RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Jón Nóason - 26.05.2024
Gerade, als Trevor anfing ihnen seine Ideen zu unterbreiten, verschwand er zurück zur Sphinx. Mitten im Satz. Jón sah etwas verdutzt zu Josiah, zuckte die Schultern. Er versuchte gar nicht erst mit dem anderen durch belangloses Gequatsche die Zeit zu vertreiben. Er wirkte nicht besonders gesprächig -- was Jón nicht störte. Er konnte genau so gut mit anderen Leuten schweigen, wie er mit ihnen über belanglose Dinge quatschen konnte.
Aber Trevor ließ sich ohnehin nicht ewig Zeit. Gerad als Jón ein wenig den Blick schweifen lassen wollte, streifte jener die Silhouette von Trevor -- der seine Theorie dort fortstezte, wo er aufgehört hatte. Veirrt, ja, Jón nickte, Hunger, mmmhja, vielleicht -- was? Fragwürdige Kräuter? Ihre Kapitänin kannte er nicht gut genug, aber weder Skadi und schon gar nicht Soula, die sich mit Kräutern auskannte, würden falsche essen. Aber Jón verstand schon -- er brauchte dazu gar nichts sagen -- es war nicht so, als hätte er nicht selbst die absurdesten Ideen gehabt, aber Trevor war wohl der Typ Mensch, der sie alle aussprach und sie vermutlich auch solange für sinnvoll hielt, bis jemand ihn darauf hinwies, warum sie das unter Umständen nicht waren.
Aber auch dazu kam Jón nicht, denn Trevor sprang schon wieder davon. Jón seufzte, wechselte stumm einen Blick mit Josiah und wippte dann auf den Fersen auf und ab, bis Trevor wieder zurück kam -- diesmal mit etwas mehr Ausrüstung -- Jón machte sich eine mentale Notiz, das nächste Mal vorher nachzufragen, ob Trevor alles hatte, was er brauchte.
Aber selbst dann würde er wahrscheinlich noch etwas vergessen haben.
Gerade wollte Jón ihn fragen, wo er denn herkäme und ob es da keine Pflanzen gäbe, wenn ihm die Tatsache, dass es etwas wie Gärtner gab so neuartig vorkam, dass er dafür einen vergleich heranziehen musste, den er kannte -- aber dann verschwand er ein drittes Mal. Jap ... ganz bestimmt. Der Mann würde immer etwas vergessen, egal wie oft man ihn fragen würde, ob er alles hätte.
Jón seufzte ein zweites Mal, sah diesmal aber nicht Josiah an, sondern ließ ungeduldig seinen Kopf in den Nacken fallen ehe er nach ein paar Momenten wieder aufsah -- und Trevor sah. Diesmal sogar mit der möglichst sinnvollen Ausrüstung, die er hätte beschaffen können -- wobei Jón jedoch ein kalter Schauer über den Rücken lief. Bis ihm klar wurde, dass Trevor -- weiter seine Theorien und Pläne spinnend -- nicht denselben Gedanken mit dem Spaten gehabt hatte wie er.
Jón sah zu Josiah, um ihm vielleicht vom Gesicht ablesen zu können, wie er über Trevors Ideen dachte, der war aber mehr darauf konzentiert, sich den Dreck vom Hemd zu wischen.* Josiah fühlte sich sichtlich unwohl, aber Jón tippte eher darauf, dass es etwas mit dem Hemd zu tun hatte und nicht mit Trevors Plänen. Dass Trolle involviert waren hielt er aus diversen Gründen für sehr unwahrscheinlich, aber alles worauf er vorhatte einzugehen, war, dass Trevors Logik mit dem begrabenen Troll und der Sonne nicht ganz aufing: "Aber--" Er unterbrach sich selbst, als Trevor schon wieder davon rannte.
*Warum noch Erde an dem Spaten gewesen war, nachdem sie als Seefahrer eher weniger mit dem entsprechenden Element zu tun hatten, wollte er lieber nicht wissen. Aber so wie er Trevor einschätzte, hatte der wahrscheinlich nach einem Schatz gesucht.
Jón ging langsam in die Hocke, verschränkte die Arme auf den Knien, ließ seine Stirn darauf sinken und stieß einen frustriert-ungeduldigen Ton aus. Er ließ sich ungern solche Gemütszustände anmerken. Das hatte er einerseits gelernt -- sich stoisch zu geben, auch, wenn einem fast der Kragen platzte -- was er bei Weitem noch nicht tat, aber das zeugte nur noch deutlicher von Jóns niederiger Geduldschwelle. Er beneidete Josiah dahingegen ein wenig. Und andererseits war Jón generell niemand, der gerne in negative Gemütszustände driftete. Er fand es selbst unangenehm und er fand es ebenfalls unangenehm, so wahrgenommen zu werden.
Nach wenigen Momenten stand er wieder auf. Sollte Trevor jemals behaupten, einen erwachsenen Mann in die Knie gewungen zu haben, ohne ihn auch nur zu berühren, oder überhaupt anwesend zu sein, dann würde er ihm das aus eigener Erfahrung aufs Wort glauben.
