RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Ceallagh Hayes - 01.05.2024
Liam wirkte unruhig. Auf eine seltsam andere Art und Weise als Ceallagh es ihm üblicherweise zugestehen würde. Wahrscheinlich – und das war wohl mehr als offensichtlich – weil ihm die Frauen, oder vielleicht sogar eine im Speziellen, zu wichtig waren, um noch länger wie angewurzelt auf dem Schiff herum zu stehen. Tarón hielt sich kurz und präzise an das, was er zu sagen hatte. Vereinbarte Suchgebiete und Treffpunkte und machte keine Anstalten irgendetwas künstlich in die Länge zu ziehen. Angesichts der Situation eine weise Entscheidung. Man spürte wie der Raum förmlich vibrierte. An einigen Stellen deutlich mehr, als an anderen. Doch das Gefühl von nagender Unruhe blieb. Egal in welches Gesicht er im Licht der Laternen blickte. Die Dunkelheit auf der Insel tat wohl ihr Übriges – nährte die Sorge, Angst und fehlende Zuversicht irgendwelche Hinweise zu finden. Weil es bei Tage schon schwer genug war, aber in anhaltender Nacht? Das glich schon fast einem Fangenspiel mit verbundenen Augen. Wie viele Chancen sich der Schmuggler also ausrechnete, die drei Frauen zu finden, behielt er vorerst für sich. Ohnehin war er – rein körperlich betrachtet – keine allzu große Hilfe. Die Ereignisse auf der vorletzten Insel hatten wieder einmal seine Arme in Mitleidenschaft gezogen. Er musste Soula fast schon danken, dass es nicht denselben Arm erwischt hatte. Wenngleich ihm die Beständigkeit von Schussverletzungen seit seiner Ankunft auf der Sphinx durchaus stutzig machen konnte.
Dicht hinter Lola war Ceallagh nun vom Schiff auf die Gangway getreten. Hielt eine Laterne zwischen den Fingern seines gesunden Arms und holte noch einmal tief Luft, ehe er zu den anderen am Kai aufschloss. Schritt dabei an der jungen Navigatorin vorbei, die den Rumpf weitaus früher als alle anderen verlassen hatte. Und warf er ihr einen kurzen Blick zu, der gefühlt alles und nichts bedeuten konnte. Von einem haltet die Augen auf bis hin zu tut nichts, was ich nicht auch täte war alles darin zu lesen. Womöglich weil sich der Hüne von allen wohl am wenigsten Sorgen machte. Machen musste. Ihm war klar, welche Konsequenzen und Auswirkungen das Verschwinden der drei Frauen auf die Crew nahm. Doch viel mehr als das war ihm bewusst, wie wenig Sinn es machte, sich Hals über Kopf in eine Rettungsmission zu stürzen. Man übersah Dinge, die wichtig waren, weil die Scheuklappen zu hoch aufgetürmt waren, um den Blick auf ein einziges Ziel zu richten. War er also mit Liam und Lola mitgegangen, um zu verhindern, dass der Lockenkopf zu emotional an die Sache heran ging? Vielleicht, wenngleich er sich so viel kameradschaftliches Mitgefühl nicht zuschreiben würde. Eher war es die Anwesenheit Lolas, die ihn dazu bewog. Aus welchen Gründen auch immer. Es war durchaus mehr ein Bauchgefühl, als eine rein rationale Entscheidung.
Und kaum, dass er sich von Shanaya mit einem knappen “Bis später.“ abwandte, just in dem Moment als Zairym die Gangway hinab stiefelte, reihte er sich hinter Lola in die kleine Gruppe um Liam ein, die mit zügigen Schritten in der nächsten Seitengasse verschwand.
“Wie ist sie so?“ Eine pauschale Frage, die sich auf eine oder alle drei vermissten Frauen beziehen konnte. Und eigentlich nur den Zweck hatte, Liams Schritt ein wenig zu verlangsamen und seinen Kopf zu entlasten, der seinen Körper auffällig schwer nach vorn zog. Davon abgesehen, dass Lola keine Hechtsprünge mehr hinterher setzen musste und die kleinen Fläschchen in ihrer Tasche klangen als würden sie beim nächsten Sprung auseinanderbersten.
[ Lola & Liam | auf dem Weg zum Gesundheitsviertel ]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Liam Casey - 02.05.2024
Vermutlich hätte er weiter vorne am Kai gewartet, wären seine beiden Begleiter nicht unmittelbar hinter ihm gewesen. Weiter vorne in der Hoffnung, irgendetwas in den Schatten sehen zu können, dass ihnen weiterhalf, nicht, weil er Shanayas Gesellschaft mied. Ihn interessierte nur weniger, was auf der Sphinx passierte als das, was Ghisleen vor ihnen verborgen hielt. Liam hoffte noch immer, dass wenigstens eine der drei Vermissten einfach aus der Dunkelheit stolperte und ihre verspätete Rückkehr harmlos begründete. Gelächter auf beiden Seiten, sie konnten sich entspannen und niemandem wäre irgendetwas geschehen. Wann war das letzte Mal, dass sie ohne Verluste oder Verletzungen von einem Landgang zurückgekehrt waren? Pers Tod überschattete seine Erinnerungen. Eigentlich hatte er sich darüber auch nie wirklich Gedanken gemacht - jetzt gerade aber war es ihm umso bewusster im Kopf. Lolas Stimme ließ ihn aufsehen und erst, als er die blonde Mähne der jungen Frau im Licht seiner Laterne erkannte, ahnte er, dass sie sich an ihn gerichtet hatte. Ceall war direkt hinter ihr, dementsprechend war ein Warten gar nicht notwendig und sie konnten direkt in den stummen Gassen der Stadt verschwinden. Er hatte sich eine Karte Ghisleens abgezeichnet und mitgenommen - vielleicht würde es helfen, wenn sie bereits durchsuchte Gegenden oder Hinweise darauf einzeichneten, um mit ihrer Suche voran zu kommen. Im Fall, dass die drei überhaupt noch in der Stadt waren, jedenfalls. Was hätte Bláyron überhaupt mit ihnen vor, wenn er wirklich dahinter steckte?
