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Spiel mit dem Feuer - Druckversion

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RE: Spiel mit dem Feuer - Shanaya Árashi - 30.04.2019

(Altlasten die im Text-Archiv warten raus kramen und posten - Check!)

Natürlich suchte man bei Lucien den Gentleman vergebens. Sie hatte es nicht vor gehabt, aber ob jemand anderes da fündig geworden war, interessierte sie dann doch etwas. Trotzdem bekam er auf seine Antwort hin nur ein leichtes Nicken zugeworfen. Sie bedauerte diese Tatsache ja fast. Aber viel wichtiger war seine Zustimmung zu ihrem nächsten Plan.

„Und dann noch in meiner Gesellschaft. Was meinst du, wie sich das Warten da lohnt...“

Ein selbstsicheres, eindeutiges Grinsen galt dem Dunkelhaarigen, der sich nun den ersten Bissen seines Fleisches gönnte und den Blick kurz schweifen ließ. Ein Moment, in dem sie ihn beobachtete – und zwar ganz genau. Erst sein Gesicht – dann das, was er in der Hand hielt. Aber bevor die junge Frau zupacken konnte, wandte Lucien sich wieder ihr zu, bekam nun das unschuldigste, zuckersüßeste Lächeln geschenkt. Na gut, er hatte das gleiche Essen wie sie, sie hatte selbst noch genug. Also schob sie sich ein weiteres Stück in den Mund, drehte sich damit endlich wieder richtig rum, als der Mann mit den grünen Augen auf ihrer Höhe war. Auf ihrem Fleisch kauend hob sie blauen Blick direkt zu seinem Gesicht, wog den Kopf dabei ein wenig zur Seite. Ein Hauch Nachdenklichkeit lag in ihrem Gesicht. Was sie als nächstes tun wollten hatten sie bereits geklärt, was bezweckte er also mit dieser Frage? Ihr Kopf wog sich also etwas zur anderen Seite, wieder die gewohnte Herausforderung im Blick.

„Ich habe viele Ziele, du musst schon genauer werden.“

Wieder landete ein Stück Fleisch in ihrem Mund, während ihrem hellem Blick etwas von ihm natürlich nicht entgangen war. Hmm. Fast ein wenig verschwörerisch kam sie dem Dunkelhaarigen deutlich näher, so nah es ihr möglich war, klebte fast an seiner Seite, während sie nicht langsamer wurde.

„Verrätst du mir ein Geheimnis?“ Ihre Stimme war deutlich leiser geworden, in ihren blauen Augen wieder der unschuldige Ausdruck, das sachte Lächeln auf den Lippen, als ihre Stimme nur noch ein Flüstern war. „Was kann deine rechte Hand für Tricks?“

Eigentlich wollte sie nur wissen, ob der Mann alles, was seine linke Hand scheinbar für ihn tat, auch mit der rechten bewerkstelligen konnte. Aber so klang es doch gleich viel dramatischer.



RE: Spiel mit dem Feuer - Lucien Dravean - 04.05.2019

Dieses Mal war es an ihm, ihre Antwort fast ein bisschen zu bedauern. In einem leisen, nur halb ernst gemeinten Seufzen stieß er die Luft aus.

Wenn es nur mal so wäre, Shanaya.

In den tiefgrünen Augen blitzte der Schalk auf, als er ihr einen amüsierten Seitenblick zuwarf. Die Schwarzhaarige war unleugbar eine angenehme Gesellschaft. Aber das reichte ihm bei Weitem nicht, um zu behaupten, dass sich das Warten bei ihr lohnte. Es lohnte sich schließlich bei keiner Frau. Auch Shanaya hatte nichts, was er nicht anderswo bekam – nicht, solange sie ihm nicht das Gegenteil bewies. Sie mochte in diesem Sinne ganz von sich überzeugt sein. Er war es allerdings weniger.
Mit einem hintergründigen Lächeln wandte er sich wieder seinem Fleisch zu, biss ein Stück davon ab und umging damit für's Erste eine weitere Antwort. Er würde darauf zurück kommen. Bei nächster Gelegenheit.
Kurz überraschte ihn wieder einmal, dass ihn weit mehr interessierte, als ihre Ziele in Bezug auf ihn. Doch er bekam nicht die Gelegenheit, den Gedanken weiter zu verfolgen, weil Shanaya in diesem Moment ein Stück näher kam. Genauer gesagt ging sie förmlich auf Tuchfühlung und Lucien verschluckte sich beinahe an seinem Spanferkel, als er versuchte, ein Glucksen zu unterdrücken.
Erwartungsvoll, was für ein Geheimnis sie ihm wohl entlocken wollte, wandte er ihr den Blick gänzlich zu und hob ob ihres unschuldigen Lächelns flüchtig eine Augenbraue. Gleich darauf war er froh, den letzten Bissen schon hinunter geschluckt zu haben – weil er prompt los prustete. Was seine rechte Hand für Tricks... Man, Weib!
Der Dunkelhaarige brauchte ein paar Sekunden, bevor er sein Lachen in den Griff bekam. Doch auch danach lag das jungenhaft unverschämte Grinsen weiterhin auf seinen Lippen. Das klang viel zweideutiger, als es sollte – auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Shanaya genau so hatte klingen wollen! Nun ja. Er wäre nicht er selbst, wenn er darauf nicht wie ein dreizehnjähriger Junge anspringen würde. So einfach. So simpel, manchmal.

Warte ab.“ Eher anzüglich als verschwörerisch lehnte er sich ihr nun seinerseits entgegen und der Ausdruck, der in seinen Augen lag, erinnerte fast an eine Art Hunger. „Bis wir eine schöne dunkle Ecke gefunden haben, dann zeige ich es dir. Sie ist in vielen Dingen ähnlich geschickt wie meine Linke.

Er musste zugeben, dass es ihn amüsierte. Wie sehr sie davon fasziniert zu sein schien, dass seine linke Seite die stärkere war. „Und du? Fragst du das jeden Linkshänder, den du unterwegs triffst?



RE: Spiel mit dem Feuer - Lucien Dravean - 04.05.2019

Shanaya musste ein wenig zufrieden schmunzeln, als Lucien loslachte. Sie teilten den gleichen Humor, vermutlich einer der Gründe, wieso sie mit dem Dunkelhaarigen so gut zurecht kam. Die Schwarzhaarige kaut also nur munter auf ihrem Fleisch herum, hob den Blick dann wieder zu dem Mann, der sich nun etwas zu ihr neigte. Erwartungsvoll erwiderte sie seinen Blick, hob selbst leicht eine Augenbraue. Sie sollte abwarten. Bis sie eine dunkle Ecke gefunden hatten. „Na, ob ich es so lange aushalte... Da platze ich ja vorher vor Neugierde.“ Ein vielsagender Ausdruck lag in den blauen Augen. Sie war doch so ungeduldig! Seine nächste Frage ließ sie dann locker mit den Schultern zucken, ehe sie munter antwortete. „Naja, nicht wirklich. Bei Trevor hat man eher das Gefühl, er vergisst, welche Hand er benutzt. Und sonst... meine Mitmenschen haben mich bisher nie groß interessiert, ich wusste ja eh, dass ich nie mit ihnen zusammen arbeiten muss. Jetzt aber...“ Sie beendete den Satz nicht, ihr Blick würde dem Mann jedoch genug verraten.

Der Ausdruck, der jetzt auf seinen Zügen erschien, ließ sich mit nichts anderem als ehrlicher Belustigung und echter guter Laune beschreiben. Ihre Antwort war einfach verdammt gut und er konnte wirklich nicht anders, als angemessen darauf zu reagieren: „Wir können das Warten auch abkürzen, wenn du es nicht mehr aushältst. Jederzeit, Shanaya. Jederzeit.“ Er klang dabei ausgesprochen amüsiert, ließ aber gleichzeitig keine Zweifel daran, dass er es genau so meinte, wie er es sagte. Wieder biss er ein großes Stückchen von seinem Fleisch ab, warf ihr dabei einen kurzen Seitenblick zu und in den tiefgrünen Augen flackerte reinste Selbstzufriedenheit auf. „Jetzt allerdings interessiert dich doch mal jemand?“, half er gelassen nach. Und obwohl er es als Frage formulierte, war das etwas, das keiner weiteren Antwort bedurfte. „Sagen wir, arbeiten kann ich besser mit links. Aber wenn ich jemanden erschießen will, spielt es keine Rolle. Hilft dir das weiter?“

Shanaya verengte bei den Worten des Mannes leicht die blauen Augen, als müsse sie in diesem Moment wirklich darüber nachdenken, ob sie diesem Angebot einfach nachging. „Vielleicht wenn ich aufgegessen habe. Sonst bin ich doch viel zu schwach und kann dir Nichts bieten.“ Ein fast trauriger Zug schlich sich in ihr Gesicht, der mit dem nächsten Herzschlag aber schon wieder verschwunden war. „Tja, ich muss halt wissen, mit wem ich es zu tun habe. Vor allem muss ich wissen, auf welche Hand meines Captains ich achten muss, wenn er mir an die Wäsche will.“ Sie grinste ihm entgegen, bis dann selbst von dem Fleisch ab und seufzte leise über die nächsten Worte Luciens. „Gut zu wissen, also muss ich einfach auf deine beiden Hände aufpassen.“

Lucien ließ es sich nicht nehmen, mit sichtbarer Belustigung den Ausdruck auf ihren Zügen zu beobachten. Dass sie die Überlegung nicht wirklich ernst meinte, sah er ihr an – reagierte aber dennoch darauf. „Oh, mach dir keine Sorgen. Das wäre ausnahmsweise ganz allein für dich.“ Beinahe klang er tatsächlich so, als wolle er sie verführen (und wenn sie plötzlich doch zugestimmt hätte, müsste sie ihn ganz bestimmt nicht erst noch überzeugen, zu seinem Versprechen zu stehen), doch es blieb hauptsächlich ein unverfängliches Spiel, sodass er sich im nächsten Moment lieber das restliche Fleisch in den Mund schob, statt ihr auf unschickliche Art mitten auf der Straße zu nahe zu kommen. Das hinderte ihn zwar kurz daran, auf ihre nächsten Worte zu reagieren, doch da sie sich ihre Frage gleich darauf selbst beantwortete, hatte er genug Zeit, auch diesen letzten Bissen hinunter zu schlucken, bevor er ihr erneut einen Seitenblick zuwarf und anzüglicher Schalk in seinen Augen aufblitzte. „Ganz genau.“

Shanaya lachte leise bei den Worten des Mannes und seufzte anschließend mit einem Ton, der vermuten ließ, dass dieser Verlockung wirklich schwer zu widerstehen war. „Nur für mich? Du bist zu gut zu mir.“ Er aß weiter, sie tat es ihm gleich, verlor dabei aber nicht das amüsierte Grinsen, das stets auf ihren Lippen ruhte. Er hatte wirklich mehr Benehmen als die meisten, das musste sie ihm lassen. Es gab genug Kerle, die sie schon längst in eine dunkle Ecke gezogen hätten. Wie lange er das wohl noch so weiter spielen konnte? Und wieder erwiderte sie seinen Blick mit dem gleichen Ausdruck darin. Da waren sie sich ganz offensichtlich einig. Wobei sie ihm noch keinen Grund geliefert hatte, sie zu erschießen. Sie achtete also lieber aus anderen Gründen auf seine Hände. Im nächsten Moment legte sie jedoch ihre freie Hand an seinen Arm und schob den Dunkelhaarigen leicht zur Seite. Geradeaus standen unzählige Stände, in der Biegung nach rechts war deutlich weniger los. „Ich wette, da finden wir, was wir suchen.“ Damit biss auch sie das letzte Mal von ihrem Mahl ab, schob Lucien beinahe sanft in die Richtung der kleineren Straße. Sie hatten da immerhon noch ein kleines Ziel.

„Ich kann, wenn ich will“, gab der Dunkelhaarige mit einem kleinen Lachen in der Stimme zurück. Und das stimmte. Für ihn war die körperliche Liebe nie etwas einseitiges. Nicht einmal dann, wenn er dafür bezahlte. Und wenn er wirklich gut drauf war (und einen Menschen nahe genug an sich heran ließ, damit er ihm etwas bedeutete)... dann war er durchaus dazu in der Lage, nur zu geben und gar nichts zu nehmen. In vielerlei Hinsicht. Oder eben dann, wenn es nützlich war, um zu bekommen, was er wollte... Den Bruchteil einer Sekunde drifteten seine Gedanken in eine völlig andere, Übelkeit erregende Richtung, aus der ihn die Berührung an seinem Arm je wieder hinaus riss. Verwirrt wandte Lucien den Blick herum, als wäre er überrascht, die Schwarzhaarige neben sich zu sehen, doch dann kehrten Herz und Verstand ins Hier und Jetzt zurück und er ließ sich von Shanaya bereitwillig zur Seite schieben. Folgte gleichzeitig ihrem Blick nach vorn, bis sie weit genug in der Seitengasse in Deckung gegangen waren, um vom Strom der Menschen nicht mehr vorwärts getragen zu werden. Gelegenheit genug, um sich abzusprechen. „Da gibt es einiges, das lohnend aussah“, fasste er den flüchtigen Blick auf die Stände zusammen, den er hatte erhaschen können und richtete die grünen Augen auf seine Komplizin. „Aber kein Waffenstand. Vielleicht weiter hinten?“

Shanaya grinste nur über die Worte des Mannes. Wenn er wollte. Natürlich. Aber sie ließ dieses Thema mit einem eindeutigen Blick ruhen, konzentrierte sich nun viel mehr auf die Straße, die ihr neuer Weg war. Sie tat es dem Mann gleich, ließ den hellen Blick über die vereinzelten Stände schweifen. „Nimm dir, was du willst. Ich halte dich nicht auf.“ Die Hand, die noch auf seinem Arm lag, patete ein paar auf die selbe Stelle, ehe die junge Frau wieder an seine Seite trat. Seine Frage entlockte ihr ein leichtes Nicken. „Bestimmt.“ In ihrem Kopf hatte sie sich schon den perfekten Plan zurecht gelegt. Ob er das in dem Blick erkannte, in ihrem Lächeln, das sie ihm nun zuwarf? „Halt also die Augen auf.“ Ihr eigener strich kurz über einen Stand, der allen möglichen Ramsch anbot. Es schien da alles zu geben, was man sich vorstellen konnte. Jedoch entdeckte sie Nichts, was ihr in diesem Moment zugesagt hätte.

Lucien stieß ein trockenes, aber noch immer amüsiertes Schnauben aus. „Das will ich ja auch erst mal sehen.“ Wie sie ihn von irgendetwas abhielt. Klar, wenn er Lust hatte, sich darauf einzulassen, wäre Shanaya wahrscheinlich die erste, die ihn ablenken konnte – zumindest wenn sie die richtigen Mittel wählte. Aber ganz sicher nicht, wenn es ihm wirklich ernst war. Aufhalten lassen war dann keine Option mehr. Als sie an seine Seite trat, warf er ihr kurz noch einen belustigten Blick zu. Dann, auf Shanayas nächsten Worte hin, wandte er den Blick zurück auf die Hauptstraße und musterte eine Auslage nach der anderen. Ihr Lächeln verriet ihm, dass sie bereits einen Plan hatte – wie der jedoch aussah, konnte Lucien im Moment noch nicht einschätzen. Machte allerdings nichts. Wenn sie genauso gut harmonierten, wie vorhin, würde sich das sowieso von ganz allein ergeben. Und alles andere konnte man sich überlegen, wenn es so weit war. „Lass uns noch ein kleines Stück weiter gehen...“ Sein Blick huschte wieder zu Shanaya und er nickte kurz in Richtung der Stände.

Shanaya ließ den blauen Blick weiter schweifen, auf der Suche nach dem, was sie beide ansteuerten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es auf diesem Fest keinen Stand gab, der Waffen anbot. Gerade das lockte das gemeine Volk doch an, die Faszination sich selbst verteidigen zu können. Und nach etwas auszusehen. Sie mussten also nur aufmerksam genug sein. So nickte sie ebenfalls auf die Worte des Mannes hin. Es vergingen noch einige Minuten, ehe die suchenden Augen fündig wurden. Die Stände standen nicht dicht an dicht, sie mussten dennoch aufpassen. Aber das war Nichts, was sie Lucien sagen musste. Dessen war sie sich sicher. Ihr Grinsen wurde noch einen Hauch breiter, ehe sie einen schnellen Schritt vor Lucien trat, die Hand auf seine Brust legte und ihn mit leichtem Druck zum stehen bleiben brachte. Dabei lehnte sie sich ein wenig vor, als suche sie seine Nähe. Ihr Blick lag dabei in die Richtung, in der Metall in der Sonne glänzte. „Wie gut bist du darin, dich von hinten an zuschleichen?“ Der Standbesitzer würde abgelenkt genug sein. Lucien musste dann nur den kleinen, feinen Rest übernehmen.

