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On and on the days will change
Alex & Ceallagh
Szenen-Informationen
Charaktere Gast
Datum 15 September 1820
Ort auf der Insel Calbota
Tageszeit Nachmittags
Crewmitglied der Sphinx
für 545 Gold gesucht
dabei seit May 2019
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#1
On and on the days will change
And everything still feels the same
 
Nachmittag des 15. September 1820  | Alex & Ceallagh (später auch Liam) | Statisten: Ceallaghs Schwestern Meave und Eilish, sowie Alex und Liams Freundin Lubaya
 
„Ceall, könntest du mir mal eben zur Hand gehen?“ Es brauchte nur noch wenige Millimeter bis Maeve von dem Schemel fiel, auf dessen Oberfläche sie auf ihren Zehenspitzen balancierte. Einen Ruck und sie sauste in das Bündel aus frisch getrockneten Kräutern und Moos, das in einem der riesigen Weidenkörbe neben ihr lag.
 
“Was ist?“ Geräuschvoll schlüpfte der hoch gewachsene Körper ihres Bruders durch die geöffnete Tür, die vom Hinterzimmer in den Verkaufsraum führte. Mit einem Blick, der ihr nonverbal zu verstehen gab, dass sie sich langsam mal Flügel wachsen lassen oder eine gescheite Leiter besorgen sollte.
 
Wie üblich ignorierte sie seine Provokation – in den letzten 24 Jahren war sie weitaus besseres von ihm gewohnt- und nickte auf eine der Schachteln, die unangetastet und halb verstaubt in der oberster Regalreihe lag.
 
“Ich komm an die nicht ran.“

 
Mit einem tiefen Seufzen, setzte sich Ceallagh in Bewegung. Schnaubte, kaum dass ihn die erste Staubwolke umzingelte und hustete. Hoffentlich konnte sie dieses Zeug wirklich gebrauchen und nötigte ihn nicht aus schierer Boshaftigkeit dazu, an einem seiner letzten Tage an Land abzudanken.
 
“Was seid ihr für Hausfrauen verdammt! Noch nie was von Staubwischen gehört?“

 
Meave schmunzelte, rammte ihm ihren Ellenbogen in die Seite und nahm ihm behände das Kästchen ab.
“Kann ja nicht jeder so verdammt reinlich sein wie du.“
 
Damit verschwand sie auch bereits zurück in den Verkaufsraum des kleinen Kräuter- und Teeladens und ließ den schmollend Hayes allein zurück.

