RE: We're still wasting our time chasing dreams - Liam Casey - 28.04.2020
Ihm blieb nichts anderes, als ihren liebgemeinten Unglauben zu belächeln. Es wunderte ihn nicht und es hätte ihn noch weniger gewundert, wenn sie davon ausging, dass er ihr soeben einen Bären aufgebunden hatte was Sinecas Herkunft anging. Aber Liam sah keine Notwendigkeit darin, ihren Unglauben besänftigen zu wollen. Er war niemand, der sich mit solchen Geschichten profilierte. Dementsprechend spielte es für ihn auch keine Rolle, wer ihn ernst nahm und wer nicht. In diesem Moment war er in erster Linie sowieso nur froh, dass er auf ihrer rechten Seite lief – sonst hätte ihre freundschaftlich gemeinte Geste ihn vermutlich in die Knie gezwungen. So ein Draufgänger war er. Im Nachhinein musste er allerdings zugeben: Wäre ihm damals bewusst gewesen, wie bereitwillig diese Schmuggler ihnen die Haut über die Ohren gezogen hätten, hätten sie sie erwischt, hätte seine Bereitschaft diesbezüglich vielleicht ein wenig anders ausgesehen. Und ohne all die Informationen, die Alex und er in der Taverne aufgeschnappt hatten, wäre ihr Vorhaben wohl auch zum Scheitern verurteilt gewesen. Er hatte einfach eine andere Herangehensweise als die meisten hier. So undurchdacht und freigeistig er im Normalfall auch durch die Welt streunte – in derartigen Situationen setzte er mehr auf Beobachtung und Raffinesse. Etwas, was er bislang noch nicht unter Beweis hatte stellen können. Weil man ihnen entweder nie die Zeit dazu gegeben oder Aspen ihre Deckung innerhalb weniger Sekunden in Luft aufgelöst hatte.
„Ich bin der letzte, der ihr das verbieten würde. Und seit sie die Hühner in Ruhe lässt, hat auch Greo kein Problem mehr mit ihr.“, lächelte er. „Aber vielleicht bleibt sie auch deshalb da. Weil sie weiß, dass sie trotzdem frei ist.“
Wenn er da mal nicht zu viel in das Verhalten eines einfachen Tieres hineininterpretierte. Vermutlich blieb sie, weil sie wusste, dass sie so keinen Hunger leiden musste, nachts keinen trockenen Schlafplatz suchen musste und weil sie einfach nichts anderes kannte. Immerhin hatten sie ihr das Jagen adäquat beibringen können, auch wenn ihre Mittel und Wege dazu nicht selten unfassbar lächerlich ausgesehen haben mussten.
„Nein, nie.“, gab er gut gelaunt auf ihre Frage zurück. „Ich habe mich immer mit dem Getier begnügt, was mir draußen vor die Füße gelaufen ist. Kannte gefühlt jede Katze und jeden Hund in den Straßen, habe Nachmittage auf den Weiden verbracht und Kröten mit nach Hause genommen, weil ich dachte, es seien kranke Frösche.“
Er hatte keinerlei Berührungsängste gehabt. Vielleicht sein Glück, dass es auf Yvenes weniger tödliche Tiere gegeben hatte, als es im großen Rest der ersten Welt der Fall war.
„Ich hatte aber auch nie die Phase, in der ich mir eines gewünscht hätte. Ich fand die Tiere in der Wildnis immer viel spannender als irgendwo eingesperrt oder angebunden. Was ist mit dir? Ein Tiger ist bestimmt nicht dein erster, verrückter Haustierwunsch, oder?“
So, wie er die Schwarzhaarige einschätzte, ganz sicher nicht. Sie hatte gerne, was sie nicht haben konnte. Und wenn sie es sich erst einmal in den Kopf gesetzt hatte, kam sie nur noch schwer davon los. Auch, wenn Liam bezweifelte, dass sie wirklich einen Tiger eingepackt hätte – hätte man ihr ein Exemplar angeboten, Shanaya hätte mit Sicherheit nicht direkt ‚nein‘ dazu gesagt.