Und er kam auch diesmal schnell wieder zurück -- es war ja nicht die Länge, die Jón frustrierte, sondern die wiederholte Tat. Sollte er aber nochmal versuchen umzukehren, dann würde Jón zupacken und ihn mitziehen, und wenn es seine Hose war, die er vergessen hatte. Diesmal war es ein verschlossenes Vorratsglas oder etwas ähnliches gewesen. Ein leeres. Oder doch nicht, wie Trevor erklärte, als er wieder mit ihnen aufschloss. Jón setzte sich langsam aber sicher in Bewegung -- und die beiden gingen zum Glück mit.
Auf Josiahs Frage hin zog Jón die Schultern hoch und lächelte amüsiert: "Beides?" Sollte irgendwer für das Verschwinden der Frauen verantwortlich sein, dann war derjenige mit seiner Menschlichkeit höchstens auf der Stufe eines Trolls, also ging Jón mit diesem Teil der Theorie noch mit -- auch wenn ihn das Gefühl beschlich, dass Trevor die Art Troll meinte, die in Märchen vorkamen.
Dann setzte Jón sich kurz seine Brille auf, um das Tier im Glas erkennen zu können -- aber es war zu dunkel. Zehenfresser. Jón stieß ein kurzes Lachen aus. Er wusste, won welchem Tier Trevor sprach, aber er bezweifelte stark, dass der Käfer in dem Glas solch einer war. Dieser Zehenfresser befand sich ungefähr auf einer ähnlichen Stufe, wie der Troll, nur, dass ersterer eher in Geschichten vorkam, die man Kindern erzählte, damit sie nicht ungehorsam waren.
"Was haben--woah!" Und wieder war es Trevor, der Jón unterbrach. Diesmal konnte er es ihm aber nicht mal übel nehmen. "Bist du in Ordnung?" Er hielt Trevor vage die Hand hin -- bot seine Hilfe an, aber ohne sie ihm aufzudrängen.
{ warten auf Trevor, dann weiter in Richtung Gärten | mit Trevor und Josiah }
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Dahlamon Tali - 26.05.2024
Mit einem Schnauben wandte sie ihren Blick auf eines der verwitterten Holzschilder, die den Laden oder die Werkstatt kennzeichnen sollten.
Das Schild? Bestand aus Holz. Die Schrift? Eine rote Farbe, die sich im Laternenschein nicht sonderlich gut lesen ließ.
Es würde Ewigkeiten dauern, hier jedes Schild nachzuprüfen. Bis sie hier eine Kneipe, ein Bordell oder eine Taverne entdeckt hätten, wären ihre Gefährten vermutlich wirklich in einem Fass.
Genervt blies sie angestrengt Luft aus den geschlossenen Lippen, kramte in ihrem Beutel und holte eine dunkle Masse hervor, die sie eine Weile geistesabwesend in den Fingern zu einer Kugel rollte.
Irgendwann führte sie die Kugel zum Mund und begann auf dieser herumzukauen. Der würzige Geschmack des Kautabaks breitete sich in ihrem Mund aus. Ihr Speichel begann sich mit dem leicht salzigen Aroma zu vermengen. Das Nikotin entfaltete schnell seine Wirkung und eine Welle der Beruhigung zog sich durch ihren Körper.
Sie glaubte nicht daran, dass die verschwundenen Crewmitglieder sich in diesem Bezirk befanden. Aber sie würde nach ihnen suchen. Jedoch hielt sie das nicht ab, etwas Sinnvolles zu tun, und so beschloss sie, ein wenig die Sprache zu üben, die in diesen Gefilden der Welt gesprochen wird. "Vohogäl, Vogehl, Vogäl, Vogähl, Voggel, Vohgähl." Immer wieder wiederholte sie ihr Wort laut, während sie von einem Schild zum anderen ging, in der Hoffnung, es würde etwas darauf stehen, was auf ein aufregendes Etablissement deutete. Aber nichts dergleichen war auffindbar. Stattdessen gab es einen Schmied, einen Küfer, einen Drahtzieher und noch viele andere Handwerksbetriebe.
Ihre Begeisterung, das Wort Vogel in verschiedenen Variationen aufzusagen, schien von Schild zu Schild zuzunehmen. Dann, mit einem Mal, verstummte sie. Es war, als würde sie in ihrer Bewegung einfrieren.
Da saß etwas. Fast unsichtbar in der Dunkelheit. Majestätisch.
"Wir brauchen diesäs Kahtzä," meinte sie und zeigte auf die Augen, die das Licht der Laterne reflektierten. "Sie wird uns hälfen im dunkäln zu sähen." Damit ging sie in die Hocke, um die Katze anzulocken. Doch diese wollte sich nicht anlocken lassen. Sie sprang auf und rannte in eine Gasse.
Dahlamon Tali konnte jedoch nicht zulassen, dass der Vierbeiner in der Dunkelheit verschwand. Sie war sich sicher: Wenn sie Erfolg auf ihrer Mission haben sollten, dann würden sie dieses Tier brauchen. Mit einem plötzlichen Spurt folgte sie dem domestizierten Tiger.
Nur noch ihre Rufe hallten zu ihren beiden Gefährten: "Kommt, klaines Prins und andäre Frau! Wir fangän dieses Kahtzä!"
