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Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Druckversion

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RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Gregory Scovell - 13.08.2017

Na, das war ja eine Glanzleistung von ihm gewesen.
Da meldet er sich um zu helfen und dann das!

Gut, die Initiative war mal wieder von Trevor ausgegangen, noch bevor richtig klar war, worum es überhaupt ging. Andererseits hatte ihm die Sphinx schon leid getan, als er sie aus der Ferne gesehen hatte, wie sie in ihrem erbärmlichen Zustand über die See gehumpelt kam.
Sofort hatte er überlegt, was er alles für sie tun könnte. Ein bisschen Schnitzen konnte er, und gut mit Nadel und Faden umgehen, gerade was Tampen verzieren oder versäubern und Segel flicken betraf. Dazu waren ihm Segelmanöver in den letzten vier Jahren in Fleisch und Blut übergegangen und die Hilfe eines erfahrenen Seemannes wurde hier mindestens so dringend benötigt wie ein Schluck Wasser von einem Verdurstenden. Was den Rest anging müssten sie schauen, wo zwei hilfreiche Hände Gutes tun könnten.
In dem Moment war es nur eine müßige Überlegung gewesen. Kurz darauf wurde allerdings klar, dass die Crew der Sphinx so klein war, dass sie das Schiff kaum steuern, geschweige denn reparieren konnten. Immerhin hatten sie gerade genug Leute um sie zu bewegen und einen Schiffszimmermann an Bord für die nötigsten Reparaturen. Sie würden also nicht untergehen, trotzdem, gut sah eindeutig anders aus.
Auf Wunsch Captain Ellhans und Trevors sofortiger Meldung hatten sie sich an Bord der Sphinx begeben um dieser Talin, mit einer immer noch drastisch unterbesetzten Crew, zu helfen ihren Bruder zu retten. Er würde also reichlich Zeit haben ihr und ihrer Besatzung unter die Arme zu greifen

Aber zurück zu seiner Glanzleistung.

Denn kurz darauf war sie passiert:
Die Sirène war kaum hinter dem Horizont verschwunden da hatte ihn das Fieber auf die Bretter geschickt.
Anfangs fühlte er sich nur ein wenig benommen und hatte die Schmerzen im Oberschenkel dem kürzlichen Entfernen einer Kugel zugeschrieben. Er hatte sich, neben den Segelmanövern, in Begleitung von Aspen das Schiff angesehen um seine Bestandsaufnahme zu vervollständigen.
Danach aber hatte er die meiste Zeit in der Hängematte verbracht und sich nur gegen Rayon durchsetzen können, wenn wirklich alle Mann gebraucht wurden. Für mehr als dieses kurzfristige Aufbegehren gegen seine Schwäche hatte es allerdings auch nicht gereicht.
Wenigstens war ihm recht schnell klar geworden, dass sich der Oberschenkeltreffer entzündet hatte und es nichts ansteckendes war. Obendrein hatte er ihn mit Rayons Hilfe öffnen und reinigen können, so dass es bald besser und er auch den beginnenden Wundbrand wieder los wurde.
Daran hatte er einmal mehr gemerkt, dass er trotz all seines Bemühen, Lernen und Trevor zusammenflicken kein ausgebildeter Arzt war und dass Wunden an sich selbst behandeln eine größere Herausforderung war, als das bei Anderen zu tun.

Und jetzt?

Jetzt war die Befreiungsaktion im vollen Gange und er hatte nichts dazu beigetragen, als sich elend zu fühlen und Pflege zu bedürfen. Er hasste sowas.
Die Nacht, in der sie nach der Liste gesucht hatten hatte er wach gelegen, sich Sorgen um Trevor gemacht und sich gefragt, wie gut sie sich wohl auf die Anderen verlassen konnten?
Kaum dass sie zurück waren und er sich um Liams Streifschuss gekümmert hatte war er wieder eingeschlafen. Daraus war dann, nach einem letzten kleinen Fieberschub heilsamer Schlaf geworden.
Wach geworden war er zwischendrin als dieser Greo einen sturzbetrunkenen Trevor in eine Hängematte in der Nähe gestopft hatte und ein paar weitere Male um sich zu erleichtern.
Und jetzt fing er, durch das RUMMS! als Rayon Trevor aus der Hängematte schmiss, langsam wieder an wachzuwerden.
Das der Dunkelhäutige ihn liegen ließ mochte daran liegen, dass sich Gregory in seiner Hängematte, die man für ihn in den hintersten Winkel gehängt hatte, damit er sich in Ruhe erholen konnte, zwar kurz regte, sich aber nicht wie auf der Sirène sofort aufsetzte und der Laut, den er von sich gab, eher einem völlig erschöpfen Protest glich. Zudem war seine Gesichtsfarbe immer noch sehr blass. Und Rayon brauchte danach all seine Aufmerksamkeit für Trevor.

Keine gute Idee, war ein erster klebriger Gedanke, der sich in seinem verschlafenen, restfiebrigen Kopf regte. Nicht dass Gregory sauer auf Rayon gewesen wäre, das nicht, aber er kannte Trevor in diesem Zustand nur zu gut. Wenn der betrunken unterwegs war, dann brauchten sie ihn.
Nur halb bekam Gregory Trevors Theater mit. Es reicht gerade aus, um ihn endgültig wach werden zu lassen, als Rayon die Stiege erklomm und damit Trevor an Deck folgte.
Verwirrt lauschte er in die Dunkelheit des Schiffes. War nicht gerade eben noch jemand hier gewesen? Und wo torkelte sein betrunkener Bruder jetzt herum? Er musste hinterher! Mühsam kämpfte er gegen die Schwere seines Körpers und die sich sträubende Hängematte an.
Während er sich also bemühte ebenfalls aufzustehen versuchte Gregory sich ein Bild der derzeitigen Situation zu machen.
Da kein Licht entzündet war mussten sie sich wohl noch immer bedeckt halten, die ruhige, beständige Bewegung des Schiffes legte nahe, dass sie nach wie vor folgten und beobachteten.
Das Auslaufen hatte er also verpasst und auch den Großteil der Verfolgung.
Irgendwie waren seine Füße inzwischen auf dem Deck gelandet und sein Körper in der Senkrechten, während sich alles um ihn drehte. So schnell hätte er wohl doch nicht aufstehen sollen...
Hatten sie die Anderen schon gerettet? Oder weit schlimmer: War die ganze Aktion so gründlich schief gegangen, dass sie gar nicht mehr zu Hilfe eilen brauchten? War es deswegen so still? Hatte Trevor deswegen so viel getrunken? Weil sie irgendwo trieben oder Rayon das Schiff wieder Richtung Sirène steuerte und alle Trübsal bliesen? Und was bedeutete dieses leise Klingen? Waren das Glocken? Aber so leise?

KABOOM!!!

Sofort richtete er sich auf, stemmte die Beine leicht gebeugt breit gegen das Deck, griff nach einem Balken und fing an zu zählen. Weit kam er im ersten Anlauf nicht, krampfhaft zogen sich die Muskeln in seinen Oberschenkel, ob der plötzlichen Belastung, zusammen.

Heavens!