„Hm?“, reagierte Liam auf Ceallaghs Frage, obwohl er sie durchaus verstanden hatte. „Zuverlässig. Und wenn sie wirklich in Schwierigkeiten sind, werden's ihre Gegner definitiv bereut haben, sich mit ihr angelegt zu haben.“ Er wandte den Blick nicht von der Straße ab, während er sprach. „Vielleicht hören wir was von Verletzten. Auch das könnte ein Hinweis darauf sein, wohin man sie gebracht hat. Aber es sieht ihr alles andere als ähnlich, nichts von sich hören zu lassen.“
Natürlich wussten sie noch immer nicht, ob ihnen wirklich etwas zugestoßen war, doch Liam hatte ein ungutes Gefühl. Und bislang war er gut gefahren, sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Ein Gutes hatte es allerdings: Sein Bauchgefühl wusste ihn auch davon zu überzeugen, dass sie noch lebte. Etwas, auf dem er sich allerdings nicht ausruhen wollte. Das Gespräch mit Ceall ließ ihn den Schritt etwas verlangsamen. Sie mussten aufmerksam bleiben. Vorauseilen würde ihnen auch nichts bringen. Kurz wandte er den Kopf herum, um sich zu vergewissern, dass auch Lola noch in ihrer Mitte war, dann lenkte ein Geräusch vor ihm seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. Liam hielt inne und hob die Laterne etwas nach oben. Zwei riesige Augen spähten in seine Richtung, eine lange, buschige Rute peitschte kurz durch die Dunkelheit. Auf seinen Lippen formte sich ein schwaches Lächeln. Nach ihr hatte er tatsächlich gesucht. Sie war zwar kein Spürhund, den man abrichten konnte, aber Alex hatte sie auch gefunden. Vielleicht würde sie auch Skadis Witterung irgendwann aufnehmen. Er würde sie im Blick behalten.
„Da bist du ja. Komm.“, wies er die Ginsterkatze an und ging in die Hocke, damit sie mit einem gezielten Sprung auf seine Schulter klettern konnte. Sineca musterte die drei Piraten kurz, maunzte dann tonlos und nahm ihren Platz auf Liams Schulter ein. „Sineca hat uns schon das ein oder andere Mal vor Gefahr gewarnt. Besonders in dieser Dunkelheit ist sie uns um einiges überlegen.“ Seine Erklärung galt mehr Lola als Ceall, der die Ginsterkatze schon öfter außerhalb der Sphinx erlebt hatte als ihr Neuankömmling.
{ Ceallagh & Lola & Sineca | auf dem Weg zum Gesundheitsviertel }
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Alex Mason - 02.05.2024
Eigentlich hatte er sich vorgenommen, sich keine Gedanken zu machen. Er musste noch immer seine Unschuld verteidigen, während ihn ein Großteil der Crew wie einen Verbrecher beäugte - allen voran natürlich Tarón, der sich auch gleich noch selbst zu seinem heutigen Kindergärtner erklärt hatte. Alex fand diesen ganzen Aufriss noch immer mehr als lächerlich, doch egal, wie häufig er bereits beteuert hatte, sich nicht an der kleinen Prinzessin vergangen zu haben, desto weniger hatte man ihm scheinbar zugehört. Und jetzt, wo nicht nur Soula, sondern auch Talin verschwunden war, galt die Entscheidung in seinem Fall als vertagt. Wunderbar. Dadurch entstand ja immerhin niemandem ein Nachteil außer ihm selbst und warum? Weil die drei Frauen sich eine schöne Zeit machten, während sie im Begriff waren, jeden Winkel dieser Stadt nach ihnen zu durchsuchen.
Nach außen gab er sich tatsächlich überraschend gelassen. Vermutlich unterstellte Tarón ihm ohnehin, etwas mit dem Verschwinden der drei zu tun zu haben, als konnte er das auch ein bisschen genießen. In Wahrheit allerdings machte er sich durchaus Sorgen. Nicht um Soula, belog er sich, sondern um den gesamten Umstand, dass man einfach drei Frauen aus einer Crew entführen konnte, ohne dass sie es bemerkt hatten. Zudem beunruhigte ihn Liams Gemüt. So besorgt und entschlossen hatte er ihn bislang nur selten erlebt. Offiziell also galt seinem besten Freund seine Treue und dementsprechend auch seine Unterstützung. Auch, wenn das beinhaltete, dass sein Hauptaugenmerk somit ausgerechnet auf Skadi lag bei der Suche. Auch etwas, was ihm irgendwie missfiel, in Anbetracht der ernsten Situation aber auch für ihn keine große Rolle spielte. Wenn den drei Frauen nämlich etwas geschehen war, lag es an ihnen, das zu vergelten, wenn sie ihr Gesicht nicht verlieren wollten. Wie wollten sie sich sonst noch nennenswerte Piraten schimpfen?