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Shanaya Árashi - 29.04.2020
Shanaya konnte nicht anders, als bei Greos Erwähnung warm zu lächeln. Aber... Dass er ein Problem mit Sineca haben sollte... Die junge Frau grübelte kurz, rümpfte dabei etwas die Nase. Sie sah Greo eher vor sich, wie er sich mit jeglicher Art von Tieren durch die Wiesen und Wälder rollte.
"Er hatte etwas gegen Sineca? Aber das klingt logisch... Vermutlich würde sie Reißausweis nehmen, wenn du sie unter Zwang setzen würdest."
So war es doch oft. Etwas, was man mit Zwang halten wollte, verspürte viel eher das Verlangen, zu fliehen.
Was der Lockenkopf dann auf ihre Frage antwortete, entlockte der Schwarzhaarigen ein sanftes lächeln. Ja, das passte zu Liam. Der sich genauso wie Greo mit Tieren herum rollte. Sie seufzte leise, wohlig.
"Und hast du die Kröten dann auch brav wieder frei gelassen, nachdem ihre irrtümliche Krankheit Behoben wurde?"
Sie warf dem Dunkelhaarigen einen vielsagenden Blick zu und konnte das Bild, das sich in ihrem Kopf bildete, nicht unterdrücken. Liam, der Samariter, der unzählige Frösche unter seinem Bett hielt.
"Das wundert mich nicht. Wenn alle Tiere auf der Insel irgendwie dir gehörten. Inklusive gelockter Kühe..." Sie grinste ihm breit entgegen. "Bei mir war es nicht anders. Ich habe zwar irgendwelche Tiere aufgesammelt, habe sie aber nie behalten. Es wäre ja auch furchtbar, wenn auf mein schönes, sauber genähtes, mit Spitze besetztes, in Schlamm getauchten Kleid auch noch Tierhaare kommen würden..." Sie schnaufte abfällig. "Ich mag Tiere. Aber ich brauche nicht die ganze Zeit eines um mich herum. Vielleicht ändert sich das ja, wenn das Mal der Fall ist. Und... Gerade als ich noch kleiner war, hatte ich andere Dinge im Kopf..."
Ihr Vater hätte sie sicher wochenlang ohne Essen eingesperrt, wenn sie etwas exotisches mit nach Hause gebracht hätte.
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Liam Casey - 29.04.2020
„Nicht direkt gegen sie. Aber gegen ihr Interesse an unseren gefiederten Crewmitgliedern.“, konkretisierte er gutgelaunt, was er meinte und nickte letztlich auf ihre Vermutung hin.
Wäre es ihnen nicht aus so gegangen? Liam konnte nur für sich sprechen, aber wenn man das Szenario mal etwas überspitzt anpasste – vermutlich wäre er auch längst wieder auf seiner eigenen Reise, hätte er nicht im Hinterkopf, dass er die Sphinx jederzeit verlassen konnte, wenn ihm danach war. Jedenfalls aus diesem Blickwinkel – wie unmöglich das unter den gegebenen Umständen war, war ihm schmerzlich bewusst. Vielleicht hatte sich das in ein paar Wochen oder Monaten wieder beruhigt – er war ja Optimist – aber bis dahin war er mit der Sphinx zweifellos besser dran. Er kein Mensch, der große Vorsicht walten ließ, kannte sich zudem weder mit Kopfgeld noch mit Kopfgeldjägern aus und konnte somit davon ausgehen, vermutlich recht bald aufgegriffen zu werden. Er war weder ein wirklicher Kämpfer noch vorausschauend genug, um eine Finte zu wittern, bevor er unbedacht darauf reingefallen war. Ihm fehlte das allgemeine Misstrauen und die Weltansicht, dass man ihm eher etwas Schlechtes als etwas Gutes wollte. Allerdings merkte er, wie sich sein sturer Optimismus allmählich anpasste. Ob er es gutheißen sollte – darüber war er sich noch nicht ganz so einig.