{ auf dem Weg zum Handwerksviertel | mit Rúnar, Isala, Harald (Haustier) }
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Cassy Rice - 29.05.2024
Es war eigentlich erstaunlich mit anzusehen, wie die zwei Männer sich dennoch objektiv miteinander arrangieren konnten, weil sie es mussten. Umso länger sie liefen, umso mehr sie in die Überlegungen eintauchten was sie denn machen wollten, wenn sie erst am Marktplatz angekommen waren, umso erleichterter war Cassy, dass sie sich den Beiden angeschlossen hatte. Vielleicht konnte sie ja sogar im schlimmsten Fall deeskalierend auf einen der Beiden einwirken. Aber das würde sie dann sehen, sie war eine Unbekannte in den Reihen der Crew, dessen war sie sich durchaus bewusst. Sie hatte mehr Geheimnisse vor den anderen Mitgliedern, als es sicherlich bei dem Rest der Fall war. Zumindest ging sie davon aus, aber das war eben auch der Zeit verschuldet. Niemand kam neu irgendwo hin und breitete erst einmal seine ganze Lebensgeschichte aus. Niemand. Und Cassy sowieso schon einmal gar nicht. Dennoch hatte sie hin und wieder schon überlegt, ob es sinnvoll wäre, irgendwen einzuweihen. Ob es sinnvoll wäre, wenn jemand Bescheid wissen würde, nur für den Fall, dass ihr irgendwann doch einmal etwas passieren würde und dann, dann war plötzlich wirklich etwas passiert. Zumindest sah es so aus und die Gedanken, die Cassy dahingehend gehabt hatte, waren weit in den Hintergrund geraten, denn es war nun oberste Priorität, die verschollenen Frauen wieder zu finden. Wenn sich dann herausstellen würde, dass ihrer aller Sorge umsonst gewesen war, dann wäre Cassy keineswegs traurig darum. Sie wusste, wie grausam die Welt sein konnte, wusste wie skrupellos Menschen handelten und daher war es immer besser, einmal mehr Vorsicht zu walten, als es später zu bereuen.
Worin sie sich aber auch einig waren, war darin, dass ihr Plan zwar riskant war, aber sie kaum eine andere Chance hatten. Die Zeit spielte eindeutig gegen sie und umso länger sie warteten, umso mehr Zeit verloren sie. Also stimmten im Prinzip beide Männer ihrer Idee zu, wenn sie auch ergänzten, dass es sinnvoller wäre, wenn Cassy vorgab, nach ihren Freundinnen zu suchen. Sie nickte nur und lauschte den Überlegungen nach einem höher gelegenen Ort, von dem aus die Männer die Menge besser im Auge behalten konnten.
Der Marktplatz kam immer näher und Cassy konnte die ersten Gasthäuser, welche Alex gerade auch erwähnt hatte, bereits sehen. Ja, er hatte Recht, wenn sie sich dort aufhielten, konnten sie zwar sehr gut überblicken, wer versuchte zu flüchten, aber sie würden kaum schnell genug wieder unten sein, um die Verfolgung noch aufzunehmen. Für den Fall, dass derjenige sich nah genug bei Cassy befand, hätte sie selber noch die Chance, denjenigen zu überrumpeln. Klar, sie war sicherlich nicht die stärkste, aber der vermutlich Flüchtige würde bestimmt nicht damit rechnen, dass sie sich einfach so auf ihn stürzen würde. Aber das würde unter Umständen auch nicht lange genug ausreichen, um ihn festzusetzen, bis Tarón oder Alex zu ihr geeilt wären.
”Das ist ein guter Punkt. Eventuell könnte man die Menge auch nutzen, um denjenigen, der flüchten will, festzusetzen?”
Sie war sich selbst unsicher, wie das funktionieren sollte, waren es doch auch mehr offene Gedankengänge, die sie äußerte als ein richtiger Plan.
”Vielleicht aber finden wir auch erhöhte Punkte, von denen aus ihr die Menge zwar überblicken könnt, aber schneller wieder mittendrin seid? Es wäre ja wirklich furchtbar, wenn wir jemanden finden würden, der etwas weiß uns dann aber entwischt, weil wir zu langsam waren.
Fügte die Blondine dann hinzu und hoffte, dass einer der beiden Männer entweder noch eine zündende Idee hatte, welche ihren Plan optimieren konnte, oder aber eine, die vielleicht vollkommen anders, aber am Ende - hoffentlich - zielführender war.
{ Tarón & Alex | auf dem Weg zum Markt }
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Ceallagh Hayes - 01.06.2024
Es war ein offenes Geheimnis, dass Liam und die Dunkelhaarige sich ein Bett teilten. In Anbetracht seiner Worte vielleicht sogar mehr als nur das. Entsprechend war die Antwort in ihrer Tiefe absolut zu erwarten gewesen und sorgte letztlich für den gewünschten Effekt: das Tempo, mit dem der Lockenkopf voran schritt, drosselte sich.
“Sie würde sich also auf eine Weise zur Wehr setzen, die ein paar Verletzte erfordert?“ Ein interessanter Einblick in einen Menschen, der sehr darauf bedacht war, umgänglich nach außen aber unsagbar verschlossen nach innen zu sein. In diesem Punkt glichen sie sich wohl allesamt. Und während Ceallagh prüfend die Laterne vor sein Gesicht und immer mal wieder in Richtung der Seitengassen hob, schloss Lola die letzten Armlängen zu ihnen auf.