 
„Gut, okay.“ Lubaya runzelte die Stirn und hakte in Gedanken abermals die Liste ab, die sie in Händen hielt. Ihre Vorräte hatten sie soweit aufgestockt. Jetzt fehlten nur noch die Kräuter, mit denen sie einen geeigneten Tee für ihren Zurückgebliebenen aufsetzen konnte. Ein paar ihrer Mischungen gingen auch dem Ende zu, doch das würden sie alles auf einen Schlag erledigen können. Ihr Blick glitt nach oben, während sie die Läden am Rande der geschäftigen Straße musterte. „Der Kräuterladen, den du gesehen hattest, war dahinten, oder?“, wandte sie sich an ihren stummen Begleiter, der sichtlich aufhorchte, als ihre Worte nicht mehr ihrem Selbstgespräch galten. Alex nickte, ahnte aber, dass sich das hier noch etwas hinziehen würde. „Da vorne war noch ein Laden für Wolle. Ich brauch‘ nicht lange, versprochen.“ Alex seufzte, doch egal wie viel Zweifel an der Wichtigkeit dieser Besorgung er in seinen Blick legte – Lubaya begegnete ihm mit einem unschuldigen Grinsen und drückte ihm gutgelaunt den Zettel in die Hand. „Lindenblüten, Holunderblüten, Mädesüß und Weidenrinde. Hagebutten müsste ich noch genügend haben.“ Mit dem Finger deutete sie auf die jeweiligen Worte, um es dem Älteren leichter zu machen, sie zu erkennen. Indes runzelte sie noch einmal nachdenklich die Stirn, schüttelte dann aber eilig den Kopf. „Das müsste es gewesen sein. Aber ich komme sowieso nach. Ich brauche auch noch ein bisschen was.“ - „Kannst du das mit dem Strickzeug nicht wann anders erledigen? Liam wartet.“ - „Jetzt sind wir hier. Ich bin doch gleich fertig! Sei nicht so ungeduldig! Das dauert keine Minute!“ Alex wusste, wie lange Lubayas Minuten sein konnten. Aber er wusste auch, dass es nichts brachte, weiter mit ihr darüber zu diskutieren.
Also wandte er sich um und steuerte in die Richtung des Ladens, den sie am Morgen gesehen hatten. Mit einer Hand schob er die Tür auf, während sein Blick fest auf die Worte fixiert war, auf die Lubaya gedeutet hatte. Ein Schwall an Gerüchen stieß ihm entgegen – intensiver noch als der Dunst, der aus der kleinen hölzernen Kiste strömte, in der die Blonde ihre Teevorräte aufbewahrte. Himmel, er konnte sich kaum vorstellen, dass hier drin wirklich jemand arbeiten wollte. Vorausgesetzt, sein Geruchsinn hatte nicht schon vor einer Ewigkeit abgedankt. Er unterdrückte ein Husten, bemühte sich, durch den Mund zu atmen und blinzelte in das spärliche Licht des Raumes. „Hallo? Irgendjemand hier?“ Just in diesem Augenblick trat eine blonde Frau aus einem Hinterstübchen. „Ah, wunderbar. Ich brauche ein bisschen was.“ Alex klatschte den Zettel ein wenig lieblos auf den Tisch und deutete auf die obersten Wörter, die darauf in eindeutiger Frauenhandschrift geschrieben waren. Er hoffte, dass diese Kräuterhexe bewanderter war im Lesen als er.

 
Etwas irritiert starrte Meave auf den dunklen Lockenkopf, der soeben in den Laden gestolpert kam. Ganz offensichtlich schien es der Fremde unfassbar eilig zu haben, wie er bei ihrem Anblick schnurstracks auf den Verkaufstisch zueilte und mit einem Finger über den Zettel fuhr, den er schwungvoll auf dem dunklen Holz niederließ. Behutsam stellte die junge Frau die verstaube Schachtel auf der Vitrine neben sich ab und ignorierte die Gestalt ihres Bruders, die sich aus dem Durchgang zum Hinterraum schälte und auf dem hohen Hocker auf der anderen Seite des langen Tresens niederließ.
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen huschte sie nach vorn und nahm bereits prüfend das Pergament zwischen die Finger. Eine schöne Handschrift.
 
“ Wie viel brauchen sie davon?“
 
Mit fragender Miene blickte der blonde Schopf auf, ließ die hellen Augen um die dunkle Partie ihres Gegenübers gleiten, ehe sie einen vollendeten Kreis über seinen Bart, bis hin zu seinen Locken vollführte. Gesehen hatte sie ihn in dieser Stadt noch nie. Doch bei all den Händlern und Landstreichern war das nichts Neues mehr.

 
Er hatte gehofft, das hier schnell hinter sich zu bringen. Andererseits – was hätte es ihm gebracht? Lubaya würde sich mit Nichten davon abbringen lassen, selbst noch einmal den Laden genaustens in Augenschein zu nehmen. Alex‘ Blick huschte flüchtig über ein paar der Dinge, die man hier offenbar erwerben konnte – getrocknetes Grünzeug, das – in seinen Augen – fast überall komplett gleich aussah. Hätte Lubaya ihn nicht schon so häufig davon überzeugt, dass sie wusste was sie tat, wenn sie diesem verdorrten Pflanzenresten eine Wirkung entlockte, hätte er sich gar nicht dazu überreden lassen, diese Besorgungen zu tätigen. „Äh.“, entwich es ihm, als die junge Frau auf der anderen Seite des Tresens sich an ihn wandte. Sein Blick glitt von ihren Zügen hinab zu dem Zettel, den er als Anweisung mitbekommen hatte. Verlegen kratzte er sich am Hals. „Steht das nicht drauf?“ Offensichtlich nicht, sonst hätte die Dame vermutlich nicht gefragt. Ganz so, als würde er es selbst überprüfen wollen, drehte er den Zettel wieder in seine Richtung. Verfluchte Lubaya. War ja schön, wenn sie alle Mengen im Kopf hatte. „Wie viel braucht man denn für eine Kanne? Sagen wir dann… Davon einfach das Doppelte.“ Sie hatte gerne Vorräte. Und wer wusste, ob eine Kanne wirklich die Wunder vollbringen würde, die sie sich erhofften. Dem Knaben im Hintergrund schenkte er vorerst keine Aufmerksamkeit.
 