„Natürlich.“, lachte er und räusperte sich schließlich kurz. „Weiter als bis in die Stube kam ich damit sowieso nur selten. Als hätte meine Mutter gerochen, wenn ich nicht alleine war.“
Die Erinnerung an das Gesicht seiner Mutter, wenn er wiedermal etwas nach Hause gebracht hatte, was dort nicht sein sollte, erhellte seine Züge sichtlich. Meist hatte sie alles stehen und liegengelassen, um ihn umwendend mit seinem neuen Fund wieder nach draußen zu geleiten. Er hatte nicht verboten bekommen, sich darum zu kümmern – solange es eben vor der Tür stattfand. Eine Maus in der Küche hatte ihr gereicht gehabt, an der er vielleicht maßgeblich beteiligt gewesen war. Aber gemeinsam hatten sie nicht selten eine flache Schüssel mit Wasser aufgestellt, um den Vögeln und anderen kleineren Tieren zumindest die Wassersuche in den wärmeren und trockeneren Monaten zu erleichtern. Liam lachte, als sie die Geschichte mit den gelockten Kühen wieder aufgriff.
„Und hättest du erst die Kälber gesehen.“
Er versprach ihr nicht zu wenig – die hatten nämlich nicht bloß Locken gehabt, sondern fast gänzlich daraus bestanden. Neugierig lauschte er ihrem Bericht, während sein Blick dem Weg folgte, den sie eingeschlagen hatten. In einem leichten Bogen führte er links an einer Wiese vorbei, die vermutlich als Weidefläche genutzt wurde. Auf der anderen Seite standen noch vereinzelte Häuser und Höfe, denen die Wiesen vermutlich gehörten. Dahinter grenzten die ersten Bäume des Waldes, der sich bis auf die höhergelegenen Flecken der Insel erstreckte – so jedenfalls hatte es gewirkt, als sie dieses Fleckchen Erde angesteuert hatten.
„Geteert und gefedert sozusagen.“, grinste er und schüttelte gleichzeitig verständnislos den Kopf. „Ich glaube, bei mir war es eher auffällig, wenn ich sauber nach Hause kam.“ Er beneidete Shanaya ganz sicher nicht um ihre Kindheit. „Sie sind halt gleichzeitig auch ein gewisser Teil an Verantwortung. Und davon abgesehen – bevor ich auf euch gestoßen bin, waren wir selten so viel auf See in so kurzer Zeit. Meistens haben wir uns die Zeit genommen, quer über die Inseln zu wandern, auf denen wir gelandet waren. Tage, Wochen.“
Es bleib abzuwarten, wie lange ihr Freiheitsdrang noch so gut damit zurecht kam. Liam wollte sich gar nicht ausmalen, was er tun würde, wenn sie eines Tages nicht mehr zurück aufs Schiff wollte. Dass er die Sphinx im Augenblick eigentlich nicht verlassen konnte, würde ihn dann vor eine schwierige Entscheidung stellen.
„Aber erzähl doch mal – womit war die kleine Shanaya derart beschäftigt, dass sie sich nicht für niedliche, fellige Tierchen interessiert hat wie jedes andere Mädchen?“
Er musterte sie prüfend, die gute Laune noch immer auf den Zügen und all das Dunkle verdrängend, was Platz in seinen Gedanken suchte.
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Shanaya Árashi - 30.04.2020
Mit den Worten des Lockenkopfs wechselte sich auch das Bild in Shanayas Kopf. Jetzt lag Greo schützend über den Hühnern, gerade so viel Platz zwischen ihnen, dass er sie nicht zerquetschte. Und beide Bilder passten irgendwie erschreckend zu dem Mann mit dem Hut. Aber mit einem sachten Schütteln ihres Kopfes und einem sanftem Lächeln auf den Lippen, ließ sie dieses Thema ruhen, widmete sich stattdessen Liam, der geduldig antwortete. Er lachte und auch Shanaya musste etwas breiter schmunzeln, auch wenn ihr in diesem Moment der Gedanke kam, dass sie Liam noch nie von seiner Mutter hatte sprechen hören. Sie grübelte nur einen Moment.
„Ich glaube, du hast noch nie etwas von ihr erzählt. Also... von deiner Mutter.“
Ob das gut oder schlecht war überließ sie ganz dem Mann, immerhin wären Geschichten von ihrer eigenen Mutter mehr langweilig als alles andere. Und wie sie eben war, machte sie sich auch keinerlei Gedanken darum, ob ihm diese Feststellung irgendwie unangenehm sein würde. Wenn, würde er es sie schon wissen lassen. Seine Züge ließen sie jedoch vorerst nicht darauf schließen. Also verzog sie nur leicht das Gesicht zu einer berührten Miene, als er von Kälbern der gelockten Kühe sprach. Vielleicht brauchten sie doch das ein oder andere Tier auf der Sphinx. Wobei eine ausgewachsene Kuh, dazu eine Kuh allein... Erstmal gab sie sich also mit den Hühnern und mit den Tieren der einzelnen Crewmitglieder zufrieden.