Er klammerte sich am Balken fest und zählte weiter. Als bei 9 noch immer kein Einschlag erfolgte, war er sich sicher, dass dieser Kanonenschuss nicht ihnen gegolten hatte. Da aber auch keine zweite Entladung folgte geriet er wieder ins Grübeln. War das überhaupt ein Schuss gewesen? So ganz hatte es nicht danach geklungen. Aber was war es dann?
Irgendwie kam er in seine Stiefel und ergänzte Hemd und Hose um den bereithängenden Waffengurt. Nur für den Fall, dass das gerade doch ein Warnschuß gewesen war.
Egal, auch wenn ihm immer noch leicht schwindelig war, er musste an Deck, um mehr zu erfahren. Also stieß er sich ab.
Sein Bein war immer noch steif und die heilenden Muskeln protestierten weiterhin schmerzhaft, unter dem Verband, gegen die Belastung. Gut, dann eben langsam. Fest Entschlossen ging er weiter.
Bis hinauf an Deck erlaubte sich Gregory zu humpeln, dann, ehe er in das Sichtfeld der Anderen trat, strafte er sich. Die Muskeln fingen langsam an sich an die Belastung zu gewöhnen und die Pein wurde ertragebar. Wenn er die Zähne aufeinander presste würde es gehen.

Also los, packen wir es an!

Aufrecht, das Bein nur minimal entlastend, seine Mimik so entspannt wie möglich, wandte er sich gen Ruderstand. Da wäre bestimmt jemand, der Bescheid wusste. Nebenbei stellte er fest, dass er sich nicht entscheiden konnte, wen er momentan mehr hasste: Sich, seinen betrunkenen Bruder, oder denjenigen, der Trevor so abgefüllt hatte. Trotzdem musste er wegen der guten Laune seines Bruders schmunzeln:

„Da isses! Da is das Schiff, das vonna Marine, ich hab das Schiff gefundn!“, tönte Trevor. „Es ist – sie ham – sie ham es geboooomt! … Rayon, warum sin wir nich auf dem Schiff?!“

"Diese verdammten Vollidioten!", schimpte der Dunkelhäutige und wandte sich an Greo, Gregorys Bruder vollkommen ignorierend. "Volle Fahrt voraus. Wir müssen sie vor den beiden Schiffen der Marine erreichen, wenn wir sie da lebend rausholen wollen!

«Segel dicht!», war Greos gebellte Antwort.

Ein kurzer Blick über die See in die Richtung, wo sein Cousin über dem Geländer gehangen hatte und er fand das brennende Schiff.

"Shit!", entfuhr es ihm leise.

„Aye aye, Greo!“ kam es derweil von Trevor in überraschendem Ernst. Dann brach der aber wieder in Lachen aus ehe er sich kichernd Richtung Mittschiffs orientierete.

"Aye!" brummte auch Gregory vernehmlich und geriet dadurch wahrscheinlich wie aus dem Nichts in die Aufmerksamkeit der Drei am Ruder, nickte ihnen zu und folgte Trevor. Bei allen acht Winden!, auch das würde ganz schön heikel werden mit seinem Bein. Nicht, dass Gregory sich in seinem Zustand Segel setzen, einholen und in die richtige Position bringen nicht zugetraut hätte, immerhin konnte er sich, sollte es in die Wanten gehen, zusätzlich auf die volle Kraft seiner Arme verlassen. Aber nebenbei auf Trevor zu achten und dem immer noch leicht vorhandenen Schwindel unter Kontrolle behalten...
Wenn sie allerdings Talin und den Anderen auf der Morgenwind helfen wollten, dann musste er sich mit in die Arbeit stürzen. Ihnen blieb keine Wahl.

Nur:
Hoffentlich kam Rayon jetzt nicht auf die Idee mit ihm diskutieren zu wollen!


{ Hauptdeck der Sphinx | in Sicht- und Hörweite | folgt Trevor | bei Greo, Rayon und Ryan }



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Lucien Dravean - 15.08.2017

Die Erschütterung im gewaltigen Rumpf der Morgenwind riss auch Lucien von den Beinen. Er taumelte im ersten Moment, kämpfte noch um sein Gleichgewicht, bevor er – erneut – unfreiwillige Bekanntschaft mit dem Neunpfünder von gestern machte. Laute, panische Rufe drangen dumpf durch die geschlossene Tür der Kajüte. Befehle wurden gebrüllt, die er in dem Chaos kaum verstehen konnte. Dann erzitterte die Fregatte unter ihrem eigenen Hauptmast, der sich – aus seiner Verankerung im Rumpf gesprengt – langsam bedrohlich Richtung Achterdeck neigte.
Lucien schüttelte die Benommenheit ab, die die Explosion hinterlassen hatte und suchte fast sofort danach den Raum nach seiner Schwester ab. Zu aller erst, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Wohl aber auch mit der stummen Frage nach der Ursache für die Erschütterung. Talin kniete neben ihrer Begleiterin, die offenbar einen der losen Gegenstände abbekommen hatte. Dann erinnerte er sich an die im ersten Augenblick so nebensächlichen Worte der Dunkelhaarigen. Jemand auf ihrem Schiff bekäme ein Zeichen. Erst da fiel bei ihm der Groschen. Sollte das etwa das Zeichen gewesen sein? Sie sprengten das verdammte Schiff?

Doch Zeit für irgendwelche Kommentare blieb ihm ohnehin nicht. Die Morgenwind neigte sich bereits bedrohlich. Das Loch in ihrem Bauch musste riesig sein. Unmengen an Wasser zogen den Dreimaster bereits in die Tiefe. Der Sprung aus dem Gunport würde jetzt jedenfalls nicht mehr so tief ausfallen, wie noch vor ein paar Minuten. Talin hatte Recht. Keine Zeit zu verlieren. Lucien hatte jedenfalls nicht vor, zusammen mit diesem elenden Kutter abzusaufen. So eng fühlte er sich diesem Schiff dann auch nicht verbunden.
Mühsam kam er wieder auf die Beine. Seine Schwester und die kleine Schwarzhaarige waren die ersten, die sprangen. Der Lockenkopf, der zu ihnen gehörte, setzte ihnen ohne zu zögern nach. Der Attentäter schloss sich an und für einen wahnwitzigen Moment lächelte der 21-Jährige grimmig.
Heute morgen noch hatte er sich mit der Tatsache fast angefreundet, im Gefängnis drauf zu gehen und seine Schwester, den Himmel, die Welt nie wieder zu sehen. Und jetzt, keine 24 Stunden später, stand er in der Kajüte des Leutnants, seine Schwester wartete bereits da draußen, sie hatten ein Schiff gesprengt, und einer der gefürchtetsten Auftragsmörder der Ersten Welt stand in seiner Schuld. Und es trennten ihn keine zwei Schritte von der Freiheit, auf die er fast drei Jahre gewartet hatte. Seltsamerweise schien alles, was heute passiert war, auf diesen Moment hinaus gelaufen zu sein. Die Tatsache, dass man ihn separat zur Morgenwind brachte. Sein Gespräch mit dem Leutnant. Diese eine volle Mahlzeit. Selbst die Männer, mit denen er sich die Zelle geteilt hatte. Alles führte bis zu diesem Punkt.
Dennoch machte er keine Anstalten, endlich aus dem Gunport zu springen. Statt dessen huschte sein Blick zur Tür zurück, durch die zuletzt nur Talins Begleiter und der Gefangene gekommen waren. Letzteren hatte er bei seinem Eintreffen kurz, aber intensiv gemustert. Konnte sich jedoch nicht erinnern, ihn in Rawats näherem Umfeld gesehen zu haben und überließ deshalb auch seiner Schwester die Entscheidung. Immerhin war das hier ihre Befreiungsaktion – ob es nun um ihn ging, oder nicht.
Doch wo blieb der Leutnant und ihr bärtiger Freund? Der Sergeant, der sich auf ihre Seite geschlagen hatte? Denn auch Lucien hatte noch eine Schuld zu begleichen.