Lucien Es gab mehr als einen Stand, der seine Aufmerksamkeit einfing. Auch wenn Lucien Reichtum nichts abgewinnen konnte, faszinierte ihn alles, was teuer war. Eine kleine Marotte, die bei ihnen in der Familie lag. Doch da sein oberstes Interesse eher dem Gedanken galt, das eigene Waffenarsenal möglichst kostengünstig aufzustocken, behielt er die Existenz des Juweliers dort drüben lediglich im Hinterkopf. Vielleicht später. Zwischenzeitlich huschte sein Blick kurz zum Himmel, wo sich die Sonne bereits dem Horizont neigte. Das war gut. Später Nachmittag bedeutete auch weniger Menschen auf der Straße. Weniger Zeugen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Shanaya ihn überholte, blieb im nächsten Moment stehen, als sie vor ihn trat und die Hand an seine Brust legte. Ein kleines, recht selbstgefälliges Schmunzeln zuckte prompt um seine Mundwinkel und er lehnte sich ihr seinerseits entgegen, senkte die Stimme. „Du suchst heute erstaunlich oft Körperkontakt, Shanaya. Wenn du nicht aufpasst, verstehe ich das noch falsch.“ Tat er natürlich nicht. Fast sofort – auch wenn das Schmunzeln blieb – hob er den Blick und richtete ihn auf den Stand, den sie ins Visier genommen hatte. Fast sofort fielen ihm ein paar besonders schöne Stücke auf und er nickte leicht. „Gut genug, würde ich sagen. Dann mal los.“ Damit löste er sich von der Schwarzhaarigen und wich in einem Moment, in dem ihr ahnungsloses Opfer gerade nicht in ihre Richtung sah um die auffällige Handlung zu bemerken, kurzerhand an den Rand der Straße aus, um hinter die Reihen an Buden zu gelangen.

Shanaya ließ den Blick abwartend auf Lucien gerichtet, als dieser stehen blieb, sich etwas in seiner Miene änderte. Er lehnte sich zu ihr und die Schwarzhaarige neigte leicht den Kopf zur Seite, lachte dann bei seinen Worten leise auf. „Vielleicht gibt es da auch Nichts falsch zu verstehen?“ Ihre Stimme senkte sich nun auch ein wenig. Erneut zuckte sie mit den Schultern, aber Luciens Blick war schon in die Richtung des Standes gewandert, sodass sie diesem folgte. Und im nächsten Moment löste er sich von ihr, begab sich in die Richtung des Standes. Aber die Schwarzhaarige wartete einen Moment, gab ihm Zeit, sich den richtigen Weg zu suchen. Erst dann richtete sich auch die junge Frau um, schlenderte auf den Stand zu. Kaum hatte der junge Mann, der dahinter stand, sie bemerkt, legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Guten Tag die Dame, suchen sie etwas bestimmtes?“ Die blauen Augen der jungen Frau huschten über die Auslage. Er hatte hier wirklich das ein oder andere was sie direkt einstecken würde. Ihre Augen weiteten sich aber als sie einen kleinen Dolch erblickte, an dessen Griff kleine Steinchen eingearbeitet waren. Etwas grünes, etwas rotes... „Ohhh Gott, der ist wunderschön!“ Sie legte voller Begeisterung die Hände auf ihre Brust, die gleiche Aufregung lag in ihrer Stimme. Ohne auf eine Reaktion zu warten griff sie nach dem Dolch, hielt ihn gegen die Sonne, musterte ihn und wandte sich dann mit flehender Miene wieder an den Mann. „Ich bin etwas knapp bei Kasse, wenn ich Ihnen ein unschlagbares Angebot mache, können wir dann noch über den Preis sprechen?“ Ihre Stimme war leiser geworden, ihr Lächeln beinahe anzüglich. Es würde für ihn wohl keinen Zweifel geben, was genau sie meinte. Zuerst schien der Mann verwirrt, lehnte sich dann aber seinerseits etwas näher zu ihr. „Das kommt ganz darauf an, wie sehr du mich überzeugen kannst.“ Männer. Sie waren alle gleich.

Lucien zog sich bewusst zwei Stände vor dem Waffenhändler an die Hauswand zurück. Beim ersten tat er noch so, als mustere er mit beiläufigem Interesse die Auslage und hätte es sich zuletzt doch anders überlegt. Beim zweiten war er schon hinter den Stoffplanen verschwunden, bevor irgendjemand Notiz von ihm nahm. Er behielt in etwa das Tempo bei, das Shanaya an den Tag legte, um sie zumindest aus dem Augenwinkel immer im Blick zu behalten, bis sie den Waffenstand erreichte. Dadurch war er zumindest nahe genug, um zu hören, was gesprochen wurde. Ein kleines, spitzbübisches Lächeln erschien auf seinen Lippen. Ganz ehrlich. Ihm durfte sie dieses Angebot jederzeit mal machen. Dann ließ sich über jeden Preis sprechen. Um nicht doch noch leise zu lachen, konzentrierte Lucien sich rasch wieder auf seine Aufgabe. Nur kurz wanderte sein Blick über die Umstehenden, die alle entweder zu vertieft waren in die Auslagen anderer Stände, oder in Gespräche vertieft. Als er seine Deckung verließ und annähernd lautlos hinter dem Zelt des Waffenhändlers verschwand, bemerkte ihn niemand. Und der Händler selbst war viel zu abgelenkt durch das, was Shanayas Korsage so einladend nach oben drückte und durch den Ausschnitt ihrer hellen Bluse verlockend verhüllt wurde, um das leise Rascheln hinter ihm wahrzunehmen. Lucien wusste, wovon er da sprach. Trotzdem wartete er einen Moment, lauschte, ob der junge Mann sich nicht doch alarmiert umwandte und zog langsam und vorsichtig den Dolch, den Shanaya ihm vorhin geliehen hatte, aus seinem Gürtel.

Shanaya unterdrückte es, den Kopf zu schütteln. Es war so einfach. Immer wieder. Einen Moment noch hielt sie den Dolch erhoben, betrachtete dieses... nicht wirklich schöne Ding und wandte ihre Aufmerksamkeit ganz dem liebesdurstigen Mann zu. Sein Blick sagte alles. Dass er nicht direkt über die Auslage kroch und über sie herfiel... Als ihre blauen Augen sich aber auf ihn legten, erkannte sie den Mann, der hinter ihm angeschlichen kam. Sie grinste, und für ihn musste es ganz so aussehen, als freute sie sich über seine Anwesenheit. Falsch gedacht. Mit der freien Hand winkte sie den Mann näher zu sich, der dieser Einladung ohne einen Moment zu zögern nachkam. „Weißt du, was das Problem an der Sache ist?“ Ihre Hand glitt langsam zu der kleinen Schleife, die ihre Bluse zusammen hielt. Ein weiteres Mal an diesem Tag. Der Mann, der diese kleine Geste genau beobachtete, schien fast zu sabbern. Armer Tropf. „Uns kann hier jeder beobachten. Ich bin eine anständige Dame, ich möchte ungern beobachtete werden.“ Glatt gelogen. Es hätte ihr absolut Nichts ausgemacht. „Kein Problem... wir können... nach hinten...“ in diesem Moment drehte der Mann sich um, um der jungen Frau zu zeigen, wohin sie zu zweit verschwinden konnten.

Jetzt musste Lucien wirklich aufpassen, nicht zu lachen – oder auch nur leise loszuprusten. Er konnte durch die Zeltplanen nicht erkennen, was genau auf der anderen Seite geschah – aber er konnte es sich lebhaft vorstellen. Und langsam konnte er auch verstehen, woher Shanayas Bild von Männern offensichtlich herrührte. Offensichtlich gab es in einer solchen Situation nur zwei Arten von Männern: Die, die entrüstet auf ihr unschickliches Angebot reagierten – und die, die glattweg ihren gesunden Menschenverstand verloren. Hätte er nicht... irgendetwas dazwischen machen können? Nur, um sie in ihrem Bild nicht haltlos zu bestätigen? Mit einem leichten Kopfschütteln schob der Dunkelhaarige sich näher an den hinteren Ausgang des Zeltes heran. Überlegte einen Augenblick, wie er den jungen Mann am sinnvollsten außer Gefecht setzte. Wenn er durch die Planen schlüpfte, bestand die Gefahr, dass man sie von vorne sah. Also mit einem Geräusch hier hinter locken? Doch bevor Lucien sich entscheiden konnte, lockte Shanaya ihr Opfer bereits in die richtige Richtung. Er zuckte mit der Schulter, drehte den Dolch in seiner Hand – der linken – so herum, dass er den Knauf als Schlagbolzen benutzen konnte, und richtete den Blick auf die schmale Lücke, durch die der Händler seinen Stand nach hinten heraus verlassen konnte. Im gleichen Augenblick schob sich eine Hand hindurch, teilte die Plane – doch da der junge Mann den Blick noch nicht von seiner reizenden Kundin lösen konnte, bemerkte er den jungen Captain nicht, der dort schon auf ihn wartete. Also half Lucien kurz nach, griff nach dessen Arm und zog den Händler hinter den Stand. Der schaffte es gerade noch so, einen überraschten Laut von sich zu geben, als der Knauf des Dolches mit voller Wucht gegen seine Schläfe krachte. Seine Augen verdrehten sich, bis das Weiße zu sehen war, dann sackte er bewusstlos zu Boden.

Shanaya beobachtete, was der Mann tat, was in seinem Gesicht stand. Es war so eindeutig. Er wäre sofort mit ihr in seinem Zelt verschwunden, hirnlos... oder eher von dem Gehirn zwischen seinen Beinen gesteuert. Dem einzigen, was diese Spezies besaß. Sie seufzte also nur, machte nicht einmal Anstalten, ihm zu folgen. Das wäre unnötig, immerhin wusste sie, dass da hinten etwas nicht ganz so schönes lauerte. Zumindest kam das auf den Blickwinkel an. Sie legte nur gespieltes Interesse in ihren Blick, aber der war mit den Gedanken scheinbar schon vollkommen woanders. Während er sich also daran machen wollte, ein kleines Nest für seine Gelüste zu bauen, strich Shanaya über die Auslage, berührte das kalte Metall von Dolchen, Schusspistolen und allem, was das Waffenherz begehrte. Sie hörte nur noch ein leises Geräusch, lächelte daraufhin und seufzte theatralisch. „Wieder jemand seiner Lust erlegen. Armer Tropf.“ Dabei hob sie nicht einmal den Blick, warf den Dolch mit den Steinchen zurück auf die Auslage und wartete, wann Lucien sich wieder zeigen würde.

Lucien prüfte mit einem kurzen Blick, dass keine Gliedmaßen hinter dem Stand hervor lugten, um allzu neugierige Passanten anzulocken und schob sich dann durch den Schlitz in der Zeltplane, durch die der Händler gerade gekommen war. „So schnell kann's gehen“, kommentierte der Dunkelhaarige ohne nennenswerte Emotion in seiner Stimme die Feststellung seiner Begleiterin, warf ihr dann einen Blick zu und in den grünen Augen blitzte es amüsiert. Über die Auslage hinweg reichte er ihr ihren Dolch mit dem Heft voran. Denn jetzt hatten sie immerhin freien Zugang zu jeder möglichen Art Klinge und er konnte sich sein eigenes Arsenal zusammenstellen. Bevor er das jedoch tat, musterte er kurz die Passanten, die hinter Shanaya die Straße entlang schlendern. Als er die zwei Soldaten entdeckte, die dem Strom folgten, versteifte er sich kurz, beugte sich dann zu der Schwarzhaarigen vor und stützte sich mit den Armen auf der Auslage ab. Sein Blick traf auf den ihren. „Kann ich dich denn für irgendein hübsches Stück hier begeistern?“ Ganz der junge Händler, der mit der ebenso jungen Kundin flirtete.

Shanayas Blick huschte kurz zu Lucien, als dieser wieder vor die Plane trat. Sie sollte ihn öfter mit auf solche Ausflüge nehmen, es lohnte sich. Sie grinste aber nur über seine Worte, wog kurz den Kopf zur Seite und betrachtete dann wieder die Auslage. Hm, schwierige Entscheidung. Erst, als Lucien ihr ihren Dolch entgegen hielt, hob sie wieder den Blick, als der Dunkelhaarige ihr ihren Dolch reichte. In einer dankenden Geste neigte sie leicht den Kopf, betrachtete kurz die Klinge, ehe sie zurück an ihren Gürtel wanderte. Den würde sie auf jeden Fall behalten. Sein Blick glitt an ihr vorbei, Shanayas folgte ihm nur kurz. Soldaten. Natürlich. Aber immerhin nicht die, die sie vorhin verfolgt hatten. Ihre Konzentration lag allerdings schnell wieder bei dem Mann, der diesen Stand für den Moment übernommen hatte. Sie lehnte sich selbst mit einem Arm auf die Ablage, während die andere den Degen von ihrem Gürtel löste. „Vielleicht ja für dich?“ Sie zwinkerte ihm zu, verharrte noch einen Moment, ehe sie sich leicht zur Seite wandte, die längeren Klingen betrachtete, die dort ausgestellt waren. „Eigentlich kann man davon ja nie genug haben...“

Lucien überraschte es nicht im Geringsten, dass Shanaya sofort auf seine Scharade ansprang, kaum hatte sie die beiden Soldaten hinter sich registriert. Wobei Scharade... vielleicht nicht ganz den Kern der Sache traf. Immerhin sollte sie sich ja wirklich das aussuchen, was ihr gefiel – und immerhin spielte er den Flirt nicht nur. Ihre Antwort ließ ihn wieder lächeln. Amüsiert zum einen, selbstgefällig zum anderen. Wahrscheinlich hörten die beiden Soldaten sie nicht einmal. Zumindest nahmen sie, auf einen prüfenden Seitenblick Luciens hin, keine Notiz von ihnen und gingen gelassen ihrer Wege. Also war das zumindest kein Schauspiel für anderer Leute Augen – sondern nur das gleiche Spiel wie eh und je zwischen ihnen beiden. Die grünen Augen kehrten zu Shanaya zurück, wanderten kurz über die gelöste Schleife und den damit etwas freizügigeren Ausschnitt, dann folgte er ihrem Blick zu den Degen, die ihr Interesse geweckt hatten. „Irgendein bestimmter, der dich interessiert? Abgesehen von mir?“ Wieder dieses amüsierte Grinsen. Er löste eine der Waffen aus ihrer Halterung und zog die Klinge prüfend aus ihrem Heft. Schön gearbeitet. Über die Klinge hinweg warf er der Schwarzhaarigen einen Seitenblick zu. „Du kannst natürlich auch rum kommen und dir die Sachen aus der Nähe ansehen...“

Shanaya sah nicht die Miene des Mannes, ihr Blick lag jetzt auf den Degen, von denen einer wahrscheinlich mit ihr kommen würde. Den alten, den sie einem der Soldaten abgenommen hatte, hielt sie noch in der Hand. Die Soldaten kümmerten sich nicht um sie, also konnte die Schwarzhaarige sich ganz auf die Ware konzentrieren. Immerhin sprach sie ja auch direkt mit dem Verkäufer. Luciens Antwort ließ sie den Blick herum wenden, ein eindeutiger Blick in den blauen Augen. Zuerst sagte sie dazu nichts, beobachtete nur, wie der Dunkelhaarige sich selbst einen Degen anschaute. Seine nächsten Worte ließen sie dann einen Moment die Augen schließen und leise seufzen. Ergeben griff sie nach einem der Degen, löste sich dann von der Ablage und trat mit ruhigen Schritten hinter den Stand, wo sie den alten Degen einfach auf den Boden fallen ließ und bei Lucien zum stehen kam. „Ich könnte ihn ja auch einfach direkt an dir ausprobieren, oder nicht?“ Grinsend tat sie es dem Dunkelhaarigen gleich, zog die Klinge hervor und musterte sie aufmerksam, ehe die blauen Augen zurück zu Lucien wanderten. „Dann weiß ich, ob ich dich oder eine Waffe vorziehen sollte.“

Lucien konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen, als er bemerkte, wie die Schwarzhaarige die Augen verdrehte. Es war nicht schwer, den Hintergrund seines Vorschlags zu durchschauen und er gab sich wie immer auch keine Mühe, irgendetwas daran 'geschickt' zu verbergen. Wie es sittsamere Leute bestimmt getan hätten. Er hätte sie liebend gern hier hinten – ohne Auslage zwischen ihnen – und das durfte sie ruhig wissen. Der Degen, den er sich gerade angesehen hatte, glitt in seine Hülle zurück, während der Dunkelhaarige Shanayas Bewegungen mit den Augen folgte, die nun ihrerseits auf die andere Seite der Theke kam und eine der frisch aus der Schmiede stammenden Klingen inspizierte. Er wandte sich ihr zu, als sie bei ihm zum Stehen kam. „Warum entscheiden? Du könntest ganz einfach beides haben.“ In die tiefgrünen Augen trat ein Ausdruck amüsierter Neugier. Er teste einfach zu gern, wie weit sie sich heute auf ihn einzulassen gedachte. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Shanayas Blick lag hauptsächlich auf dem Degen, den sie leicht hin und her schwenkte. Allerdings konnte sie Lucien so im Auge behalten, sehen, was er tat. Er hatte die Waffe in seiner Hand scheinbar genug inspiziert, auch wenn er sie noch nicht zur Seite legte. Als er sprach richtete sie den Blick aber doch zu ihm auf, lachte dabei auf, während sie den Degen ebenfalls zurück in seine Scheide schob und leicht mit den Schultern zuckte. „Bei dem einen habe ich mich bereits entschieden.“ Mit diesen Worten machte sie sich daran, den neuen Degen an ihrem Gürtel fest zu machen. „Das andere scheint auf eine andere Einladung als eine offene Bluse zu warten.“ Auch wenn das nicht so gedacht gewesen war. Für den Moment war sie einfach nur zu faul gewesen, die Schleife wieder zusammen zu binden. Und zu verstecken hatte sie sowieso Nichts.

