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Eine böse Überraschung
Cornelis & Enrique ✓✓
Szenen-Informationen
Charaktere Gast
Datum 24 März 1822
Ort Einsame Insel / Strand / außer Sichtweite der Sphinx
Tageszeit Später Nachmittag
Keine Reihenfolge Für diese Szene existiert keine feste Postingreihenfolge! (Achtung: sie wird in deinem Tracker also niemals als offene Szene angezeigt!) Du darfst dich also austoben wie du möchtest.
Cornelis Feuerbart
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Keine Angabe
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#1
Eine böse Überraschung

24. März 1822 / Später Nachmittag / Auf der einsamen Insel

Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu und die Aufgaben, die ihnen übertragen worden waren, waren erledigt. Spontan hatte sich Cornelis entschlossen, an diesem Tag nochmals zur Insel zurückzukehren und ein Bad im warmen Meer zu nehmen, um sich Schweiß und Dreck abzuwaschen. Kurzentschlossen hatte sich ihm Enrique angeschlossen. Seit ihrer ersten Aussprache vor zwei Tagen war Cornelis voll von zwiespältigen Gefühlen. Einerseits wollte er so viel Zeit wie möglich mit Enrique verbringen, immer in der Hoffnung, daß noch alles gut werden würde. Andererseits schmerzte ihn bei Enriques Anwesenheit stets, wie fremd ihm dieser doch in den letzten 14 Jahren geworden war.

Auf der Insel angekommen, war Cornelis ein Stück weit den Strand entlanggewandert. Während dieser zehn Minuten hatten sie gar nicht gesprochen. Cornelis für seinen Teil hatte in dieser Zeit trotz allem einfach die Anwesenheit seines "kleinen Bruders" an seiner Seite genossen. Sie waren nun außer Sichtweite der Sphinx und da sie eine nette Stelle zum Baden gefunden hatten, hielt Cornelis an und wandte den Blick seinem Begleiter zu.

"Kommst du mit ins Wasser?"

Vor drei Tagen, als sie so unverhofft aufeinander getroffen waren, waren sie beide viel zu aufgewühlt gewesen, um auf Kleinigkeiten zu achten. Und in den letzten Tagen hatte Enrique Cornelis nur im Hemd gesehen. Es war einfach praktischer für die Arbeit gewesen, eine Schicht Stoff auf der Haut zu haben, so zum Beispiel wenn er etwas über die Schulter tragen mußte.

Doch nun, da sich Cornelis schließlich zum Baden entkleidet hatte und sich umwandte um zum Wasser zu gehen, sah Enrique ihn zum ersten Mal: Seinen von Geiselmarken gezeichneten Rücken.


Dem Schwarzhaarigen war es beinahe wieder zuviel geworden und als Cornelis ihn dann fragte, da nutzte er einfach die Gelegenheit dem Schiff und all den Neuerungen zu entkommen.
Das war zwar ein bisschen wie von der Pfanne ins Feuer zu springen, aber der Rotbart war nur eine Person, nur eines der Probleme, nicht ein ganzer Haufen.
'Ein Schritt nach dem anderen.'
In den letzten Tagen war er hin und her gerissen gewesen. Er wollte seinen alten Freund wiederhaben und dazu mussten sie Zeit miteinander verbringen, auf der anderen Seite waren da trotz der Aussprache immer noch viele dunkle Geheimnisse und Erlebnisse zwischen ihnen, die zu überbrücken ihm enorm schwer fiel.
Sie ließen sich auch nicht einfach aus der Welt schaffen und selbst angesprochen würden sie das Verhältnis zwischen ihnen ändern. Es blieb nur zu hoffen, dass ihre Freundschaft nicht daran zerbrechen würde.
'No.'
Er musste ehrlich sein:
Die Freundschaft von Damals war im Meer versunken und gestorben. Das was sie jetzt hier taten, war sie aus den Tiefen zu bergen und zu schauen, was wiederbelebt werden konnte, um daraus eine neue zu schaffen.
Bis jetzt war die Saat auf fruchtbaren Boden gefallen und sie keimte und spross im Übermaß um die Leere zu füllen, die die alte hinterlassen hatte. Er hoffte dass das auch so bliebe.

Enrique hatte den Weg genutzt die Anspannung in seinem Inneren abzubauen, seinem Kopf und den Emotionen etwas die Zügel schießen zu lassen. Gerade so viel, dass er die Probleme in seinen Gedanken hin und her wälzen konnte, er aber nicht die Kontrolle darüber verlor.
Äußerlich wirkte er dabei die ganze Zeit ruhig, fast schon entspannt, wenn auch geistesabwesend.
Jetzt, da es darum ging, das zu tun, weswegen sie hierher gekommen waren warf es den Jüngeren aus der Bahn.

"Mit ins Wasser?"

Verwirrt, ja beinahe erschüttert, sah er Feuerbart an, ehe er wieder im Hier und Jetzt angekommen war.
Er wollte weitersprechen, doch da wandte der ehemalige Steuermann ihm den Rücken zu und er presste stattdessen, für einen Moment, erbittert die Lippen aufeinander.

"Ich dachte dafür wären wir hierher gekommen", erwiderte er dann necked, mit gerade soviel Verzögerung, dass diese Cornelis auffallen musste. Und trotz seiner Worte machte Enrique obendrein keinerlei Anstalten sich zu entkleiden ...


Cornelis mußte schmunzeln, als seine einfache Frage Enrique fast in völlige Verwirrung stürzte. Er hatte seinen jungen Freund nun schon drei Tage erlebt. Eigentlich immer war er in Gedanken versunken gewesen, wenn er ihn aufgesucht hatte oder wenn sie auch nur eine Weile nicht gesprochen hatten. Und doch hatte er keinen Grund, Kritik daran zu üben, erging es ihm doch ähnlich, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie bei Enrique.

Dann hatte er sich entkleidet und war schon einige Schritte aufs Meer zugegangen, als Enriques kurzes Zögern und ein Hauch von Unterton, den er (noch) nicht zuordnen konnte, in Enriques neckender Aussage ihn aufmerken ließen. Er drehte sich erneut zu seinem Freund um, warf einen forschenden Blick in dessen Gesicht und registrierte gleichzeitig, daß dieser keine Anstalten machte, seine Kleider abzulegen.

"Ja, eben. Sind wir nicht deswegen hier?" Er grinste Enrique kurz an, doch dann wurde seine Miene wieder ernst. "Was ist los?"