Die Morgenwind ächzte vernehmlich, neigte sich immer deutlicher und die Truhe, die die Schwarzhaarige zuvor in ihre Richtung geschubst hatte, rutschte über die Planken, weg von ihm, in eine Ecke des Raumes.
Er konnte nicht länger warten.
Mit einem leise frustrierten Laut riss der Dunkelhaarige sich los, streifte für einen Moment den Fremden, der ihnen bis hier her gefolgt war und wandte sich dann dem Gunport zu.

Sieh zu, dass du dran bleibst. Sonst haut deine Mitfahrgelegenheit ohne dich ab.
Er sah nicht noch einmal zurück, sondern schob den Oberkörper durch die schmale Öffnung und stieß sich ab.

Der Fall fühlte sich länger an, als er ausgesehen hatte. Dann tauchte er plötzlich und unvermittelt in die kalten Fluten und die Wellen schlugen über seinem Kopf zusammen, schluckten ihn zur Gänze. Salzwasser fraß sich in die frischen Wunden, in das aufgeschürfte Fleisch an seinen Handgelenken, doch der Schmerz verging fast so schnell, wie er gekommen war.
Mit einem kurzen Zug seiner Arme zog Lucien sich über die Wasseroberfläche, schüttelte sich kurz die langen Haarsträhnen aus dem Gesicht und hielt sich schwimmend an der Luft. Lange würden seine kaum noch vorhandenen Muskeln ihn jedoch nicht oben halten. Er brauchte also dringend ein Stück Holz (die Truhe war ihm ja kurz vorher davon gerutscht). Und das war auch nicht sein einziges Problem. Denn Schwimmhilfe oder nicht – als nächstes würde er vermutlich erfrieren.

Am Ende verreck' ich also doch an der Lungenentzündung...“, knurrte er einzig und allein zu sich selbst und zog sich mit ein paar kraulenden Schwimmzügen zu einer großen, an beiden Enden abgesplitterten Planke, die kaum zwei Meter von ihm entfernt auf den Wellen schaukelte. Er zog sie unter seinen Oberkörper, hielt sie mit beiden Armen fest, sodass nur noch Unterbauch, Hüfte und Beine im Wasser lagen und er letzteres nutzen konnte, um sich vorwärts zu bewegen.
Dann hob er den Blick zu dem gewaltigen Schiff, das sich behäbig neigte. Oben an Deck rannten noch immer Männer herum. Die Beiboote wurden zu Wasser gelassen, doch viele sprangen einfach so. Überhaupt hatten sie es alle ziemlich eilig und als Lucien das rote Glühen im Rumpf der Morgenwind bemerkte, ahnte er auch, warum. Sie hatte Feuer gefangen.
Der junge Mann wandte sich ab.

TALIN?!

[Im Wasser | in der Nähe von Yaris, Liam, Talin & Shanaya; aber außer Sicht]



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Enrique de Guzmán - 19.08.2017

Feuerschein erhellte flackernd das Meer um das Schiff. Einen Moment lang hatte Enrique das Gefühl in der Schwärze zu schweben, über sich, am Himmel, ein geborstenes, brennendes Wrack, um das sich kleinere Funken und dunkle Bruchstücke verteilten, dazwischen, seltsamen Vögeln gleich, Menschen, die Spuren über dieses unbekannte Firmament zogen, während die Flammen und ein gleichgültiger, ferner Mond ihr Licht wie düstere, kalte Sonnenstrahlen in die Tiefe schickten.

Dann stürzte ein Trümmerstück aus dem Himmelszelt, ließ das Bild zersplittern, raste direkt neben ihm vorbei in die Tiefe und brachte ihn in die Realität zurück:
Schwer zog der Säbel an seiner Hand. Eigentlich müsste er ihn loswerden, musste nach oben, musste Kaladar wiederfinden, der ihm beim eintauchen aus dem Arm gerissen worden war.
Doch statt die Hand einfach zu öffnen schob er die Klinge umständlich in ihr Futteral zurück während er sich umsah, denn auch die Waffe gehörte zu den wenigen Dingen, die für ihn jetzt noch eine Persönliche Bedeutung hatten.
Dieses Mal hatte er Glück und fand Skadi schnell. Seine Augen hefteten sich an den Sergeanten und mit ein paar kräftigen Stößen war er bei ihm, um ihn mit hinauf an die Oberfläche zu ziehen.
Einen Moment später tauchten Sie auf und die befremdliche Stille zerriss. Schreie mischten sich mit Skadis Husten, Krachen von Holz, den Hilferufe verzweifelter und mit dem Klatschen der See, die aufgewühlt wurde oder sich an den Trümmern brach. Gierig sogen er Luft in die Lungen und wuchtete mühsam den Sergeanten auf eine Planke.

Weg vom Schiff. Das war sein erster Gedanke, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. Doch Viele versuchten verzweifelt die sinkende Morgenwind zu erreichen, in dem Irrglauben, sie böte immer noch Schutz und Rettung. Statt dessen würde sie sie mit in die Tiefe reißen, hinab in ein nasses Grab.
Und eigentlich hätte es ihm egal sein können. Er hatte sie alle verraten, sie dem Untergang geweiht. Er gehörte jetzt nicht mehr zu ihnen, war ein Paria.
Aber da war noch immer jener Teil, der trotz allem seine Leute nicht im Stich lassen wollte, der sich der sterbenden Morgenwind verpflichtet fühlte, denn auch wenn Harper offiziell ihr Kapitän gewesen war, sie war nie sein Schiff gewesen. Harper hatte sie auf den Abgrund zugesteuert und zerrüttet, während Enrique mit aller Macht versucht hatte sie zusammenzuhalten.
Über zwei Jahre seines Lebens hatte er ihr geopfert, hatte sich bemüht jeden auf ihr kennenzulernen, um sie führen zu können und Spannungen zu beseitigen. Keiner dieser Menschen war für ihn ein Unbekannter.

"WEG! WEG VOM SCHIFF! SIE ZIEHT EUCH MIT RUNTER!!!", brüllte er hinüber, sich kurz auf dem Balken aus dem Wasser herausstemmend, um besser sicht- und hörbar zu sein. "WEG DA!", fügte er mit ausholender Armbewegung an, als sie zu ihm herüber sahen, dann ließ er sich zurück ins Wasser gleiten. Einen Augenblick beobachtete er wie einige sich mehr auf das Wrack zogen, andere fragend herüber sahen oder sich widerwillig von ihr lösten.

"WEG DA! BRINGT EUCH IN SICHERHEIT!!!"

Die Meisten schienen verwirrt, dann schreckte einer zusammen, erkannt die Gefahr. Kurz darauf fing er an auf die Anderen einzureden, sie fortzuschicken. Enrique wusste, mehr konnte er nicht tun. Wer jetzt nicht gehen wollte, den brachte keine Macht aller sieben Welten dazu, bis es zu spät war.