Alex hatte nach der Besprechung an der Wand zum Aufgang gelehnt und gewartet, bis Tarón zum Aufbruch bereit war. Nebst Degen und Gaslaterne hatte er zudem eine Pistole an seinem Gürtel befestigt, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Seine Worte zum Aufbruch kommentierte Alex mit einem wortlosen Nicken, ehe er Cassy den Vortritt ließ und die Nachhut übernahm. Er hatte sich vorgenommen, erstmal nichts zu sagen. Ihm glaubte man doch ohnehin nicht - dann sollte Tarón beweisen, wie gut er im Führen und Leiten war, bis er ihn um seine Meinung bitten würde. Alex war leider nicht nur etwas nachtragend. Und er würde sich darin suhlen, bis man ihm endlich den Respekt und Glauben entgegenbrachte, den er verdient hatte. Schweigend und mit verschränkten Armen folgte er Cassy und Tarón also halb versetzt nach hinten in die Richtung des Marktplatzes, die Laterne ebenso an seinem Gürtel befestigt wie die Waffen, die er mit sich führte.
{ Cassy & Tarón | auf dem Weg zum Markt }
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Niloc Vandos - 02.05.2024
Mit einem dumpfen Geräusch sackte sein Körper nach hinten gegen die Wand und glitt langsam zu Boden. Seine Lippen zierte ein schmerzverzerrtes, bitteres Lächeln, während sich Schritte eilig nach links entfernten. Sie klangen so fern und doch so präsent in seinem Kopf nach und Niloc wusste, dass er sie heute nicht das letzte Mal gesehen hätte. Dafür würde er schon sorgen. Seine Hand pochte unangenehm an der Stelle, wo sich bis eben noch zwei seiner Finger befunden hatten. Finger, von denen er bislang nicht gewusst hatte, dass er sie vermissen würde, wenn sie irgendwann nicht mehr wären. Das, was er in diesem Moment aber viel mehr vermisste als sein eigen Fleisch, war der Ring, den sie mit sich genommen hatten, als sie ihn hier zurückgelassen hatten. Zum Sterben, vielleicht, doch so einfach würde es Niloc ihnen nicht machen, ungeschoren davon zu kommen. Auge um Auge, hieß es. Auge um Auge würde es kommen.
Das Hemd an seinem Unterbauch wurde allmählich ebenfalls feucht und färbte sich rot. Stimmt, dorthin war der letzte Stich gegangen, ehe er zusammengesackt war. Gezielt und schnell wie der Biss einer Schlange, nur tiefer und weniger tödlich vermutlich in diesen tropischen Gegenden. Drei, vielleicht vier Stiche, schätzte der Händler, ohne die Wunde wirklich in Augenschein genommen zu haben. Aber er hatte die Klinge lange genug beobachten können, während sie sich Finger für Finger durch sein Fleisch geschnitten hatte. Nilocs Mundwinkel zuckten, ehe er sich mit einem leisen Ächzen eines der Stofftaschentücher mit rechts aus der Tasche zog. Kurz verschwanden die Stummel in seinem Mund, um die Wunde wenigstens grobflächig zu säubern, dann wickelte er sie in das Tuch ein und brachte es auf Zug. Ein bisschen Alkohol würde schon Abhilfe verschaffen. Aber zwei Finger mehr oder weniger - er würde seine Mission schon bewältigt bekommen. Sie hatten sich mit dem Falschen angelegt. Doch die Rache musste warten. Warten, bis er genug Energie hatte, um sich wieder aufzurichten und seine Wunden zu versorgen.
[ allein | in einer Gasse im Gesundheitsviertel]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Cassy Rice - 02.05.2024
Endlich hatte sie es also geschafft. Geschafft, die Insel, die ihr immer mehr wie ein Gefängnis vorgekommen war, zu verlassen. Natürlich hatte sie schon beim Anlegen des Schiffes damals die Idee gehabt, sich der Crew anzuschließen, es zumindest zu versuchen, weil ihr bewusst war, dass es mitnichten viele Seeleute gab, die sich auch mit Frauen zufrieden gaben. Vor allen Dingen wusste Cassy am Anfang nicht einmal so recht, was sie zum Allgemeinwohl hätte beitragen können. Es war mehr eine Chance auf Sicherheit, einen Neuanfang und irgendwie auch eine Chance auf ein gewagtes Abenteuer gewesen, das sie gesehen hatte. Wie einfach es schließlich geworden war, war wohl einfach nur Glück und Schicksal gewesen. Mehr wollte die Blondine dem Ganzen überhaupt nicht zuschreiben.
Dann jedoch folgten die ersten Seetage und obwohl Cassy nicht Seekrank geworden war - welch ein Glück aber auch - war es nicht zu vergleichen mit ihrem Leben zuvor. Sie hatte sich nützlich gemacht, wo sie gebraucht wurde und war ziemlich schnell zu einem Stammhelferplatz in der Küche gelangt. Das war in Ordnung für sie, kochen hatte sie schließlich schon früh auf dem Bauernhof ihrer Eltern gelebt. Dennoch war das Leben auf hoher See etwas vollkommen anderes als das nackte Überleben zwischen den Straßen der Inseln, auf welchen Cassy sich bisher herumgetrieben hatte. Aber sie würde das schaffen, sie würde sich behaupten, ihren ganz eigenen Platz in der Crew finden und sich endlich wieder sicher fühlen.
So viel zumindest die Theorie, denn nachdem sie nun ein paar Tage auf See waren, hatten sie zumindest für Cassy, das erste Mal ein Ufer angesteuert und die Blondine hätte Lügen müssen, zu sagen, es tat nicht gut endlich mal wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Auch das Schwanken des Schiffes war noch sehr ungewohnt und doch stand für sie fest, sie würde weiterhin bei der Crew bleiben. Sie wollte dieses Leben, ganz gleich was es kostete. Also ging ihre Reise weiter und als sie gut drei Wochen später schließlich in Ghisleen zu Anker gingen,sollte es direkt zu einem eher unangenehmen Vorfall kommen, den Cassy nicht einfach so ignorieren konnte.