Geduldig lauschte sie den Worten des Mannes, neigte dann leicht den Kopf zur Seite, als er geendet hatte.
„Soso. Willst du uns jetzt etwa vorwerfen, wir hätten euch eurer munteren Wandergemeinschaft beraubt?“
Ihr Lächeln sprach Bände, würde dem Dunkelhaarigen genau zeigen, wie ernst sie diese Worte meinte. Er war jederzeit frei zu gehen, wohin er wollte. Auch jetzt hätte er sie einfach allein zurück lassen können – wobei die meisten seiner Sachen noch auf der Sphinx waren. Es wäre also keine so kluge Entscheidung gewesen. Seine Frage ließ sie dann leise brummen, ein überlegender Ton darunter, der deutlich machte, dass sie darüber sinnierte, wie sie das am besten formulieren sollte.
„Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, meine Privatlehrer in den Wahnsinn zu treiben. Auf viele verschiedene Arten. Und mich mit Dingen zu befassen, die absolut nichts für kleine Mädchen sind, die eigentlich nach der Pfeife ihrer Eltern tanzen sollte...“ Sie grinste amüsiert. „Zum Beispiel meine Nase in Bücher zu stecken, aus denen ich mein Wissen über die Navigation habe. Oder über andere Welten...“
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Liam Casey - 30.04.2020
Liam lauschte auf, als Shanaya ihn auf eine Tatsache aufmerksam machte, die ihm auch jetzt nicht wirklich bewusst gewesen war. Ein wenig verdutzt blinzelte er sie an, während er angestrengt versuchte, sich daran zu erinnern, weshalb ihm diese Aussage so bekannt vorkam – nicht, weil ihn irgendjemand irgendwann einmal darauf angesprochen hatte, sondern weil die Erinnerung sich so frisch anfühlte, als wäre es erst in den letzten Tagen – oder eher Wochen – gewesen. Letztlich blieb aber nur ein Schluss über, denn außer Skadi gegenüber, hatte er nie einen Grund gehabt, darüber zu reden. Es war nicht so, dass er das Thema absichtlich mied, wirklich nicht. Umso überraschter war er, dass es dem ein oder anderen so vorkam. Und Shanya wusste nicht, dass er genügend Gründe gehabt hätte, nicht darüber zu reden, wenn er denn gewollt hätte. Der Lockenkopf zuckte unschlüssig mit der Schulter und lächelte wieder, nachdem der Ausdruck auf seinen Zügen zeitweise etwas nachdenklicher geworden war.
„Naja, weshalb auch?“, fragte er. „Auf der Sphinx rennt sonst auch niemand herum, um von seiner Mutter zu erzählen. Also… Abgesehen von Trevor nachdem wir Milúi verlassen hatten.“
Insgesamt hielt sich das persönliche Interesse der meisten auf der Sphinx ohnehin im Hintergrund. Ein zusammengewürfelter Haufen eben, der zum Teil aus recht schwierigen Persönlichkeiten bestand, die sich – an dieser Stelle dachte er an Josiah – recht schwer mit der Sozialkompetenz taten. Entweder, weil sie es nie gelernt hatten (der Apfel fiel eben doch nicht immer weit vom Stamm) oder es hartnäckig verlernen wollten. Die Gespräche mit denen, die ihm näher standen, waren oftmals eine erfrischende Abwechslung zu all den schweigenden Arbeiten, die nebeneinander stattfanden. Auch, wenn er gerne mal seine Ruhe genoss und seinen Gedanken nachhing – er war und blieb eher der gesellige Typ Mensch. Abgesehen von Ausnahmesituationen – so wie die letzten Tage.