Er wandte sich ab und konzentrierte sich darauf möglichst schnell Abstand zu gewinnen.
Was sollte er jetzt tun?
Eine Möglichkeit wäre sich mit der Mannschaft von den anderen Schiffen retten zu lassen, sich so gut es ging, herauszureden und die Entscheidung der Admiralität zu überlassen.
Der Blick des Leutnants blieb an Kaladar hängen. Er wusste nicht genau, ob der Sergeant wirklich Harper auf dem Gewissen hatte, geschweige denn wenn, warum oder was an Deck passiert war.
Sollte er ihn diesem Risiko aussetzen?
Alternativ könnte er versuchen die Anderen wiederzufinden und sich ihnen anschließen. Was aber würde Kaladar dazu sagen? Und würde Dravean das Angebot auch auf ihn ausweiten?
Falls nicht, bliebe immer noch die letzte Möglichkeit: Irgendwo rechts von ihnen war Land, zwar weit entfernt, aber es wäre nicht gänzlich unmöglich es auf eigene Faust zu erreichen.
Fest stand, wie auch immer er sich entschied, ohne seinen Begleiter würde er nirgendwo hin gehen.

Eine Weile lang bewegten er sie beide einfach nur von der sinkenden Morgenwind fort unfähig sich zu entscheiden.
Seine Gedanken durchwanderten noch einmal die Geschehnisse. Wieder kam die Erinnerung an Harper hoch und dann die an seinen getreuen Kettenhund.

"¡Maldita sea!", knurrte er leise.

Er hätte darauf achten sollen, wo und wie er den ersten Offizier getroffen hatte. Dann wüsste er jetzt, ob der noch lebte, denn falls ja, dann würde der Hauptmann und Ravenport wiedersinniger Weise versuchen ihn zu retten. Und falls er dann tatsächlich überleben würde, dann würde sein Wort mehr wiegen als das von Enrique. Käme dann noch die Aussage des Hauptmannes dazu, dann würde er ohne Zweifel hängen. Eine Option, auf die er liebend gerne verzichten würde.
Damit blieben nur noch die anderen Beiden. Und mit Lucien gehen bot eindeutig die höheren Überlebenschancen. Hatte diese Talin nicht irgendwas von einem Schiff gesagt? Sie hätten diese Aktion definitiv nicht durchgezogen ohne eine Hintertür.
Wenn er sich ihnen tatsächlich anschloss, dann gäbe es allerdings auch keinen Weg zurück.

So sehr ihn das auch fuchste, einen Grund gab es zu feiern: Harper war tot und er noch am Leben!
Grimmige Befriedigung brach sich Bahn und ließ Enrique auflachen.
Kaladar rührte sich. Anscheinend hatte ihn dieses seltene Geräusche aufgeschreckt. Denn wann hatte der Dunkelhäutige das letzte Mal gelacht? Er wusste es nicht mehr.

"¡Hola compañero! Wieder unter den Lebenden? Wie geht es dir?"

Kurz tauchte er unter ihrem "Rettungsboot" hindurch auf die andere Seite, damit Kaladar nur den Kopf heben bräuchte um ihn anzusehen. Vorsichtig legte er ihm die Hand auf die Schulter.

"Und jetzt? Was tun wir jetzt? Falls du diesem ehlenden Fettsack von Kapitän dahin geschickt hast wo er hingehört, dann können wir Beide nicht hier bleiben. Dravean hat mir angeboten mit ihm zu gehen. Was hältst du davon? Ist's einen Versuch wert oder willst du hier bleiben?"

Abwartend steuerte er sie weiterhin vom Schiff fort. Was würde wohl als Nächstes passieren?


{ Im Wasser | bei Skadi }



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Talin Dravean - 20.08.2017

Mit einem besorgtem Blick blieben die blau-grünen Augen an der Kopfwunde der Schwarzhaarigen hängen. Kurz überschlug Talin in Gedanken, welche Möglichkeiten sie hätten, wenn sie nicht ins Wasser sprangen. Das Ergebnis war denkbar einfach und ernüchternd: Gar keine. Ihnen blieb nur der eine Weg und sie würde ihr bestes tun müssen, damit Shanaya ihr nicht verreckte. Ihr Blick glitt noch einmal durch den Raum, blieb an Lucien hängen und sie musterte ihn kurz. Er würde es erst einmal ohne sie schaffen. Also konnte sie sich auf das Überleben des Mädchens konzentrieren. Das – trotz der Kopfwunde! - natürlich nicht um einen schlauen Kommentar verlegen war.
Talin schnaubte nur als Kommentar, während sie Shanaya aufhalf und dabei auf jedes Zittern und Schwanken achtete. Wenn sie den Zustand der schwarzhaarigen mit ihren geringen Kenntnissen beurteilen sollte, dann sah es echt schlecht aus, dass die Blonde sie beide über Wasser würde halten können. Ihr Blick glitt noch einmal zu Lucien und für einen kurzen Augenblick zögerte sie. Was sie wollte, hatte sie. Wenn sie gemein wäre, dann würde sie die Verletzte hier lassen, sich ihren Bruder schnappen und verschwinden. Für genau diesen kurzen Augenblick überlegte sie, ob sie das tun sollte. Nur leider sprach sich ihr viel zu weiches Herz dagegen aus. Shanaya stand ihr seit Beginn der Reise zur Seite und das wollte sie ihr sicher nicht vergelten, indem sie sie hier ließ. Also biss sie die Zähne zusammen, verdrängte den Gedanken an die Probleme im Wasser und stützte das andere Mädchen, um mit ihr von diesem verfluchten Kahn zu verschwinden.
Talin warf Shanaya einen zweifelnden Blick zu, während sie auf die Luke zu wankten. Wieso konnte dieses Mädchen nie, wirklich nie, die Klappe halten? Sie sollte ihre Kräfte sparen, doch stattdessen machte sie lahme Witze, über die die Blonde im Moment nicht einmal ansatzweise schmunzeln konnte.

„Ich schlag dich gleich mit dem Stuhl, damit du endlich die Klappe hältst“, zischte sie durch zusammengepresste Zähne. Danach schwieg sie, bugsiert sich beide aus der Luke heraus und sprang dann.

Als sie die Wasseroberfläche durchbrachen und das kalte Nass sie umschloss, schossen Talin tauschend Gedanken durch den Kopf, darunter auch die unsinnige Erleichterung darüber, keinen Rock anzuhaben.
Nur Sekunden, nachdem sie untergetaucht waren, brachte Talin sich und die andere mit kräftigen Bewegungen wieder nach oben. Mit ihrer freien Hand wischte sie sich einzelne Haarsträhnen aus den Augen, während ihr Griff um Shanaya fester wurde. Sie wagte nicht nach oben zu schauen, ob die anderen auch sprangen, sondern suchte angestrengt nach etwas, an dem sie sich festhalten konnten. Zum Glück hatte sie recht gehabt. Im Wasser schwamm mehr als genug Treibgut herum, an das sie sich klammern konnten. Ein wenig veränderte sie ihren Griff um die Schwarzhaarige und bewegte sich dann langsam auf eines dieser Stücke zu. Ein stabil aussehendes, großes Stück Holz. Vermutlich ein Teil, welches von der Explosion fortgeschleudert wurde. Mit der freien Hand hielt sie sich daran fest und zog sich ein bissen darauf, um ihre Beine vom ständigen Wassertreten zu entlasten. Shanaya half sie dabei sich ebenfalls an das Holz zu klammern.