Sein Gesicht war wieder die ausdruckslose Maske, die es immer war, wenn er sich beobachtet wusste.
Dabei hatte er das Gefühl zu stürzen, immer weiter von Cornelis wegzudriften, während er aus vollem Halse nach ihm rief.
Wie sollte er das ansprechen? Wie dann weitermachen?
Auf einmal schien ihm ein riesiger, unüberwindlicher Abgrund zwischen ihnen.
Enrique spürte ein leichtes Zittern in seinen Fingerspitzen.
Wütend auf sich selbst schob er das bei Seite und versuchte es mit einem Witz zu überspielen:

"Nichts. Gar nichts. Was soll schon los sein?
"Und ich bin selbstverständlich nur mitgekommen um hier dumm am Strand rumzustehen. Wie kommst du darauf, dass ich mit ins Wasser will?"


Das Grinsen geriet etwas schief und erreichte seine Augen nicht, doch er versuchte gar nicht erst Cornelis Blick standzuhalten, sondern sah schon während des Redens an sich herunter, griff den Saum seines Hemdes und zog es sich, etwas steif und ungeschickt, daran über den Kopf. Mit etwas Glück würde der Rotbart dieses Detail also gar nicht erkennen.

Die Brandnarbe auf der Brust war dem Älteren durchaus vertraut und die kleineren Macken nicht der Rede wert, waren es doch Spuren, die einfach entstanden und blieben. Der üble Bluterguss auf der Flanke, genau wie die anderen, sich zu verfärben beginnenden, linienförmigen blauen Flecken, hingegen war "neu", aber zumindest teilweise nicht ganz unerwartet. Enrique hatte erwähnt, dass er sich am Tage ihres Wiedersehens eine Rippe mindestens angebrochen hatte, allerdings nicht wie oder wobei. Doch sowas sah, gerade ein paar Tage später, immer schlimmer aus als es war.

Schnell stieg der Dunkelhäutige während seiner Frage aus der Hose und stand anschließend nackt vor dem anderen. (Schuhe hatte Enrique gar nicht erst angezogen.) Eine kurze Pause entstand.
Dann schloss er kurz die Augen, ehe er zu seinem Freund aufsah und wesentlich echter lächelte.

"Schiffe sind schon dämliche Gebilde: Ringsum von Wasser umgeben aber keine Möglichkeit es richtig _auf_ ihnen zu genießen. Also worauf warten wir?"

Damit setzte er sich in Bewegung und überließ es dem Hünen ihm hinterherzuschauen.
Der hatte jetzt seinerseits das Phänomen auf einen ebenso verfärbten und zusätzlich von Peitschenhieben zerrissenen und vernarbten Rücken zu schauen, den er, genau wie Enrique seinen, von damals noch unberührt in Erinnerung hatte ...


Cornelis hatte Enriques Worte gehört, doch je weiter der Augenblick fortschritt, um so undeutlicher drangen sie zu ihm durch, wie durch einen dicken Nebel abgedämpft.
Er hatte ihn gesehen, in Enriques Augen - für einen winzigen Moment hatte er den Funken gesehen, der früher stets in diesen aufgeweckten Augen des aufgeschlossenen Jungen gewohnt hatte. Doch nur, um ihn im nächsten Augenblick wieder hinter der steinernen Maske verschwinden zu sehen, die sich der erwachsene Enrique so standhaft angewöhnt hatte.
Sie waren sich so furchtbar fremd geworden - würden sie jemals wieder solche Freunde, Brüder sein können?

Die Verschlossenheit seines alten Freundes war nur ein weiterer Schlag ins Kontor und ließ seinen Kopf betroffen nach unten sinken und den Blick gen Boden gehen, als Enrique ihn passiert hatte. Er hatte auf die Aussagen seines Freundes nichts erwidert, stand stumm dort am Strand nur wenige Zentimeter vom Wasser entfernt, mit gesenktem Blick.

Doch nur wenige Herzschläge später, sein Kopf war noch immer gesenkt, änderte sich seine Miene von Betroffenheit auf Entschlossenheit. Er atmete einmal tief durch, hob den Blick und eilte Enrique nach. Mit festem Griff packte er seinen alten Freund am Oberarm und als dieser sich zu ihm umwandte, sah er in die Augen des starken und stolzen Mannes von früher, die davon erzählten, daß er sich von seinem Entschluß auch nicht von den größten Widrigkeiten abbringen lassen würde.

"Enrique, ich weiß es ist eine lange Zeit vergangen und wir sind nicht mehr dieselben. Aber ich will, daß wir reden wie früher - offen und ehrlich und ohne Scheu. Ich weiß, wer du bist - ich meine, wer du WIRKLICH  bist! Du bist ein guter Kerl und egal, was du vielleicht getan hast, es wird mich nicht von dir trennen können."

Vielleicht würde ihre Freundschaft nie wieder so tief werden wie zuvor, doch war er der Meinung, daß er damals immer für Enrique da war, soweit ihm das sein Posten auf der Seepferdchen erlaubt hatte, und er sich zumindest verdient hatte, daß Enrique weiter offen mit ihm sprach.


Da er sich selbst versuchte abzulenken, sickerte die Erkenntnis, was sein Verhalten mit seinem alten Freund machte nur langsam durch, ließ es erst ankommen, als er an ihm vorüber war und dann trieb es ihm Tränen in die Augen. Bereits ohne die Hand, die ihn packte und bremste, waren seine Schritte langsamer geworden. Wut flackerte unsteht in seinem Blick, als er sich zu Cornelis umdrehte, dann zuckte er förmlich zusammen als ihn der des Steuermanns traf. Und jeder weitere Satz war ein erneuter kleiner Einschlag, der ihn zusammenfahren und die Augen schließen ließ. Seine Hände griffen die starken Oberarme seines Gegenübers und klammerten sich dort fest.
Schweigen dehnte sich aus.

Dann kam, mit heiserer Stimme, kurz bevor der Ältere nicht mehr daran glaubte, doch noch eine Antwort:

"Si. Das will ich auch."

'Aber ich kann es nicht, das ist nicht so einfach', dachte er. Zu wichtig war ihm dieser Mann, als dass er sich nicht Gedanken darüber machen konnte, was sein Tun oder Lassen für Konsequenzen haben könnte. Verstand und Impulsivität standen sich plötzlich diametral gegenüber und lähmten ihn.

"Ich habe das wohl in den letzten Jahren verlernt. Aber es gab auch niemanden und keine Gelegenheit, wo ich das hätte tun können.
"Bei der einzigen Person in meinem direkten Umfeld, der ich trauen konnte, brauchte es keine Worte. Und am Ende konnte ich auch nicht mehr nach Hause."


Langsam sah er hoch.

"Und jetzt stehe ich hier und schäme mich. Ich— Ich habe Angst. Jetzt noch mehr, als vorher, weil ich jetzt auch dich wieder verlieren könnte, wenn ich was Falsches tue, was früher oder später unweigerlich passieren wird.
"Ich— Ich musste überleben. Irgendwie."