Ja, es hatte auch den Tod von Per gegeben, den sie selbst viel zu nah miterleben musste, seine Seebestattung und natürlich hatte auch Cassy mitbekommen, dass einem der Seemänner, Alex, vorgeworfen wurde eine der Frauen vergewaltigt zu haben. Ein sehr harter Vorwurf, aber auch eine furchtbare Tat und doch hielt Cassy sich eher zurück, hielt sich aus der Sache komplett heraus, wollte sie keinen Unschuldigen anprangern oder gar einer geschädigten Frau, die den Mut hatte auszusprechen was ihr widerfahren war, vorwerfen sie würde Lügen. Nein, die junge Frau hatte sich dazu entschieden, der Misere so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Aber als sie, drei Tage nachdem sie in bereits in Ghisleen geankert hatten, feststellen mussten, dass drei weibliche Mitglieder der Crew verschollen zu bleiben schienen, spürte Cassy wie unruhig alles wurde und sie konnte es verstehen. Selbst wenn sie niemanden dieser Menschen sehr gut kannte, so hatte sie jeden von ihnen in den letzten Wochen erlebt. Sie waren nicht nur irgendwelche Bekannten, irgendwelche Menschen, die miteinander arbeiteten, nein. Die Crew funktionierte förmlich wie eine Familie und da war äußerste Rücksicht und Hingabe gefordert, wenn jemand von ihnen in Gefahr zu sein schien und das war bei den drei Vermissten definitiv der Fall.
Nachdem Tarón sie nun alle aufgeklärt hatte, wie sie vorgehen würden und dass sie Gruppen bilden mussten, stand für Cassy definitiv fest, wo sie hingehen wollen würde. Zum Marktplatz, der aktuell als Festplatz diente. Dorthin, wo sich vermutlich aktuell das meiste Leben abspielte aufgrund der bevorstehenden Feierlichkeiten und der aktuell noch anhaltenden Dunkelheit. Sie war auf der Straße groß geworden und auch wenn es sich hier um eine fremde Insel handelte, eine fremde Umgebung, so war sie davon überzeugt, wenn sie irgendwo überhaupt einen Nutzen haben konnte, dann dort. Tarón selbst schien jedoch beim letztlichen Einteilen nicht besonders erfreut darüber zu sein, dass sie sich genau dieser Gruppe hatte anschließen wollen. Cassy vermutete auch genau zu wissen warum das so war und der Seitenhieb von dem Quartiermeister in die Richtung von Alex, der sie ebenfalls begleiten würde, entging der jungen Frau ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Luft zwischen den beiden Männern ziemlich aufgebraucht war. Uff. Das konnte ja etwas werden.
Tarón ging schließlich voraus und Alex sagte zwar nichts, ließ ihr aber den Vortritt und Cassy wollte nicht, dass er das Gefühl bekam sie hätte Angst vor ihm oder sonst etwas, weshalb sie ihm ein sanftes Lächeln zuwarf und dann zügig hinter Tarón herging.
”Hast du dir schon etwas überlegt, wie wir Vorort vorgehen wollen? Uns eher erst einmal umsehen und diskret Leute beobachten, die auffällig sind oder so wirken, als wüssten sie etwas, oder aber direkt mit Befragungen starten?”, fragte sie dann direkt an den Quartiermeister gewandt, da er doch sehr zielorientiert wirkte und sie davon ausging, er hatte noch wesentlich mehr geplant als nur die Aufteilung der Crew für die Suche der vermissten Frauen. Denn ganz gleich was mit ihnen geschehen war, es zählte am Ende vermutlich jede Sekunde und da durfte man sicherlich vieles tun, aber nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen. Cassy wusste schließlich aus ihrer eigenen Vergangenheit gut genug, dass einen solche Spontanhandlungen eher zurückwarfen, als das sie am Ende dafür sorgten das man sein Ziel erreichte.
{ Tarón & Alex | auf dem Weg zum Markt }
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Lola Clay - 04.05.2024
Glücklicherweise wurde Liam ein wenig langsamer. Zum Glück. Dachte sich die blonde und nutze die langsameren Schritte um schnell etwas Ordnung in ihrer Tasche zu schaffen. Dadurch, dass sie sich einfach nur ihre Tasche geschnappt hatte, war noch alles durcheinander. Nach und nach verfrachtete sie die einzelnen Fläschchen in kleine innen Fächer, die sie selbst eingenäht hatte aus irgendwelchen Stoffresten, die sie gefunden hatte.
"Du kennst sie gut, oder?"
Fragte sie kurz bevor Liam stehen blieb. Es fiel ihr aktuell immer noch schwer die ein oder andere Beziehung zwischen Crew-Mitgliedern zu verstehen. Irritiert sah Lola zu ihm und sah sich aufmerksam um, dann sah sie das Katzen-ähnliche Tierchen. Was war das? Alles schrie Katze, aber irgendwie auch nicht.
"Katzen können im dunkeln ja auch sehr gut sehen. Aber...sie ist keine normale Katze, oder? Ich hab so eine noch nie gesehen."
Neugierig beobachtete sie Liam und das Tierchen. Während sie ihre Tasche fertig sortiert. Den kurzen Moment der ruhe nutze um Luft zu holen und ihre Gedanken zu sortieren.
"Verletzungen...vielleicht finden wir eine Apotheke oder so. Dann könnten wir fragen ob da jemand war der was unter der Hand holen wollte."
Lola hatte durch aus mal das ein oder andere aus der Apotheke geschmuggelt um es jemanden, der nicht einfach zu einem Arzt konnte oder es sich nicht leisten konnte, es für ein paar Kupfer zu verkaufen.
|Liam & Ceallagh & Sineca | auf dem Weg zum Gesundheitsviertel|
Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Trevor Scovell - 05.05.2024
„Hunderte!”