„Könnte ich.“, schmunzelte er der Dunkelhaarigen entgegen. „Ich fürchte allerdings, das habe ich mir ganz alleine zuzuschreiben. Aber solange ihr mich nicht fesselt und knebelt, ist es ja keine Entscheidung fürs Leben.“
Er wirkte nicht unzufrieden mit seiner Situation und er rechnete damit, dass Shanaya durchaus wusste, dass er ansonsten längst wieder seinen eigenen Weg eingeschlagen hätte. Was sie nicht ahnte, war, dass das möglicherweise inzwischen ausgesetzte Kopfgeld auf sie seine Pläne ein bisschen beeinträchtigte. Vermutlich machte sie sich darüber nicht einmal Gedanken. Vielleicht war sie sogar ein bisschen stolz darauf, dass man sie für Geld suchen ließ und somit überall von ihren Taten berichtet wurde. Liam war da anders. Vermutlich anders als ein Großteil der Crew, für die so etwas wie ‚Kopfgeld‘ nichts neues mehr war. Was die Dunkelhaarige dann berichtete, glaubte Liam ihr ohne zu zögern.
„Bestens aufs Leben vorbereitet also.“, urteilte er nach kurzem Schweigen. „Warst du schon mal in einer von ihnen? Deine Eltern haben doch sicherlich Kontakte in allerlei Winkel dieser Erde. Und Yvenes liegt doch eigentlich recht günstig für einen kurzen Ausflug in die zweite Welt.“
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Shanaya Árashi - 01.05.2020
Liam schien zumindest schon einmal nicht tödlich von ihrer Feststellung verletzt zu sein. Lebte seine Mutter also noch? Oder ging er damit einfach nur, der Liam der er eben war, sehr gut damit um? Seine Worte als Antwort ließen sie leise lachen, ehe sie locker mit den Schultern zuckte.
„Ich für meinen Teil hätte auch nicht so viel spannendes zu erzählen.“
Sie rümpfte leicht die Nase, dachte einen Moment an die blonde Frau, die sich sicher seit Monaten solche Vorwürfe machte, dass ihr geliebtes Töchterlein verschwunden war. Und was die Nachbarn erst denken sollten, das wollte sie sich gar nicht ausmalen. Aber Liam hatte schon Recht, so richtig wussten sie sie alle wenig übereinander – ob nun über ihre Mütter oder andere Einzelheiten. Was der Lockenkopf dann von sich gab, ließ Shanaya ein wenig hämisch auflachen. Sie verengte die Augen zu kleinen Schlitzen und drehte den Kopf zu ihrer Begleitung herum, um Liam mit einem amüsierten Lächeln genau zu mustern.
„Habe ich da einen kleinen Wunsch in deiner Stimme mitschwingen gehört?“
Sie wackelte verschwörerisch mit den Augenbrauen, trat dann einen Schritt näher an Liam heran, um ihn locker mit der Faust anzustubsen.
„Wünsche musst du nur äußern, es findet sich sicher jemand, der dem nachkommt.“
Sie grinste ihm noch immer amüsiert entgegen, ohne den Abstand zu ihm zu vergrößern. Erst mit seinen nächsten Worten schnaufte sie leise, schüttelte dann leicht den Kopf, um ein paar aufkommende Gedanken zu verwerfen.
„Mein Vater war vielleicht Mal dort, aber wenn er zu seinen... dunklen Machenschaften unterwegs war, war ich nie dabei. Ich wurde nur darauf gedrillt, Handel in der ersten Welt vollziehen zu können. Und er wollte ja nicht die Schande seiner... Familie bis in andere Welten tragen.“
Nun knirschte es unter den Füßen der jungen Frau und sie ließ den Blick schweifen. Die letzten Häuser lagen hinter ihnen, der Weg war nicht mehr gepflastert sondern bestand nur noch aus kleinen Steinen.
„Bist du bereit, dem Tiger gegenüber zu treten?“
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Liam Casey - 01.05.2020
So ging es vermutlich den meisten von ihnen. Seine Mutter war eine wunderbare Frau gewesen, aber das war nichts, was er anderen Menschen unter die Nase binden musste. Sie hatten keinerlei Bezug zu ihr, zu seinem Leben und dem, was ihn mit seinen Eltern verband. Wenn es sich ergab, erzählte er gerne von ihnen. Aber einfach frei heraus sah er keinerlei Grund dazu. Ein vielsagendes Lächeln galt Shanaya – obwohl ‚spannend‘ wohl immer noch im Auge des Betrachters lag – und hätte sie expliziter nachgefragt, wäre er ihr mit Sicherheit auch keine Antwort schuldig geblieben. Aber Liam konnte auch sehr gut damit leben, dass sie das Thema ruhen ließen. Seine Gedanken wanderten kurz zurück zum ersten Abend auf dieser Insel – vielleicht blickte er auch gerade deshalb so ertappt drein, als Shanaya ihm etwas unterstellte, was er zuerst nur halb mitbekam, sich ihm dann aber allmählich erschloss.