„Alles in Ordnung mit dir?“

Während sie das fragte, ließ sie nun doch den Blick schweifen. Überall im Wasser schwammen Trümmerstücke des Schiffes, sowie vereinzelt Menschen. Sie sah nicht lange genug hin, um sagen zu können, wer noch lebte oder jeden Moment sein nasses Grab finden würde. Stattdessen schaute sie zum Schiff, erstarrte leicht und riss gleichzeitig überrascht die Augen auf. Mit so einer Wirkung hatte sie nicht gerechnet. Ihr Wunsch diesen Seelenhändler zu zerstören, hatte Ausmaße angenommen, die sie nicht hatte vorhersehen können. Und dann erst die Geräusche! Laute Stimmen, ängstliche und schmerzverzerrte Schreie, das knacken des Holzes, während sich Flammen ausbreiteten und das Schiff gleichzeitig vom Wasser in die Tiefe gezogen wurde. Sie sah das alles, nahm es in sich auf, fühlte sich aber nicht schuldig. Es war die beste Möglichkeit gewesen und sie hatte sie ergriffen.
Ein Problem blieb allerdings: Sie sah niemanden von ihrer Crew. Kurz glaubte sie einen blonden Schopf aufblitzen zu sehen, doch schien es einer der Gefangenen gewesen zu sein, der weniger Glück als sie gehabt hatte. Unruhig auf ihre Unterlippe beißend, blickte sie zu Shanaya.

„Kannst du wen seh-“ Der Ruf ihres Namens unterbrach ihre Frage.
Sofort richtete sie sich ein wenig auf, brachte ihren Rettungsanker ins Wanken und sah sich aufmerksam um. Liam, sie hatte eindeutig Liams Stimme gehört. Aber bevor sie ihn genau ausmachen konnte, hörte sie jemand anderen ihren Namen rufen und der Lockenkopf war für den Moment vergessen. Ja, dort hinten Näher am sinken Schiff als ihr lieb war, schwamm auf einem Stück Holz treibend ihr Bruder.

„LUCIEN!“

Kurz sah sie zu Shanaya, ob diese einigermaßen sicher war, als sie die Hand, die sie um die andere geschlungen hatte, hob und hektisch winkte, um ihren Bruder auf sich aufmerksam zu machen. Sie hoffte, dass es die anderen auch sehen konnte, wenn sie noch lebten.

[Im Wasser | bei Shanaya | sieht Lucien]



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Shanaya Árashi - 20.08.2017

Oh, Shanaya hätte so viel auf der Zunge gelegen, hätte sie sich nicht viel mehr darauf konzentriert, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie musste sich zusammen reißen, musste alle Kraft in sich aufbringen, die noch übrig war. Sie hatte doch schon Schlimmeres durch gemacht. Wie viele Schussverletzungen hatte sie ihrem Bruder zu verdanken? Was war da so eine läppische Verletzung am Kopf?! Nichts, was sie umhauen würde! Trotzdem war die Welt vor ihren Augen nicht mehr ganz so klar, und umso mehr verspürte Shanaya das sonst vollkommen unbekannte Gefühl von Dankbarkeit für Talin. Ihr Schnauben hätte ihr fast ein Lachen entlockt, es blieb jedoch bei einer stummen Grimasse, die einem - für ihren Zustand – viel zu gut gelaunten Lächeln glich. Die Worte der Blonden entlockten ihr dann doch ein heiseres Husten, zu mehr rang sie sich jedoch nicht durch. Sie hatte schon verstanden! Auch wenn es wirklich verlockend war... Nun konzentrierte die junge Frau sich jedoch auf den Sprung, auf den Moment, wenn sie nur von Wasser umgeben sein würde. Sie musste wieder nach oben, so schnell es möglich war. An Talins Seite begab sie sich also zu der Luke, atmete noch einmal tief durch, ehe sie sich vor beugte, nicht von Talin abließ und der Dunkelheit entgegen sprang.
Der Schmerz kam stechend, wie unzählige Nadeln, die sich mit einem Mal in ihren Körper bohrten. Der Schmerz lähmte ihren Körper, das Salzwasser brannte in der frischen Wunde. Nach oben, irgendwie nach oben. Sie biss die Zähne aufeinander, versuchte irgendwie ihren Körper zu bewegen und schaffte es mit Talins Hilfe wieder an die Oberfläche. Sofort atmete die Schwarzhaarige tief ein, musste dadurch husten. Viel zu lange fühlte sie sich in der Dunkelheit orientierungslos, versuchte sich an den flackernden Flammen und Talins Griff zu orientieren. Sie folgte einfach der Richtung der Blonden, schwamm mit halb geschlossenen Augen neben ihr her. Bis ihr Körper gegen etwas stieß, das sich nicht menschlich anfühlte. Blinzelnd, immer noch nicht ganz sicher, wo oben und unten war, hob sie eine freie Hand, während die andere noch immer ihr rotes Tuch umklammerte. Keuchend hielt sie sich irgendwie an dem Holz fest, blinzelte, aber der Schwindel blieb. Ihr Kopf sank ein wenig zwischen ihre Schultern, während Talins Stimme dumpf in ihrem Kopf wieder hallte.

Ich hab' ein bisschen Kopfschmerzen.“ Das Beste, was sie aus ihrer Situation machen konnte. Was blieb ihr anderes übrig? „Mir wäre es lieber, jetzt schnell auf der Sphinx zu sein.“

Sie brummte, verstummte dann. Sprechen kostete erstaunlich viel Kraft. Etwas, was ihr sonst nicht so sehr auffiel. Wieder musste die Schwarzhaarige husten, ließ den Kopf dann noch ein wenig sinken, bis sie sich gegen das Holz lehnen konnte, auf jeden Atemzug konzentriert. Nicht ohnmächtig werden. Bloß nicht.
Talins Stimme drang erneut durch einen dichten Nebel zu Shanaya, die sich daraufhin jedoch nicht regte, zumal die Frage nicht zu Ende gebracht wurde. Wieder nur ein leises Brummen, aber sie versuchte nicht einmal den Kopf zu heben. Liams Rufen hörte sie nicht, erst Talins viel zu laute Stimme drang wieder zu ihr durch, jagte ihr einen Schauer durch den Körper. Ein wehleidiges Geräusch drang ihr aus der Kehle, aber sie regte sich nicht, klammerte sich nur an das Holz, das Talin zum wackeln brachte. Gut, ihr Bruder hatte es also auch bis hier her geschafft. Fehlte noch Liam und das blonde Weichei. Mühsam hob Shanaya den Kopf, blinzelte. In der Dunkelheit die Sphinx zu finden war nicht einfach, sie wusste nicht einmal, wie weit sie entfernt waren.

Sie sollten sich wirklich beeilen... Kannst du Wunden nähen, ganz zufällig?“

Sie glaubte nicht, dass sie dazu noch fähig sein würde, wenn sie zurück auf der Sphinx waren. Nun suchten auch die blauen Augen nach der Gestalt von Talins Bruder. Drei Köpfe wären jetzt vielleicht hilfreich gewesen, man hätte sie als Paddel benutzen können... Mit diesem Gedanken und einem Husten zog sich die Schwarzhaarige etwas höher auf das Holz, schloss die Augen und lauschte einfach auf die Umgebung. Solange ihr Kopf noch auf solch absurde Gedanken kam, machte sie sich keine wirklich Sorgen um sich selbst.



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Liam Casey - 20.08.2017

Es war nicht einfach, irgendeine bestimmte Stimme aus dem Chaos herauszuhören. Das Meer rauschte unbändig in seinen Ohren und fraß sich tiefer in das brennende Wrack des Schiffs hinein, dass vor ein paar Minuten noch wie eine undurchdringbare Festung auf sie gewirkt hatte. Jetzt wurde ist in berauschender Geschwindigkeit von Flammen zerfressen, die sich tanzend und züngelnd in der Wasseroberfläche spiegelten. Drumherum riefen und schrien Männer durcheinander und versuchten, einen der wenigen Plätze zu ergattern, die sie vor dem erbarmungslosen Tod retten konnten. Viele von ihnen aber würde entweder das Feuer oder das eisige Meer ebenso wie ihr Schiff zu sich holen. Liam wusste nicht, wie lange er versucht hatte, einen der anderen zu erspähen, bis er den Entschluss fasste, vielleicht erst einmal etwas mehr Abstand zwischen sich und dem brennenden Schiff aufzubauen. Er war wieder näher herangezogen worden durch den Sog, der entstand, während das Wrack nach unten in die Tiefe gezogen wurde.