Er schwieg erneut, wusste nicht wie weiter und weigerte sich dem Drang nachzugeben sich an die Brust des Rotbarts zu werfen.
Tränen und eine Umarmung würden nicht alles wieder gut machen.


Cornelis hatte sich darauf eingestellt, den Arm Enriques direkt wieder loszulassen und beschwichtigend die Hand zu heben, da er damit gerechnet hatte, daß dieser erneut abwehrend reagieren würde. Als sein Freund nun jedoch seinerseits seine Oberarme packte und sich daran festklammerte, ließ er nicht los.
Im Gegenteil unterdrückte er nun seinen ersten Impuls, Enrique in seine Arme zu ziehen so wie früher. Er hatte begriffen, daß sie neu beginnen mußten, daß sich sein Verhalten auf seinen nun erwachsenen Freund anpassen mußte. Und doch war er unfähig Nichts gegen diese Verzweiflung zu tun, die er nun in den Augen seines Gegenübers erblickte. Also hob er seine freie Hand, schob sie langsam unter Enriques Haare und packte ihn im Nacken. Es war ein fester Griff, jedoch keineswegs schmerzhaft. Er vermittelte Schutz und Stütze - jedenfalls war es so von Cornelis gemeint.
Es dauerte einige Momente, bis der Rotbart die richtigen Worte fand.

"Vielleicht... vielleicht wird es nie mehr so wie früher - obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche, als daß du wieder mein bester Freund werden würdest - mein kleiner Bruder. Ich glaube, ich habe mich nicht SO viel verändert, obwohl ich es natürlich nicht weiß. Aber vielleicht hat mein Tod, an den du so lange geglaubt hast, etwas in dir zerbrechen lassen, das dir eine erneute Freundschaft mit mir unmöglich macht."

Er hielt inne, brauchte einen Augenblick um sich zu sammeln, nachdem er den bittersten Gedanken, den es für ihn in Bezug auf Enrique geben konnte, ausgesprochen hatte.

"Ich kann dir nur sagen, daß es das schlimmste Gefühl ist, den Eindruck zu haben, daß du mir nicht mehr genug vertraust um einfach anzusprechen, was dich bedrückt oder was du gerne wissen willst. Wenn du in den letzten vierzehn Jahren mehrfach hinterrücks gemeuchelt oder Verrat begangen hättest - ich wüßte, daß du es nicht ohne Grund getan hast, auch bevor du ihn mir genannt hättest. Weil ich weiß, wer DU bist.
Aber das Gefühl, daß du Angst hast, etwas vor mir anzusprechen - dieses Gefühl des fehlenden Vertrauens..."
, seine Miene verzog sich schmerzhaft, zeigte einen Schmerz, den er für eine Wunde nie empfunden hätte, "... ich kenne keinen Schmerz, der so groß ist..." Seine Stimme war bei den letzten Worten leicht heiser geworden und seine Augen glänzten feucht.

Seine Arme zuckten kurz und zogen Enrique unwesentlich etwas zu ihm heran. Und doch kämpfte er erneut gewaltsam den Drang in seinem Inneren nieder, den Mann Enrique wie den Jungen damals in seine Arme zu ziehen.


Die Hand im Nacken war zu viel und zu wenig zugleich, zu viel für den Teil von ihm, der höchstens noch heimlich in seiner Koje zusammengebrochen war, zu wenig für sein Selbst, dass jede Stütze brauchte, da es fast erstickt war. In diesem Augenblick, angesichts der Erkenntnis, wie sehr ihn die Zeit nach Cornelis Verschwinden ausgehöhlt und verändert hatte, wurde ihm ebenfalls klar, dass er es erst ganz kurz vor seinem inneren Untergang geschafft hatte, aus seinem Gefängnis auszubrechen, und dass es ganz und gar nicht feststand, ob das noch rechtzeitig gewesen war.
Eine neue Woge heißer Scham überrollte ihn und zwang ihn den Blick zu senken.
Das, was aus ihm geworden war, war es, seiner Ansicht nach, nicht wert, an der Seite eines Feuerbarts zu segeln und hätte Shane sich bestimmt beschämt abwenden lassen.

'¡No!', durchfuhr es ihn trotzdem wie ein heißer Blitz bei Cornelis Worten - Vielleicht, Panik riss seinen Blick wieder hoch und zeigte ihm, dass er noch nicht ganz gestorben war, auch wenn er hauptsächlich noch aus Trotz und Zorn bestand; sie verwehrte es ihm aber gleichzeitig auch, irgendetwas zu sagen, und, hatte er vorher noch gedacht, tiefer könnte er nicht mehr sinken so stürzte ihn das Folgende endgültig ins Bodenlose.
'¡Si!
¡No!
¡NO!'


"Nicht dein Tod", formten seine Lippen tonlos.

Wie konnte er gleichzeitig mit voller Wucht aufschlagen und weiterstürzen?
Das Zittern aus den Fingerspitzen dehnte sich, während Cornelis Pause, über die Ellenbögen langsam bis in den ganzen Körper aus. Dann zog ihm der erste anschließende Satz beinahe auch physisch den Boden unter den Füßen weg, nur der langjährige Drill und der Griff des Älteren hielt ihn noch lange genug auf selbigen, dass der Hüne seine Ausführung beenden konnte.
Dann, beim letzten Satz, versagte seine Disziplin, verloren der Griff seiner Hände seine Kraft, sackte er in die Knie und das plötzliche Gewicht würde den Rotbart, trotz seiner Stärke, entweder taumeln lassen oder ihn ihm entreißen. Die leichte Vorwärtsbewegung zwang ihn, sich auf den Händen abzufangen und nur sein Zorn und Trotz ließen ihn, in der ankommenden Brandung, halbwegs aufrecht auf seinen Knien bleiben.

"_Ich will das nicht!_
"Ich will nicht, dass unsere Freundschaft so endet. Ich will nicht noch mehr verlieren!"
, schrie er erstickt den Sand zu Cornelis Füßen an.
"¡Con los ancestros! Ich weiß nicht ob ich noch in diese Freundschaft passe oder wieder so werden kann, denn ich habe keine Ahnung mehr, ob von dem, was ich war, überhaupt noch etwas da ist.
"Aber ich will es unbedingt, ich will, das es wieder so wird wie früher, ich will dein Freund sein!
"Obendrein weiß ich nicht wie oder wohin mit dem Schmerz in meinem zerbrochenen Herzen, nicht ob ich, so wie ich jetzt bin, dir noch gut tun, nicht was ich dir sagen kann, ohne dir weh zu tun.
"Wie könnte ich dich da etwas unbefangen fragen? Möglicherweise auch, weil ich nach den Dingen fragen würde, die _dich_ heimsuchen?"