Nun war es an ihm, zu lachen. In den tiefgrünen Augen leuchtete dabei warme, herzliche Heiterkeit. Verdammt guter Konter! Diese glanzvolle Parade musste er ihr zugestehen – und tat sich dabei auch nicht besonders schwer. „Ich bezweifle, dass du diesen Schritt gehen willst, Shanaya.“ Lucien stellte den Degen, den er in der Hand gehalten hatte, mit der Spitze nach unten auf den Boden, sodass er an der Rückwand der Auslage lehnte und wandte sich wieder an die Schwarzhaarige. Trat näher an sie heran und beugte sich ihr ein Stück weit entgegen, bis ihre Gesichter kaum eine Hand breit voneinander entfernt waren. Dieses Mal erschien etwas anderes in den grünen Augen – ein dunklerer Ausdruck. „Wollen wir darauf wetten? Wir könnten es testen, gleich hier und jetzt.“ Der Klein-Jungen-Teil in ihm wollte sie ein bisschen triezen. Wieder ein bisschen an ihre Grenzen scheuchen – auf eine ganz freundschaftliche Art. Ein anderer Teil hatte in diesem Moment ganz anderes im Sinn und das mochte nicht zuletzt an dem genüsslich geglückten Raubzug liegen.

Shanaya zurrte den Degen an ihrem Gürtel fest genug, um ihn nicht direkt wieder zu verlieren, während ihr Lächeln bei Luciens Worten noch ein wenig breiter wurde. Als die neue Waffe verstaut war, hob die Schwarzhaarige wieder den Blick, beobachtete, wie der Mann den Degen zur Seite stellte – und dann ein wenig näher kam. Er beugte sich zu ihr, sie ich nicht zurück, musste aber das Verlangen, ihn zu küssen für den Moment herunter schlucken. Sie erwiderte seinen Blick mit fester Miene, wich den grünen Augen keine Sekunde aus, auch wenn ihr Herzschlag sich deutlich erhöhte, allein durch den Ausdruck in seinen Augen. „Das Problem ist, dass wir bis zu einem gewissen Grad auf das selbe setzen würden. Das macht so eine Wette doch irgendwie unspannend, oder?“ Nun war es an ihr, sich noch ein wenig näher zu ihm zu beugen, seine Lippen fast mit ihren zu berühren, während ihre Stimme nur ein leises Flüstern wurde, ein Hauchen dicht an seinen Lippen. „Ansonsten wäre ich natürlich bei einer kleinen Wette dabei...“

Lucien musste sich erneut ganz unverblümt eingestehen, dass er beeindruckt war. Selbst ohne seine mehr als offensichtlichen Hintergedanken und in einer ganz normalen Situation würde nicht jeder so einer Nähe standhalten, ohne zumindest ein bisschen zurück zu weichen. Shanaya tat das nicht, sondern erwiderte seinen Blick unerschrocken. Das gefiel ihm verdammt gut und lockte ein kleines Lächeln auf seine Lippen. „Bis zu einem gewissen Grad ist der springende Punkt. Was danach kommt, ist doch das spannende.“ Sie kam ihm noch ein bisschen näher und in genau diesem Moment verlor der ganze Rest für's Erste jede Bedeutung. Die Leute, die vorbei liefen und neugierig herüber schielten. Der ohnmächtige Standbesitzer hinter der Zeltplane. Ihre Beute, die nur darauf wartete, eingesammelt zu werden. Er hob die Hand, grub die Finger in ihr dunkles Haar und küsste sie. Von einem Moment auf den nächsten rau und fordernd.

Shanaya versuchte mit einem tiefen Atemzug das Herz ein wenig zu beruhigen, das aus dem Takt gekommen war. Sie hatte schon einmal erlebt, wie ihr Körper auf die Nähe des Dunkelhaarigen reagierte und daran schien sich absolut Nichts geändert zu haben. Auf seine Worte hin zuckte sie jedoch nur leicht mit den Schultern, seufzte dabei gespielt theatralisch. „Je nach Blickwinkel würde ich sagen...“ Eigentlich hatte sie noch etwas anhängen wollen, aber Lucien selbst unterbrach sie auf eine Weise, die sie hätte erwarten müssen, schließlich hatte sie es selbst provoziert. Kein Widerstand zuckte durch ihren Körper, ihr Herzschlag wurde ganz von selbst noch einmal schneller, als sie die Augen schloss, die Arme hob, sie um seinen Hals schlang und sich an den Dunkelhaarigen schmiegte. Sie erwiderte den Kuss leidenschaftlich, auch wenn sie genau wusste, dass er an ihre Grenzen vordringen würde. Aber diesen Weg sollte er ruhig gehen... bis dahin strich ihre Hand sanft über seinen Nacken, bis sie ihm sachte durch die Haare fahren konnte.

Lucien unterbrach sie mitten im Satz. Er hatte allerdings auch nicht mehr zugehört – und einen kurzatmigen Herzschlag später spielte es auch keine Rolle mehr. Er musste eigentlich gar nichts tun, um sie zu überzeugen. Wie von selbst schmiegte Shanaya sich an ihn, bis er sie förmlich überall spürte. Die Wärme ihres Körpers drang durch seine Kleidung, fuhr ihm unter die Haut und ließ hitzige Erwartung in seiner Brust auflodern. Bis zu dem Augenblick, als er ihre Hand in seinem Nacken spürte, sie ihn mit ihrer Berührung die Narbe spüren ließ – und das Gefühl, das er damit verband. Es zuckte durch seinen Verstand wie Gift, verfolgte ihn bereits den ganzen Tag. Eigentlich hatte er erwartet, es überwunden zu haben, doch aus irgendeinem Grund... war es wieder da. Und er hatte genug davon. Im gleichen Augenblick, in dem es drohte, ihn aus seinem Verlangen zu reißen, konterte er mit rücksichtsloser Wut. Er hatte verdammt nochmal genug davon. Ein kleiner Ruck ging durch seine Muskeln. Dann drückte er die Schwarzhaarige mit seinem Körper rücklings gegen eine der Stützen, die den Baldachin über der Auslage hielt. Es gab einen kleinen Rumps, der den Stand zum Wackeln brachte, doch das kümmerte Lucien nicht sonderlich. Ohne den geradezu wütenden Kuss zu unterbrechen – oder die Hand aus ihrem Haar zu lösen – hielt er Shanaya zwischen sich und dem Holz fest.

Shanaya hatte einen viel zu schnellen Herzschlag an diesen einen Moment auf der Sphinx gedacht. An diese Sekunde, in der Lucien ihr genauso nahe gewesen war – und sich aus einem Grund, der ihr noch immer verschleiert war, von ihr entfernt hatte. Sie hatte daran gedacht und trotzdem war ihre Hand in diesem Moment über seinen Nacken geglitten. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde – aber er zeigte es ihr im nächsten Moment. Etwas an seiner Haltung veränderte sich und schon im nächsten Moment drängte er sie zurück, bis ihr Rücken gegen etwas hartes stieß. Flucht wäre ihr in diesem Moment unmöglich gewesen, nach hinten war der Weg versperrt und vor ihr stand der Mann, der sich nicht von ihr löste, der diesem Kuss noch mehr Intensität verlieh. Und wer wäre sie, sich dem nicht hinzugeben? Diese Grenzen hatte er bereits einmal überschritten – und ihr Körper, ihre Lippen, verlangten genau danach. Aber auch ihre Haltung änderte sich, ihre Hand grub sich fest in seine dunklen Haare, wohl wissend, dass jede Geste ihn vermutlich nur noch mehr locken würde. Trotzdem schlang sie den zweiten Arm noch ein wenig fester um ihn, ohne den beinahe gierigen Kuss zu lösen. Sie wusste, dass sie auf ihren Verstand hören musste – aber für diesen Moment verlockte die Wut in seinem Kuss ihren Körper dazu, die Überhand zu haben. Und sein Körper, der sie zwischen sich und dem Holz festhielt, tat sein übriges.

Alles, was Shanaya tat, zog ihn tiefer hinein. Wie die Umarmung einer Sirene – hinab in die eisige Dunkelheit eines Ozeans. Dorthin, wo es keine Gedanken mehr gab. Das war es, was er suchte – was er immer suchte. Dieses Vergessen... und hätte sie versucht, sich ihm zu entziehen, hätte er vielleicht Dinge getan, die er später bereute. Doch sie entzog sich ihm nicht, sondern kam ihm entgegen – erwiderte die Nähe und den Kuss, sodass die Wut in seinem Inneren dieses abartig giftige Gefühl restlos zu Asche verbrannte. Bis nichts mehr davon übrig war. Wenigstens für diesen Moment, solange er währte. Und Lucien hatte nicht vor, ihn früher als nötig zu beenden. Er unterbrach den Kuss nicht und auch wenn er etwas von seiner Aggressivität verlor, wurde er nicht viel sanfter. Seine freie Hand wanderte über ihren Körper, bis er die Schlaufe fand, die das Band ihrer Korsage schloss. Sie gab dem leichtesten Zug bereits nach, doch lockern ließ sich die enge Schnürung nicht so leicht, sodass der leichte Ruck, mit dem er das tat, spürbar ungeduldig wurde.

Shanaya hörte einen Moment nicht auf die Signale, auf das, was in ihrem Inneren immer lauter wurde. Sie verließ sich vielleicht zu sehr darauf, dass er zu ihren Grenzen gehen und sie von ganz alleine auf Abstand gehen konnte, auch wenn es in diesem Moment absolut nicht danach aussah. Sie genoss die Hitze, die seine Wut durch ihren Körper sandte, die die in jeder Faser ihres Körpers spürte, der nach immer mehr verlangte. Es kribbelte, versuchte jeden klaren Gedanken zu verbrennen. Er drückte sie gegen das Holz, schien damit für den Augenblick ihr Denken zu blockieren. Die Hand, die über ihren Körper strich, nahm ihr für den Moment den Atem, in dem sie glaubte, das Ziel seiner Hand zu kennen. Aber statt die offene Bluse als Einladung zu nehmen, spürte sie im nächsten Moment den ungeduldigen Zug an ihrer Korsage. Es erschrak sie beinahe, dass sie dem keinen Widerstand entgegen brachte, statt dessen sank die Hand von seinem Nacken zu seiner, drückte sie leicht zur Seite, ehe sie die Lippen fast widerwillig von seinen löste. Die zweite Hand ruhte weiter in seinem Haar, ihre Lippen berührten seine, während sie sprach. Mehr Abstand brachte sie nicht zwischen sie. Nur für den Moment, in dem sie selbst die Hand an die Schnürung legte und sie öffnete, schlug sie die blauen Augen auf, den blick fest auf Lucien gerichtet. „Auch so kommst du nicht an dein Ziel...“ Ihre Stimme war nur ein leises Hauchen, nicht einmal mehr ein Flüstern. Zumindest nicht dem, was sie für sein finales Ziel hielt. Aber ihren Körper brachte es näher zudem, was er verlangte. Seiner Berührung. Das, was sie tat, schien vollkommen widersprüchlich – und trotzdem meldete sich allmählich ihr Verstand. Aber alles in ihr sehnte sich nach diesem Feuer, das in ihrem inneren brodelte. Sie ließ dem Mann also noch einige Schnüre übrig, ehe sie kurz an seiner Unterlippe knabberte und ihn im nächsten Moment wieder küsste. Leidenschaftlich, gierend, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. Nur, dass ihr Verstand nun mehr darauf lauerte, was er als nächstes tun würde.

Lucien zögerte einen Moment, nicht sicher, ob er über ihre Hand, die die seine zur Seite schon, nun verärgert sein sollte, oder nicht. Doch dass sie den Kuss unterbrach brachte ihn von diesem Gedanken ab und einen Herzschlag später spürte er, was sie eigentlich damit bezweckte. Sie half ihm. Dicht an ihren Lippen öffnete Lucien die tiefgrünen Augen, begegnete ihrem Blick. So nahe. Ein flüchtig amüsiertes Schmunzeln erschien auf seinen Lippen, doch Shanaya küsste ihn bereits wieder, sodass er sich die Antwort auf ihre Worte erst einmal sparte. Seine freie Hand kehrte zu den Bändern ihrer Korsage zurück, löste die übrige Schnürung, bis der feste Stoff sich lockerte und an ihrem Körper hinab zu Boden rutschte. Dieses Mal löste der Dunkelhaarige selbst den Kuss. Allerdings nur, um sich ihrem Hals zuzuwenden, sich küssend einen Weg dorthin zu bahnen. Einerseits fast sanft, andererseits unnachgiebig. „Und was glaubst du ist es, was ich will?“ Ganz automatisch blieb seine Stimme gedämpft, sodass sie dicht an ihrem Ohr beinahe mehr nach einem dunklen Schnurren klang. Gleichzeitig wanderten beide Hände an ihrem Körper hinab, glitten unter den Saum ihrer Bluse – und von dort wieder hinauf. Ihre warme Haut fühlte sich fast fiebrig unter seinen Fingern an, lockte ihn, und er zog sie fester an sich.

Shanaya hatte, selbst wenn ihr Bewusstsein wieder klarer wurde, keinen Moment darüber nachgedacht, wirklich Abstand zwischen sich und den Mann zu bringen. Und er... nach dem, wie er sich eben verhalten hatte, konnte sie sich nicht wirklich etwas vorstellen, was ihn dazu bringen sollte, von ihr abzulassen. Es reizte sie nur umso mehr, ihn zu einer ihrer Grenzen vordringen zu lassen. Er sagte vorerst Nichts, er löste nur die letzten Bänder und die Schwarzhaarige spürte, wie der Stoff zu Boden glitt. Sie bekam nicht genug von diesem Moment, von dem Gefühl, das durch ihren Körper rauschte. Nun war es der Dunkelhaarige, der von ihren Lippen abließ, sich ihrem Hals widmete und ganz allein dafür sorgte, dass sie nicht auf seine Worte antworten konnte. Ganz automatisch neigte sie den Kopf ein wenig zur Seite, hielt die Augen dabei geschlossen, während ihre Hand wieder fest durch seine Haare strich. Ihre einzige Antwort war ein beinahe ersticktes, leises Auflachen, mit dem sich ihr Körper anspannte, als seine Hände unter ihre Bluse glitten. Sie ließ sich widerstandslos näher zu ihm ziehen, für einen weiteren Moment schien ihr Körper ihr nicht mehr zu gehorchen.

Ihr leises Lachen – oder vielmehr der erstickte Laut, der entfernt an ein Lachen erinnerte und eher von Atemlosigkeit zeugte – entlockte dem Dunkelhaarigen erneut ein kleines Schmunzeln, das er jedoch an ihrem Hals verbarg. Ohne jede Gegenwehr folgte sie seiner Hand, drückte ihren Körper an den seinen und neigte den Kopf einer Einladung gleich, um ihm mehr Spielraum zu geben. Das reichte ihm für's Erste völlig als Antwort. Er legte etwas mehr Nachdruck in die Art, wie er sie gegen den Pfosten drückte, umfasste plötzlich ihre Taille mit beiden Händen und hob Shanaya ein Stück hoch, sodass sie die Beine um seine Hüfte schlingen konnte und nur noch durch das Holz in ihrem Rücken gestützt wurde. Damit befand sich ihr Gesicht ein Stück weit über dem seinen und er ließ von ihrem Hals ab, um sich mit den Lippen sanft ihre Haut liebkosend einen Weg weiter nach unten zu bahnen. Über die elegante Wölbung ihres Schlüsselbeins hinweg dorthin, wo die offene Bluse kaum mehr ihre Brüste verbarg.