Trevor folgte – führte? begleitete? geleitete? hüpfte in unmittelbarer, gerade noch so zielgerichtet wirkender Entfernung von Jón und Josiah über den dunkeln Kai. Eigentlich hätten sie sich für einen Teil des Weges auch der Gruppe um Liam anschließen können, aber sie waren gleichzeitig sehr viel schneller und sehr viel langsamer als die anderen. Schneller, weil Trevors Hand oben gewesen war, noch bevor Táron seinen Plan ausgeplant und ihnen vorgeplant und sie eingeplant hatte – so viel Geplane, bah! So war Trevor in der Gärtner-Truppe gelandet, was absolut keinen tieferen Grund hatte oder zumindest vor fünf Minuten gehabt hatte, aber oh, was für ein Zufall, dass Jón ausgerechnet danach fragte! Wenn Trevor für eins Talent hatte (er hatte eigentlich sehr viele, aber eine beträchtliche Zahl davon basierten auf eben diesem) dann war es, allerlei plausible Ideen zu kreieren. Nein, zu deduzieren, das war ein echtes Wort, Greg hatte es letzte Woche in einem Buch entziffert.
„Erstens“, holte Trevor aus, obwohl er noch gar keine zweite Theorie hatte und es vermutlich auch keine gute Idee war, eine zweite Aufzählung anzufangen, obwohl er die Schneller-vs-langsamer-Gegenüberstellung gedanklich noch nicht beendet hatte, aber hey, er konnte sich darauf verlassen, dass sein Hirn schon zu ihm aufholte, oder? Wo war er noch mal gewesen? Ach ja. Sie liefen über den dunkeln Kai und hielten auf eine der stockdusteren Straßen zu –
„Erstens: Es ist dunkel und sie haben sich verlaufen. Passiert den besten, wenn man nämlich nicht vorbereitet ist und keine Fackel – oh! Gleich wieder da.”
Zum Glück war die Sphinx noch gut ausgeleuchtet und Trevor rempelte nur zwei Leute und einen unbeteiligten Gegenstand an, als er zurück an Deck hopste, eine Fackel fand und sich wieder auf den Rückweg machte.
„Zweitens –” Er war nicht mal außer Atem, als er die anderen wiederfand. „es ist dunkel, sie haben sich verirrt und – wo gehen wir noch mal hin? Oh, Gärten – sie, äh, haben Hunger bekommen und fragwürdige Kräuter gegessen! Das ist mir mal passiert, Greg sagt – oh!”
Als er diesmal wiederkam, hatte er die Weste an, die sich in Silvestre in seinen Besitz geschlichen hatte, darüber quer über den Oberkörper den zweiten Gürtel, den er sich in Milui zu- aber aus diversen Gründen nie angelegt hatte und daran und an seinem eigentlichen Hüftgürtel ein buntes Sammelsurium aus kleinen, hauptsächlich leeren Beuteln und Säckchen. Nebst seiner Waffen natürlich. Er hatte außerdem einen Kratzer über der linken Augenbraue und seine Nase wirkte noch ein kleines bisschen schiefer als sonst, aber hey, es war dunkel, fiel gar nicht auf, oder?
„– Greg sagt, man muss jede Möglichkeit zum Heilkräuter sammeln nutzen”, schloss er nahtlos an, obwohl er diesmal minimal länger weg gewesen war und Josi und Jón bestimmt ihr eigenes tiefgreifendes Gespräch geführt hatten, „auf dem Meer wachsen die nämlich nicht. Aber hier haben die einen richtigen echten Park mit Blumen und Häuschen für die Blumen und Gärtnern, was so was ist wie das Blumenhäuschen-Äquivalent zu Butlern in Menschen-Villen, glaube ich, bloß mit Schaufeln statt – oh!”
Eine dank fehlender Uhren und fehlender Sonne nicht näher spezifizierbare Zeit später tauchte ein wild herumfuchtelnder Schatten aus, na ja, den Schatten auf. Er entpuppte sich als Trevor, der in einen Schattenkampf mit einem Spaten verwickelt war. Nur das eben alles Schatten war. Außer dem Spaten, der war echt. Und Josiah leider auch.
„‘tschuldigung, Josi”, sagte Trevor ohne die geringste Spur von Reue, dafür aber mit einer Euphorie, die verriet, dass er eine weitere grandiose Idee gehabt hatte. „Drittens – oder viertens? – keine Ahnung, sagen wir viertens, je mehr Ideen, desto besser, also viertens: es ist dunkel, sie haben sich verlaufen, fragwürdige Kräuter gegessen und dann – dann sind sie in ein Loch gefallen! Das Loch hat ein Gärtner gebuddelt – nein, warte, das war Idee Nummer drei, vier ist, hm – oh, ein Troll! Und er ist mit ihnen im Loch, weil wer anderen eine Grube gräbt und so weiter, und jetzt müssen sie ihn bequatschen, bis die Sonne wieder aufgeht und er zu Stein wird! Hey, das ist gar nicht so weit hergeholt, immerhin hab ich auch einen echten, lebendigen Zehenfresser gefunden! – Oh, apropos.”