„Verdammt.“, knurrte er in sich hinein.

Die Katzenpfoten, die ihm immer wieder unsanft von seiner Gefährtin ins Gesicht gedrückt wurden, machten die Suche nach den anderen auch nicht einfacher. Der Ruf Talins ging im Stimmengewirr und den Wellen unter, die ihn trotz rettender Holzplanke immer wieder untertauchten und Sineca nur noch unglücklicher machten. Die nächste Zeit drehte er sich nicht mehr um, sondern paddelte unermüdlich weiter fort von der Marine und ihren Rettungsbooten. Erst, als seine Beine unter dem eisigen Wasser zu schmerzen begannen, drehte er sich wieder um und spähte in die Richtung des selbstverursachten Infernos. Die Sphinx würde sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und an Board würden sie alle sicherlich wieder auftauchen. Die Kälte arbeitete sich langsam aber stetig tiefer in seinen Körper hinein. Er hoffte wirklich, dass sich der Rest ihrer Crew nicht mehr allzu viel Zeit lassen würden und sie sie – vor allem! - alle irgendwie wieder herausgefischt bekamen.

Die Stimmen der Morgenwind waren mittlerweile nicht mehr zu hören. Umso hellhöriger wurde er, als sich etwas über die Wellen erhob, was wie Worte klang. Als er sich umblickte, brauchte er einen Moment, um die dunklen Schemen auf dem Wasser wirklich als 'jemanden' ausmachen zu können. Noch aber war das Meer zu laut, um wirklich Stimmen herauszuhören und die Nacht zu dunkel, um irgendwelche Umrisse genauer sehen zu können.


{ im wasser | schimmt vom wrack fort | in hörweite zu skadi und enrique }



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Ryan Black - 22.08.2017

Dem schwarzhaarigen Dieb war durchaus bewusst welche Wirkung seine Aussage auf den 'Rest' hatte. Und eigentlich schwebte Ryan auch nichts anderes vor als noch weiter ein bisschen Salz in die offensichtlich Wunde zu streuen – denn für Mitgefühl ob der Sorge der anderen Crewmitglieder hatte der Dieb nicht viel übrig. Oder doch...? Ryan blinzelte ein paar Mal, als in ihm diese Frage aufkam. Vielleicht überspielte er mit seinen angriffslustigen Kommentaren auch nur jegliche Besorgnis die in ihm auf klomm..
Wie dem auch sei – zur einer richtigen Diskussion kam es eigentlich gar nicht denn kurz darauf sah Ryan in der unmittelbaren Ferne schon die Explosion. Das Transportschiff der Marine war direkt in seinem Sichtfeld und so konnte er die Flammen sehen noch bevor das donnernde Geräusch der Detonation ihre Ohren überhaupt erreichte. Sein Blick blieb starr auf dem Schiff – keine Miene regte sich. Generell war es für den ersten Schreckmoment aller anwesenden angespannt ruhig. Seine Augenbrauen schoben sich andächtig zusammen und kurz darauf lallte der besoffene Trevor schon einige Worte die Ryan gekonnt ignorierte. Allerdings hatten sie etwas gutes: Sie holten den Dieb aus seiner starre.

Es vergingen nur wenige Sekunden bis sowohl Rayon einen Befehl knurrte, als auch Greo's dunkle Stimme übers Deck dröhnte! Und erst bei den Worten des Hünen setze sich Trevor in Bewegung. Es war deutlich so sehen dass sich der Dieb zumindest jetzt in diesem Moment ohne Diskussion auf Greos Befehl einließ und sich in Bewegung setzen wollte. Allerdings hielt er noch einen kurzen Moment inne als er Trevor gen Reling taumeln sah. Himmel! Dieser Kerl würde vermutlich mehr Probleme bereiten als nützlich sein! Und da hatten die Crewmitglieder der Sphinx echt mit Ryan ihre Schwierigkeiten? Tatsächlich konnte der Dieb sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen – aber gut. Sie hatten zu tun und mussten so schnell wie irgend Möglich handeln!

Die wenigen Stufen vom Achterdeck wurden einfach geschickt übersprungen – auf dem Weg dahin hätte er fast den verletzten Passagier namens Gregory umgerannt – huch, den gabs ja auch noch! Gut, wenigstens einer der den irren Spaßvogel davon abhalten konnte sich zu ertränken.

Ja, Ryan war kein Seefahrer. War es noch nie und würde es vermutlich auch nie werden. Und dennoch bewegte er sich ziemlich geschickt und behände über das Deck. Führte Greo's Befehl so gewissenhaft aus, dass es absolut keinen Zweifel daran gab dass der schwarzhaarige sehr wohl Seefahrt-Erfahrungen gesammelt hatte. Da Ryan derzeit wohl der am fitteste war – abgesehen von Rayon und Greo, welcher das Ruder in seinen Händen hielt, steuerte der schwarzhaarige den Fockmast an. Ohne zu zögern oder lange darüber nachzudenken wurde die Schot gelockert um kutz darauf erstaunlich behände das Schratsegel in gewünschte Position zu bringen – Ryans Armschiene sei dank' wurde dabei sein Unterarm nicht zerquetscht. Als der Dieb im ersten Moment daran zog um es in Position zu holen glaubte er zunächst selbst von Board gerissen zu werden ob des Luftwiderstandes im Segel. Ein Fuß wurde gegen die Reling gestemmt, das vorderste Segel blähte sich erneut kräftig auf und dieses Mal war der Schwarzhaarige darauf gefasst gewesen. Schweißgebadet und mit klopfendem Herzen vor Anstrengung wurde die Leine wieder befestigt. Die Sphinx hatte zumindest schon Mal an fahrt zugenommen – denn der Wind stieg an und peitschte dem Dieb das dunkle Haar aus der Stirn. Er kniff die Augen zusammen und sah sich schwer atmend um – einmal um sich einen Überblick davon zu schaffen wie weit die anderen waren, als auch um weiteren Befehlen zu lauschen.

- Bugaufbau/Fockmast ~ in Hör- evtl. auch Sichtweite(?) von Greo, Rayon, Trevor, Gregory -


RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Rayon Enarchea - 23.08.2017

Die grauen Zellen des Koches arbeiteten auf Hochtouren, während Greo den Befehl zum Dichtholen der Segel gab. Es wäre ihm viel lieber gewesen, wenn sie vor dem Wind hätten segeln können - umso schneller hätten sie die Morgenwind erreicht -, doch zumindest in dieser Hinsicht machte das Wetter ihnen einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Immer noch besser als ein ausgewachsener Sturm, dachte er grimmig, während er Greo stumm zunickte.