Wie zur Antwort schüttete Meave den Kopf und schmunzelte. Ihr erster Verdacht schien sich wohl zu bestätigen, dass dieser junge Kerl von jemandem, sicherlich einer Frau oder Freundin, geschickt worden war.
 
“Ich seh mal, ob wir von den Blüten noch genug vorrätig haben. Einen Moment.“
 
Ein leises Rascheln verließ den Tresen, als sich Meave mitsamt Zettel zwischen den Fingern herum wandte und ins Nebenzimmer verschwand.
Ceallagh hatte es sich indes hinter einem seiner Bücher bequem gemacht und lehnte tiefenentspannt auf seinem Hocker sitzend an einem der Apothekerschränke. Diese Unterhaltungen in diesem Laden waren so unfassbar geistreich, dass er drohte einzuschlafen. Grauenhaft. Den Fremden hatte er nur kurz im Vorbeigehen gemustert. Mehr seinen Hinterkopf, als sein Gesicht, dass er gekonnt von ihm abwandte.
 
„Ja, danke.“, entgegnete Alex und seufzte, kaum dass die Dame im Hinterzimmer verschwunden war. Es war so typisch Lubaya. Das nächste Mal sollte sie doch selbst gehen und alles an Unkraut besorgen, das gegen Fieber half. Flüchtig spähte er nach draußen auf die Straße, doch von der Haarpracht seiner Freundin war noch nichts zu sehen. Nur eine Minute. Glaubte sie sich diese Zeitangaben eigentlich selbst noch?  An Ermangelung einer Möglichkeit, sie mit seinen gedanklichen Flüchen hierher zu bestellen, begann er, sich ein bisschen im Laden umzusehen. Hier und da fanden sich Dinge, die selbst er erkannte. Kiefernzweige, Tollkirschen. Vermutlich würde er Lubaya später hier heraustragen müssen, was sich schwieriger gestalten würde, als es klang. Hoffentlich nutzte Liam die Zeit besser als er. Einkaufen war nicht unbedingt eines seiner liebsten Hobbys. Vor allem nicht, wenn man Lubaya dabei hatte und sich alles unnötig in die Länge zog. „Was ist das?“, fragte er schließlich, als er etwas zwischen die Finger nahm, was aussah, als wäre es bereits zur Hälfte verfault. Es war weich, fühlte sich an, wie irgendeine Frucht, die aber alles andere als appetitlich aussah. Alex wandte sich herum und wollte gerade nach der Kräuterdame Ausschau halten, bis ihm wieder einfiel, dass die mit seiner Bestellung ins Nebenzimmer verschwunden war.
 
Nur widerwillig löste Ceallagh seinen Blick von den letzten Zeilen des Kapitels und starrte über den Rand seines Buches in den Raum hinein. Der Fremde hatte sich ziemlich gelangweilt durch den Laden bewegt und stand nun vor einer Auslage an vertrockneten Früchten, die er mit angewiderter Miene an seinen knubbeligen Zinken hob.
 
“Das sind Mispeln.“ …du Idiot
 
Wann würde Meave nur zurück kommen, damit er endlich wieder seine Ruhe hatte?