„Hm, was?“, fragte er überrumpelt und sah der Dunkelhaarigen überrascht entgegen.
Sein Blick wurde misstrauischer, während Shanaya die freundschaftliche Distanz zwischen ihnen überbrückte und ihn noch immer mit einem Blick löcherte, bei dem es ihm schwer viel, herauszulesen, was sie wusste und was sie lediglich scherzhaft vermutete. Er erwiderte ihren Blick noch immer abwartend, und sie schien sein kurzes Straucheln durchaus zu begrüßen. Schließlich aber gewann er seine Fassung zurück und aus seiner unvorbereiteten Überraschung wuchs wieder ein bübisches Lächeln heran. Er war lediglich erstaunt gewesen – im Grunde war es ihm herzlich egal, wer diesbezüglich was wusste. Sie waren allesamt erwachsen und alt genug. Manche eben nur zu prüde, um sich dieses Verlangen offen und ehrlich einzugestehen.
„Oh, mach dir keine Sorgen. Ich komm‘ schon zurecht.“, versicherte er ihr wieder gutgelaunt mit einem unschuldigen Ausdruck auf den Zügen. „Du vergisst wohl, dass ich keiner von denen bin, die beschämt den Kopf senken, wenn du deinem Freiheitsdrang an Deck nachkommst.“
Worauf er hinauswollte, war wohl offensichtlich: Er wusste, wann und wo es sich schickte und lohnte, Wünsche zu äußern und Wünschen nachzukommen. Aber das Ziehen in seinem Oberarm erinnerte ihn schlagartig wieder daran, dass ihm der Kopf im Augenblick nicht danach stand. Stattdessen begegnete er Shanayas Aufdringlichkeit kurzerhand einfach mit weiterer Nähe, als würde er sie gleich vom Weg drängen wollen, bis er wieder von ihr abließ, da der Boden unebener wurde.
„Hm. Aber auch das kann uns vielleicht irgendwann mal gelegen kommen. Schade fast, dass wir deinen ‚guten‘ Namen nicht gebrauchen können, um uns das Leben ein bisschen angenehmer zu gestalten, jetzt wo wir… im Interesse des öffentlichen Lebens stehen.“
Er wusste bedingt um die schweren Familienverhältnisse der Jüngeren. Und man hörte ihm an, wie genau er die Bezeichnung ‚gut‘ in diesem Falle meinte. Ihre Bemerkung entlockte ihm wieder ein abenteuerlustiges Schnauben.
„Mein Plan war es nicht, spazierenzugehen.“, beteuerte er mit Vorfreude in der Stimme, während sein Blick den Pfad hinaufwanderte, der sich uneben und Steinig vor ihnen erstreckte und recht bald hinter dichten Sträuchern und Bäumen verlor. „Was weißt du sonst über die anderen Welten?“
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Shanaya Árashi - 02.05.2020
„Erwischt!“
Shanaya lachte herzlich bei den Worten des Mannes auf, schüttelte dann leicht den Kopf über den Dunkelhaarigen. Nicht, dass sie ihm daraus irgendwie einen Strick drehen wollte, aber allein die Tatsache, dass Liam so überrascht reagierte, ließ die junge Frau ihre eigenen Schlüsse ziehen. Mit diesem Wissen konnte sie vermutlich rein gar Nichts anfangen, aber sie verbuchte es einfach unter 'gut zu wissen'. Aber sie warf ihrem Gegenüber damit nur einen kurzen Blick zu, eine vielsagende Miene. Und sie konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken einen Moment abschweiften zu etwas, in dem Liam nicht vorkam. Sie lächelte amüsiert über das Bild vor ihrem geistigen Auge, sodass ihr Blick einen Moment deutlich sanfter wurde, ehe sie die blauen Augen wieder mit ruhiger Miene zu Liam herum wandte.