Der Großteil seiner Gedanken galt in diesem Moment jedoch den Geschehnissen auf dem Gefangenentransporter. Es wäre naiv gewesen, zu glauben, dass die Explosion zufällig kurz nach dem Auslösen des Alarms auf dem Schiff geschehen war. Augenscheinlich hatte es massive Probleme bei der Umsetzung des ursprünglichen Plans gegeben, welche die Piraten zur Improvisation gezwungen hatten. Mit der gewählten Methode stimmte Rayon ganz und gar nicht überein, denn die bedeutete mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass in dieser Nacht Unschuldige ihr Leben lassen mussten, doch damit würde er sich später beschäftigen und gegebenenfalls den Kapitän zur Rede stellen. Zunächst einmal galt es, schnell zu reagieren und zu hoffen, dass ihre Crew es rechtzeitig und unverletzt von Bord geschafft hatte. Zumindest ihr Ziel war jetzt klar: Sie würden besorgniserregend nah an die Morgenwind heranfahren müssen, um ihre Kameraden aus dem Ozean zu fischen und sich damit in unmittelbare Gefahr begeben. Der Dunkelhäutige warf den beiden noch intakten Schiffen der Marine einen flüchtigen Blick zu. Er konnte zwar nicht erkennen, ob sie bereits mit dem Wendemanöver begonnen hatten, davon mussten sie jedoch ausgehen. Ihr einziger Vorteil war, dass die Sphinx nicht nur aufgrund ihres Aufbaus, sondern auch aufgrund der deutlich geringeren Beladung einen immensen Geschwindigkeitsvorteil hatte. Den mussten sie nutzen, wenn sie die Nacht überleben wollten.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Ryan sich unverzüglich an die Arbeit machte und den Fockmast ansteuerte. Auch wenn der blinde Passagier bisher wenig getan hatte, um sich seine Sympathie zu verdienen, nötigte ihm dieser bedingungslose Tatendrang durchaus ein gewisses Maß an Respekt ab. Zumindest würde er sie bei ihrer Unternehmung unterstützen, und sie konnten gerade jede helfende Hand gebrauchen.

In eben diesem Moment und als er gerade in Richtung Großmast davonstürmen wollte, hörte er eine Stimme, deren Besitzer er eigentlich unter Deck erwartet hatte. Er drehte sich um und erblickte Gregory, den der Trubel an Bord der Sphinx anscheinend aus seinem heilsamen Schlaf gerissen hatte. Der Smutje unterdrückte einen erneuten Fluch, denn eigentlich sollte der Bruder des mehr oder weniger zielstrebig ebenfalls auf den Großmast zutaumelnden Trevors sich nach den Komplikationen, die seine Schusswunde verursacht hatte, schonen, doch der Anblick eben jener betrunkenen, selbsternannten Tänzerin ließ ihn verstummen. Mit ihrer Notbesatzung würde es ohnehin länger als sonst dauern, das Schiff auf Kurs zu bringen, und der Braunhaarige würde sich zumindest darum kümmern können, dass sein Bruder ihre Bemühungen nicht sabotierte. Einen winzigen Kommentar konnte er sich jedoch nicht verkneifen. Schnell überbrückte er die Distanz zu dem Mann, mit dem er bereits seit einiger Zeit segelte.

"Du solltest in deiner Hängematte liegen und tief und fest schlafen, Greg", sagte er mit sorgenvoller Stimme, bevor er ihm auf die Schulter klopfte. "Aber ich bin froh, dass du hier bist. Hier...", sprach er dann, löste die Halterung des Trinkbeutels, den er um seinen Gürtel geschnallt hatte und warf ihn Gregory zu. "Du kannst ein wenig Stärkung vertragen."

Er warf dem Braunhaarigen ein Lächeln zu und machte sich dann gemeinsam mit ihm auf den Weg zum Großmast, um das Segel zu trimmen und die Sphinx damit auf schnellstem Wege zur Morgenwind zu befördern.
[ Hauptdeck der Sphinx | gemeinsam mit Gregory und Trevor auf dem Weg zum Großmast | in Sicht- und Hörweite von Ryan und Greo ]



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Farley Dunbar - 28.08.2017

Schwer wie ein dickes Bündel des teuersten Edelholzes von Raízun spürte er die Blicke, die sich nur wenige Momente nach seinem zugegeben recht unerwarteten Auftauchen von allen Seiten auf ihn legten. Das mochte daran liegen, dass sein Auftritt kaum Begeisterung hervorrief, doch damit hatte der junge Dieb auch kaum gerechnet. Dies war eine dilettantisch geplante Flucht und nun kam er und schob sich auch noch dazwischen – diese Gruppe hatte eigentlich allen Grund ihn entweder ins Wasser zu befördern und ertrinken zu lassen oder ihm mit einer scharfen Klinge den Hals durchzuschneiden, bevor er auch nur einen weiteren Muks von sich geben konnte. Natürlich würde Farley keines dieser beiden Szenarien zulassen, aber immerhin konnte er sich so die düsteren Mienen erklären, die auf ihn gerichtet waren. Immerhin griff niemand zum Messer, stattdessen öffnete eine aus der Truppe den Mund und machte ihm sichtlich amüsiert ein Angebot, das er in jedem Falle dankend abgelehnt – oder zumindest neu verhandelt hätte. Seine Finger und insbesondere seine beiden Hände brauchte er noch und niemand würde so nah an ihn herankommen, dass er auch nur eines seiner Gliedmaßen bekommen würde. Gegen einen verlorenen Zeh hatte er dagegen nichts, wenn sie auf den käsigen Geruch stand – aber immerhin war sie eine Ausbrecherin, er glaubte nicht, dass sie in irgendeiner Form Probleme mit schlechten Gerüchen hatte. Ein amüsierter, kampfeslustiger Ausdruck schlich sich in Farleys Augen, als er den Mund öffnete, um der frechen Lady zu antworten – aber erneut sprang die Tür auf und noch jemand betrat die Kajüte. Es wurde allmählich eng. Viel Zeit darüber nachzudenken, ob der Neuankömmling zu der Gruppe gehörte oder nicht, hatte der junge Dieb aber ohnehin nicht.

Denn nur Sekunden später krachte es, das ganze Schiff erbebte und die immense Erschütterung zog ihm förmlich den Boden unter den Stiefeln weg. Farley fluchte innerlich, als der Boden sich unaufhörlich neigte und er so überrumpelt weder in der Lage war, die Flüchtigen im Auge zu behalten noch den Sturz groß abzufangen. Mit einem dumpfen, unschönen Laut schlug er hin und zog sich einige Schürfwunden an Armen und Knien zu. Auch einige Splitter schwor er zu spüren, doch der Dieb verdrängte den Schmerz, hatte er doch immer noch Sorge, dass irgendjemand doch noch auf die Idee kommen könnte, dass eine Klinge die bessere Alternative zu noch einem Flüchtigen im Schlepptau war. Ein Stöhnen unterdrückend richtete sich Farley daher rasch wieder auf, nachdem er die Orientierung zurückgewonnen hatte. Ein wenig taumelnd sah er sich um, registrierte fast überrascht das Nicken der Blonden und erwiderte es reflexartig. Das hatte jetzt reibungsloser geklappt, als er gehofft hatte – aber die Explosion schien für ihn gearbeitet zu haben. Farley warf noch einen kurzen Blick auf die Wunden der Schwarzhaarigen, die sich den Kopf angeschlagen hatte. Einen Moment lang verschwendete er einen Gedanken daran, dass es schade wäre, wenn sie deswegen ertrinken würde. Er hätte ihr kurzes Wortgefecht gerne weitergeführt. Aber im nächsten Moment hatte sie sich gemeinsam mit der anderen Frau schon vom Schiff gestürzt, dann folgten zwei der Männer und ein dritter – mit einem Hinweis, den er sich hätte sparen können. Farley würde ganz sicher nicht den Anschluss verlieren – zumindest nicht freiwillig. Der junge Dieb warf einen kurzen Blick auf den letzten verbliebenen Zeitgenossen in der Kajüte. Der Blonde kam ihm seltsam bekannt vor, aber jetzt war kaum der richtige Zeitpunkt gekommen, um darüber nachzugrübeln woher. Wort- und gestenlos wandte er sich von dem Fremden ab und stürzte sich ebenfalls ins Wasser.