 
Er hatte de Kerl im Grunde schon wieder ausgeblendet gehabt. Er hatte sich teilnahmslos in einer Ecke verzogen, als gehörte er einfach zum Inventar. Vielleicht der Hausherr, der darüber wachte, dass sein Hexenweib ihm nicht mit irgendeinem Verrückten durchbrannte, der ähnliche Interessen hatte wie sie. Der Lockenkopf rümpfte die Nase. Was auch immer Mispeln waren – er wollte es eigentlich gar nicht so genau herausfinden. Leichtfertig ließ er die hässliche Frucht zurück in die Auslage fallen und schob sich weiter ungeduldig durch den Laden, bis die Tür abermals aufgeschoben wurde. „Hallo?“, grüßte die hochgewachsene, blonde Frau und spähte in den Raum hinein. Ihre Züge erhellten sich, als sie Alex‘ finsterem Blick begegnete. „Ah, hast du schon alles?“ Wohltuend sog sie die Luft des kleinen Ladens ein. Es duftete nach allerlei Kräutern. „Nein, noch nicht. “ Ihr Blick streifte allerlei Ware, während sie unabhängig von Alex zum Tresen schritt und eine Holzbox hervorzog, die sie behutsam auf die Oberfläche stellte. „Mengenangaben.“ - „Was?“ - „Mengenangaben wären gut gewesen.“ - „Huch.“ Sie verzog das Gesicht kurz zu einem neckenden Grinsen in seine Richtung, ehe sie sich wieder keiner Schuld bewusst ihrem Holzkästchen zuwandte und den kleinen Verschlussriegel mit dem Finger aufschob. „Aber du bist ja schon ein großer Junge und hast das sicherlich auch alleine hinbekommen.“ Alex seufzte. Das Problem an Lubaya war, dass man ihr nicht böse sein konnte. Sie strahlte derart viel Freude und Harmonie aus, dass es ihm unmöglich war, irgendetwas von dem, was sie sagte, persönlich zu nehmen. Oder gar böswillig.
 
Der Kerl hatte ihn gehört. Ganz sicher. Doch er behielt seine Gedanken für sich und ließ das Trockenobst zurück an seinen Ursprung fallen. Komischer Typ. Mit einem leichten Kopfschütteln widmete sich der Hayes wieder seinem Buch. Blätterte bereits ein zwei Seiten um, ehe die Ladentür erneut klingelte und eine Frau eintrat. Skeptisch wandte sich Ceallagh herum und versuchte Meave im Nachbarzimmer zu erspähen und zur Eile zu ermahnen. Er hatte keine sonderlich große Lust sich mit weiterer Kundschaft herum zu schlagen, wenn sie nicht in die Pötte kam und ihre Arbeit erledigte. Er war Schmuggler, kein Kräuterexperte, wenngleich er sich mehr darüber anlas als der Durchschnittsmensch. Doch von seiner Schwester fehlte jegliche Spur. Seltsam.
 
Nur beiläufig schwappte das kurzweilige Gespräch der beiden über den Tresen zu ihm hinüber. Und ein amüsiertes Schmunzeln legte sich auf die bärtigen Züge des Hünen, dessen blaugrüne Augen jäh in ihre Winkel huschten.  Ein Blinder mit einem Krückstock erkannte, dass dieses ungleiche Paar zusammen gehörte. Ob Freunde oder Geliebte war für Ceallagh wie so vieles an ihnen zweitrangig. Noch mehr, als ihm irgendetwas an dem Gesicht des Lockenkopfes seltsam bekannt vorkam. Für einen Moment verengten sich die hellen Augen. Dann betrat Meave den Verkaufsraum. Auf ihren Armen einen Stapel an Schachteln und Gläsern, die Ceallagh misstrauisch beäugte. Ruckartig erhob er sich und klatschte sein Buch auf die Anrichte, um ihr ungefragt etwas von dem Gewicht abzunehmen. Sie war doch irre so viel zerbrechliches Zeug aufeinander zu stapeln. Typisch Tollpatschmeave.

“Danke.“,flötete sie lächelnd zu ihm hinauf und bemerkte erst einen Herzschlag später, dass sich eine weitere Gestalt zu ihnen gesellt hatte.
“Also wir haben von den Holunder- und  Lindenblüten noch ausreichend da, um einen Sud zu kochen. Für mehr müssen wir sie leider auf nächste Woche vertrösten. Es tut mir Leid.“
 
Langsam schob Meave die unterste Schachtel mitsamt des zweiten und dritten kleineren Turmes darauf auf den Tresen und bedeutete Ceallagh die kleinen und größeren Flaschen und Einmachgläser daneben abzustellen.