Und inzwischen ist vermutlich klar, warum ihre Gruppe gleichzeitig sehr viel schneller, aber auch sehr viel langsamer war. Als Trevor zum dritten (oder vierten? Fünften? Zählt überhaupt irgendwer mit?) Mal das Schiff verließ, hielt er ein mittelgroßes Gurkenglas in beiden Händen. Was hieß, dass er Spaten und unangezündete Fackel in einer Weise am Gürtel auf seinem Rücken befestigt haben musste, die einen spektakulär hell erleuchteten Unfall garantierte, sollte er sich zufällig rückwärts einer offenen Flamme nähern. Er bewegte sich also tatsächlich irgendwie … vorsichtig? Nein, nein, das war das falsche Wort, er hatte bloß Shanaya neben Zairym am Kai entdeckt und sein Kopf war voller Trolle, nein, einem Troll und er hatte drei Herzschläge, bevor Lucien hinter ihm auftauchen würde, also presste er sein Gurkenglas dichter an die Brust und sagte:
„Pass auf dich auf, Shanaya.”
Und er fügte nicht an: „Es ist ein Troll in der Stadt, aber keine Sorge, mein Zehenfresser macht ihn kampfunfähig!” Den Part hob er sich für Josiah und Jón auf, als er wieder zu ihnen aufgeschlossen hatte. „Der frisst nämlich seine Zehen – steckt im Namen, clever, oder? – und dann fällt er auf die Nase, BÄM! Also, der Troll, nicht mein Zehenfresser. Und dann buddeln wir ihn mit meinem Spaten zu! Nachdem wir Talin und Skadi und Soula gerettet haben, natürlich.”
Beinahe hätte er den Sturz wie üblich theatralisch veranschaulicht, fing sich (und das Glas und den Spaten und die Fackel und den dubiosen Inhalt von mindestens zwei der Säckchen) aber im letzten Moment ab. Knochen und Chitin klapperten von innen gegen das Glas. Ein etwa mausgroßer Schatten rappelte sich auf und klackerte erbost mit den zangenartigen Mandibeln.
[Erst bei Josiah & Jón auf dem Weg zu den Gärten | dann beim Schiff | dann wieder beim J-Duo | dann beim Schiff | dann bei Josi & Jóni | dann bei Schiff, glaub ich, ich hab die Übersicht verloren | kurz bei Shanaya, aber nicht Lucien sagen, okay? | schließlich wieder bei J & J | wenn jemand fragt, das hat alles fünf Minuten gedauert oder so]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Lucien Dravean - 08.05.2024
Mit einem wütenden Ruck und einem deftigen Fluch riss Lucien die Laterne aus ihrer Halterung am Stützbalken, wo sie sich ausgerechnet jetzt hatte verkeilen müssen. Er hatte keinen Nerv dafür, sie ordentlich vom Haken zu lösen und verschwendete auch keinen Gedanken an den nun verbogenen Eisenring oben am Lampengehäuse. Fahrige Ungeduld und gereizte Frustration prickelten unter seiner Haut wie ein Schwarm Ameisen und er hätte beim besten Willen nicht sagen können, wie er es geschafft hatte, Shanaya am Losmarschieren zu hindern, während Tarón auch ihn nur mit Müh und Not davon hatte abhalten können, alleine loszuziehen und nach Talin zu suchen.
Irgendwann, wenn seine Schwester wohlbehalten zurück auf der Sphinx war, würde er seinem Quartiermeister vielleicht dankbar sein. Doch im Augenblick brodelte nur unkontrollierte Wut in seinen Adern über jede verschwendete Minute, die er nicht mit der Suche nach ihr verbrachte.
Wenn es nach dem jungen Captain ging, wäre er schon seit dem Morgengrauen – oder wie auch immer man diese Tageszeit in völliger Dunkelheit auch nannte – dabei, die Stadt nach ihr zu durchkemmen. Er war gar nicht auf die Idee gekommen, die Crew zusammenzutrommeln und um Hilfe zu bitten. Für ihn ging es um Talin – einzig um Talin. Und damit war es etwas Persönliches. Der Gedanke, jemand anderen mit in diese Sache hineinzuziehen, war ihm so völlig fremd wie der Himmel dem Fisch. Wenn es um Talin ging, gab es keine Mannschaft. Keine Freundschaft. Nur sie und ihn.
Er hätte nicht einmal Shanaya mitgenommen, bestünde nicht die reelle Möglichkeit, dass ihr Bruder irgendetwas mit dieser Sache zu tun hatte. Er hätte ihr auch gar nicht davon erzählt, dass er Bláyron begegnet war, wäre Talin nicht verschwunden. Jetzt blieb ihm keine andere Wahl, als sie mitzunehmen und ein Auge auf sie zu haben, um zu verhindern, dass sie sich mit irgendeiner einzelgängerischen Aktion ebenfalls in Gefahr brachte. Also genau das, was er zu tun im Begriff gewesen war, bevor Tarón ihn mit dem Argument zurückhielt, dass eine zwanzigköpfige Mannschaft deutlich effektiver bei dieser Suche sein würde als ein einzelner Mann.
Dieser Tatsache konnte Lucien sich nicht erwehren, so sehr er es auch versuchte. Also ließ er den Quartiermeister mit knirschenden Zähnen den Rest der Mannschaft zusammentrommeln, während er Shanaya von der Begegnung mit ihrem Bruder erzählte. Seitdem stand sie unten am Kai – von nicht mehr zurückgehalten, als seinem Befehl – und er quälte sich durch die Planung einer Suchaktion, von der er überzeugt war, dass sie einzig und allein die seine sein sollte.
Und auch wenn Tarón die Besprechung kurz, knapp und bündig hielt, dauerte es ihm einfach zu lange. Viel zu lange. Seine Gedanken schweiften immer wieder zu Talin, zu den letzten Worten, die sie miteinander gewechselt hatten, bevor sie mit Soula und Skadi aufgebrochen war. Die Kälte in ihrer Stimme. Die Verbitterung in der seinen. Die darauf folgenden drei Tage lang hatte er sich nachts in bohrender Unruhe herumgewälzt, bis diese Unruhe mit fortschreitender Stunde in nervöse Sorge umschlug. Wie hatte er auch so unglaublich dumm, verbohrt und frustriert sein können?