Dass Liam einen Schritt voraus lief und stehen blieb, nahm der Schmuggler nur beiläufig war. Hatte sein Augenmerk auf all die anderen Ecken gerichtet, die in der lang währenden Dunkelheit von Liams Laternenschimmer unberührt blieben. In den angrenzenden Häusern war es verhältnismäßig laut. Gelächter, Gezeter und Stimmen, die einander derart überlappten, dass kaum ein Wort in den Mauern klar zu verstehen war. Das Leben, das den Straßen seit Tagen fern blieb, spielte sich hinter verschlossenen Türen ab. In den Häusern, Tavernen und Geschäften. Mehr oder minder zugänglich für die Außenwelt. Die Crew täte also gut daran, sich dort hinein zu werfen. In den Pulk an Menschen, der greifbar war und sich nicht hinter verschlossenen Türen aufhielt. Wobei Ceallagh nicht ausschloss, letzten Endes genau dort zu landen: in einem Haus, in dem er nichts zu suchen und dennoch allen Grund hatte dort zu sein.
Nur aus dem Augenwinkel beobachtete er flüchtig, wie die Ginsterkatze auf die Schulter des Seefahrers hüpfte und dieser sich aus der Hocke erhob. Sineca für ihre Mission zu nutzen brachte ihnen mit Sicherheit einige Vorteile. Zumindest erweckte das Gespann, das nun erneut die kleine Gruppe anführte und durch die Straßen lotste, den Eindruck, dass sie einander auch ohne Worte verstanden. Für den Anfang verließ sich Ceallagh also auf das Gespür von Katze und Halter. Zumal ihm nichts anderes übrig blieb, sofern sie die Straßen nicht verließen und er neben dem Gespräch nur seinen eigenen Gedanken überlassen wurde.
“Du glaubst also, dass wir es mit zwielichtigen Gestalten zu tun haben, die lieber unbemerkt bleiben wollen?“ Ceallaghs Blick wandte sich zu Lola herum, deren Vorschlag durchaus seine Berechtigung hatte, doch deren Worte eine Vermutung nahe legten, die auch ihm bereits durch den Kopf geschossen war. Doch was wenn es ganz anders war und die Frauen von jemandem verschleppt worden waren, der weitaus mehr Ansehen und Aufmerksamkeit genoss, als eine Räuberbande oder wie Shanaya vermutete, Handlanger ihres Bruders? Es gab zu viele Ungewissheiten, um sich dessen sicher zu sein. Doch je mehr Optionen sie durchspielten, über das Für und Wider abwogen und Klarheit in die Sache brachten, desto eher kamen sie dem Kern auf die Spur. Und wer weiß… vielleicht hatten sich bereits Vorzeichen aufgetan, die von ihnen allen seit Wochen unbemerkt geblieben waren. Man ignorierte allzu schnell Augen, die einen im Treiben der Stadt und der Märkte unangenehm in den Nacken zwickten. Letztlich durfte man nicht vergessen, dass sie sich auf einem Schiff befanden, dessen ganze Crew die Fahndungsplakate der Städte zierte. Zwar segelte sie jetzt unter einem anderen Stück Stoff, doch verkleidet und optisch verändert hatte sich niemand von ihnen.
“Hm?“ Noch während Lola in den letzten Zügen ihrer Antwort steckte, blieb Ceallagh stehen. Wandte sich zur anderen Häuserreihe herum und lauschte in das bisschen Stille hinein, das sich unter ihren Schritten und den Geräuschen aus den angrenzenden Wohnräumen auftat. Bückte sich ein kleines Bisschen in Richtung der Gasse und hob die Laterne prüfend ein paar Zentimeter in die Dunkelheit hinein. Er hatte sich das Rascheln und schwere Atmen definitiv nicht eingebildet. Hörte erneut den dumpfen Schmerz in jedem Zischeln und unterdrückten Stöhnen, das aus der Gasse zu ihnen hinüber schwappte.
“Seid ihr verletzt?“ Die Stimme des Schmugglers hallte laut durch die Häuserflucht, während er einen Schritt weiter in Richtung der Gasse nahm, um die Dunkelheit darin zu vertreiben und das Gesicht zu erspähen, das er darin vermutete.
[Mit Liam und Lola auf dem Weg zum Gesundheitsviertel | direkt vor der Gasse bei Niloc]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Zairym al Said - 04.06.2024
Zum ersten Mal war er vielleicht doch ein wenig froh über die Dunkelheit um ihn herum. Ja, wie wäre es denn gewesen, wenn das Mädchen vor ihm die Erleichterung in seinem Gesicht gesehen hätte, da er die richtige Person erkannt hatte? Jeder der Crew strahlte im Moment Ungeduld, Unruhe und Anspannung aus. Da hätte es jetzt genauso gut Lockenköpfchen sein können, den er hier ansprach. Also ... nein, vermutlich das eher nicht, aber das Prinzip war klar. Er war völlig aufgeschmissen in der Finsternis und freute sich umso mehr, dass er recht hatte. Da er noch ein seinem Erfolg schwelgte, fiel es ihm leicht die Männer und Frauen, die nach ihm diese dumme Planke herunterkamen, zu ignorieren. Er hätte sie eh nicht auseinanderhalten können. Außer vielleicht den Quasselkopf, der hin und her hüpfte, wie ein übereifriges, paarungsbereites Insekt und es sogar schaffte, die Laune der kleinen Navigatorin zu ignorieren und mit ihr zu reden. Rym wusste fast nicht, ob er beeindruckt sein sollte oder Kopfschmerzen bekam.