Shanaya hielt in dem Moment, in dem Lucien sie noch einmal fester gegen das Holz drückte, die Luft an. Sie hatte erwartet zu wissen, welchen Weg seine Hände gehen würden, hatte sich darauf eingestellt. Umso überraschter ging ein leichtes Zucken durch ihren Körper, als sie seine Hände plötzlich viel tiefer an ihrer Taille spürte – und sie im nächsten Moment hochgehoben wurde. Ein leiser, überraschter Laut, ehe ganz automatisch die Beine um ihn schlang, sich zu ihm lehnte, auch wenn das Holz in ihrem Rücken ihr Halt gab. Die eine Hand, die noch immer durch seine Haare strich, krallte sich nun wieder darin fest, als sie spürte, wie seine Lippen von ihrem Hals weiter nach unten wanderten. Die andere Hand krallte sich fest in den Stoff, der seinen Rücken bedeckte. Ihr Körper fühlte sich unendlich heiß an, jede Stelle, an der sie seine Nähe spürte, schien zu glühen. Die Augen hielt sie geschlossen, und selbst mit offenen Augen hätte sie nicht die kleine Traube von Menschen gesehen, die sich langsam vor diesem Stand zusammen fand. Sie konzentrierte sich nur auf das, was Lucien tat, was es ihr in diesem Moment schwer machte, nicht das Atmen zu vergessen. Und doch kam ihr ein leises, verräterisches Seufzen über die Lippen.

Lucien unterdrückte ein Beben, als ihr fester Griff in seinem Haar sanften Schmerz durch seine Nervenbahnen jagte. Sein ganzer Körper spannte sich in verlockend quälender Erwartung – und doch war jene Erfüllung gar nicht sein Ziel. Er hätte zugegriffen, wenn sie sich ihm anbot. Aber eigentlich hatte er längst, wonach er sich sehnte. Selige Vergessenheit. Alles andere war nur Bonus. Die Schwarzhaarige mit der Linken an ihren Oberschenkel stützend wanderte seine Rechte unter ihrer Bluse nach oben, strich fordernd über ihre Rippen, bis er die weiche Wölbung ihrer Brust erreichte und seine Finger sich um sie schlossen, sie sanft kneteten und seinen Lippen entgegen drückten, die ihr Ziel längst erreicht hatten. Seine Zunge glitt flüchtig über ihre Brustwarze, bevor er den Mund um sie schloss und fest an ihr saugte. Hätte er die Menschen, die sich vor dem Stand sammelten und mit mehr oder weniger empörten Gesichtern zusahen, überhaupt bemerkt, hätte das an der ganzen Situation allerdings wenig geändert. Es interessierte ihn schlicht und ergreifend nicht.

Shanaya hatte die Augen längst geschlossen, als sie Luciens Hand spürte, wie sie unter ihre Bluse glitt, über ihre glühende Haut strich. Noch immer zuckte kein Widerstand durch ihr Inneres, alles in ihrer Umgebung wirkte so weit weg. Nur die Berührungen des Mannes nahm sie noch wahr, das Brennen, das er auf ihrer Haut hinterließ. Das unbeschreibliche Gefühl, das durch ihren Körper schoss, als seine Hand sich um ihre Brust schloss. Wieder stockte der Schwarzhaarigen der Atem, ihre zweite Hand fand den Weg zu seinen Haaren, krallte sich ebenso darin fest. Seine Lippen, die mit ihren Berührungen etwas in ihr entflammten, entlockten ihr genauso ein Stöhnen, dicht an seinem Ohr. Für diesen Moment nahm er ihr jeden Willen, gab ihr nicht einmal die Chance, irgendetwas gegen seine Berührungen zu tun. Während alles in ihrem Körper nach mehr verlangte. Aber im nächsten Moment war etwas anders, etwas lenkte all ihre Aufmerksamkeit auf sich, weg von dem Mann, der sie eisern im Griff hielt. Eine Stimme, Schritte. Shanaya öffnete ein Auge, schwer atmend, ohne den eigenen Griff um Lucien zu lockern. Erst, als sie erkannte, wer auf sie zu kam, öffnete sie das zweite Auge, brachte jedoch keinen Abstand zwischen sich und den Mann. Ihre Stimme wäre nur ein weiteres, verlangendes Seufzen gewesen, wäre nicht ein Hauch von Warnung darin mitgeschwungen, als sie leise seinen Namen aussprach. Zwei Soldaten, offensichtlich nicht sicher, was sie hiervon halten sollten. Es waren nur noch wenige Schritte, ehe sie bei den beiden angekommen waren, einer legte Lucien grob die Hand auf die Schulter, zog ihn fast ein wenig zurück. „Was soll das hier werden? Wo ist Thoran?!“

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass irgendetwas an der Art, wie sie seinen Namen hauchte, nicht stimmte. Es hätte ihm besser gefallen müssen. Also... das tat es, ohne Frage. Aber es klang nicht ganz der Situation entsprechend. Vielleicht den Bruchteil einer Sekunde zu spät begriff er, dass etwas sie aus diesem Spiel gerissen hatte und sie ihn warnte. Er kam gerade so weit, den Mund von ihr zu lösen und die tiefgrünen Augen zu öffnen, als er bereits eine Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn grob unterbrach und ihn fast so weit zurück zog, dass Shanaya den Halt verloren hätte. Lucien stieß einen atemlosen, aber trotz allem derben Fluch aus. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich gegen die unwillkommene Unterbrechung, sodass er sich letztlich kaum weiter von der Schwarzhaarigen löste, als vorher. Er hielt sie nach wie vor gegen die hölzerne Stütze des Waffenstandes gedrückt – unwillig, an dieser Stelle aufzuhören. Gerade einmal den Kopf wandte er zu dem Mann herum, der sich eingemischt hatte und knurrte ihn an. „Wer?“ Dann setzte sein Verstand wieder ein und ihm wurde klar, dass er den Standbesitzer meinte. Von einer Sekunde auf die nächste stecken sie beide in Schwierigkeiten. „Oh, der. Der... wollte sich was zu Essen holen. Wir sollten... eigentlich auf den Stand aufpassen.“ Er spielte auf gut Glück... so weit es sein zerstreuter Verstand das gerade schon konnte. Wer wusste schon, ob dieser Soldat – wenn er den Händler beim Namen kannte – nicht auch über seine Angestellten Bescheid wusste.

Shanaya spürte die innere Zerrissenheit darüber, ob sie sich genau solch eine Unterbrechung wünschte – oder ob sie sie verfluchen sollte. Vermutlich... auf Dauer konnte sie froh darüber sein. Auch wenn ihr nicht danach war, jetzt in das Gesicht von Soldaten zu blicken. Aber auch Lucien schien verstanden zu haben. Er löste sich von ihr, und sofort spürte sie, wie ihr Körper beinahe aufschrie. Wenn es danach gegangen wäre... Aber die Soldaten waren bei ihnen, lenkten Luciens Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn er zuerst einen Moment verwirrt wirkte. Shanaya lauschte nur auf die Worte, die der Dunkelhaarige den Uniformierten entgegen warf. Ihre Hände lösten sich ein wenig, im nächsten Moment strich eine jedoch fast sanft durch seine Haare. Seine Worte waren gut gewählt – die Soldaten schienen zwar nicht besänftigt, aber... milder gestimmt. „Wie wäre es dann, wenn du das Fräulein wieder auf dem Boden absetzt und deiner Aufgabe nachgehst? Er wäre sicher nicht begeistert, wenn er sehen würde, was ihr hier tut.“ Während der Mann sprach, huschte Shanayas Blick an Lucien vorbei, wo der zweite Mann sich gerade abwandte, sich am Stand umblickte. Er steuerte auf das Zelt zu. „Lass mich runter.“ Ein hauchzartes Seufzen an Luciens Ohr, ein Zeuge ihrer Atemlosigkeit. Der Unwillen daran würde ihm nicht entgehen, sie hatte jedoch keine Lust, sich jetzt mit diesen Soldaten herum zu schlagen – also mussten sie jetzt schnell handeln.

Lucien hätte sich beinahe von der zärtlichen Berührung in seinem Haar ablenken lassen. Im nächsten Moment spürte er Shanayas Lippen dicht an seinem Ohr, ihren warmen Atem, der über seine Haut strich, als sie sprach und ihm dabei eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Sein Herz schlug schnell, zu schnell und sein eigener Atem hatte sich kaum beruhigt, als sie ihn damit schon wieder beschleunigte. In diesem Moment lag seine gesamte Aufmerksamkeit wieder bei ihr – der Soldat fast vergessen. Aber nur fast. Lucien tat, worum sie ihn bat, nicht ahnend, was sie hinter seinem Rücken gesehen hatte. So oder so war es in diesem Fall deutlich schlauer, die beiden Uniformierten nicht gegen sich aufzubringen. Also zog er die Hand zurück, die unter ihrer Bluse ruhte und ließ sie vorsichtig zu Boden sinken. Nur einen Moment lang hielt er sie fest, um sicher zu gehen, dass sie nicht wieder umfiel. Dann richtete er den Blick wieder auf den Soldaten, der sie unterbrochen hatte. In diesem Augenblick entdeckte er auch den allzu neugierigen anderen. Verdammt. „Stimmt, ich... es überkam uns wohl einfach.“, setzte er zu einer gespielten Erklärung an, die einen Hauch Verlegenheit anklingen ließ. Samt eines kleinen, um Verständnis heischenden Lachens in der Stimme und einem eindeutigen Blick in Shanayas Richtung – mit dem er zugleich den Fortschritt des zweiten Soldaten prüfte. „... Tut uns den Gefallen und sucht euch dafür das nächste Mal ein Zimmer. Nach der Schicht!“, wobei er das 'nach' ganz besonders stark betonte.

Shanaya bemerkte kaum, was sie bei Lucien mit ihrer erneuten Nähe auslöste. Ihr blauer Blick lag auf dem zweiten Soldaten. Er schlenderte langsam herum, sein Ziel schien jedoch vollkommen klar. Die Schwarzhaarige biss die Zähne fester aufeinander, als Lucien ihren leisen Worten nachkam. Er löste sich gänzlich von ihr, ließ sie langsam auf den Boden sinken. In diesem Moment richtete sie die blauen Augen fest auf seine, ein hitziges aber warmes Lächeln lag auf ihren Lippen, während sie mit der Hand sanft an seinem Hals entlang fuhr. Kurz schloss sie die Augen, atmete tief durch, ehe sie einen Schritt zur Seite ging, sich nach ihrer Tasche und der Corsage bückte. Als sie den Oberkörper wieder erhob, lag ein beinahe beschämter Ausdruck auf ihren Zügen, den Blick hielt sie zu Boden gerichtet und stammelte nur etwas, was nach einer peinlich berührten Entschuldigung klang. Den Großteil übernahm jedoch Lucien, sodass die junge Frau sich im nächsten Moment in Bewegung setzen konnte, direkt auf das Zelt zu. Den zweiten Soldaten überholte sie dabei, ließ ihn an Ort und Stelle stehen, wandte sich nur kurz vor der Plane noch einmal zu ihm herum. „Ich... will mich schnell anziehen...“ Sie wich seinem Blick aus. „Bitte... nicht zuschauen...“ Ein vorsichtiges Lächeln galt ihm, ehe sie, unter seinem verwirrten Blick, durch die Öffnung huschte und sie direkt hinter sich wieder zu zog. Abstand. Vielleicht war das jetzt genau das, was sie brauchte. Abstand zu dem Mann, der Schuld war, dass in diesem Moment jede Faser ihres Körpers zu brennen schien. Lichterloh und alles verbrennend. Trotzdem ruhte ihr Blick kurz auf dem am Boden liegenden Mann, ehe sie sich in Bewegung setzte, mit den Fingern einer Hand unbewusst über die Spur an ihrem Hals fahrend, die Lucien hinterlassen hatte. Ablenkung fand sie in einem Säckchen, das auf einem Stuhl lag. Den verwirrten Blick und das Schulterzucken, das der Soldat seinem Kollegen zuwarf, sah sie schon längst nicht mehr.

Lucien hob in einer Geste der Verlegenheit die Hand an den Hinterkopf. Dort, wo Shanaya nur Augenblicke zuvor ihre Hand in sein Haar gekrallt hatte. Und wieder pumpte sein Herz einen Schwall flüssigen Feuers durch seine Adern. Sein Blick folgte der Schwarzhaarigen, die sich ihre Korsage schnappte – scheinbar zu beschämt, um noch irgendjemandem in die Augen zu schauen. Ganz anders noch, als einen Augenblick zuvor. Lucien musste sich ein amüsiertes Schmunzeln verkneifen, nun, da sein gesunder Menschenverstand wieder einsetzte. Sie schlüpfte an dem zweiten Soldaten vorbei und durch die Zeltplane, begleitet von Worten, die ihn beinahe hätten auflachen lassen. Er tarnte den Moment in einem Räuspern, kämpfte um eine unbeteiligte Mine und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Soldaten, der noch bei ihm stand und der jungen Frau ebenfalls recht angetan hinterher blickte. „Bitte, erzählen sie...“ Verdammt, wie hieß dieser Kerl? „... Thoran nichts. Ich... brauche die Stelle hier...“ Das lenkte den Blick des Mannes wieder auf Lucien und er winkte ab. „Macht das einfach nicht nochmal. Sonst könnt ihr die Nacht in einer Zelle verbringen. Getrennt.“ Er hängte ein Zwinkern hinten an, als hätte er einen besonders guten Witz gerissen und pfiff dann seinen Kollegen zurück. „Myrak, lass uns weiter machen. Hier ist alles geklärt. Leute, weiter gehen. Es gibt jetzt nichts mehr zu sehen.“

Shanaya atmete zitternd ein, während sie sich auf den Stuhl zu bewegte. Ihr Körper beruhigte sich nicht, und die junge Frau hatte Zweifel daran, dass sich diese Aufgewühltheit schnell legen würde. So sehr sie auch durchatmete, sich zur Ruhe zwang. Spätestens, wenn sie das Zelt wieder verließ, würde all das wieder aufflammen. Und Lucien würde sie das Ganze sicher nicht all zu schnell vergessen lassen. Daran gab es keinen Zweifel. Bei dem Stuhl angekommen griff sie nach dem Säckchen in dem es deutlich klimperte. Ein Grinsen legte sich auf ihre Lippen, ein Blick herum verriet ihr jedoch, dass es hier nicht viel mehr zu holen gab. Also trat sie zurück zur Öffnung des Zeltes und blieb direkt davor stehen. Sie hörte die Stimmen der Soldaten, schließlich Schritte, die sich entfernten. Und auch das Geraune der Menschen wurde weniger. Tja... die Show war vorbei. Vorerst. Shanaya befürchtete, dass dies nicht das einzige Mal bleiben würde. Aber der gierende Funke in ihrem Inneren schien Nichts dagegen zu haben, all das zu wiederholen. Sie schluckte, trat mit dem nächsten Atemzug vor das Zelt. Nur ein kurzer, prüfender Blick. Es waren noch vereinzelte Menschen hier, aber niemand schien sich um sie zu kümmern. „Hallo mein Hübscher, was hälst du davon, wenn ich dich gleich auf etwas zu trinken einlade?“ Ein vielsagendes Grinsen galt Lucien, während sie kurz mit dem Beutel wedelte, der im nächsten Moment in ihre Tasche sank. Damit trat sie zu dem Dunkelhaarigen, ihre stopfte sie zu der Beute des Tages. Ihre Bluse hatte sie noch nicht gerichtet, blieb aber dennoch bei dem Mann stehen und hob den Blick direkt in seine Augen.

Lucien sah den beiden Soldaten mit gespielt verlegener Unschuldsmine nach und wartete darauf, dass sie sich samt des gaffenden Anhangs endlich verpissten. Das Rascheln von schwerem Stoff hinter ihm kündete derweil von Shanayas Rückkehr. Sie hatte wohl abgewartet, bis sich die Versammlung aufgelöst hatte. Ihre Worte zur Begrüßung lockten ein amüsiertes Schmunzeln auf seine Lippen und als er sich halb zu ihr umwandte, entdeckte er den kleinen Beutel in ihrer Hand. Das klang... vielversprechend. Als sie ihn fast erreicht hatte, drehte er sich gänzlich zu ihr herum, kam ihr noch einen halben Schritt entgegen, als Shanaya selbst schon innehielt, und begegnete ihrem Blick. Was sie darin lesen konnte, war leicht zu erraten: Sein verdammter Hunger auf eine Fortsetzung. Und so nahe, wie sie sich nun erneut kamen, wirkte es fast so, als holte er sie sich hier und jetzt. Lucien legte die Hände an ihre Seiten, auf den Brustkorb knapp unterhalb ihres Busens, und beugte sich zu ihrem Ohr vor. „Jederzeit, kleine Sirene. Jederzeit.“ Mit den Lippen streifte er dabei ihr Ohrläppchen. Die Art und Weise, wie er das sagte, machte deutlich, dass er weit mehr meinte, als nur 'einen trinken zu gehen'. Flüchtig strich er mit dem Daumen über ihre Brustwarze, die nun wieder unter der Bluse verborgen lag. „Nehmen wir mit, wofür wir gekommen sind und dann lass uns hier verschwinden.“ So leise und eindeutig seine Tonlage gerade noch gewesen war, wurde sie jetzt schon fast geschäftig. Und damit ließ er von der Schwarzhaarigen ab, griff nach dem Degen, den er vorhin noch an den Stand gelehnt hatte und machte sich daran, ihn an seinem Gürtel zu befestigen.