War es Flehen? Ein Gebet an die Ki? Schmerz und Wut, die sich bahn brachen? Gingen seine Worte an Cornelis oder an die Geister? Er hätte es nicht sagen können.

"Ich—"

Seine Finger krallten sich in den schlammigen Boden, seine Stimme wurde zu einem wispern.

"Ich will offen zu dir sein aber alles in mir schreit, dass ich dich dann verliere, nicht weil ich schreckliches getan habe, was ich weiß, dass ich es getan habe, sondern weil ich alles aufgeben habe, was du mich lehren wolltest, und weil ich, mit dem, was gewesen ist, auch dein Herz zerbrechen könnte ..."

Er schluckte schwer, setzte sich unsanft auf seinen Hintern und sah, sich immer noch abstützend, weiter aufs Wasser hinaus. Würde er jetzt zu seinem Freund Aufsehen, bekäme er diesen Punkt nie über die Lippen:

"Aber wenn ich schweige, dann verliere ich dich auf jeden Fall.
"Also werde ich reden und hoffen, dass es dich nicht von mir forttreibt und dass du mir vielleicht noch eine Chance gibst, herauszufinden, ob da noch genug von meinem alten Ich ist, dass wieder zu etwas werden könnte, dass deine Freundschaft verdient.
"Es war nicht nur dein Tod, der den Jungen von damals völlig zerstört hat, der dafür sorgte dass er jegliche Freude am Leben verlor, dass er die meiste Zeit kaum noch was fühlte, niemandem mehr vertraute, dass es auch jetzt noch nur einen einzigen Menschen gibt, für den er jederzeit und ohne zu zögern sterben würde.
"Es war Isabellas.
"Sie starb kurz nach dir. An Sumpffieber. Weil Vater Mutter aus dem Haus trieb, bevor irgendeiner von uns deinen Verlust verwinden konnte ..."


Cornelis spürte das Zittern, daß sich in Enriques Körper ausbreitete. Er hatte vor diesen Worten schon gewußt, daß diese seinen Freund im tiefsten Inneren hart treffen würden. Und doch war es an der Zeit gewesen, von ihm eine Entscheidung zu erzwingen. Enrique hatte sich entscheiden müssen, ob er wirklich ernsthaft ihre Freundschaft, ihre Brüderlichkeit, wieder aufleben lassen wollte. Dieser Schwebezustand der letzten Tage war keine Basis gewesen, nicht nur für ihn, für sie beide.

Doch den plötzlichen Zusammenbruch seines Freundes hatte er nicht kommen sehen. Von der plötzlichen Vorwärtsbewegung Enriques nach hinten gestoßen, geriet er ins Taumeln. Sein Stand war auf dem schlammigen Sand, bis über die Knöchel im Wasser nicht besonders stabil - er machte zwar noch einen kleinen Schritt nach hinten, der weiche Untergrund rutschte jedoch unter seinem Fuß weg und so fiel er rittlings der Länge nach. Zum Glück war der nasse Sand relativ weich und so schlug er zwar hart auf, passiert war ihm jedoch nichts. Er rappelte sich wieder auf, bis er auf einem Knie hockte und ein Fuß auf der Erde stand.

Enriques Worte jedoch waren wichtiger als alles, was sonst passierte. Deshalb hatte er trotz des Sturzes alles davon mitbekommen. Er sah zu dem inzwischen sitzenden Enrique hinüber und hörte seine letzten Sätze. Und nun waren ihm alle Konventionen gleich. Sein Enrique, sein kleiner Bruder, brauchte ihn jetzt!
Also stand er auf, ging zu seinem Freund hinüber, setzte sich neben ihn und dieses Mal zog er ihn einfach in seine Arme, egal, was passieren würde.

Leise und traurig waren seine nächsten Worte. "Isabella ist tot? Unsere liebe, kleine, fröhliche Isabella?" Einige Minuten bedrückten Schweigens vergingen, während Cornelis stumme Tränen über das Geschicht rannen, derweil in seinem Kopf die Bilder schöner Stunden mit Enrique und seiner kleiner Schwester abliefen.

Dann änderte sich sein Tonfall und die nächsten Worte knurrte er regelrecht. "Dieser Schweinehund! Wenn ich bedenke, was er dir, Isabella, deiner guten Mutter und auch mir angetan hat.... Wenn er mir das nächste Mal über den Weg läuft, lege ich ihn um!"

Vielleicht waren seine Worte in Enriques Gegenwart nicht klug gewählt, vielleicht würde er damit erneut etwas auslösen, was er nicht hatte kommen sehen. Und doch war es genau seine Art, die Enrique so gut kannte - ehrlich zu sagen, was er dachte.

Dann griff er erneut das Thema auf, von dem sie eigentlich geredet hatten. "Enrique, mein kleiner Bruder, du wirst es immer wert sein, mein Freund zu sein. Denn das, was wir wirklich sind, was uns ausmacht, stirbt nie. Vielleicht wird es verschüttet von dem Dreck und den Trümmern unseres Lebens wie von einer Schlammlawine - und doch wird es nie ganz ersticken, selbst wenn es sich oft so anfühlt. Doch es kann immer jemanden geben - Menschen, die uns lieben, die bereit sind viel Mühe und Anstrengung dahinein zu stecken - die es wieder ausgraben können. Und ich bin bereit dazu - ich bin bereit dazu, viel Mühe und Anstrengung aufzubringen, um dein wahres Ich wieder ans Tageslicht zu holen."

Bei den letzten Worten strich er Enrique über das Haupt, wie er es früher so oft getan hatte.


Irgendwo am Rande bemerkte er, dass Cornelis fiel. Kraft oder Konzentration darauf zu reagieren hatte er nicht.

Dann waren die Worte heraus und nur Cornelis und Nahia konnten ermessen was dieser Verlust für ihn bedeutet haben musste, mit welcher abgöttischen Liebe er seine Schwester verehrt hatte. Selbst der Steuermann war immer erst an zweiter Stelle gekommen.

Gefangen in der Vergangenheit und der Angst, wie der Ältere wohl reagieren mochte, bekam er ihn erst mit, als jener sich neben ihm ins Wasser fallen ließ und nach ihm griff.
'¡No!'
Sofort stemmte er sich dagegen, wollte weg und schlug fahrig nach dessen Händen, fuhr dann, mit plötzlichem Aufstöhnen zusammen und kippte, einen Moment blind vor Schmerz, gegen die Brust des Rotbarts und blieb einfach liegen, den Arm auf die verfluchte Rippe gepresste.
Benommen nickte er auf die Fragen und schaffte es nicht die Tränen zurückzuhalten, sondern nur, nicht laut loszuheulen.
Dann bäumte er sich ein wenig auf:

"¡No!, er gehört mir!", knurrte er gepresst. "MIR! Genau wie dieser andere. ¡Este nueve veces maldito y arrogante saco de hijo de puta! Ich will sie beide, durch meine Hand, leiden sehen, bevor ich sie töte."

