scharf zurecht, hatte also entweder nichts gegen sein Angebot, gab ihm einen Rat oder warnte ihn.
Danach wandte sie sich zu der schwarzhaarigen Furie um hielt aber noch kurz inne um Anweisungen zu geben.
„... Geht dann alle nach unten, verstanden?“
By Thunder! Was sollte denn der Unfug? Wollte sie, dass sie festgesetzt wurden? Er seufzte. Wenn das hier richtig gemacht werden sollte, dann musste er sich wohl selbst darum kümmern.
"Wenn Sie dieses Schiff schnell verlassen wollen Jovencita Talin, dann folgen sie besser mir!", konterte er vernehmlich über den Lärm während er blank zog. Dabei achtete er darauf, dass Jones zwischen dieser Bewegung und dem Schmuggler stand. Er hatte keine Zeit für langwierige Diskussionen oder Erklärungen. Und erschossen werden wollte er dann doch nicht.
Jones sah ihn völlig verdattert an und lallte: "Aber Sir-!"
Dann grinste er seinen Vorgesetzten trunken an, in der Annahme, dass dieser sich jetzt mit ihm in den Kampf stürzen würde, noch zu benebelt, um zu kapieren, dass sie inzwischen einer deutlichen Übermacht gegenüberstanden. Denn derweil machten die beiden Amazonen kurzen Prozess mit Tourville und Alvarez.
Um so entsetzter war der Gefreite als der Offizier ihn kurzerhand packte und ihm den Säbel von unten schräg nach oben durch den Körper rammte während er ohne Unterbrechung weitere Anweisungen über den Lärm brüllte:
"Dort unten können sie das Schiff nicht verlassen. Ihr Weg führt durch meine Kajüte. Da geht es durch den Gunport raus."
Er wartete nicht ab, wie sie reagieren würden, sondern eilte zum Niedergang. Falls er von Besatzungsmitgliedern mit Beschlag belegt wurde gäbe es kein Problem. Dravean kannte den Weg. Inzwischen hatte er wieder genug Luft um gleichzeitig zu laufen und zu rufen.
"Der Rest greift sich jeweils einen der ehemaligen Gefangenen. Führen sie sie wie solche! Dann fallen sie weniger auf.
"Bewegung! Bewegung!"
Mit großen Sprüngen hastete er die steile Stiege zum Kanonendeck hinauf. Wie oft er das schon gemacht hatte...
Vorerst würden seine Taten dem kleinen Fuchs als Antwort reichen müssen. Falls nicht blieb ihm immer noch zu schießen.
Was als nächstes? Er könnte der Besatzung den Befehl erteilen voraus zum Bug zu eilen und behaupten, dass sie über jene Treppe zu entkommen suchten, während sein eigentliches Ziel seine Kajüte direkt am oberen Ende dieses Niederganges war.
Sollte der Bereich wieder erwarten frei sein, dann könnten sie sogar ungehindert das Schiff verlassen...
Oben angekommen fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es gab etwas besseres. Wenn er schnell genug war würde er nur einen Satz brauchen. Sie würden ihn nicht hinterfragen. Nicht von einem ihrer Offiziere. Nicht wenn sie ihn erwarteten. Und er würde das ganze Schiff damit lahmlegen.
In dem darauf folgenden Chaos hätten sie alle Zeit, die sie brauchen würden.
Dass er dann die Morgenwind verlassen müsste weil er sich da nicht herausreden konnte kam ihm nicht mal zu Bewusstsein. Derzeit agierte er einfach im Sinne seiner Entscheidung.
Breitbeinig stellt er sich in den Durchgang zum Kanonendeck, wo die verschlafene Crew sich aufraffte. Derzeit fielen sie noch aus den Hängematten, nahmen sie ab und stopften die Bündel in die vorgesehenen Bereiche an der Bordwand.
Er war also noch rechtzeitig.