„Da hast du Recht... Aber dass der Großteil der 'Männer' entweder Eunuchen sind oder deutlich wenig in der Hose haben ist ja leider kein Geheimnis.“ Umso erfrischender waren die, auf die diese Worte nicht zutraf. „Nackte Brüste sind aber auch schon ziemlich gruselig.“
Deutliche Ironie schwang in ihrer Stimme mit, die mit einem leichten Lachen und einem Blick in ihre eigene Bluse untermalte. Jap. Wirklich gruselig und angsteinflößend. Und leider gehörte Liam auch zu den wenigen, mit denen man über so etwas sprechen konnte, ohne dass er direkt die Flucht ergriff
„Und du zeichnest nackte Brüste. Noch viel gruseliger.“
Gespielt theatralisch schüttelte die Schwarzhaarige den Kopf, lächelte dabei aber amüsiert.
Das Thema über ihre Familie war ein wenig ernster, und trotzdem nahm es Shanaya nicht die gute Laune.
„Wenn die Situation passt, kann ich meinen Namen sicher für irgendeinen Vorteil einsetzen... dann sollten wir nur nicht zu lang an einem Ort bleiben.“
Wenn sich herum sprach, dass irgendjemand versuchte, sich mit diesem Namen voran zu bringen, würde es nicht lang dauern, bis die falschen Personen davon Wind bekamen.
„Nicht so viel, wie ich gern wüsste. Aber... immerhin kann ich all mein Wissen dann selbst zusammen tragen. Das ist sowieso verlässlicher.“
Ein selbstsicherer Blick galt dem Lockenkopf, ehe sie den Blick wieder schweifen ließ.
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Liam Casey - 02.05.2020
Er rollte mit den Augen und untermalte Shanayas Freude über das vermeintlich gelüftete Geheimnis mit einem Seufzen, welches nur halb so schwer klang, wie er es eigentlich klingen lassen wollte. Im Weg stand ihm dabei das breite Schmunzeln auf seinen Zügen, sodass er kurzerhand einen Schritt zur Seite trat und die Schwarzhaarige freundschaftlich an der Schulter von sich schubste.
„Was ist schon dabei. Ich war nur überrascht, das aus deinem Mund zu hören. Ich hätte Luc auch nicht so eingeschätzt, dass ihm nach der Morgenwind noch groß nach Fesseln und Knebeln zumute wäre. Also, vorausgesetzt, das bei euch ist noch aktuell.“
Damit verbaute er sich die letzte Gelegenheit, sich irgendwie aus Shanayas Annahme herauszureden. Fakt war allerdings, dass er es auch zu keiner Sekunde überhaupt versucht hatte. Zum einen wusste er bei ihr, dass auch sie mehr die Lebensweise ‚leben und leben lassen‘ verfolgte, zum anderen konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie mit dieser in Zukunft Information anfangen wollte. Vermutlich hatte sie es bis zum Abend längst wieder vergessen – bei diesem Gedanken musste Liam sich selbst belächeln. Bestimmt nicht. Und in irgendeinem unpassenden Moment würde sie die Nachricht wieder aus dem Dunkeln ihrer Gedanken herauskramen und ihn bereuen lassen, sich hier nicht herausgeredet zu haben. Ironischer Weise freute er sich auf den Moment.
Was die Liebelei zwischen Lucien und ihr betraf, war sich der Lockenschopf tatsächlich gar nicht sicher, ob er auf dem aktuellen Stand war. Er hatte die letzten Tage nur wenig von den anderen mitbekommen und sich keinerlei Mühe gegeben, den Klatsch und Tratsch zwischen den einzelnen zu verfolgen. Wenn er so darüber nachdachte, erschien es ihm wieder undenkbar, dass das Ganze gerade mal eine Woche her war. Und so verliebt, wie Shanaya am Abend noch gewirkt hatte, hatte sich daran mit Sicherheit in derart kurzer Zeit nichts geändert. Aber seine Stimme ließ die vorwitzige Neugier vermissen. Manch anderer hätte jetzt wohl versucht, Neuigkeiten aus ihr herauszukitzeln, aber Liam reichte das, was er wusste oder nicht wusste. Es war für ihn keinerlei Angelegenheit, die einer Diskussion bedurfte. Sie konnten tun und lassen, was sie wollten und ohne dass die anderen davon erfahren mussten. Da erschien ihm ein Gespräch über weibliche Rundungen weitaus ergiebiger.