Für mehr reichte es nicht. Zerschlagen hing er wieder in Cornelis Armen und lauschte. Und die Absolution, die er erhielt ließ ihn dann doch laut aufschluchzen und sich festklammern.

"Natiao! Nanichi Natiao!", mehr als ein Flüstern war es nicht, dann würde er für lange Zeit still bleiben, so nicht Feuerbart etwas sagen würde.


Die Gegenwehr Enriques akzeptierte Cornelis diesmal nicht. Manchmal, nur manchmal mußte man seine Lieben zu ihrem Glück zwingen und so hielt er es in diesem Moment. Als sein Freund zu seiner Aussage auffuhr, ließ er ihn nicht los.

"Ist gut, er gehört dir. Ich werde ihn nur für dich halten."

Und als Enrique sich nach seinen letzten Worten aufschluchzend an ihn klammerte, fuhr er ihm noch einmal übers Haupt, wie er es bei dem Jungen getan hatte, dann hielt er ihn einfach nur fest.

Eine ganze Weile blieb es nun still, bevor Cornelis seinen Ausführungen noch etwas anfügte.

"Fürchte dich nicht mehr, mit mir zu sprechen. Solltest du einmal einen wunden Punkt treffen und ich bin nicht darauf vorbereitet, dann werde ich vielleicht toben, brüllen, fluchen oder du wirst wieder einmal den tiefen Haß zu spüren bekommen, der nun auch in mir wohnt. Und dennoch werde ich nie aufhören dich zu lieben, kleiner Bruder. Ich kann es gar nicht, ich habe all die Jahre nicht aufgehört, dich zu lieben. Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich läßt. Und wenn du mir dein zerbrochenes Herz in die Hände legen willst, so werde ich es gut hüten und versuchen, es Fitzelchen für Fitzelchen wieder zusammen zu setzen, bis es irgendwann fast wieder seine alte Form hat, bis nur noch die Macken bleiben, die das Leben in unser aller Herz schlägt, und die man nicht mehr reparieren kann."

Wieder entstand eine Pause, in der Cornelis Enrique festhielt und, sollte er etwas sagen, seinen Ausführungen lauschte. Dann stellte Feuerbart seinem alten Freund eine Frage:

"Ich weiß, du nennst mich schon länger so und ich habe nie danach gefragt. Aber in den letzten Tagen hast du es einige Male wieder gebraucht und irgendwie erschien es mir eine tiefere Bedeutung zu haben. Was heißt eigentlich Natiao?"


"Bien ...", kam es als leise Bestätigung.

***

"Ich ...
"Ich will es versuchen"
, flüsterte er in das Schweigen. Mehr sagte er nicht.
Stattdessen musste er an den Wutausbruch des ehemaligen Piratenkapitäns von vorgestern denken und fröstelte.

Die Frage ließ ihn dann zusammenfahren.
Siedend heiß fiel ihm alles wieder ein:
Wie er hatte fragen wollen, wie sie aneinandergeraten waren und wie Cornelis dann doch zustimmte.
Enrique stemmte sich hoch, löste sich aus der Umarmung. Die Erinnerungen halfen ihm sich zusammenzureißen. Kurz nickte er dem Älteren beschwichtigend zu, dann bemühte er sich um eine Schmerzfrei Haltung. Ein bisschen musste er sich noch sammeln, ehe er dann leicht verschämt dem Meer antwortete:

"Natiao heißt Bruder."

Seine Finger fuhren durch den Sand unter dem Wasser und fanden eine Muschelhälfte.

"Ich habe mich damals nicht getraut, dich das offen zu fragen, so sehr wollte ich, dass du mein Bruder wirst. Und aus der Sicht eines Ara'ke'nis wurdest du das, als du zustimmtest. Deswegen hatte Isa auch damit angefangen und Mutter dich schließlich Guali genannt, Cornelis Ochoa."

Ein neckender Unterton begleitete das schiefe Grinsen, das er dem Seebären zuwarf.

"Ich habe sie allerdings angefleht es dir nicht zu erklären.
"Bibis Antwort war:
"Oh, keine Sorge Guali, du hast ihn Gefragt, ihm das zu erklären ist deine Verantwortung!"


Er schmunzelte.

"Aber du hast es einfach so akzeptiert, wie ein kleiner Hund einen neuen Namen akzeptiert, mit Stolz in der Brust.
"Das hat uns alle sehr amüsiert und gleichzeitig auch glücklich gemacht."


Enrique schüttelte grinsend den Kopf, während er an die vielen Momente dachte, wo der Rotbart bereitwillig auf Natiao oder Guali reagiert hatte, und an den noch ungenannten Grund, der sie alle drei dann mitunter hatte kichern lassen.

"Wir hatten später sogar eine Wette laufen, wann du endlich fragst."

Nervös zerbrachen seine Finger die Muschelschale, auf die er die ganze Zeit starrte.

"Nahia meinte, so wie du dich gibst, dann, wenn du einen Grund hast unsere Sprache zu lernen.
"Isa war der Ansicht, gar nicht, sondern dass du mich irgendwann einfach so kleiner Bruder nennen würdest, weil Shane ja schon beschlossen habe mich irgendwann sowieso anzuerkennen.
"Ich —
"Ich ..."


Er schluckt schwer.

"Und dann warst du Vorvorgestern plötzlich wieder am Leben und hast mich auch noch einfach so kleiner Bruder genannt.
"Ich—
"Ich—"


Wieder kämpfte er um Selbstbeherrschung und hasst sich dafür, auch wenn es dieses Mal schon fast Freudentränen waren ...


Cornelis entließ ihn willig aus der Umarmung und lauschte Enriques Ausführungen aufmerksam, doch sein Gesichtsausdruck entglitt ihm in Ungläubigkeit. Dann schlug er plötzlich seitlich ins flache Wasser, so daß dieses in Enriques Richtung spritzte. Doch dabei grinste er.

"Du Sauhund! Du hast mich all die Jahre schon deinen Bruder genannt, ohne es mir zu erklären?!
Und nenn mich nicht nochmal einen kleinen Hund..."


Er lachte auf.

"Ach, Enrique, du weißt gar nicht wie glücklich mich es macht, daß es so ist, auch wenn ich es offensichtlich viel zu spät begriffen habe."