Ebenso verpasste er fast ihre Antwort. Aber auch nur fast, denn ihr Talent, das Offensichtliche festzustellen, war enorm. Natürlich wartete sie, das erkannte er auch. Vielleicht hatte er mit seinen Worten auch nur die Stimmung auflockern wollen? Nun, das schien ihm nicht so gelungen zu sein. Aber immerhin sprach sie mit ihm, was schon als große Errungenschaft bei der kleinen Königin galt und deshalb wollte er sie sogar fragen, worauf sie wartete, als ein helleres Grau ebenfalls vom Schiff kam. Er überlegte, wer noch dort oben gewesen war, aber selbst mit seinem ziemlich guten Gedächtnis kam er nicht darauf. Da aber Bewegung in den Schatten vor ihm kam, nahm er an, dass es die Person war, auf die sie gewartet hatte. Und da ihr liebster Umgang auf dem Schiff der Commodore war, fiel es ihm nicht schwer, eins und eins zusammen zuzählen. Mensch, er war heute so unglaublich schlau.
Nach einem weiteren Moment des Beweihräucherns, wollte er seine Theorie testen, als ihm auch schon der helle, graue Fleck, den Lucien bei sich getragen hatte, in die Hand gedrückt wurde. Eine Laterne – großartig. Was hasste er noch mehr als die Dunkelheit herum? Eine kleine Kugel, die diese vertreiben sollte, ihn aber nur davon ablenkte, seinen Weg zu finden.
Rym seufzte leise, setzte sich aber in Bewegung, blieb unerwartet still und lauschte dem Gespräch der beiden anderen. Ja, es wäre natürlich wirklich furchtbar festzuwachsen und abzuwarten, bis die Dunkelheit wieder verschwunden war.
...
Er wippte auf den Fußballen auf und ab, versuchte, seine leichte Aufregung und Zufriedenheit zu verbergen und schaffte es wohl nicht ganz. Er war noch nie jemandem so unglaublich dankbar gewesen, wie in diesem Moment dem Captain. Die Idee in einer Taverne – hell, gemütlich, warm, hatte er schon hell gesagt? – mit ihren Nachforschungen zu beginnen, erschien auch Rym sehr schlau. Natürlich hatte er mitbekommen, weshalb sie hier anfingen nach den drei Damen zu suchen, aber es änderte nichts daran, dass er mit dieser Entscheidung mehr als zufrieden war. Denn da drinnen konnte man sehen! Niemand ließ während dieser Festtage eine Taverne unbeleuchtet. Die Menschen tranken einfach zu gerne. Doch er hatte in diesem Moment noch seine beiden Begleiter davon abgehalten in das laute Gasthaus hinein zugehen und sah in etwa die Richtung, in die er den Captain vermutete.
„Also wie genau stellen wir das jetzt an? Gehen wir rein und fragen, ob so ein Kerl, der aussieht wie unsere Navigatorin hier, mit den dreien gesprochen hat? Oder ob jemand gesehen hat, ob er sie sogar gleich verschleppt hat?“
[Am Hafen | vor einer Schenke | mit Lucien und Shanaya]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Talin Dravean - 04.06.2024
Ihr Blick huschte durch den Raum, bevor sie blinzelte und den Schleier der Mattheit zu verscheuchen zu versuchte. Eindeutig zu wenig Essen, eindeutig zu wenig zu trinken. Eindeutig zu heftige Träume. Talin wollte nichts lieber als sich wieder auf dem Bett zusammen zu rollen und nie wieder aufzustehen. Es klang verlockend einfach so lange zu schlafen, bis das, was auch immer das hier war, vorbei war. Aber so leicht war das Leben nicht, nicht wahr? Die Probleme verschwanden nicht, wenn man sich zu einer Kugel zusammen rollte. Meistens folgten dann nur noch mehr Tritte und Schläge, weil man sowieso schon am Boden lag.
Ruckartig schüttelte die Blonde den Kopf, verscheuchte das Gefühl des kalten, harten Bodens unter ihrem Körper, das höhnische, betrunkene Lachen in ihrem Ohr und die Phantomschmerzen, die sich über ihren ganzen Körper auszubreiten versuchten. Sie war nicht mehr an diesem Ort. Sie wusste vielleicht gerade nicht, wo genau sie war, aber ganz sicher nicht auf Kelekuna in diesem Haus, dass sie in einem Blutbad zurückgelassen hatte. Auf der kleinen Insel hätte zumindest niemals so ein Haus mit so einem prachtvollen Zimmer gestanden.
Nochmals blickte sie sich um, die Dunkelheit vor dem Fenster sagte ihr immerhin, dass es entweder Nacht war oder sie noch nicht so lange verschwunden waren, dass die Finsternis wieder vertrieben worden war. Sie hasste diese Zeit, konnte man doch jegliches Zeitgefühl verlieren, wenn es dauerhaft schwarz vor der Nase war. Und man nebenbei entführt wurde. Ob ihrer eigenen Gedanken wollte sie schon ein Schnauben ausstoßen, als Soulas leise Stimme an ihr Ohr drang. Erst jetzt wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder vom Zimmer ab und dem jungen Mädchen auf dem Bett zu. Talin schwieg, beobachtete sie einfach nur, wie sie den Kopf senkte, so völlig verloren aussah, wie ein Welpe, den jemand in einer Pfütze ertränken wollte. Die Gedanken an ihre Vergangenheit verschwanden völlig aus Talins Kopf, als sie sich langsam um das Bett herumbewegte und vor dem anderen Mädchen in die Hocke ging.