„Wir sind wirklich der Abschaum der Gesellschaft.“, schloss er mit einem gespielt enttäuschten Ausdruck auf den Zügen, doch das Grinsen lag deutlich auf seinen Lippen.
Im Bezug auf die Zukunft konnte er sich wohl noch ein bisschen von ihr abschneiden. Ihr Optimismus war bemerkenswert und erinnerte ihn mit einem unangenehmen Ziehen in der Magengegend an den ersten Abend auf dieser Insel.
„Schätze, das sollten wir vorerst so oder so nicht.“ Seine Bedenken waren nicht aus der Luft gegriffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sie nicht suchte, ging im Grunde gegen Null. „Man hört tatsächlich recht wenig darüber. Obwohl ich durchaus schon etwas herumgekommen bin, bezog sich das meiste, was ich so aufschnappen konnte, lediglich auf die erste Welt. Ich meine – klar, was sollte schon groß anders sein als hier, aber irgendwie… klingt es trotzdem spannend, in die zweite Welt zu segeln.“
RE: We're still wasting our time chasing dreams - Shanaya Árashi - 03.05.2020
Liam stieß die junge Frau mit der Schulter an, was das Lächeln Shanayas noch einen Hauch breiter werden ließ. Was er dann jedoch sagte, fühlte sich im Moment wie ein Stein an, der jemand aus großer Höhe auf sie fallen ließ. Ein großer Stein. Ein Felsen. Einer, hinter dem sich Greo stehend verstecken konnte. Sie verengte leicht die Augen, musterte den Lockenkopf auf prüfenden Augen. Die Verwirrung in ihrem Inneren versuchte sie mit aller Kraft zu unterdrücken, sie unter den Felsen zu schieben, unter dem sie sich befreite. Dass ihr Herz jedoch einige Takte schneller schlug ließ sich nicht vermeiden.
„Traust du mir das etwa nicht zu?“
Sie wog den Kopf lächelnd etwas zur Seite, während sie sich Liams Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Also, vorausgesetzt, das bei euch ist noch aktuell Damit konnte sie auch nicht verhindern, dass ihr Lächeln, ihr ganzer Ausdruck einen warmen, sanften Ton annahm.
„Hast du uns etwa heimlich beobachtet? Skadi ist bestimmt sofort dabei, hm?“
Sie spielte den Ball einfach zurück, auch wenn sie sich die Antwort des Dunkelhaarigen irgendwie denken konnte. Ihr lag zuerst ein 'So weit sind wir noch nicht' auf der Zunge – aber sie schluckte es herunter – aus... vielen verschiedenen Gründen. Stattdessen lenkte sie einfach von sich und dem Captain ab. Auch wenn es dazu eigentlich keinen Grund gab. Nicht wirklich zumindest.
Das sie der Abschaum der Gesellschaft waren, entlockte Shanaya ein erneutes, gespielt dramatisches Seufzen.
„Oh ja. Man sollte uns direkt hängen, bevor ich nochmal auf die Idee komme, mich auszuziehen.“ Eine bedeutungsschwere Pause. „Und du dann darauf, mich auch noch nackt zu zeichnen.“
Das war wirklich moralisch nicht vertretbar. Dass man sie noch nicht am nächstbesten Galgen aufgehängt hatte war ziemlich verwunderlich.
Auf die nächsten Worte des Mannes nickte sie nur zustimmend, da hatte er vollkommen Recht. Aber sie waren Piraten – zumindest der Großteil von ihnen – und da musste man eben damit leben, dass man gejagt wurde. Wer dem nicht standhalten konnte, sollte sich lieber eine Aufgabe weitab von den Gefahren dieser Welt suchen.
„Ich kann es kaum erwarten, alle Welten zu besegeln und jede einzelne Insel mit eigenen Augen zu sehen. Aber auch die erste Welt hat noch einiges zu bieten, was sich zu sehen lohnt.“
Wilder Enthusiasmus lag in den blauen Augen bei dem Gedanken, dass sie es nicht erwarten konnte, all die Geheimnisse dieser Welt zu entdecken.
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