Die schlagartige Kälte, die über ihm mit den Fluten zusammenbrach, drückte ihm die Luft aus der Lunge. Mit schnellen Armschlägen schob sich Farley an die Wasseroberfläche. Er gab sich Mühe, nicht allzu prustend aufzutauchen, wusste aber  nicht, ob es ihm gelang. Mit einer geübten Bewegung schüttelte er sich die nassen Haare aus den Augen und griff nach einem der Bruchstücke, die im Wasser trieben. Die Explosion war ordentlich gewesen – und Farley hoffte ein bisschen, dass diese seltsame Gruppe den Knall wirklich so geplant hatte. Falls nicht, hoffte er, dass der Rest der Flucht besser geplant war als es bisher den Anschein machte. Und er hoffte, dass er nicht zu viel hoffte.Als er sich ein wenig höher auf sein Treibgut gezogen hatte und das Holzstück fest genug umklammert hatte, versuchte er den Gedanken an die Kälte wegzuschieben und sah sich um. Bei all dem Zeug, das im Wasser trieb und den Wellen und der Dunkelheit war es schwer die Gestalten der anderen auszumachen. Und der Tumult auf dem Schiff, das in Flammen stand, machte es nicht einfacher, irgendwo Stimmen herauszuhören. Dennoch glaubte Farley in einer Richtung zwei der Fluchtgruppe sprechen gehört zu haben. Oder eher: sich angebrüllt zu haben. Er hoffte erneut: dieses Mal, dass er sich nicht getäuscht hatte. Mit den Stiefeln, die ihm vollgesogen unerträglich schwer vorkamen, begann er zu paddeln und sein Treibgut wie ein kleines Schiff anzutreiben und bewegte sich dorthin, wo er glaubte die Flüchtigen vernommen zu haben.



RE: Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - Lucien Dravean - 29.08.2017

In den ersten wenigen Sekunden nach seinem Ruf konnte Lucien zunächst gar nichts hören oder sehen. Zumindest nichts von Talin. Zwar lag das Meer einigermaßen ruhig da. Dennoch erhoben sich auch die träge dahin schwappenden Wellen über seinen Kopf hinweg. Pechschwarz unter noch schwärzerem Himmel. Einzig das Licht der brennenden Morgenwind malte flimmernde, glänzende Reflexe auf die Wasseroberfläche und täuschte Bewegungen vor, wo es keine gab.
Einen irrationalen Augenblick lang stieg Panik in ihm auf. Sorge um seine Schwester, obgleich er wusste, dass es überhaupt nichts bedeutete, sie nicht gleich zu entdecken. Die Bewegung der Morgenwind und des Wassers trieben sie auseinander. Zudem war Talin eine gute Schwimmerin. Es gab keinen Grund, Angst um sie zu haben. Trotzdem schaffte er es erst, sich zusammen zu reißen, als er über das Rauschen der Wellen und den ohrenbetäubenden Lärm auf der Fregatte hinweg die Stimme seiner Schwester aufschnappte.
Unwillkürlich glitt sein Blick in die Richtung, die er als ihren Ursprung ausmachte und dort, zwischen zwei Wellenkämmen hindurch entdeckte er sie, wie sie scheinbar auf eine Schwimmhilfe gestützt winkte. Bei ihr befand sich nach wie vor ihre schwarzhaarige Begleiterin. Von den anderen, die zu ihrer Gruppe gehörten, sah Lucien jedoch niemanden mehr. Auch der Attentäter, der Leutnant und der Bärtige aus seiner Zelle waren nirgends zu sehen.

Mit einem energischen Kopfschütteln vertrieb er einige klatschnasse Haarsträhnen aus seinen Augen, suchte erneut Talins Blick. Die Sicht auf sie wurde immer wieder unterbrochen, doch nachdem er sie einmal gefunden hatte, würde er sie nicht so schnell wieder verlieren. Energisch hob er den Arm, winkte ihr kurz, um ihr zu zeigen, dass er sie sah und deutete dann bestimmt in Richtung des offenen Meeres, wo sich – natürlich ohne sein Wissen – bereits Liam, Enrique und Skadi befanden.

Weg vom Schiff, Talin! Schwimmt los! Ich folge euch!

Er konnte nur hoffen, dass sie ihn hörte und die Dringlichkeit verstand, die in seinem Ruf lag. Sank die Morgenwind schnell genug, drohte der entstehende Sog, alle in ihrem Umkreis mit hinab zu ziehen. Sank sie zu langsam, würde das Feuer vermutlich das Pulverlager erreichen und dann gab es einen weit größeren Knall als den von gerade eben. Beides keine reizvollen Optionen.
Seinem eigenen Rat folgend, ließ der Dunkelhaarige sich ein wenig zurück ins Wasser sinken, nur noch einen Arm auf dem Holzbrett, das ihn über der Oberfläche hielt. Dann löste er die Pistole, die noch im Bund seiner Hose steckte und ließ sie unbeachtet in die Tiefe sinken. Außer, dass sie sich für ihn übertrieben schwer anfühlte, war sie nämlich ohnehin nutzlos.
Dann fing er an zu schwimmen. Das Holz war dabei eher hinderlich, doch sobald ihn die Kraft verließ, würde er es brauchen, um sich oben zu halten. Und angesichts dessen, was sie in den letzten Minuten hinter sich hatten, spürte er durch all das Adrenalin hindurch bereits die bleierne Schwere, die sich über seinen Körper legte und ihn langsam machte. Nach wenigen Schwimmzügen fiel ihm bereits das Atmen schwer.
Er biss die Zähne zusammen.

Unvermittelt gab das schwarze Wasser eine Gestalt vor ihm preis. Das flackernde Licht der brennenden Fregatte in Luciens Rücken enthüllte nasses, dunkles Haar, zerlumpte Fetzen und Bart – und die Gesichtszüge des Attentäters.
Ein grimmiges Lächeln erschien auf den Lippen des 21-Jährigen, als er bis auf wenige Armlängen heran gekommen war.

Nur nicht schlapp machen, alter Mann. Du schuldest mir noch was.

Nicht, dass Lucien glaubte, der Attentäter bräuchte ein bisschen Aufmunterung. Wenn die letzten Minuten ihm eines gezeigt hatten, dann, dass der Ältere ein verdammt zäher Hund war. So schnell würde der nicht absaufen. Wahrscheinlich brauchte er selbst den Ansporn mehr als sein ehemaliger Zellengenosse. Aber immerhin saßen sie beide in der gleichen, beschissenen Klemme.
Der 21-Jährige warf einen kurzen Blick über die Schulter, um die Entfernung zur Morgenwind zu überprüfen und bemerkte in gerade diesem Moment eine weitere Gestalt, die ihnen mit kräftigen Schwimmzügen folgte. Und da nach ihm selbst nur noch einer in der Kajüte gestanden hatte, tippte Lucien entweder auf den Gefangenen, der sich an ihre Fersen gehängt hatte, oder auf einen Marinesoldaten.

Wir bekommen Gesellschaft.

[Im Wasser | bei Yaris | nicht weit von Farley]