Mühsam verdrängte er diese Gedanken, versuchte, sich auf diese verdammte Suche zu konzentrieren. Als er an Deck trat und mit langen Schritten zur Planke lief, warf er einen kurzen Blick über die Reling und stellte mit einem Hauch Erleichterung fest, dass Shanaya noch genau dort stand, wo er sie zurückgelassen hatte. Darüber hinaus hatte sich eine zweite Gestalt zu ihr gesellt, die er einen Moment später als Zairym identifizierte.
Luciens Züge verfinsterten sich kurz, aber er würde jetzt sicher nicht umdrehen und noch eine verdammte Laterne holen. Blieb zu hoffen, dass der Söldner selbst daran gedacht hatte. Und wenn nicht, hatte eben einer von ihnen beide Hände frei, was soll’s.
Er marschierte die Gangway hinunter, bemerkte gerade noch Trevors davon hüpfende Gestalt, ehe er selbst zu Shanaya und Zairym trat und dem wandelnden Chaos mit einem Stirnrunzeln hinterher sah. Ein kleiner, garstiger Teil in ihm wollte schon anmerken, dass sie mit diesem Spinner im Gepäck wahrscheinlich überhaupt niemanden je fanden. Doch eine zynische Stimme in seinem Kopf erinnerte ihn an das unverschämte Glück, das Trevor zu folgen schien, wohin er auch ging. Und dieses Glück könnte ihnen heute noch wertvolle Dienste erweisen.
Mit einem wortlosen Kopfschütteln wandte der junge Captain sich ab, drückte Rym ohne hinzusehen die Laterne gegen die Brust, sodass er unweigerlich danach greifen musste, und nickte dann in Richtung Hafenviertel.
„Lasst uns gehen, ehe wir hier festwachsen“,
knurrte er, ohne mit einem Wort in Frage zu stellen, dass der Söldner sie begleitete. Wenn sie schon in kleinen Grüppchen losziehen mussten, dann lieber er, als irgendein hilfloser Trottel, der kaum wusste, in welche Richtung die Mündung einer Pistole zeigen musste.
Dann schob er sich an den beiden vorbei und lief los, ohne sich umzusehen.
[Hafen von Gishleen | erst auf der Sphinx, dann am Kai | bei Shanaya & Zairym]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Talin Dravean - 08.05.2024
Ein leises Stöhnen entfuhr ihr, als sie langsam zu sich kam. Ihr Kopf sagte ihr, sie sollte die Augen aufschlagen und so schnell wie möglich von hier fliehen – auch wenn diese Nachricht durch eine sehr weiche, weite Wattewolke zu kommen schien. Ihre Augen allerdings öffneten sich nur sehr langsam, schienen förmlich aneinanderzukleben, während sie gleichzeitig versuchte, sich daran zu erinnern, was genau passiert war. Bruchstücke tauchten aus dem Dunst auf, verschwanden aber auch genau so schnell wieder. Sie hatte versucht zu fliehen, sie hatte geträumt ... ein kleiner Schauer lief ihr über den Rücken und sie schlug gänzlich die Augen auf, starrte an eine ihr unbekannte Decke und versuchte krampfhaft nicht zu weinen. Lucien, wie sein Kopf in den bereitgestellten Korb unter der Guillotine fiel. Ihr wurde schlecht.
Talin wusste nicht wie, aber sie schaffte es, sich schneller zur Seite zu drehen, als sie für möglich gehalten hatte, und übergab sich. Mehr als Galle konnte sie nicht hochwürgen, da sie nicht besonders viel im Magen zu haben schien. Aber allein das Würgen reichte aus, um ihren Körper noch ein wenig mehr zu schwächen. Wie großartig. Jetzt fühlte sie sich nicht nur in ihrem Inneren müde und taub, sondern auch ihr Körper schien sich nur noch zusammenrollen zu wollen und nie wieder aufzustehen. Aber nachdem die Bilder ihres Traumes vor ihrem inneren Auge immer wieder abgespult wurde, wagte sie es nicht, die blaugrünen Iriden zu schließen. Vermutlich würde sie nie wieder schlafen können, wenn sie diese Bilder nicht vergaß.
Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Eine Stimme, die ihren Namen sagte. Die Blonde richtete sich ein wenig weiter auf und sah sich um. Gerade als sie langsam die Beine über die Bettkante schob, entdeckte sie Soula. Ein leises Gefühl der Erleichterung durchfuhr sie, gemischt mit einem Hauch Schuld. Hätte sie nicht vorgeschlagen, sie sollten Soula mit einem Raubzug von ihren Gedanken ablenken, wäre die Dunkelhaarige jetzt vielleicht nicht in dieser Situation. Sie schluckte, bereute es aber sofort wieder, bevor sie sich räusperte und jegliches weitere Würgen unterdrückte.
„Ja, ich bin hier.“
Was ja nicht zu übersehen war. Innerlich verdrehte sie die Augen, versuchte sich dann aber lieber auf die Aufgabe zu konzentrieren, sich aufzurichten. Es fiel ihr schwer, aber nach und nach schien ein wenig Kraft in ihren Körper zurück zu kehren. Sie stand auf und schlurfte langsam, aber stetig in die Mitte des Raumes, um ihn einmal in Augenschein zu nehmen. Viel brachte es ihr nicht.
„Sie haben uns auf jeden Fall nicht genug zu essen gegeben, sonst würden wir uns sicher nicht so schwach fühlen. Ist immerhin auch eine Art jemanden zu töten.“
Wieder räusperte sie sich, vorbei an dem trockenen Gefühl und dem ekligen Geschmack in der Kehle.