„Hey,“ Sie ergriff sanft Soulas zitternde Hände, versuchte, ein wenig von ihrer eigenen Wärme in die kalten Finger fließen zu lassen, „alles in Ordnung. Atme ein paar Mal tief ein und aus, das hilft für gewöhnlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dich noch an einiges erinnerst. Dein Name ist ... Steffen, richtig? Nein, warte, ich glaube, dass war ein Männername. Susi? Susan? Es liegt mir auf der Zunge, ...“
Sie schenkte dem Mädchen ein schwaches Lächeln und strich sanfte Kreise über ihren Handrücken.
„Ich fang einfach mal an, vielleicht hilft dir das ja. Ich erinnere mich, dass wir den größten Raubzug Allerzeiten geplant haben, dass wir in einer Taverne vielleicht ein bisschen über den Durst getrunken haben, dass wir auf dem Marktplatz sehr unhöfliche Stadtwachen getroffen haben, dass Skadi verschwunden ist und wir sie gesucht haben und dann... dann nur an Träume, verwirrende Gänge, Schmerzen und Schwachheit. Das ist das, was ich noch weiß. Wie sieht es bei dir aus? Kannst du da noch etwas ergänzen?“
Sie wollte am liebsten noch weiter drängen, wollte wissen, ob sie noch Waffen bei sich hatte, wenn sie überhaupt welche hatte, ob sie Türen aufknacken konnte, denn die Blonde war sich ziemlich sicher, dass sie hier eingeschlossen waren. Doch das alles schob sie hinten an, egal wie ungeduldig sie war, von hier zu verschwinden. Erst einmal musste sie Soula helfen, sich zu beruhigen.
[irgendwo im nirgendwo | mit Soula]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Tarón Valur - 04.06.2024
Nickend stimmte er Alex Überlegungen zu Risiken und Nutzen ihrer aktuellen Planung zu und sparte es sich die Worte des anderen erneut zu spiegeln. Sie waren sich alle drei einig, dass dies ihre wahrscheinlich beste Chance war schnell und effizient etwas herauszufinden. Und, dass sie so oder so auffallen würden.
Das ließe sich am Ende schlicht nicht vermeiden. Und nach wie vor war es besser diese Tatsache in ihren Plan einzubeziehen und einen Nutzen aus ihr zu schlagen, anstatt davon überrumpelt zu werden.
Auch die weiteren Überlegungen seiner beiden Gefährten stimmte er zu. Sie hatte das Problem an der Sache richtig erfasst: sollten sie sich innerhalb eines Gebäudes befinden - oder darauf, denn auch das wäre eine Möglichkeit, die jedoch weitere Probleme mit sich zog - wären sie zu langsam, um Verdächtige zu verfolgen. Die Menge zum Festsetzen nutzen? Hm...eher schwierig. Und zu unsicher, wenn es nach ihm ging. Aber vielleicht verstand er Cassys Idee nur nicht richtig.
"Welche Idee schwebt dir mit der Menge genau vor?" fragte er daher nach, ohne ihren Einfall zu sehr zu beurteilen, ehe er genaueres wusste.
"Das Stadtarchiv hat eine Treppe..." überlegte er laut "Nicht viele Stufen aber vielleicht reicht das." Es wäre zumindest ein kleiner Höhenvorteil. Und sie wären nahe am Geschehen.
"Oder wir teilen uns auf - auch nicht optimal aber einer übernimmt die Übersicht und der andere das Rennen. Cassy kann ebenfalls sofort los, sollte sich etwas ergeben." Aber sicher nicht alleine...in die Gefahr würde Tarón sie nicht bringen.
"Ich habe die letzten Tage nicht genau darauf geachtet aber ich meine mich zu entsinnen, dass es an einem der Häuser am Markt einen nicht allzu hohen Balkon gab. Der wäre ebenfalls eine Möglichkeit." Wahrscheinlich sogar die Beste, wenn sie hinaufkämen. Zumindest war er niedrig genug, dass sie sich nicht gleich Hals und Beine brechen sollten - allerdings würde ein Sprung in die Menge jegliche Heimlichkeit auffliegen lassen. Eine Verfolgung wäre dann in jedem Fall eine Jagd und nicht eventuell eine stille Observation. Und auch schon das Hinaufkommen würde sehr wahrscheinlich nicht heimlich ablaufen können.
Ein Paar Möglichkeiten blieben also - und noch hatten sie einige Meter sie gegeneinander abzuwägen.
[Auf dem Weg zum Marktplatz | Alex &Cassy]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Isala Reginn - 05.06.2024
Wäre nicht die permanente Sorge um die verschwundenen Frauen gewesen, hätte Isala das Lichterfest tatsächlich genossen. Die Nacht hatte schon immer etwas mysteriöses und fabelhaftes an sich und wenn man die vielen Laternen und Kerzen betrachtete war dort ein kurzer Moment, als die Frau träumte, wie es wäre ohne Ablenkung einfach durch die Straßen zu ziehen - ohne die Bilder von Leichenteilen in irgendwelchen Fässern.
Isa war ganz in ihren Gedanken und hörte den beiden anderen gar nicht mehr richtig zu... ihr Blick glitt hinauf in den dunklen Himmeln und kurz verlor sie sich in ihren Erinnerungen von damals. Als sie auch in solch einer Dunkelheit am Strand ausgeharrt und gewartet hatte, dass Tarón von seinen Reisen wieder kam. Dass er ihr ähnlich wie Black Tooth damals seine Geschichten erzählte und sie in einsamer Trauer darüber, dass er sie nicht mitnahm, neben ihm gesessen und gelauscht hatte. Das Kleine Mädchen wollte stets die Zeit genießen, wenn er da war und ihm kein schlechtes Gewissen einreden.