Und ehe er sich versah oder sich hätte umentscheiden können donnerte er den Befehl hinaus:
"ALLE MANN AN DECK!!!"
{ Zellentrackt | zunächst direkt bei Talin, Samuel, Jones, Vernal und Yaris, in Sicht-und Hörweite der anderen | dann auf dem Weg nach oben | am Ende an der Tür zum Crewbereich }
RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Talin Dravean - 16.05.2017
Mit einiger Kraftanstrengung zog sie ihre beiden Waffen aus dem Körper des Soldaten. Sie verschwendete schon keinen Gedanken mehr an ihn, als er leblos zu Boden sank und sie ihren beiden Waffen wegsteckte. Später konnte sie sich über den Tod der Kerle nachdenken, aber jetzt musste sie sich auf ihr Ziel konzentrieren. Und deshalb wandte sie sich mit einem Grinsen Shanaya zu, die ihrerseits den Marinesoldaten erledigt hatte. Leise über die Worte der Schwarzhaarigen lachend, blitzte sie diese vergnügt an.
„Du hättest nicht anders gehandelt, wenn du in meiner Situation gewesen wärst. Starke Auftritte liegen uns eben.“
Noch einmal huschte ein kurzes Grinsen über ihre Lippen, bevor sie sich einem anderen Problem zuwandte. Ihr Blick fiel zurück auf die kleine Ansammlung um ihren Bruder herum. Fest biss sie die Zähne zusammen und unterdrückte einen bösartigen Kommentar. Wenn sie dieses Schiff schnell verlassen wollten...natürlich wollten sie das und das war auch der schnellste Weg, denn von oben kamen nun mal so viele Soldaten, dass sie nichts anderes tun konnten. Aber offensichtlich dachte der Leiutnant, dass sie total bescheuert wäre. Waren da unten etwa keine Fenster aus denen sie klettern konnten? Wirklich nicht? Talin schnaubte leicht abfällig. Was für ein Klugscheißer.
Aber für den Moment hielt sie ihren Mund, sah statt zu dem Schwarzhaarigen zu ihrem Bruder und warf ihm einen fragenden Blick zu. Traute er diesem Kerl genug, dass er ihm folgen würde? Auf sein Wort würde sie sich verlassen, nicht auf das eines Marineangehörigen.
Als sie seinen Blick schließlich auffing und er mit den Schultern zuckte, lächelte sie leicht und nickte. Gut, dann würde sie den komischen Kauz eben machen lassen und seinen Fluchtweg nehmen. Sollte ihr recht sein. Dann würden sie und Shanaya eben für das nötige Signal sorgen.
Mit vor Aufregung und Adrenalin pochendem Herzen wandte sie sich wieder dem anderen Mädchen zu.
„Komm. Ich brauche deine Hilfe.“
Damit rannte sie zu der Treppe, die sie vorhin aus dem Frachtraum heraufgekommen waren. Schnellen Schrittes nahm sie die Treppenstufen, während sie sich schon einmal die Mütze vom Kopf riss. Wenn sie jetzt gingen, dann wollte sie nicht von den schweren Marinesachen behindert werden.
Als sie unten ankam, hatte sie das Wams schon abgestreift und arbeitete gerade daran auch das Hemd darunter los zu werden. Währenddessen ließ sie den Blick durch den dunklen Raum schweifen. Hier irgendwo..diese Fässer waren bestimmt hier, vorhin hatte sie sie doch kurz gesehen oder nicht?
Mit einem saftigen Fluch riss sie sich das Hemd über den Kopf und atmete kurz etwas befreiter, als sie sich, nur noch mit ihrem eigenen Hemd bekleidet, an Shanaya wandte.
„Such Pulverfässer! Ich weiß, ich habe vorhin welche gesehen.“
Und schon wandte sie sich wieder den Schiffswänden zu, auf der Suche nach den gesicherten, höher gelagerten Fässern.