Shanaya hatte den Blick kurz schweifen lassen, die Soldaten schienen jedoch zufrieden zu sein und waren schon zwischen kleinen Gruppen von Menschen verschwunden. Also konnte die junge Frau sich wieder ganz dem Mann widmen, der ihr einen schritt entgegen gekommen war und nun direkt bei ihr stand. Sein Blick legte sich fest auf ihren und der Ausdruck in dem tiefen Grün jagte ihr einen heißen Schauer durch jede einzelne Faser ihres Körpers. Das gleiche verlangen in seinen Augen, das ihr Inneres so spaltete. Der ein teil wollte ihn in das Zelt hinter ihnen zerren, sich genau dissem Verlangen hingeben. Der andere, der in diesem Moment deutlich lauter war, überzeugte sie genau vom Gegenteil. Sie wusste, sie würde es bereuen. Aber jetzt... er war so weit an ihre Grenzen getreten, hatte ihr ein Gefühl gegeben, von dem sie jetzt schon nicht genug zu bekommen schien. Und Lucien gab ihr nicht die Möglichkeit, ihren Körper zu beruhigen. Sie spürte seine Hände im nächsten Moment, den Daumen, der über ihre verhülte Brust strich und ihr damit ein wohliges seufzen entlockte, mit dem sie die Augen schloss. Dazu seine Worte, so heiß und verlockend direkt an ihrem Ohr. Wieder nahm er ihr für einige schnelle Herzschläge die Luft, verlockte sie beinahr dazu, ihm erneut näher zu kommen, sich zu nehmen, wonach es ihnen beiden verlangte. Aber der Dunkelhaarige selbst war es, der den erlösenden Abstand zwischen sie brachte, sich dem Degen zuwandte. Das Kribbeln blieb dennoch, gerade da, wo sein Daumen ihr eine neue Spur auf die Haut gebrannt hatte. Aber auch Shanaya wandte sich wieder an die Auslage, griff nach einem Dolch. "Ich habe alles, was ich brauche. Aber wie wäre es mit dem hier für dich? Kätzchen passen doch wunderbar zu dir." Mit einem vielsagenden Grinsen hielt sie den Dolch hoch, an dessem Griff katzenähnliche Wesen eingearbeitet waren.

Lucien bekam von dem inneren Zwiespalt der Schwarzhaarigen kaum etwas mit. Nur welche Wirkung ihr kleines Intermezzo auf sie hatte, dessen war er sich mehr als bewusst und auf seinen von ihr abgewandten Zügen erschien ein halb amüsiertes, halb selbstgefälliges Lächeln. Erst ihre Stimme ließ ihn aufsehen und im nächsten Moment stieß er ein spöttisches Schnauben aus. In den tiefgrünen Augen blitzte der Schalk. „Vielleicht für unseren Katzenfreund? Zu ihm passt er noch besser.“ Der Degen saß fest an seiner rechten Seite – sodass er ihn mit links leichter ziehen konnte – also wandte Lucien seine Aufmerksamkeit wieder auf die Auslage. Er war nämlich noch nicht fertig. Mehr oder weniger willkürlich griff er nach einem der gut verarbeiteten Dolche und wollte sich gerade daran machen, ihn in seinem Stiefel verschwinden zu lassen, als sein Blick auf einen weiteren fiel. Eine schlichte Klinge ohne Parierstange, aus dunklem Holz. Das passte zu ihm. Mit einem Schmunzeln schob er den ersten Dolch in seinen Stiefel, griff nach dem zweiten und zögerte einen Moment nachdenklich, ehe er Shanaya einen Seitenblick zuwarf und sich ein zufriedenes Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Schau mal, ob du ein großes Tuch oder eine Tasche finden kannst. Wir nehmen so viel mit, wie wir tragen können!“ Die Sphinx brauchte ein anständiges Waffenarsenal. Und alles, was nichts taugte, ließ sich immer noch zu Geld machen.


RE: Spiel mit dem Feuer - Shanaya Árashi - 06.05.2019

Shanaya drehte den Dolch noch ein wenig in der Hand herum. Wirklich hübsch war der nicht... aber einen Dolch hatte sie, das reicht. Luciens Behauptung, die Waffe würde gut zu Liam passen, ließ die Schwarzhaarige leise auflachen. „Du Unmensch hast doch wohl etwa Nichts gegen süße, kleine Kätzchen?“ Ihr lag noch etwas auf der Zunge, was sie jedoch herunter schluckte. Er würde ihr nach dem, was hier eben vor sich gegangen war das 'süße, kleine Kätzchen' das sie war nicht mehr abnehmen. Der Mann wandte sich wieder den Waffen zu, während Shanaya den Dolch selbst wieder ablegte, Lucien kurz beobachtete, wie er einen Dolch in seinen Stiefel sinken ließ, einen zweiten bereits in der Hand hatte. Als er sich dann wieder an sie wandte, wurde ihr Lächeln wieder einen Hauch breiter. „Ich sage es gern noch einmal, ich mag, wie du denkst.“ Einige Herzschläge ruhten die blauen Augen noch auf dem Mann, ehe sie sich abwandte, wieder zum Zelt trat, in dem der regungslose Körper noch immer herum lag. Nicht sein Tag heute. Aber die Schwarzhaarige kümmerte sich nicht um ihn, ließ den Blick nur schweifen, auf der Suche nach etwas, das möglichst unauffällig aussah. Ein Weidenkorb mit einem Haufen Tücher darin. Mit den Schultern zuckend griff sie danach. Mit den Tüchern konnte man den Inhalt des Korbes verdecken und einzelne Waffen umwickeln, damit sie nicht laut aneinander schlugen. Ihre Tasche wurde langsam schwer von der ganzen Diebesbeute. Aber... hier sollte noch einiges hinein passen. Also machte sie sich wieder auf den Weg nach draußen und gerade, als sie durch die Öffnung der Planen getreten war, hörte sie hinter sich ein leises, schmerzverzerrtes Stöhnen. Sie wartete also nicht lang, ließ den Korb neben Lucien auf den Boden sinken, nahm die Tücher daraus und machte sich selbst daran, möglichst teuer aussehende Waffen zu finden. „Wir sollten uns beeilen. Unser Freund könnte sonst jeden Moment etwas ungehalten werden...“

Ein vielsagendes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Er wusste, worauf sie anspielte. „Wenn sie sich nützlich machen?“ Dann und nur dann hatte er kein Problem mit süßen, kleinen Kätzchen. Doch er richtete seine Aufmerksamkeit bereits wieder auf die Waffen, stieß auf ihren Zuspruch hin nur ein leises, hörbar gut gelauntes Lachen aus und griff bereits nach einer der Pistolen, die fein säuberlich auf der Auslage aufgereiht lagen. Sie hatte ein gutes Gewicht, lag ordentlich in der Hand. Aber er würde üben müssen, um sich mit ihren Eigenheiten vertraut zu machen. Bestenfalls noch auf der Insel und nicht zwangsweise auf dem Schiff. Das Meer trug Geräusche sehr weit. Er schob sich die Waffe in den Gürtel, lauschte beiläufig auf die Geräusche hinter sich, die Shanayas Suche nach einer Transportmöglichkeit begleiteten und wollte sich gerade zu ihr umwenden, als sein Blick zwei ungewöhnlich geformte Dolche streifte. Zwillinge, offenbar, denn sie sahen absolut identisch aus und teilten sich das samtbezogene Podest, auf dem sie zur Schau gestellt wurden. Ihre Klingen waren hauchdünn, beinahe wie Nadeln – soweit bei einem Dolch überhaupt möglich – und ihre Parierstangen wölbten sich parallel zur Klinge wie die Hörner eines Stiers. Er zögerte kurz, dann griff er sich die beiden Dolche, schnitt mit einem den Samt von seinem Podest und wickelte beide darin ein. Dann schob er sie mit der Klinge voran so weit möglich in seine Gürteltasche. Sie lugten ein wenig darüber hinaus, aber das machte nichts. Halten würden sie. Lucien hatte die Schnalle gerade verschlossen, als Shanaya zurück kehrte. Ihre Miene sagte ihm bereits genug, sodass er nur nickte und sich ohne lange zu überlegen wieder der Auslage zuwandte. Sämtliche Pistolen wanderten in den Korb, den sie aufgetrieben hatte – begonnen mit denen, deren exponierte Zurschaustellung ihren Wert anpriesen. Dann fing er an, die Degen nach Schmuck und Tauglichkeit durchzugehen. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr.

Lucien sagte Nichts, auch als Shanaya neben ihm an der Auslage zum stehen kam. Beinahe ein wenig skeptisch hob sie leicht eine Augenbraue, warf dem Dunkelhaarigen einen kurzen Blick zu. Er schien vollkommen auf die Waffen konzentriert zu sein, damit, was er mitnahm und was nicht. Ein kurzes Nicken hatte er ihr gegolten, dann war er schon wieder mit den Gedanken bei den Waffen. Shanaya selbst wandte den blauen Blick von ihm ab, ließ ihn schweifen, suchend. Als sie schließlich gefunden hatte, was sie suchte, griff sie nach zwei teuer aussehenden Dolchen, mit denen sie sich auf die Knie fallen ließ und begann, manche der Waffen in kleine Tücher zu packen. Wenn sie laufen mussten, war es wichtig nicht gehört zu werden. „Hinter dem Stand rechts von uns ist eine kleine Gasse. Von da kommen Menschen, es kann also keine Sackgasse sein.“ Kurz hob sie den Blick zu ihrem Captain. Er würde schon verstehen. Die zwei Dolche, die sie kurz neben den Korb gelegt hatte, wickelte sie nun auch ein, ehe ein Geräusch sie ablenkte. Wieder ein schmerzvolles Stöhnen, eine Stimme, die scheinbar mit sich selbst sprach. „Hast du alles? Ich denke, wir kriegen gleich Besuch.“ Und an der Öffnung des Zeltes regte sich etwas. Aber über diese Ausbeute konnten sie sich nicht beklagen, sodass Shanaya das größte Tuch locke über den Korb zog, jedoch noch einmal prüfend zu Lucien blickte, ob er ihr noch etwas reichte.

Lucien richtete seine gesamte Aufmerksamkeit darauf, die Degen durchzugehen. Für reden war dabei keine Zeit. Er hatte ohnehin zu viel davon verschwendet, um die beiden Dolche einzupacken, auch wenn es an dieser Stelle nichts zu bereuen gab. Als die Schwarzhaarige ihn erneut ansprach, reichte er ihr im gleichen Moment ein halbes Dutzend der wertvollsten Degen, damit sie sie im Korb verstaute. Ihre Klingen würden über dessen Umfang hinaus ragen, aber wenn sie sie geschickt umhüllte, könnten es auch Baguettes sein. Wieder galt ihr ein kurzes, diesmal zustimmendes Nicken. Er war froh, sie in diesem Moment dabei zu haben – scheinbar hatte sie ein verdammt gutes Auge für Fluchtwege. Selbst dann, wenn sie grade mit anderen Dingen beschäftigt zu sein schien. Faszinierende Eigenschaft. „Wir gehen langsam. Wenn wir nicht rennen müssen, rennen wir nicht.“ Er löste die nächsten drei Klingen aus ihren Halterungen, gerade als Shanaya ihre Warnung aussprach. Unwillkürlich huschte sein Blick zu der Öffnung im Zelt. Geräusche dahinter verrieten, dass jemand sich schwerfällig drehte. „Dann mal los.“ Lucien reichte der Schwarzhaarigen die restlichen Degen, konnte sich ein kleines, adrenalingetränktes Grinsen dabei nicht verkneifen und schlüpfte an der Seite aus dem Verkaufsstand. Sein erster Blick galt der Hauptstraße. Keine Soldaten. Dann wandte er sich um und wartete auf Shanaya. „Wir können.“

Shanaya nahm die Degen entgegen, die der Dunkelhaarige ihr reichte, überlegte einen Moment, ehe sie jeweils zwei in größere Tücher wickelte. So legte sie die versteckten Klingen auf den Korb, nickte auf Luciens Worte ruhig und schob die Klingen ein wenig zusammen, um etwas mehr Platz zu machen. Rennen würde so oder so schwer werden... aber vielleicht hielt man sie wirklich einfach für gewöhnliche Leute, die ihr Abendessen besorgt hatten. Es gab hier sicher genug Tavernen, weit würde ihr Weg also nicht sein. Und wenn sie im dunklen zurück zur Sphinx gingen, würde man sie so oder so nicht beachten. Der Mann, Thoran, schien langsam zu sich zu kommen, die Degen, die Lucien ihr reichte waren also die letzten. Sie hatten einiges zusammen, Geld sowie Waffen. Es hatte sich bisher auf jeden Fall gelohnt. Das Grinsen des Älteren erwiderte sie mit genau dem gleichen Ausdruck, umwickelte dann die letzten Degen und schob sie zu den anderen. Ein letzter Blick, aber von außen ließ sich kein Metall erkennen. Die Schwarzhaarige schob die Tasche ein wenig nach hinten, erhob sich dann und wartete, bis Lucien ihren Weg geprüft hatte, ehe sie auch nach dem Korb griff, die Schlaufe über ihren Arm hing, sodass sie ihn schräg vor sich tragen konnte.Er war ziemlich schwer, aber es würde schon irgendwie gehen. Damit folgte sie dem Dunkelhaarigen, mit einem gut gelaunten Ausdruck auf ihren Zügen. „Hast du noch Wünsche für das Abendessen? Ansonsten reicht das denke ich...“ Sie hob leicht eine Augenbraue, warf dem Dunkelhaarigen einen vielsagenden Blick zu. „Aber jetzt habe ich ganz schön Durst.“

Lucien wartete, bis die Schwarzhaarige sich samt des schwer bepackten Korbes durch den Seiteneingang des Standes geschoben hatte, und setzte sich dann ohne zu zögern wieder in Bewegung. Die Art, wie sie ging, verriet überdeutlich, was ihre Ausbeute wiegen musste. Noch dazu war auch ihre Umhängetasche voll mit Diebesgut. Ohne lange darüber nachzudenken, streckte der Dunkelhaarige die Hand nach dem Korb aus, griff aber noch nicht zu, falls sie darauf bestand, ihren Einkauf selbst zu schleppen. „Lass mich das tragen, mein Herz. Deine Tasche ist schon schwer genug.“ Für einen Moment musste er darum kämpfen, das Lachen aus seiner Stimme heraus zu halten und halbwegs ernsthaft zu klingen. Nur in den tiefgrünen Augen blitzte der Schalk auf, als er ohne langes Nachdenken in die nächste Scharade einstieg. Immerhin war ja genau das zuvor noch sein Gedanke gewesen: Mit dem Tuch darüber sah ihre Beute aus, wie ein paar Baguettes. Oder Gurken. Was auch immer. „Und um deine Frage zu beantworten: Ich denke, das reicht völlig“, fügte er grinsend an. „Ich kenne übrigens ein hübsches kleines Wirtshaus nicht weit von hier. Mit 'nem netten Biergarten im Hinterhof. Wie wäre es damit?“ Vordereingang und Hinterhof bot zumindest gute Fluchtmöglichkeiten. Im Falle des Falles. Auch wenn er optimistisch war, als er in die Seitengasse einbog, auf die Shanaya kurz zuvor hingewiesen hatte. Bis dahin jedenfalls hatten noch keine panischen Rufe die Aufmerksamkeit der Soldaten auf den Waffenstand gelenkt und sie sahen aus wie ein junges Pärchen auf dem Weg nach Hause.