Ein Knall riss die Frau aus ihren Gedanken und schnell sprang ihr Blick zum Ursprung des Geräusches. Ein Mann hatte eine der vielen Laternen runter fallen lassen und wurde gerade von einer Frau - eventuell seine Ehefrau? - dafür getadelt. Gerade wollte Isala sich mit Rúnar darüber austausche, als sie merkte, dass dieser nicht an ihrer Seite war.
Ein seltsames Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit, als Isa selbst die große Frau Tali nirgendswo mehr sah und diese war wahrlich nicht zu übersehen! Hektisch flog nun ihr Kopf hin und her und ihr Blick suchte nach bekannten Gesichtern zwischen den Menschen, die ohnehin auf den Straßen unterwegs waren.
"Rùnar?! ...Tali?", versuchte sie zaghaft zu rufen, doch außer irritierte Blicke der Fremden um sie herum, kam keine Ressonanz.
Isala lief ein paar Schritte rückwärts, sah kurzerhand in ein paar unscheinbare Gassen und rief die Namen ihrer Freunde (Ja, selbst Talis schreckliches Antlitz wäre ihr nun lieber, als vollkommen allein hier zu sein). Ein Fremder rempelte Isa an und sofort breitete sich eine Gänsehaut über ihren Körper aus ... sie konnte nicht richtig atmen, als Panik sich auf ihre Brust setzte und ihre Kehle zuschnürrte.
Eine Frau sprach irgendetwas zu ihr mit einem besorgtem Blick, doch Isa wich ihr aus und lief durch die Menschen hindurch. Überall war Berührung und Kontakt mit ihrem Körper und das feuerte ihre Panik noch an, als sie ziellos weiter lief - beinahe rannte - wie ein aufgescheuchtes Reh...
Doch urplötzlich wurde ihr Lauf gestoppt als sie sie mit voller Wucht gegen ein Hindernis prallte und die Frau kurzerhand wieder ein paar Schritte rückwärts strauchelte. Immer noch hektisch atmend erhob sich ihr Blick um zu sehen gegen was sie da eigentlich gelaufen war.
[ Bei Aric | in den Gassen der Außenbezirke]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Josiah Moggensten - 05.06.2024
Josiah ließ Trevor endgültig im Hintergrundrauschen versinken, als sie sich wieder gesammelt hatten und ihren Streifzug durch die Straßen fortführten.
Sie kamen (fast) ohne weitere Zwischenvorfälle an der Kreuzung zu den Gärten an.
Josiah trat durch das Tor in den dunklen Durchgang. Ihre Schritte hallten dumpf an dem Gemauer, und es zog ein frischer Wind, der den Geruch von Bäumen und Gras mit sich brachte. Zwei farblose Blumengewächse waren am Ende des kurzen Durchganges zu erkennen, die sich als ein buschiges Ziergewächs entpuppten, mit dunklen, wahrscheinlich roten, orangenen oder blauen spitz zusammenlaufenden, verschlossenen Blüten und gezackten Blättern. Wie eine ruhende Empfangsdelegation. Aus den dumpfen Schritten wurde ein Knirschen, als sie den Torbogen verließen und aus Pflastersteinen ein Gemisch aus Sand, Kies und Erde wurde, und vor ihnen breiteten sich in tiefer Dunkelheit die Gärten aus.
Grau in grau hoben sich Mauern, Bäume und Hecken voneinander ab, wo nicht gerade das Licht von vereinzelnden Lampen sie berührte und dumpfe Grün-, Braun- oder anderen Farbtöne hervor zauberte. Auf einen Weg einige Schritte vor ihnen nach links flackerten vereinzelnde Lampen auf, während geradeaus und nach rechts alsbald die Dunkelheit den Weg verschluckte. Weite Hecken waren zu erkennen, und hinter und vor ihnen dürre Bäumen. Nach links, so beschloss Josiah, musste es zu den Kräuterhäusern gehen.
Seine Schritte wurden langsamer, und kurz darauf kam er zum Stehen. Er richtete seinen Blick weg von dem beleuchteten Weg, tiefer in die Dunkelheit, lauschend. Ein sanfter Wind war aufgekommen und das Rascheln der Blätter der Bäume zog in Wellen von Osten nach Westen. Ein bodennäheres Rascheln, ein Scharren, bewegte sich zügig und leise von ihnen weg während irgendwo Fledermäuse piepsend ihrer Jagd nachgingen.
Die Geräusche der Zivilisation lagen deutlich hinter ihnen, wenn nicht gerade direkt bei ihnen. Josiah zerfurchte die Stirn, als er versuchte, die Töne auseinander zu klamüsern. Einen Atemzug lang, dann zwei. Noch einen dritten. Die Falte auf seiner Stirn wurde noch tiefer, als er die Augen wieder öffnete und Trevor einen scharfen Blick zuwarf.
Zwei Sekunden, er brauchte doch nur zwei verfluchte Sekunden, um wenigstens zu erkennen, ob das da hinten Geräusche eines Spatens waren, oder nicht.