Eine Weile lächelte er einfach nur glücklich, dann glitt dieses Lächeln in Melancholie ab.

"Dann hatte ich ja auch eine kleine Schwester..."

Sein Kopf sank etwas nach unten und eine einzelne Träne entrang sich seinem Auge. Es dauerte einige Minuten, bis er den Gedanken wieder aufgriff.

"Und das heißt dann, Guali heißt Sohn? Mir war gar nicht klar, wie tief ich schon in eurer Familie verwurzelt war. Wie geht es eigentlich Nahia?"

Sein Lächeln war immer noch traurig, jetzt da er erkannte, daß er alles viel zu spät begriffen hatte.

"Aber da war doch noch ein anderes Wort... Ochua?" Es war keine einfache Sprache für seine Zunge. "Was bedeutet das?"


Enrique zuckte nur leicht zusammen, als ihn das Wasser traf. Trotzdem presste er die Zähne aufeinander.
Dann musste er das Auflachen unterdrücken.

"Dann nenne ich dich eben Perrito, oder noch besser Ao'n! Bei Letzterem versteht es keiner außer mir.
"Y sí, genau das habe ich getan."


Es tat gut zu Lachen, sicher, es tat auch höllisch weh, aber er hatte so lange nicht mehr gelacht, geschweige denn mit jemandem, dass es sich für's Erste nicht unterbinden lassen wollte.

Die Melancholie in der Stimme des Älteren ließ dann aber auch ihn wieder ernst werden.

"Ja, das hattest du. Und wie immer reichte es ihr, dass sie wusste, dass es so war, auch weil sie der Meinung war, dass du es gar nicht wissen brauchst, weil du sowieso das tust, was ein großer Bruder eben tut:
"Für uns da sein und uns beschützen."


Er drückte seinem alten Freund die Schulter, wartete bis der sich gefangen hatte.
Dann zog er die Hand zurück.

"Si, das heißt es.
"Und wüsstest du mehr über uns Ara'ke'ni, dann würde dich das weniger überraschen.
"Solche Dinge werden eigentlich vorher in der Cano'eyba, der Bootsgemeinschaft, der Familie, besprochen und von allen gemeinsam beschlossen. Bibi hat mir, weil ich nicht gefragt hatte, auch tierisch die Leviten gelesen."


Er lächelte still, ehe er sie zitierte:

"Du hast Glück, dass ich ihn, genau wie du, gern habe und Isabella sich längst mit dir gegen mich verschworen hat, sonst müsste ich dich aus der Cano'eyba werfen und du ohne Familie leben!"

Dann seufzte er schwer.

"Mein ehemaliger Bruder meinte lediglich: 'Macht doch was ihr wollt.', was als Zustimmung zählt. Ich kapiere immer noch nicht, warum er dich so - so wenig mochte."

Er schwieg einen Moment lang. Das Verhältnis zwischen den Beiden war schon vor Cornelis Ankunft schwierig gewesen, und der Zustand hatte sich seit dem weiter verschlimmert. Der Grund war definitiv nicht nur die Anwesenheit des Steuermannes, doch er kam, im Gegensatz zu Cornelis, nicht darauf, dass auch hier die Hauptursache Jorge war, der von Enrique zuviel verlangte und Peio die meiste Zeit mit Ignoranz strafte.
Dann schüttelte der Jüngere den Kopf und diesen Gedanken ab.

"Nahia geht es gut. Sie— Wir haben uns, nach einigen Missverständnissen, wieder, wie sagt ihr das? Zusammengerauft? Sie ist zu Abene zurückgegangen und lebt jetzt dort-."

'¡No! Noch nicht. Nicht so', dachte er und versuchte das grinsen zu unterdrücken. Das würde er sich für den Schluss aufheben.

"Oh-cho-ah. Sag bloß du hast meinen - zweiten Nachnamen vergessen? Das heißt Wolf und ist unser Cano'eyba-Name. Falls du dich dazu entschließen solltest, jetzt wo du bescheid weißt, weiterhin Teil unserer Familie zu bleiben, dann heißt du nach unserer Tradition ab jetzt Cornelis Ochoa.
"Aber Vorsicht!
"Falls du das tust wirst du ab jetzt auch die damit verbundenen Pflichten wahrnehmen müssen!"


Herausfordernd sah er ihn mit frechem Grinsen an und wartete die Antwort ab.


Er spürte den Griff seines Freundes auf seiner Schulter und es tat ihm unheimlich gut, wieder jemanden zu haben, der ihm so nahe war.

"Es tut gut zu hören, daß es zumindest deiner Mutter gut geht. Das mit deinem Bruder... gesagt hat er mir zwar nie was - du weißt, er ging mir immer aus dem Weg, wenn er konnte - aber ich denke, auch das hatte mit deinem Vater zu tun. Obwohl ich nie erfahren hatte, warum er das auf mich übertragen hat..."

Nachnamen... Was waren schon Nachnamen. Er war Enrique, sein kleiner Bruder, was kümmerten ihn da Nachnamen.
Mit einem zufriedenen Seufzen und Lächeln auf den Zügen legte er sich auf den Rücken in das ruhige flache Wasser ab, schob die Arme unter den Kopf und sah wieder zu Enrique. Er sah dessen herausforderndes Grinsen und erwiderte es.

"Na, wenn das so ist, dann laß mich erst einmal hören, was das für geheimnisvolle Pflichten sind, bevor ich mich entscheide, ob ich weiter dein Bruder sein will."

Sein Grinsen wurde noch breiter und herausfordernder.


"Na, was schon? Die Alten achten, ihnen nicht drein reden, außer du hast vernünftige Argumente, selbst dann aber höflich sein, die Ahnen verehren, die Familie mit versorgen, ihr keine Schande machen - das könnte dir schwer fallen - und sowas halt."

Er grinste immer noch.

"Nicht zu vergessen die Feste gemeinsam feiern, den Jüngeren Geschichten erzählen und ihnen einiges beibringen. Dich ohne zu murren von Abene Jungchen nennen und dir von Nahia die Ohren langziehen lassen, weil du so lange fort warst."

Jetzt musste er wegschauen, sonst hätte er das Lachen nicht mehr unterdrücken können.

"Und — und das ist das allerwichtigste — deiner Nichte von _jeder!_ Fahrt eine kleine Überraschung mitbringen. Du würdest sie doch nicht enttäuschen wollen oder?"

Vorsichtig spähte er dabei zuerst zu Cornelis hinüber um dessen Reaktion ja nicht zu verpassen, dann musste er sich abwenden und die Augen schließen, während ihm die Erinnerung an sein kleines Mädchen plötzlich das Herz aus der Brust zu reißen drohte.
Was war er doch für ein tres veces maldito idiota!