Shanaya hielt den Arm angespannt, um den Korb nicht zu verlieren. Da Ziehen war jedoch deutlich zu spüren. Aber nur ein lautloses Seufzen darüber kam ihr über die Lippen. Von so etwas ließ sie sich  gewiss nicht aufhalten. Aber gerade hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, als sie blinzelte, weil Lucien die Hand ausstreckte. Und mit seinen Worten musste sie dann plötzlich laut loslachen. Sein Herz. Natürlich. Sie lachte, atmete dann seufzend aus und schüttelte den Kopf, ehe sie eine leidende Miene aufsetzte. Sie rutschte ein wenig an den Dunkelhaarigen heran, sodass ihre Arme sich berührten, sodass sie ihm ein vielsagendes Zwinkern zuwerfen konnte. „Danke, mein Liebster. Was würde ich nur ohne dich tun?“ Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu, reichte ihm dann den Korb, darauf bedacht, dass nichts davon rutschte. Sie hätte ihn auch selbst getragen, aber so konnte sie auf ihre Tasche aufpassen – und außerdem gefiel ihr diese kleine Geste, auch wenn das nur ein weiteres, kleines Spiel war. In ihrer Dankbarkeit hatte jedenfalls auch ein kleiner Wahrheit gelegen. „Daraus kann man bestimmt etwas leckeres zaubern!“ Sie hätte schon wieder etwas zu Essen vertragen können... allerdings musste das wohl noch einen Moment warten. „Das klingt gut. Ausnahmsweise darfst du mir also Mal den Weg zeigen.“ Ein warmes Grinsen galt dem Dunkelhaarigen, ehe sie ihre Tasche ein wenig nach vorn zog, um sie besser unter Kontrolle zu haben.

„Naja, das wüsste ich manchmal auch gerne.“, konterte er auf ihre Frage mit einem amüsiert-spöttischen Blick von der Seite, der an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten war. Ihre Nähe nahm er vollkommen gelassen auf, griff nach dem Korb, den sie ihm mühsam reichte und übernahm das Tragen. In diesem Moment war er froh, längst wieder mit den Arbeiten auf dem Schiff begonnen zu haben. Andernfalls hätte er die plötzliche Last wahrscheinlich fallen lassen und nicht mehr aufheben können. Immer wieder musste er sich daran erinnern, dass die Flucht von der Morgenwind und damit drei Jahre Gefangenschaft noch nicht einmal einen ganzen Monat zurück lagen. So viel, wie er aß und sich bewegte, regenerierte er sich schnell. Doch er war noch lange nicht im Vollbesitz seiner Kräfte und seine Rippen zeichneten sich nach wie vor deutlich unter der Haut ab. Doch all das lag unter seiner frisch erstandenen Kleidung verborgen und er hütete sich davor, das allzu offensichtlich zu machen. Dafür war er dann doch ein Stück zu stolz. „Dort vorne müssen wir abbiegen. Und dann gehen wir einfach durch den Hinterhof.“ Er hob den freien Arm und deutete auf eine Gasse, die etwa zwanzig Meter entfernt von ihnen nach rechts abbog. Dabei warf er seiner Begleiterin einen kurzen, fast amüsierten Seitenblick zu und hängte mit gedämpfter Stimme an: „Sehen wir zu, dass wir von der Straße runter kommen.“

Vielleicht hätte sie es nicht zu gegeben, aber die fehlende last des Korbes tat ihr gut. Ihre Tasche zog zu einer Seite, der Korb hätte sie noch ganz anders belastet. Aber sie hatte ja zum Glück ihren Liebsten dabei, der sich so sehr um sie sorgte! Er nahm ihr den Korb ab und die Schwarzhaarige griff sich in einer dramatischeb Geste ergriffen an die Brust. "Jetzt bist du ja zum Glück da!" Ein erneutes, warmes Lächeln galt dem Dunkelhaarigen. Davon abgesehen, dass sie ohne ihn nichz on dieser Situation wäre. Zumindest nicht in diesem Ausmaß. Luciens Deuten folgte sie kurz mit wachsamen Augen, nickte, ehe sie diesem Weg folgte.
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Sie hatten sich schnell darauf geeinigt, dass es das beste wäre, wenn sie sich ein zimmer nahmen. Mit zwei, drei Beuteln wäre es kein Problem gewesen... aber ein Korb voller gestohlener Waffen war nicht einfach zu verstecken. Ein Zimmer, in dem sie ihre Ruhe hatten, in dem sie niemand stören würde. Zumindest hatte Shanaya dem Wirt dies mit einem Zwinkern vermittelt - wohl wissend, was er nun dachte. Ein paar Stunden zu zweit... was sollte man da auch sonst tun außer übereinander her zu fallen...? Also hatten sie das Zimmer die Treppe hoch und am ende des Flures bekommen. In diesem Moment betrat Shanaya den recht großen Raum, betrachtete kurz das verdreckte Fenster, ehe sie sich mit einem leisen Seufzen die Tasche von der Schulter nahm und sie auf dem Tisch abstellte, der sich zentral im Raum stand. Dazu stellte sie die Flasche Wein, ehe sie den hellen Blick auf Lucien richtete. "Wenn wir so etwas öfter machen, könnten wir uns bald einfach ein neues Schiff besorgen..." nicht, dass sie das wollte...


Die Nacht in der Stadt zu verbringen, war das beste, was sie im Augenblick tun konnten. Bis dahin würde sich der Trubel um den ausgeraubten Waffenhändler längst gelegt, ihre Gesichter in den Erinnerungen verblasst sein (wenn auch nicht in denen des Standbesitzers, dann zumindest in denen aller anderen). Außerdem war der Weg zurück zur Sphinx weit und Lucien, das musste er sich wohl oder übel eingestehen, merklich erschöpft. Zumindest spürte er es, als er den Korb ans Fußende des schmalen Doppelbetts auf dem Boden abstellte und sich rücklings auf die Matratze fallen ließ. Das Gestell gab ein Quietschen von sich, das dem Dunkelhaarigen ein Schmunzeln entlockte, dann richtete er den Blick mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf Shanaya, die gerade Tasche und Wein auf dem Tisch abstellte. „Oh, ich glaube, damit tun wir Talin keinen Gefallen. Sie hängt sehr an der Sphinx.“ Das Schmunzeln auf seinen Lippen vertiefte sich noch etwas. „Aber stell dir vor, wir hätten ein zweites Schiff. Eine hübsche kleine Flotte. Und so gut, wie das gerade geklappt hat...“ Er setzte sich schwungvoll auf. „... Schaffen wir es zu zweit, sie komplett mit Waffen zu versorgen.“ In den tiefgrünen Augen erschien zufriedene Anerkennung.

Kaum hatte Shanaya die Tasche abgelegt, erholte sich ihr rücken wieder, das ziehen ließ nach. Damit ließ sie den bellen Blick noch einmal schweifen, während Lucien sich aufs Bett fallen ließ. Ob er sie damit einladen wollte? Vielleicht. Sie grinste über seine Worte,  während sie den Inhalt ihrer Tasche komplett auf dem Tisch entleerte. Ein paar klimpernede Beutel, ein Kompass, ein Nadeldöschen... und alles, was keine Beute war, wanderte direkt zurück in die Tasche.  Bis die Säckchen allein auf dem Tisch lagen. "Nein, da hast du vollkommen recht. Mir geht es allerdings nicht anders." Auch wenn Talin schon ein wenig länger unter roten Segeln segelte. "Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel." Mit einem lockeren Zwinkern beantwortete sie die Worte des Mannes?  Sie waren ein gutes Team, das musste sie zugeben. Und eine eigene Flotte wäre sicher gut fürs Ego. Die Schwarzhaarige griff nun nach den Beuteln, der Flasche Wein und trat selbst ans Bett, reichte dem Dunkelhaarigen die Flasche und ließ sich direkt neben ihn im Schneidersitz auf das Bett sinken. Auf ihren Beinen die Beutel, von denen sie nun das erste öffnete. Einige Münzen klimperten vor sich hin, was Shanaya lächeln ließ. "Sie verfluchen uns. Wenn wir ihnen nochmal begegnen, foltern sie uns ganz bestimmt..."

Mit mildem Interesse beobachtete Lucien die Schwarzhaarige dabei, wie sie ihre eigenen Gegenstände zurück in die Tasche packte. Einen Blick auf ihren Kompass erhaschte er dabei und auf ein kleines Döschen, dessen Inhalt jedoch ein Geheimnis blieb. Es war allerdings auch nicht so, dass er allzu neugierig darauf war. Viel mehr interessierten ihn dann doch die kleinen Beutel, die ein vielversprechendes Klimpern von sich gaben. Sie waren tatsächlich ein verdammt gutes Team. „Dann behalten wir die Sphinx. Und holen uns ein zweites Schiff dazu.“ Das ein nur halb scherzhaftes, beschließendes Nicken seine Worte begleitete, verriet, wie sehr ihm das kleine Gedankenspiel tatsächlich gefiel. Und hey, warum denn auch nicht nach Größerem streben? Die tiefgrünen Augen folgten Shanaya, die nun ihre Beute und die Flasche Wein ergriff und zu ihm hinüber kam. Mit einem stummen Dank in den Augen nahm er ihr das Getränk ab und setzte die Flasche kurzerhand an die Lippen, während sie sich neben ihm auf das Bett sinken ließ und den ersten Beutel öffnete. Ihre Worte daraufhin entlockten dem Dunkelhaarigen ein Grinsen. „Dann sehen wir besser zu...“ Er hielt kurz inne, während er sich wieder rücklings auf das Bett sinken ließ, bewusst darauf achtend, von dem Wein nichts zu verschütten, und dann das Gesicht in ihre Richtung wandte. „... Dass wir ihnen nicht nochmal begegnen. Was ist in dem anderen?“, fragte er nach und deutete mit der ihr zugewandten Hand auf den zweiten, größeren Beutel.

Shanaya fragte sich still, ob, sollten sie sich ein zweites Schiff besorgen, auch solch eine Crew zusammen kommen würde. Vermutlich. Sie lachte. „Zwei Captains, zwei Schiffe. Nur fair, nicht wahr?“ Nun saß sie jedoch neben ihm, während er sich direkt etwas von dem Wein gönnte, inspizierte sie noch den ersten Beutel. Keine Unmengen an Geld, aber immerhin. Lucien ließ sich wieder zurück auf das Bett fallen, und einen Moment lang musste die Schwarzhaarige grinsen. Es wäre jetzt so einfach... Stattdessen nickte sie nur auf seine Worte hin, erwiderte seinen Blick. „Als ob die uns irgendetwas könnten!“ Was schon einmal so einfach geklappt hatte... Damit ließ sie den ersten Beutel neben sich auf das Bett sinken, griff nach dem zweiten und öffnete ihn mit neugierigem Blick. Der änderte sich, als sie den Inhalt sah. Sie blinzelte, hob ihn dann leicht vor ihren Mund, um Lucien beinahe verschwörerisch darüber hinweg anzublicken. „Unendlicher Reichtum!“ Sie grinste ein wenig breiter, warf den zweiten Beutel dann auch neben sich und zuckte leicht mit den Schultern. „Ein Haufen Gürtelschnallen. Man könnte sie als 'frisch aus der zweiten Welt importiert' verkaufen. Dafür findet sich sicher jemand.“ Damit nahm sie den dritten Beutel in die Hand, öffnete ihn und betrachtete auch hier kurz den Inhalt, der aus Geld bestand. Eine gute Ausbeute. Der dritte landete bei den anderen Säckchen und Shanaya konnte endlich die Stiefel ausziehen und den Schneidersitz lösen um die Beine auszustrecken. Dumm nur, dass sie die Beine damit auf Luciens ablegte. Mental zuckte sie mit den Schultern, lehnte sich etwas nach hinten und stützte sich mit einer Hand ab, griff dann nach dem Wein und prostete Lucien zu, ehe sie selbst die Flasche an die Lippen setzte. „DARAN könnte ich mich wirklich gewöhnen...“


RE: Spiel mit dem Feuer - Shanaya Árashi - 20.05.2019

Luciens Lächeln über diesen Gedanken, den Shanaya noch einmal laut aussprach, vertiefte sich etwas. Zwei Captains, zwei Schiffe. Das klang verdammt gut. Und verdammt groß für eine Crew, die sich gerade erst gefunden hatte und die jetzt noch ganz am Anfang stand. Wenn er es sich recht überlegte... waren sie vielmehr damit beschäftigt, ihren Arsch in Sicherheit zu bringen und dabei nicht mitsamt eines maroden Schiffes abzusaufen. Aber es schadete ja nicht, höhere Ziele zu stecken. Shanaya lenkte seinen Blick zurück zu ihr, als sie ihm verschwörerisch über den Rand des zweiten Beutels zublinzelte und ihm ein weiteres Grinsen über die kleine Schauspieleinlage entlockte. „Guter Plan. Wer will uns schon das Gegenteil beweisen?“ Er hielt ihr die Weinflasche hin und als sie ihre Stiefel vom Bett geschubst, die Beine ausgestreckt und die Flasche entgegen genommen hatte, verschränkte er wieder die Arme hinter dem Kopf wie ein Kissen. Er störte sich nicht daran, dass sie sozusagen quer über ihm lag – wenn auch nur mit den Beinen. Im Gegenteil. Das Gewicht auf ihm fühlte sich beinahe vertrauensvoll an. Und es lenkte seine Gedanken erfreulicherweise von dem Thema Folter ab. Sein Blick ruhte für einen Moment an der tristen Decke ihres kleinen Zimmers, doch dann wandte er den Kopf wieder der Schwarzhaarigen neben sich zu. „So lässt es sich aushalten, oder?“ In den tiefgrünen Augen erschien ein Ausdruck ruhiger, zufriedener Belustigung. „Gib mir mal diese Gürtelschnallen. Vielleicht ist ja eine dabei, die mir gefällt..“

Shanaya neigte auf die Worte des Mannes hin nur noch einmal zustimmend den Kopf. Die, die so verblendet darauf waren, solch eine seltene Gürtelschnalle aus einer anderen Welt zu bekommen, würden sicher nicht hinterfragen. Und das Gold würde der Sphinx deutlich mehr bringen als diese Schnallen. Die Schwarzhaarige beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Lucien es sich noch ein wenig bequemer machte, währenddessen stellte sie die Flasche zwischen ihre Beine, sodass sie sie  mit diesen festhalten und sich damit auch mit dem zweiten Arm abstützen konnte. Einen Moment schloss sie die blauen Augen, ehe Luciens Stimme sie sie wieder öffnen und ihn anblicken ließ. „Ich glaube nur, auf Dauer würde mir das Schaukeln des Schiffes fehlen...“ Sie war einfach nicht für das Leben an Land gemacht, auch wenn sie das irgendwie siebzehn Jahre geschafft hatte. Jetzt wollte sie es auf gar keinen Fall mehr missen. Trotzdem ließ sich die entspannte Stimmung in diesem Moment sehr gut genießen. Auf seine Worte hin griff Shanaya nach dem Beutel, hielt ihn jedoch nur leicht erhoben und ließ ihn leicht hin und her schwanken. „Was kriege ich dafür?“ Solch eine kleine Herausforderung konnte sie sich dann aber doch nicht nehmen lassen.

Lucien schmunzelte flüchtig. Ja.. ihm auch. Sie ahnte nicht, wie unerträglich die Zeit auf Linara allein deshalb gewesen war. Und dass er die Wintermonate auf Kelekuna jedes Jahr nur aus einem einzigen Grund ertragen hatte. Doch er erwiderte auf ihre Worte hin nichts, sondern ließ sie in gemeinsamen Verständnis zwischen ihnen stehen. Stattdessen hatte er im Anschluss an seine Frage schon wieder einen Arm aus seiner Kissenposition gelöst, den Kopf dabei mehr auf den anderen gebettet, und wollte ihn schon nach dem Beutel mit den Schnallen ausstrecken, in Erwartung, dass Shanaya ihn herüber reichte. Doch sie behielt ihn im Endeffekt doch lieber bei sich. Eine seiner Augenbrauen wanderte ein Stück weit nach oben und in seinem Mundwinkel zuckte halb überraschtes, halb wissendes Lächeln. Sie forderte ihn heraus. Wieder einmal. Der Dunkelhaarige drehte sich ein Stück, sodass er nun seitlich ihr zugewandt lag und sich auf dem unteren Arm bis auf den Ellenbogen hoch stützen konnte. Die andere Hand legte er beiläufig auf ihren Schenkel, der immer noch auf seinen Beinen ruhte. Sonst tat er nichts und seine Finger blieben anständig bewegungslos. Es hätte schon fast eine rein platonische Geste sein können. „Was genau willst du denn? Dann überlege ich mir, ob mir diese Gürtelschnallen das auch wert sind.“ In den tiefgrünen Augen blitzte die Erwiderung ihrer Provokation auf. Lucien war nur zu bereit, sich erneut auf ein kleines Spielchen einzulassen – immerhin wusste er jetzt, welche Wirkung er auf sie haben konnte. Aber es war auch nicht so, dass er sich ihre Beute nicht auch noch auf der Sphinx ansehen konnte – ganz ohne Preis. Das sollte sich dann schon lohnen.