[beim Eingang zu den Park-/Gartenanlagen; bei Jon und Trevor]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Lucien Dravean - 06.06.2024
Es dauerte nicht lange, bis sie den Kai und damit auch die Sphinx hinter sich gelassen hatten. Und kaum, dass sie in die noch düstere Finsternis der schmutzigen Gassen eintauchten, hatte Lucien eine zweite Laterne angezündet, die an seinem Gürtel befestigt gewesen war und die er dann selbst einen halben Meter vor sich in die Luft gehalten hatte, um ihren Weg zu erleuchten. Die Schatten waren tiefer in die schmalen Häuserfluchten zurückgewichen und hatten noch unsichtbarer gemacht, was ohnehin kaum zu sehen gewesen war.
Die ersten Minuten hatte der junge Captain damit zugebracht, Shanaya von dem in Kenntnis zu setzen, was kurz zuvor auf dem Schiff besprochen worden war: Dass sie sich in Gruppen aufgeteilt hatten; dass sie so den Hafen, den Markt, die Parks, das Handels- und das Gesundheitsviertel und auch die äußeren Bezirke der Stadt absuchen würden; dass ihnen keine andere Wahl blieb, als herumzufragen.
Seinen eigenen Plan, zunächst in der Taverne anzufangen, in der er und Ceallagh auf Bláyron getroffen waren, unterbreitete er ihnen gleich hinterher. Es war der einzige Anhaltspunkt, den er hatte. Und wenn Shanayas Bruder tatsächlich in die Geschehnisse involviert war, hatten sie hier womöglich die größten Chancen, etwas herauszufinden. Irgendjemandem war der groß gewachsene Blonde mit der Narbe im Gesicht vielleicht danach noch einmal aufgefallen.
Oder, wenn ihnen zumindest ein mal im Leben das verdammte Glück hold war, hatte sogar jemand drei auffallend hübsche Frauen bemerkt, die zusammen unterwegs gewesen waren.
Die Angst um Talin hatte sich wie Gift durch seine Brust gefressen und solange ihn niemand ansprach, hatte Lucien den Rest des Weges in düsterem Schweigen verbracht, bis ihr Ziel endlich in Sicht gekommen war.
Die Fenster, hell erleuchtet, warfen sanftes Licht auf die angrenzende Straße und einladendes Stimmengewirr drang durch die geschlossene Tür und in jedem anderen Teil der Stadt würde man hier nichts anderes als unbescholtenes Volk vermuten, das sich zum Trinken und Lachen zusammengefunden hatte, um die Zeit während der langen Dunkelheit ein wenig schneller vergehen zu lassen. Nun ja, überall, nur nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe zum Hafen, wo es in jeder Stadt, auf jeder Insel, naturgegebener Maßen rauer zuging.
Auf den letzten Metern hatte der junge Kelekunier seine Schritte unbewusst beschleunigt. Ununterbrochen schlug sein Herz mit schmerzhaftem Druck gegen seinen Brustkorb und ein schwarzmalerischer Gedanke jagte den Nächsten. Was, wenn ihr etwas passiert war? Was, wenn sie sie nicht finden konnten? Was, wenn sie...? Unwillkürlich blitzte ihr Bild in seinen Gedanken auf – wie sie mit eingeschlagenem Schädel in einer schäbigen Seitengasse lag, die blaugrünen Augen blicklos ins Leere starrend.
Mit purer Willensanstrengung verdrängte er das Bild, schüttelte den Kopf und bemerkte dann, dass die Hand, die er auf die Klinke der Tür gelegt hatte, kaum merklich zitterte. Er zog sie zurück und wandte sich noch einmal zu seinen Begleitern um, da Zairym just diesen Augenblick gewählt hatte, um sich wieder in sein Gedächtnis zu rufen. Beinahe hätte der Dunkelhaarige vergessen, dass er sich überhaupt in Gesellschaft befand.
„Hm? Ja, ungefähr. Nur ein bisschen diskreter, wenn du das hinkriegst“, erwiderte er nicht ohne eine Spur Sarkasmus. Dann fuhr er konzentrierter fort: „Vielleicht hat ihn jemand mit den Dreien gesehen, vielleicht hat jemand auch nur die drei Frauen gesehen, hier oder sonst wo. Vielleicht sind sie auf irgendein Schiff gegangen. Oder gebracht worden.“
Kurz hielt er inne, dachte darüber nach, wie sie am besten vorgehen sollten und sah dabei von Rym zu Shanaya.
„Am besten teilen wir uns auf. Ich fange mit dem Wirt an. Er erinnert sich mit Sicherheit an den Abend neulich und hat Bláyron vielleicht noch mal gesehen. Shanaya, du kommst wahrscheinlich am einfachsten von uns dreien an die Schankmädchen ran. Ein paar von denen kennen dich schließlich. Und Zairym, nimm dir die Hafenarbeiter vor. Die sind im Austausch für ein paar Münzen sicher bereit, ihr Wissen mit dir zu teilen. Oder vielleicht reicht es schon, wenn du ihnen die nächste Runde ausgibst. Irgendwas in der Richtung.“
Mit einem kurzen Blick in die Gesichter der beiden Piraten wartete er auf deren Zustimmung oder mögliche Einwände und legte die Hand wieder auf den Griff der Klinke. Einen Fuß setzte er bereits auf die einzelne Stufe, die hinauf führte. Bereit, jederzeit hineinzugehen und den Plan in die Tat umzusetzen.
[Hafenviertel | vor der Kneipe | mit Zairym und Shanaya]
|