Cornelis grinste die ganze Zeit über glücklich. Endlich - endlich begann es wieder so zu werden wie früher.

"Na, das sind doch alles recht brauchbare Pflichten, die würde ich schon annehmen. Und von Nahia laß ich mir gern die Ohren langziehen. Also, angenommen, kleiner Bruder!"

Er lächelte nun glücklich, dann ließ Enriques letzte Bemerkung ihn erst den Kopf heben und dann sich erneut aufsetzen.

"Nichte? Du hast eine Tochter? Beim Klabautermann, Enrique, das ist ja vielleicht eine Neuigkeit."

Dann sah er, wie sich Enrique wieder von ihm abwandte und spürte, daß diesen etwas bekümmerte. Deshalb sagte er jetzt leiser und in weicherem Tonfall:

"Schon lange nicht mehr gesehen?"


Über das Rauschen in seinen Ohren bekam er Cornelis Antwort kaum mit und reagierte auch nicht darauf. Verzweifelt versuchte er die Büchse der Pandora, die er geöffnet hatte, wieder zu verschließen.
'Nicht jetzt! Maldita, nicht jetzt!'
Die letzte Frage ließ ihn, da er keinen Ton herausbekam, nicken. Dann klammerte er sich gleichzeitig mit einer Hand an Cornelis fest, während er sich weiter bemühte sämtliche Gefühle wegzusperren.
Cornelis Feuerbart
Crewmitglied der Sphinx
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#2
Mit der freien Hand ergriff er Enriques, die sich an seinem linken Unterarm festgeklammert hatte. Seine Stimme war leise und weich, als er nun sprach:

"Bitte, fang nicht schon wieder damit an. Verschließ dich nicht schon wieder vor mir. Das Leben hat dir offensichtlich bedeutend mehr Bürden aufgehalst als mir und ich sehe es nicht als Schwäche an, wenn dir nach so langer Zeit, in der du - wie du selbst sagtest - mit niemandem darüber reden konntest, die Gefühle durchgehen. Ich bin dein Bruder und ich weiß, wie stark du eigentlich bist."
"Wenn du es erst einmal geschafft hast, wenn du mit mir dein Leid geteilt und dadurch halbiert hast, wird es dir bedeutend besser gehen, davon bin ich überzeugt. Das Leben hat dich gebeutelt und dadurch geschwächt, was du nun krampfhaft mit starkem Verhalten zu überspielen versuchst. Nimm meine Hilfe, die Stärke, dich ich dir geben kann und auch gerne geben möchte, an. Eröffne mir dein Leid, öffne dich für mich, dann kann ich dir auch etwas von meiner Stärke abgeben. Wie soll ich dir helfen, wenn du dich vor mir verschließt?"

Er verstummte und erwartete Enriques Reaktion.
Cornelis hätte gerne noch etwas gesagt oder getan, um zu unterstreichen, wie ernst ihm diese Angelegenheit war. Und plötzlich hatte er tatsächlich eine Idee. Unvermittelt ließ er Enriques Hand los, stand auf und watete kurz zurück zum Ufer. Gleich darauf kehrte er mit seinem Messer zurück und setzte sich erneut neben seinen Freund. Er schnitt sich mit der Klinge in den unteren Teil des Ballens seiner rechten Hand, so daß das Blut in die Handfläche lief. Dann drehte er das Messer in seiner linken und hielt es Enrique mit dem Griff voraus entgegen. Dann sah er ihn mit ernstem Blick an.

"Wenn du möchtest, können wir ab sofort auch Brüder des Blutes sein."

"DU HAST DOCH KEINE AHNUNG!", schrie er ihn an und riss sich los, kam aber nicht weit, sondern sackte nur wenige Zentimeter weiter, wieder unter Schmerzen zusammen, so dass Cornelis sowohl Zeit als auch Gelegenheit zur Verfügung hatte, um die Klinge zu holen.
Der Blick, der ihn dann traf, war kalt und dunkel.

"Wenn du es wirklich wissen willst, dann BITTE!"

Mühsam stemmte er sich hoch und es blieb nur noch die steinerne Maske und der gleichgültige Offizier in seiner reinsten Form zurück, das Extrem, dass hier auf der Sphinx nur Skadi kannte.

"Dann aber zu meinen Bedingungen:
"Du wirst mich nicht unterbrechen, nicht ansprechen, anfassen oder ähnliches.
"Wenn ich dir sage: Geh! dann WIRST du gehen, oder tun, was auch immer ich sage.
"Und wenn ich aufhöre, oder ein Thema fallen lasse, dann ist es tabu, bis ich es von mir aus anspreche.
"Falls du das da"
, er deutet auf das Messer, "dann immer noch willst, können wir darüber reden, aber finde dich besser jetzt schon damit ab, dass dir das, was du sehen und hören wirst, nicht gefallen wird.
"Falls du doch lieber verzichten willst, dann ist jetzt deine letzte Gelegenheit. Wenn ich erst angefangen habe, dann gibt es kein Zurück mehr.
"Haben wir uns verstanden?!"

Enriques Ausbruch ließ in ihm das Blut und den Zorn hochkochen, doch er schloß die Augen und dachte an das Versprechen, das er seinem kleinen Bruder gegeben hatte, daß er viel Zeit und Mühe in ihn stecken wollte. Dennoch konnte er das nicht so stehen lassen.
Also erhob er sich ebenfalls und ließ das Messer fallen, so daß die Klinge im weichen Sand stecken blieb und ein Stück des Griffes noch aus dem flachen Wasser herausragte.

Mit ruhiger fester Stimme, mit keinem Funken Furcht oder Beugung darin, sagte er:

"Steck dir deinen Marineoffizier sonst wohin. Ich bin Pirat, Piratenkapitän, um genau zu sein. Vielleicht abgesetzt gerade, aber dennoch nichts anderes! Ich werde nicht vor dir kuschen wie einer deiner Soldaten."
"Wenn der Enrique, der mein Bruder ist, bereit ist, das anzunehmen..."
, er hob einmal kurz die blutüberströmte Rechte, "... dann sag mir Bescheid."

Und dann ließ er Enrique einfach stehen und watete weiter ins Wasser hinein.
Cornelis Feuerbart
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#3
Weit kam der Ältere nicht.
Zwei Schritte brachten ihn an Cornelis heran, dann krachte seine Faust mit voller wucht gegen dessen Kinn.

"FALLS DU ES NOCH NICHT KAPIERT HAST: ICH _BIN_ MARINEOFFIZIER!"