Er erwiderte Nichts auf ihre Worte und so ging die junge Frau davon aus, dass es ihm nicht anders ging. Umso befreiender musste es jetzt für ihn sein, seine Freiheit zu haben. Shanaya machte jedoch keine Anstalten, den Beutel sinken zu lassen oder ihn in Luciens Richtung zu halten. Mit aller Ruhe musterte die Miene des Dunkelhaarigen, während auf ihren Lippen ein stetes Lächeln ruhte. Auch als er sich ein wenig zur Seite drehte, regte die Schwarzhaarige sich kaum. Erst, als er die Hand auf ihr Bein legte, zuckte ein leichtes Kribbeln durch ihren Körper, was sie nicht daran hinderte, dass ihr Grinsen bei seinen Worten noch ein wenig breiter wurde, der Ausdruck auf ihren Zügen sprach für sich. So einfach kam er ihr nicht davon. „Mach mir ein Angebot, dass ich nicht ablehnen kann. In manchen Dingen bin ich sehr einfach gestrickt...“ Ihre Stimme wurde einen Hauch leiser, in ihrem Blick lag dabei ein fast lockender Ausdruck.

Lucien verdrehte in einer Mischung aus gespieltem und doch irgendwie ernsthaft amüsiertem Spott die grünen Augen. Es war jenes Spiel, dass sie auch schon in diesem Bergsee vor einigen Tagen mit ihm zu spielen versucht hatte und das jede Frau irgendwann einmal mit einem Mann spielte, um ihm zu beweisen, dass sie am längeren Hebel saß. Und das er unter anderen Umständen schlichtweg ignorierte, schon allein, weil es eine so schrecklich beliebte Masche war. Andererseits hatten sie eben dieses Spielchen auch vorhin vor dem Bordell gewagt und es hatte ihn im Endeffekt hier her geführt. Also konnte er sich eigentlich nicht beschweren. Ein leises, fast ergebenes Lachen entwich ihm. „Na schön... lass mich einen Moment überlegen. Ein Angebot, dass du nicht ablehnen kannst...“ Erneut hob der Dunkelhaarige den Blick zur Decke, allerdings ohne sich wieder auf den Rücken sinken zu lassen. Seine Hand strich dabei wie von selbst über ihr Bein, hoch Richtung Knie, so weit sein Arm eben reichte und dann langsam wieder zurück zu ihrem Knöchel. Immer und immer wieder. Im ersten Moment lag ihm der Satz auf der Zunge, dass sie ja da weiter machen konnten, wo sie vorhin aufgehört hatten – aber bei allen Welten, das wäre selbst für seine Verhältnisse mehr als plump gewesen. Außerdem war das nichts, was sie nicht ablehnen konnte. So viel zumindest wusste er längst. „Wie wäre es damit...“ Die grünen Augen richteten sich wieder auf Shanaya. „Ich überlasse dir heute Nacht das Bett. Immerhin gibt es hier nur eins.“

Shanaya hielt den Blick munter auf den Dunkelhaarigen gerichtet,  gespannt, was ihm einfallen würde. Dass ihre Worte nicht sonderlich originell waren, war ihr mehr als bewusst. Allerdings wollte sie sehen, auf was für Ideen er kam. Und ob er sich Mühe gab. Er überlegte,  Die junge Frau folgte seinem Blick nicht zur Decke, ihr schmunzeln wurde jedoch einen Hauch breiter. Seine Hand,  die über ihr Bein strich, jagte einen sanften, warmen Schauer durch jede Faser, verlockte sie beinahe zu mehr. Lucien ließ sich jedoch noch einen Moment Zeit,  antwortete einige Herzschläge später und Shanaya neigte den Kopf erwartungsvoll ein wenig zur Seite. Soso... wollte er sich nochmal als Gentleman versuchen? Ihr grinsen wurde noch einen Hauch breiter. "Hast du etwa ein Problem damit, mit mir in einem Bett zu schlafen?" Sie hob leicht eine Augenbraue, ihre Stimme machte dabei deutlich,  dass sie da absolut kein Problem mit hatte. Also rutschte sie ein wenig näher in die Richtung des Mannes,  ein verheißungsvoller Blick in den blauen Augen und ihre Stimme war nicht mehr als ein flüstern. "Aber so entstehen natürlich Gerüchte..."

Ihre Gegenfrage entlockte dem 21-Jährigen ein ehrlich amüsiertes Lachen und in den grünen Augen blitzte der Schalk auf. Dicht gefolgt von einer sanften Herausforderung. „Ich bin mir nicht sicher, ob du damit umgehen könntest.“ Sein Blick begegnete dem ihren, ließ ihn nicht mehr los. Auch nicht, als sie sich bewegte, ein Stückchen näher rutschte, sodass seine Hand wie von selbst ihre Wade nach oben wanderte und knapp unterhalb ihres Knies zum Liegen kam. Sie war ihm nun so nahe, dass ihre Schenkel an den seinen lehnten und er die Hand ohne weiteres ihr Bein hinauf wandern lassen konnte. Ähnlich lockend wie ihr Blick es für ihn war. „Ich glaube, diese Gerüchte existieren längst... Also was soll's?“ Wieder blitzte es in seinen Augen auf, ein Hauch Spott. Doch statt seine Hand weiter wandern zu lassen, griff er nach der Flasche, die Shanaya noch immer zwischen den Beinen eingeklemmt hatte und entzog sie ihrer Umklammerung. „Oder ich kaufe dir einen Hut? Einen richtig schicken!“, meinte er mit einem Grinsen und setzte die Flasche an die Lippen, um sich einen großzügigen Schluck zu genehmigen.

Bei Luciens Antwort hob sich eine Augenbraue der jungen Frau deutlich in die Höhe. „Dass ich womit nicht umgehen kann? Wenn ein Mann neben mir liegt und sich um meine Brüste kümmert?“ Sie lächelte deutlich amüsiert., wich seinem Blick dabei nicht aus. „Da gibt es glaube ich deutlich schlimmeres.“ Was die Gerüchte anging... vielleicht hatte er Recht. Sie war gespannt, ob ihr in nächster Zeit davon etwas zu Ohren kommen würde. Als der Dunkelhaarige nach der Flasche griff, lehnte Shanaya einen Ellenbogen gegen ihre nun angewinkelten Beine und stützte den Kopf auf die Hand, den blauen Blick dabei weiter auf Lucien gerichtet. Das Angebot eines Hutes ließ sie auflachen, ehe sie mit einem amüsierten Kopfschütteln den Beutel mit Gürtelschnallen in seine Richtung hielt. „Ich will aber einen großen. Mit vielen Federn!“

Der schwere Wein rann ihm in die Kehle, hinterließ dort ein angenehmes Brennen und rollte sich als wärmende Kugel in seinem Magen zusammen. Im nächsten Moment musste Lucien die Flasche jedoch absetzen und lachen, bevor er der Schwarzhaarigen einen arrogant-spöttischen Seitenblick zuwarf. „Nein. Nicht irgendein Mann. Die Frage ist, ob du damit umgehen kannst, wenn ich neben dir im Bett liege.“ Sie hatte sich derweil aufgerichtet, begegnete seinem Blick mit heiterer Gelassenheit und er hob mit dem gleichen Ausdruck in den grünen Augen die Flasche erneut an, um zu trinken – stoppte allerdings auf halber Strecke, als sie ihm den Beutel mit den Gürtelschnallen entgegen hielt. „Also schön, sollst du kriegen.“ Er stellte die Flasche neben sich aufs Bett, sodass sie an seiner Seite lehnte, nicht umfiel und Shanaya sich bedienen konnte, wenn sie wollte. Dann griff er nach dem Beutel. „Gleich morgen, wenn wir uns auf den Rückweg machen?“ Gelassene Heiterkeit lag in seiner Stimme.

Das Lachen und den Blick des Dunkelhaarigen erwiderte die Schwarzhaarige mit einer gelassenen jedoch amüsierten Miene. Und seine Worte ließen sie nun auflachen, ehe sie gespielt theatralisch seufzte. Lucien wollte erneut einen Schluck trinken, hielt jedoch vorher inne und griff nach dem Beutel. Einen Moment überlegte sie, ob sie selbst nach der Flasche greifen sollte, entschied sich jedoch anders und zog die Beine ein wenig an, um sich im nächsten Moment ausgestreckt neben Lucien auf das Bett sinken zu lassen. Die Flasche stand zwischen ihnen, trotzdem war sie ihm nun wieder nah genug, um ihm direkt in die Augen blicken zu können. Eine Hand unter ihrem Kopf, die andere lag locker auf ihrem Oberschenkel. „Wieso sollte ich gerade bei dir ein Problem damit haben?“ Sie konnte einfach nicht anders als ihm einen herausfordernden Blick zu zuwerfen. „Ich kann meinen neuen Hut kaum erwarten.“

Lucien stellte den Beutel des Tuchhändlers neben die Weinflasche auf dem Bett ab, löste mit der freien Hand – auf die andere hatte er ja noch immer den Kopf abgestützt – die Verschnürung, hielt jedoch inne, als Shanaya sich erneut bewegte. Sein Blick kehrte zu ihr zurück, beobachtete sie mit einer Spur interessierter Wachsamkeit in den grünen Augen, wie sie sich neben ihm legte. Er machte jedoch keine Anstalten, ihr näher zu kommen. War schließlich auch nicht nötig. Sie kam ja von selbst. Ihr Gesicht lag nun etwa auf seiner Höhe, ihre Beine lagen noch immer über den seinen und zwischen ihnen standen nur die Weinflasche und der Beutel mit den Gürtelschnallen, auf dem seine Hand lag, als hätte er schon wieder vergessen, was er eigentlich vorgehabt hatte. Die Worte der Schwarzhaarigen lockten warme Belustigung auf seine Züge. „Soll ich das jetzt als Einladung verstehen, die Nacht mit dir in diesem Bett zu verbringen?“, antwortete er leichthin mit einer Gegenfrage und ließ Shanaya während dessen nicht aus den Augen.

Das Thema Hut war schnell vergessen – zumindest vorerst. Das vergaß sie sicher nicht. Aber der Dunkelhaarige kümmerte sich auch nicht mehr um den Beutel mit dem Diebesgut. Ob er etwas erwartete, was sie tun würde? Vielleicht. Und vielleicht tat sie das Gleiche. So wurde ihr Lächeln bei ihren Worten nur wieder ein wenig breiter, vielsagender. „Ich kann doch nicht zulassen, dass mein Liebster auf dem harten, kalten Steinboden schläft. Nachher holst du dir den Tod.“ Sie lachte, zuckte dann leicht mit der oberen Schulter. Sollte er es sehen, wie er wollte. Ihr war es egal, wo er schlief. Aber jetzt war er ja hier, also hob sie doch eine Hand, strich sanft mit den Fingern über seine Lippen. „Und vielleicht habe ich ja Angst allein im Dunklen?“

In diesem Fall lauerte er tatsächlich einmal nicht darauf, was Shanaya wohl als nächstes tat. Weder forderte er sie heraus, noch wartete er auf die nächste Herausforderung ihrerseits. Er nahm den Moment viel mehr einfach so, wie er kam. Er genoss die Ruhe, die Abgeschiedenheit und auch die Gelegenheit, einfach mit ihr zu reden. Von der durchaus vertraulichen Atmosphäre einmal abgesehen. Ihre Antwort entlockte ihm erneut ein amüsiertes Schmunzeln, bis sich selbst um seine Augen herum kleine Lachfältchen bildeten. „Es wäre nicht das erste Mal, dass ich auf hartem Boden schlafen müsste.“ Im nächsten Moment veränderte sich der Ausdruck auf seinen Zügen, wurde fast ein bisschen friedlicher, ruhiger. Die Berührung ihrer Finger auf seinen Lippen sandte Wärme durch seine Adern, ließ sein Herz einen Hauch schneller schlagen. Er wich ihr nicht aus, lehnte sich ihr aber auch nicht entgegen. Selbst seine Hände behielt er bei sich. Nur sein Blick blieb fest auf den ihren gerichtet und in den tiefgrünen Augen erschien erneut Belustigung. „Es fällt mir schwer, zu glauben, dass dir etwas so einfaches wie 'Dunkelheit' Angst machen könnte.“

Dieser Moment gefiel Shanaya auf eine Art und Weise, die ihr vollkommen neu war. Nicht, weil in diesem Augenblick eine besondere Spannung zwischen ihnen war – viel mehr das genaue Gegenteil. Eine angenehme, entspannte Stimmung, die sie mit jedem Herzschlag genießen konnte. „Gleichberechtigung für alle.“ Sie unterließ ein Zucken ihrer Schultern, fuhr noch einmal sanft mit den Fingern über die Lippen des Dunkelhaarigen, bis ihre Finger seine Haut berührten und sachte über seine Wange zu seinen Haaren strichen. Dass er seine Finger still hielt amüsierte die Schwarzhaarige, genauso wie es ihr einen warmen Ausdruck auf die Züge legte. In die blauen Augen, die seinem Blick standhielten. Bei seiner Erwiderung musste sie nun selbst lachen. „Du hast Recht. Ein absurder Gedanke.“ Damit kraulte sie sachte durch seine Haare, konnte eben doch nicht ganz die Finger von ihm lassen. „Außerdem könnte ich mir deutlich schlechtere Gesellschaft vorstellen...“

Also wenn sie Wert auf Gleichberechtigung legte... „Wir können uns auch beide auf den Boden legen... das Bett Bett sein lassen.“ Ein verschmitztes Schmunzeln huschte über seine Lippen, doch dann verstummte Lucien unwillkürlich. Seine Züge entspannten sich, nur noch ein leichtes Lächeln blieb, als ihre Finger weiter wanderten, von den Lippen zu seiner Wange. Dieses Mal reagierte er doch – fast ohne es zu wollen. Er neigte den Kopf leicht ihrer Berührung entgegen, unterbrach den Blickkontakt, weil er für einige wenige Herzschläge die Augen schloss. Es gab Dinge, die ihn geradezu handzahm machten. Dieser Moment war einer davon. Die Wärme ihrer Finger, die Sanftheit ihrer Liebkosung. Das Gefühl, als sie die Finger in sein Haar wandern ließ. Er löste den stützenden Arm, streckte ihn von sich weg, sodass er den Kopf aufs Bett legen konnte. Erst dann öffnete er die Augen wieder und suchte Shanayas Blick. „Na, was für ein Glück du mit mir hast.“, gab er amüsiert zurück, bevor er das Thema zurück zu der Sache mit der Dunkelheit lenkte. „Habe ich dich eigentlich schon mal gefragt, ob es überhaupt etwas gibt, wovor du dich fürchtest?“

Shanaya hob bei Luciens Erwiderung leicht eine Augenbraue, lachte dann aber leise. „Ich hätte damit kein Problem. Ich kann überall schlafen.“ Auch wenn ihr das leicht schwankende Schiff noch immer am liebsten war. In dem Moment, in dem Lucien sich sanft ihrer Berührung entgegen lehnte und die Augen schloss, wurde der Ausdruck auf ihren Zügen noch einmal wärmer, sie wandte den Blick jedoch nicht von ihm ab. Sie beobachtete, wie er sich ein wenig anders hinlegte und erwiderte seinen Blick noch immer, als er die grünen Augen wieder aufschlug. In ihren Augen noch immer ein sanfter, warmer Ausdruck. So gut es ging neigte sie auf seine Worte hin leicht den Kopf, eine stille Zustimmung. Es gab genügend Personen auf der Sphinx, die sie in diesem Moment sicher nicht so nah an sich heran gelassen hätte. Und denen sie noch immer so sanft durch die Haare kraulen würde. Sie lächelte bei der Frage deutlich, zwinkerte dem Dunkelhaarigen dann vielsagend zu. „Gibt es.“ Sie hatte kein Problem damit, dies zu zugeben. „Und damit weißt du schon genug.“ Auch wenn sie nicht daran glaubte, dass er ihre größte Angst herausfinden würde. Zum einen wusste sie selber noch nicht davon, zum anderen war es dafür noch viel zu früh. Ihre Hand ruhte nun in seinen Haaren, sie konzentrierte sich für den Moment nur auf den Mann direkt vor ihr.