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was wer auch immer getan hat und warum wir noch leben. Aber über letzteres bin ich froh“, sie rieb sich über die Schläfen, bevor sie Soula wieder ansah, „An was erinnerst du dich?“
[Irgendwo | mit Soula]
RE: Kapitel 10 - Feuerschein und Finsternis - Aric Rackham - 09.05.2024
Langsam lichtete sich die Dunkelheit und das Bewusstsein kehrte zurück. Aric ließ die Augen weiterhin geschlossen und konzentrierte sich ganz bewusst auf die Empfindungen, welche er gerade wahrnahm. Sein Körper lag seit Wochen endlich einmal wieder auf einer weichen, nachgebenden Matratze. Es duftete nach Rosen und der Geruch des Meeres war nur als Hintergrundwahrnehmung anwesend. Es war himmlisch. Nicht, dass er die letzten Wochen nicht genossen hatte, aber einige Annehmlichkeiten des Festlandes hatte er durchaus vermisst. Mit einem wohligen Seufzen schlug er die blauen Augen auf und ließ seinen Blick auf den blonden Haarschopf sinken, welcher sich an seine Brust schmiegte. Nun, dies gehörte definitiv zu den fehlenden Annehmlichkeiten an Bord. Eine leichte Decke zog sich über die Körper der beiden und ließ nur den Kopf der jungen Dame daraus hervorschauen, während Aric´s halber nackter Oberkörper frei lag. Glücklicherweise hatte seine Gesellschaft einen sehr arbeitswütigen Ehemann, welcher für einige Wochen vereist war und somit ein kaltes Bett gehabt. Dagegen hatte der Wahrsager etwas Helfendes gefunden und nun konnten sie sich quasi gegenseitig ergänzen. Natürlich blieb Aric trotzdem weitestgehend diskret und benutze nie die Eingangstür. Es gab zwar nicht sonderlich viele Angestellten, doch soweit er es beurteilen konnte, gehörte die Familie zu einer der reicheren Bauernfamilien. Sie besaßen nicht nur Land, sondern auch ein stattliches Haus in den Außenbezirken am Rande der Stadt. Sehr praktisch alles. Mit einem weiteren leisen Seufzer zog der Braunhaarige sich langsam unter dem Körper der Frau heraus. Versuchte dabei, sie nicht zu wecken und ersetzte sich selbst durch ein Kissen. Dann zog er die leicht heruntergerutschte Decke wieder an ihren Platz und suchte seine Sachen zusammen. Fast lautlos bekleidete er sich wieder, hinterließ eine kurze Nachricht und machte sich dann auf den Weg aus dem Fenster. Geschickt nutzte er die Balken des Holzhauses, um aus dem ersten Stock wieder auf der Straße anzukommen. Seine ersten Versuche einige Tage zuvor sahen deutliche unbeholfener aus, doch mittlerweile kannte er die Balken recht gut und wusste den besten Weg hoch und runter. Aric hatte den leichten Verdacht, dass die junge Frau diese Art des Bettwärmens nicht das erste Mal praktizierte. Aber umso besser für ihn. Während er nun durch die Straßen schlenderte und darüber nachdachte, was er als nächstes tun sollte, wanderten seine Gedanken zurück zu der Sphinx. Mit jedem vergangenen Tag stieg auch die Angst um die drei verschwundenen Frauen. Man könnte dem Wahrsager vorwerfen, dass dies bei ihm nicht der Fall war. Immerhin hatte er nun schon den dritten Tag in Folge das Schiff über Nacht vermieden. Doch auch er machte sich Sorgen, auch wenn er die Drei weniger gut kannte als die gesamte restliche Crew. Im Gegensatz zu den meisten anderen Piraten lagen seine Talente jedoch nicht im Kampf. Er war ein Beobachter. Also lief er weiter ziellos durch die Häuserreihen und versuchte so viele Informationen zu erhaschen, wie sich ihm boten. Vielleicht keine wirklich geplante Aktion und auch sehr unkoordiniert, doch er war zu lange auf sich allein gestellt gewesen, um nun daran zu denken, dass sich Absprachen durchaus auch lohnen könnten. Der Blick der blauen Augen fiel auf einen kleinen Verkaufsstand und als er so das viele Obst darauf sah, fing sein Magen an zu rebellieren. Tatsächlich hatte er schon einige Zeit keine Mahlzeit zu sich genommen. Doch er bezweifelte, dass ein wenig Obst ihn lange satt halten würde. Trotzdem wechselten zwei Äpfel den Besitzer und während der eine direkt in die Tasche des Wahrsagers wanderte, landete der zweite im Mund desselben. Genüsslich kauend wanderte der Braunhaarige weiter umher. Vielleicht sollte er sich einfach ein schönes Plätzchen suchen und dort seine Wahrsagerei anbieten. In der Regel konnten dabei durchaus auch gute Informationen an ihn gelangen. Es wurde immer geredet, man musste nur die richtigen Gespräche aufschnappen. Normalerweise war der junge Mann darin recht gut, doch irgendwie fühlte er sich ruhelos. Sein Körper wollte sich bewegen, also ließ er seine Beine einfach immer weiter laufen. Schritt für Schritt vorwärts. Ohne Ziel. Ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Dabei legte das Lichterfest eine nahezu perfekte Umgebung um ein wenig der Wahrsagerei zu frönen. Er sollte sich definitiv noch ein paar Münzen in diesen mystischen Tagen verdienen. Seine Gedanken wanderten wieder zu dem Piratenschiff. Was wohl die anderen gerade so taten?
[ allein | in den Gassen der Außenbezirke]
|