Wutschnaubend stand er über ihm und predigte ihm weiter mit dem erhobenen Zeigefinger:

"WENN DU DAS NICHT AKZEPTIEREN KANNST, DANN KANNST DU DICH GLEICH ZUM TEUFEL SCHEREN! ENTWEDER DU FINDEST DICH DAMIT AB, DASS DU DICH DERZEIT MIT EINEM ABGEBEN MUSST ODER DEIN GANZES GEWÄSCH VON EBEN IST KEINEN PFIFFERLING WERT.
"FALLS ICH DIR ALSO ERZÄHLEN SOLL, WIE ES MIR ERGANGEN IST, DANN AUF DIESE WEISE. ICH _KANN_ ES, VERDAMMT NOCHMAL, NICHT ANDERS!"


Abwartend und die Fäuste kampfbereit erhoben starrte er finster in Cornelis Gesicht. Er hatte sich entschieden es zu versuchen, und wenn er diese Tatsache nur so in van der Meers Dickschädel hinein bekäme, dann war dem eben so!

Da Cornelis den Angriff nicht hatte kommen sehen, traf ihn Enriques Faust mit voller Wucht am Kinn und schmiß ihn um, hinein in das flache Wasser, das bei seinem Sturz aufspritzte. Einen Moment zögerte er und dachte nach, was zu tun sei, doch dann rappelte er sich auf und seine Miene verriet in keinster Weise, was er vor hatte. Es sah fast so aus, als wolle er gar nicht tun, als er wieder stand, doch dann schoß seine Faust unvermittelt nach vorn, ebenfalls auf Enriques Kinn zielend.

"UND DU MUSST EBEN AKZEPTIEREN, DAß ICH PIRAT BIN UND NICHT NUR IRGENDEINER! AUßERDEM HAST DU DIE SEITEN GEWECHSELT, WENN ICH MICH RECHT ERINNERE!"

Er war gar nicht sonderlich wütend auf seinen Freund, doch wollte er ihm Gelegenheit geben, seine Wut und seinen Frust mal so richtig abzulassen.

Das Blut kochte in seinen Adern, ließ seinen Zorn brodeln und dieser Zustand hielt lange genug an, dass er dem kommenden Schlag, wenn auch nur knapp, trotz seiner Verletzung, ausweichen konnte, indem er darunter hindurch tauchte und mit seinem Ellenbogen kurz darauf auf Cornelis Nierengegend zielte.
Er sagte nichts, knurrte lediglich und hielt sich, im Gegensatz zum Älteren, nicht zurück.

Diesmal war Cornelis auf einen neuerlichen Angriff gefaßt und so sprang auch er zur Seite, so daß Enriques Ellbogen zwar noch traf, aber nur noch so leicht, daß er keinen Schaden mehr anrichtete. Er seinerseits setzte nun einen Schlag an, der Enrique am Hinterkopf treffen sollte. Trotz allem versuchte er, der Rippe seines Freundes nicht zu nahe zu kommen.

Den Schwung ausnutzend beschleunigte er sich rückwärts und außer Reichweite. Deutlich spürte er wie Cornelis Arm durch seine Haare fuhr.
Der musste gerade erkennen, dass er, trotz dessen Verletzung, Enriques Gewandtheit, mit dieser halbherzigen Kampfweise kaum etwas entgegensetzen konnte.
Denn kaum stand der Schwarzhaarige wieder, da ging er schon wieder zum Angriff über. Ein erneuter Schlag kam auf seinen Kopf zu, der war allerdings nur eine Ablenkung von dem eigentlichen Ziel, nämlich dass er ihm das Bein für die Ausweichbewegung blockierte oder wegzöge ...

Durch den meisterlichen Degenkampf war Cornelis es gewohnt, den ganzen Körper seines Gegenübers im Auge zu behalten. So bemerkte er auch, wie sich die Muskeln in Enriques Bein spannten, bevor dieser die Bewegung tat und ihm dasselbige stellen wollte. Also sprang er nicht zur Seite oder nach hinten, sondern wich dem Schlag aus, indem er nur den Oberkörper zur Seite bog, und setzte dann seinerseits zu einer Vorwärtsbewegung an, um voll in Enrique reinzurammen. Ja, damit konnte er dessen Rippe nicht schonen, doch blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, wenn er nicht völlig dämlich im Kampf dastehen wollte.

Die Erkenntnis, dass die Finte nicht funktionieren würde, kam schnell, seine Abfangmöglichkeiten waren wegen seiner Einschränkung nicht gerade reichlich, dennoch bewegte er sich seitlich weg und brachte den Arm erfolgreich dazwischen, allerdings hatte Cornelis viel zu viel Masse und Schwung, um ihn gänzlich von sich fernzuhalten. Und allein das Abprallen zwang ihn, sich in der verdrehten Haltung anzuspannen, und der Einschlag riss auch an der Rippe. Dann setzte sein Bewusstsein aus. Er bekam nur noch mit, dass er sich plötzlich drehte, dann schlug er hart auf dem Boden auf. Der Schmerz brannte sich durch seinen Körper und raubte ihm die Sinne.

***

Cornelis hörte, als er gegen den Arm krachte, das Knacken, als der gerade zu heilen angefangende Knochen nachgab.
Prompt verlor der Körper vor ihm jegliche Anspannung und bot ihm damit keinerlei Wiederstand mehr.

Cornelis verzog das Gesicht, das hatte er nicht gewollt. Er hatte zwar seinen Schwung nicht so stark angesetzt, wie er gekonnt hätte, doch dadurch, daß Enrique den Arm dazwischengezogen hatte, kam zu viel Druck auf zu kleinen Raum und brachte die Rippe, nach dem Geräusch zu urteilen, erneut zum Brechen.

"Verdammte Scheiße", fluchte er leise, dann beugte er sich zu Enrique hinunter und hob ihn aus dem flachen Wasser auf. Der junge Mann brachte zwar etwas Gewicht auf die Waage, doch war es für Cornelis auch in seinem leicht geschwächten Zustand kein Problem, ihn ein Stück weit zu tragen. Er brachte ihn also aus dem Wasser auf den warmen Sand und legte ihn sehr behutsam ab. dann nahm er Enriques Hemd, faltete es und schob es ihm unter den Kopf, danach deckte er ihn mit seinem eigenen Hemd zu.

Er setzte sich neben ihn, sah mit bedauerndem Blick auf seinen bewußtlosen Freund hinab und strich ihm einmal über das Haar, als es ihn plötzlich in die Vergangenheit zurückschmiß, wie er damals am Krankenlager des Jungen gesessen hatte. Sein Verstand wußte, daß es dafür keinen Grund gab, und doch verspürte er in diesem Moment erneut die große Angst von damals.


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