RE: Spiel mit dem Feuer - Shanaya Árashi - 24.05.2019

"Dann hätten wir uns das Zimmer eigentlich auch sparen können", konterte er mit einem Hauch gespielter Empörung in der Stimme. Doch der belustigte Ausdruck in den grünen Augen verriet, dass er das nicht ernst meinte. Immerhin hatten sie das Zimmer hauptsächlich deshalb genommen, weil sie einen Korb voller Waffen nicht so einfach aus der Stadt schaffen konnten, wenn die Straßen leerer und die Soldaten wachsamer wurden. Aber das zwanglose Hin und Her gefiel ihm. Ebenso wie der Ausdruck, der in Shanayas Augen lag, als sie seinem Blick begegnete. Die sanfte Wärme darin sollte ihn eigentlich wachsamer machen. Doch er vertraute darauf, auch bei ihr zu erkennen, ab wann es für ihn unangenehm wurde. Und rechtzeitig den Schlussstrich zu ziehen. Im Moment war es ja noch genau das, was er der Schwarzhaarigen zu beweisen gedachte. Das hinter ihrer harten Hülle doch nur eine Frau wie jede andere steckte. Und mit ihm nicht so leicht zu spielen war, wie mit allen anderen Männern, die ihr bisher offenbar begegnet waren. Und wer weiß. Vielleicht mochte er sie irgendwann so sehr, dass er doch darauf verzichtete, ihr das Herz zu brechen. Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. "Na schön, das reicht mir erst Mal." Damit ließ er die Sache mit den Ängsten auf sich beruhen. Es war ironisch genug, dass er sich vor der Dunkelheit fürchtete. In die grünen Augen trat ein Hauch amüsierter Erwartung. "Warum hörst du auf? Meinetwegen kannst du gerne weiter machen."

Der Gedanke, sich jetzt mit Lucien auf den Boden zu legen und auf das Bett zu pfeifen, amüsierte die Schwarzhaarige auf eine gewisse Art und Weise. Irgendwie hätte das zu ihnen gepasst. So regte sich die junge Frau aber erst einmal nicht. "Gäbe es hier einen Kamin und ein Bärenfell..." Das gab es beides bedauerlicherweise nicht. Oder... vielleicht auch zu ihrem Glück. Was Lucien in diesem Moment dachte, konnte Shanaya nicht erahnen. Sie ließ nur den Blick auf ihm ruhen, unwissend, dass ihnen ziemlich genau der gleiche Gedanke durch den Kopf ging. All das hier blieb für sie als was es angefangen hatte. Ein kleines Spiel, das sie in vollen Zügen genoss. Er gab sich geschlagen, fragte nicht weiter nach und genau das rechnete sie ihm hoch an. "Vielleicht findest du es ja noch selbst heraus..." Seine nächsten Worte ließen sie leise auflachen, womit sie die Beine zu sich zog, um so noch ein Stück näher zu ihm zu kommen, sodass ihre Beine eng an seinen lagen und ihre Körper sich fast berührten. "Wenn du so darauf bestehst..." sie warf ihm noch einen vielsagenden Blick zu, ihre Hand kraulte weiter zärtlich durch seine Haare,  während sie selbst die Augen schloss und alles an diesem Moment einfach nur in vollen Zügen genoss.

Ein kleines, fast freches Schmunzeln umspielte auf ihr sanftes Lachen hin seine Mundwinkel. Doch im ersten Moment antwortete er nicht, sondern beobachtete sie schlicht dabei, wie sie ihre Position veränderte und die Beine anzog, sodass sie automatisch noch ein Stück näher rückte. Er blieb liegen, wo er war, sah ihr nur amüsiert und wissend dabei zu, bis sie die Augen schloss und ihre Finger die Bewegung wieder aufnahmen, die sie zwischenzeitlich unterbrochen hatten. Sie wirkte friedlich, wie sie da so vor ihm lag. Entspannt, beinahe. Sein Blick wanderte über die Konturen ihres Gesichts, über den Schwung ihrer Brauen nach unten. Die Form ihrer Wangenknochen, die gerade Linie ihrer Nase und die weiche Wölbung ihrer Lippen. Sie war tatsächlich unglaublich schön – und sie wusste es. Der Gedanke ließ ihn wieder schmunzeln. Wenn er jetzt die Hand nach ihr ausstreckte, sie berührte, wusste er, was geschehen würde. Doch er tat es nicht, obwohl der Drang danach unglaublich stark war. Stattdessen antwortete er mit gedämpfter Stimme. „Das werde ich noch, keine Sorge.“ Nicht, weil er plante, es gegen sie zu verwenden. Sondern einfach, weil ihn interessierte, wovor eine Frau wie sie sich fürchtete. „Vielleicht morgen. Was hältst du davon, wenn wir uns bis dahin ein bisschen ausruhen und jetzt schlafen?“

Alles in ihrem Inneren kam zur Ruhe, als sie die Augen schloss, sachte durch die Haares Mannes fuhr. Die Aufregung des Tages war vergessen, jetzt spürte sie langsam aber sicher die Müdigkeit, die in ihre Glieder kroch. Aber sie riss sich zusammen, nicht sofort einzuschlafen. Als Luciens Stimme noch einmal an ihre Ohren drang, öffnete sie ruhig ein Auge, warf dem Mann damit einen vielsagenden Blick zu. Sie war gespannt, ob er all das wirklich heraus finden würde. Es war nicht unmöglich... aber sie würde es ja sehen. Auf seine Worte hin nickte sie noch einmal kraulte noch einige Herzschläge durch seine Haare, ehe sie von ihm abließ, nun mit beiden Augen einen Blick in seine warf und sich dann leicht zurück schob, bis sie sich umdrehen und aufstehen konnte. Während sie zur Tür trat, streckte sie sich leicht, gähnte dann, ehe sie die Tür zu diesem Zimmer abschloss. „Ich traue dem Ganzen hier nicht...“ Damit wandte sie sich wieder um, trat zu dem Stuhl, der am Tisch stand und zog sich die Hose aus, die im nächsten Moment über dem Stuhl hing. Erst dann richtete sie sich wieder zum Bett, krabbelte unter die Decke und hielt dieses Mal etwas Abstand zu dem Dunkelhaarigen. „Wenn du schnarchst, beiße ich dich.“ Ein verspielt mahnender Blick galt Lucien, trotz allem lächelte sie.

Die Schwarzhaarige riss sich nicht sofort von ihm los, ließ noch ein, zwei, drei Herzschläge verstreichen, in denen ihre Finger sanft durch sein Haar kraulten und Lucien den Augenblick schlicht genoss. Sich beinahe entspannte. Am Ende löste sie sich jedoch, unterbrach damit wohl oder übel den Frieden des Augenblicks und mit ihr setzte auch der Dunkelhaarige sich wieder auf. Stieß dabei ein leises, fast wehmütiges Seufzen aus. Nur kurz folgte er ihr mit dem Blick und nickte. „Da stimme ich dir voll und ganz zu...“ Während Shanaya sich auszog, ließ der 21-Jährige den Beutel am Fußende des Bettes zu Boden fallen – er würde sich dessen Inhalt morgen ansehen – und stellte auch die Weinflasche daneben. Dann machte er sich daran, seine Stiefel auszuziehen und den Waffengurt von seiner Hüfte zu lösen. Den Rest seiner ohnehin sehr leichten Kleidung behielt er an, hob schließlich den Blick, als die Schwarzhaarige zurück zum Bett kam – mit nicht mehr bekleidet, als der hellen Bluse, die gerade das Nötigste verbarg. Er hätte tatsächlich auf dem Boden geschlafen, dachte sogar kurz darüber nach, es doch noch zu tun. Aber wenn keiner von ihnen etwas gegen die Gesellschaft des anderen einzuwenden hatte – warum dann die Umstände? Nur die Bettdecke überließ er ihr, weil er im Grunde keine brauchte und als Shanaya sich darunter gekuschelt hatte, streckte er sich auf der Matratze neben ihr aus. Auf der Seite liegend, den Arm unter dem Kopf angewinkelt und mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen. „Auch nicht die schlechteste Art, geweckt zu werden.“, versicherte er ihr amüsiert. In seinen Augen lag ein ruhiger, entspannter Ausdruck. „Dann schlaf gut, Shanaya. Und keine Sorge. Bis morgen versuche ich, mich zu benehmen.“

Shanaya blieb neugierig, was der Mann nun tun würde. Blieb er auf dem Bett oder legte er sich tatsächlich auf den Boden? Sie konnte es nicht einschätzen, beobachtete nur ruhig, wie er sich den Waffengürtel abnahm – und dabei keine Anstalten machte, sich vom Bett zu entfernen. Sie blieb dabei, ihr war es vollkommen egal, wer neben ihr lag. „Gut zu wissen, dann weiß ich ja, wie ich dich demnächst wach bekomme.“ Die Schwarzhaarige erwiderte das Lächeln des Mannes, seine letzten Worte entlockten ihr dann ein warmes Lachen. „Das rate ich dir auch, ich weiß immerhin wo ein ganzer Korb mit Waffen steht.“ Damit schloss sie die Augen, ließ das Erlebte noch einmal an sich vorbei ziehen, während sie langsam einschlief.
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Er träumte, wie er es jede Nacht tat. Nur die ersten beiden Nächte nach der Flucht von der Morgenwind hatten ihn die Bilder nicht verfolgt, weil er zu erschöpft und zu schwach gewesen war, um etwas anderes als tief und traumlos zu schlafen. Doch nach und nach kamen sie zurück, in all ihren Einzelheiten. In all ihren Facetten. Diese Bilder, die seine Erinnerungen waren. Um ihn herum herrschte diffuses Dämmerlicht. Der Gestank nach abgestandenem Meerwasser, fauligem Fisch und menschlichen Ausscheidungen drang in seine Nase, brannte in der Kehle. Er hörte das Quietschen der Luke, die zu dem Deck über ihm führte – laut und deutlich zwischen dem Rauschen der Wellen und dem Knarzen des Schiffes. Sein Atem beschleunigte sich, sein Herz schlug schnell, viel zu schnell. Wie das eines Tieres, das um die Jäger wusste, die es in die Ecke drängten. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder brachten sie ihm essen... oder sie kamen, um ihn nach oben zu bringen. Im Schlaf stieß Lucien ein unwilliges Seufzen aus. Atmete flach und schnell. Kalter Schweiß ließ sein Haar an Stirn und Nacken kleben. Zwei Soldaten kamen nacheinander die Stufen hinunter. Er erkannte sie und wusste, dass sie ihm kein Essen brachten. Eisige Kälte quoll durch seine Adern. Er wollte flüchten, wenigstens zurück weichen. Doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Er konnte nicht einmal einen Finger bewegen. Sein Traum verdammte ihn dazu, auszuharren. Unruhig drehte sich der Dunkelhaarige im Bett auf den Rücken, sodass es unter der plötzlichen Bewegung ein protestierendes Quietschen von sich gab. Es reichte allerdings nicht, um ihn zu wecken.

Shanaya hatte keinerlei Probleme damit gehabt, einzuschlafen. Das Schwanken des Schiffes fehlte, das hätte sie nicht leugnen können. Aber der Tag war aufregend genug gewesen, um sie diese kleine Tatsache ausnahmsweise vergessen zu lassen. Auch der Mann neben ihr änderte daran Nichts. Sie war es gewohnt, mit vielen Menschen in einem Raum zu schlafen... und es war genug Abstand zwischen ihnen. Zumindest so lang, bis irgendetwas sie weckte. Sie schreckte nicht auf, wirkte aber auch nicht wirklich wach. Es waren Bewegungen neben ihr, Geräusche. Irgendetwas, was reichte, um ihren Körper in Alarmbereitschaft zu versetzen, ihr Bewusstsein jedoch nicht wirklich erreichte. Es reichte so weit, dass sie die Quelle dieser Unruhe neben sich ausmachte. Dort, wo jemand neben ihr eingeschlafen war. Ihr Körper funktionierte, war darauf bedacht, diese Störung abzustellen, um weiter zu schlafen. Ganz automatisch rutschte sie also etwas näher, hob die Hand und kraulte Lucien durch die Haare, wie sie es wenige Stunden zuvor getan hatte. Während dieser sachten Berührung schloss die junge Frau wieder die Augen. Vielleicht half  ihm das ja schon.

Die Bilder verschwammen. Lösten sich in Dunkelheit auf. Zurück blieb nur die wage Ahnung an eine Erinnerung. Wie die beiden Männer die Tür zu seiner Zelle aufschlossen, ihn auf die Beine zerrten. Dann nichts mehr. Er hörte auf, sich im Bett hin und her zu wälzen, blieb auf der Seite liegen, das Gesicht einer selbst noch halb schlafenden Shanaya zugewandt und die Stirn leicht in Falten gelegt. Aber noch immer wachte er nicht auf. Sein Traum hatte sich aufgelöst, ließ ihn zunächst in Frieden, doch nun schwebte Lucien dicht unter der Oberfläche und von einem Herzschlag auf den nächsten, wie es schien, spürte sein Körper die Berührung in seinem Haar, sandte diesen Impuls an sein Bewusstsein und riss ihn mit einer eisigen Ladung Adrenalin aus dem Schlaf. Der Dunkelhaarige zuckte reflexartig zusammen, so heftig, dass das Bett erneut protestierend quietschte, und schlug die tiefgrünen Augen auf. Mit einem Mal war er wach. Trotzdem brauchte er einen Augenblick, um sich zu orientieren, um festzustellen, dass er nicht auf einem Schiff, nicht in einer Zelle festsaß, sondern im Bett eines Wirtshauses auf Mîlui lag. Ohne Ketten, ohne Gitter, ohne Soldaten. Nur Shanaya, die die Hand ausgestreckt und in seinem Haar vergraben hatte. Er blinzelte, schüttelte damit die letzten Bildfetzen ab und zwang sich, ruhig zu atmen, um seinen Herzschlag wieder in geordnete Bahnen zu lenken und die Schwarzhaarige nicht weiter aufzuschrecken. Irgendwie half es, sie dabei einfach anzusehen. Sie hatte die Augen geschlossen, war aber offensichtlich wach, denn ihre Finger bewegten sich, kraulten ihm beständig durch das dunkle Haar und hielten seinen Drang unter Kontrolle, aufzustehen und im Raum auf und ab zu laufen. Er blieb liegen, rührte sich nicht, bis er sich plötzlich dazu hinreißen ließ, die Hand auszustrecken und sanft über ihre Wange zu streicheln. Warum auch immer ihn dieses Verlangen plötzlich überkam.

Shanayas Verstand blieb dämmrig, ganz hatte sie noch nicht realisiert, was hier vor sich ging. Aber auch wenn ihre Bewegungen langsamer wurden, hielt sie nicht inne. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein glaubte sie zu spüren, dass er ruhiger wurde. Sie hielt dennoch nicht inne, beruhigte sich selbst mit diesen Berührungen, sodass sie beinahe wieder einschlief. Erst eine Berührung riss sie wieder aus diesem Zustand. Shanaya öffnete die Augen nicht, ihre Hand kraulte weiter durch seine Haare, während sich ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen zog. Die Wärme seiner Berührung jagte ihr einen sachten Schauer durch ihren Körper, der ihr Herz leicht antrieb.

Ihre Augen blieben geschlossen, doch Lucien erahnte in der matten Dunkelheit des Zimmers ihr Lächeln, das ihn zu der gleichen Regung verleitete. Der Ausdruck in den grünen Augen wurde sanfter. Vorsichtig strich er ihr eine Strähne des dunklen Haars hinters Ohr, ließ die Fingerspitzen noch einmal über ihre Wange gleiten, bevor er die Hand langsam wieder zurück zog. Für einen Moment noch ruhte sein Blick auf ihren weichen, entspannten Zügen. Er fragte sich, weshalb sie das tat. Weshalb sie sich die Mühe machte, ihn zu beruhigen. Es hätte ihr egal sein können, wenn er schlecht träumte und am Ende nicht mehr einschlafen konnte. Aber sie hörte nicht auf, zumindest nicht, solange noch ein Fünkchen Bewusstsein in ihr wach war. Auch wenn er an ihren Bewegungen spürte, dass es bereits wieder schwand. Also schloss er die Augen wieder, konzentrierte sie nur auf ihre Hand, die ihn an Land, in diesem Wirtshaus, auf Milûi hielt, bevor seine Gedanken auf die Idee kommen konnten, zu ganz anderen Orten zurück zu kehren. Er wusste nicht, ob er noch einmal würde einschlafen können. Aber er würde es versuchen.

Der Schleier der Müdigkeit hielt sie fest im Griff, verpackte alles um sie herum ein wenig in Watte. Geräusche waren gedämpft, einzig und allein die Berührung an ihrer Wange nahm sie irgendwie wahr. Lucien strich ihr sanft eine Strähne hinter ihr Ohr, und selbst diese Berührung weckte sie nicht aus diesem Dämmerzustand. Aber noch immer nahm sie ihre Hand nicht weg, ließ nicht von dem Dunkelhaarigen ab. Auch, als er seine Hand zurück zog, verharrte sie, jedoch wurden ihre Bewegungen deutlich langsamer, bis sie schließlich ganz aufhörten, die Hand noch immer bei Lucien und auch das sanfte Lächeln wich erst von ihren Lippen, als sie wieder einschlief.