 
Lubaya schien offenbar zufrieden damit, dass aus der Richtung des Lockenkopfes keine Widerrede mehr kam. Ein gutgelauntes Lächeln galt Alex. Sie spannte seine Geduld gerne auf die Folter. Als die Gestalt hinter dem Tresen wieder auftauchte, wandte sich die Blonde herum und grüßte die Verkäuferin mit einem Lächeln, ehe sie einen Blick auf die Ware warf. Der Mann in der Ecke war ihr erst aufgefallen, als er als Unterstützung herbeigeeilt war. Auch ihm galt ein dankbares Nicken. Auch Alex nickte und bemühte sich um ein weniger verstimmtes Lächeln. „Oh, das sollte passen. Und wenn nicht und wir immer noch in der Gegend sind, würden wir das Angebot gerne annehmen. Bekommt ihr eure Ware von hier oder von anderen Inseln? Holunder finden wir vielleicht auch noch unterwegs, sollte es wirklich nicht reichen.“ Ihr Blick war wieder nachdenklich auf die getrockneten Blüten gesunken, ehe ihr auffiel, dass sie sich wieder laut in ihre eigenen Gedanken verstrickt hatte. „Ich hätte noch Interesse an Tee. Gibt es eine Spezialität dieser Insel?“ Alex indes hatte erst die Waren in Augenschein genommen, dann Lubaya, die unheimlich begeistert von diesem Lädchen schien. Aber immerhin konnte sie nun die Aufgabe übernehmen, sich mit der Besitzerin zu unterhalten. Flüchtig hatte er auch den Blondschopf gemustert - flüchtig war jedenfalls geplant gewesen - bis seine Mundwinkel amüsiert zuckten. „Wusste gar nicht, dass man auch Tee schmuggeln muss.“, bemerkte er beiläufig mit hochgezogener Augenbraue und lehnte sich schließlich mit Blick gen Blondschopf an den Tresen. „Oder gibt‘s im hinteren Teil noch psychedelische Kröten?“ Lubaya runzelte die Stirn, schloss dann aber aus Alex‘ Blick, dass er den Blondschopf wohl schon einmal gesehen hatte.
 
Irgendetwas an der Art der Fremden, sagte Meave, dass da etwas nicht stimmte. Als spürte sie diese unterschwellige Besorgnis, die in den Worten mitschwang und ihr ein aufmunterndes Lächeln auf die Lippen legte.
“Wir beziehen alles aus der Umgebung. Vielleicht kann ich ihnen auch noch etwas anderes anbieten. Als Alternative? Ich helfe gern wo ich kann.“
 
Für einen Augenblick hefteten sich Ceallaghs Augen auf das liebevolle Profil neben sich. Glitten über die funkelnden Augen und zählten jede ihrer winzigen Sommersprossen, die das helle Sonnenlicht an warmen Tagen auf ihrer Haut hinterließen. Es war ihm vollkommen unverständlich, wieso sie, wann immer sich eine Gelegenheit bot, anderen unter die Arme greifen wollte. Ganz sicher war es kein schlechter Wesenszug. Zumindest nicht einer ihrer schlechtesten. Doch ihre Offenheit und Hilfsbereitschaft immer wieder an die Nächstbesten zu verschenken, die irgendwie im Ansatz traurig oder bedrückt wirkten, war … absolut unnötig.
Gerade wollte er mit einem tiefen Atemzug die Szenerie hinter sich lassen und zu seinem Buch zurück kehren, als der Lockenkopf seine Stimme erhob. Ausschweifender als bisher. Und direkt an ihn und nicht an seine Begleitung oder seine Schwester gerichtet. Langsam wandte sich der helle Schopf herum, um das feiste Grinsen zu fixieren, das im Gesicht des Fremden thronte wie ein greller Lichtpunkt. Und jetzt fiel es Ceallagh wie Schuppen von den Augen, wieso ihm die Gestalt des Lockenkopfes so sonderbar vertraut vorkam.
Ruckartig schlich sich ein vielsagendes und amüsiertes Grinsen auf die bärtigen Züge des Hayes, der sich entspannt gegen den Tresen lehnte.
 
“Du darfst gern einen Blick riskieren. Mal sehen wie viel Glück dir dieses Mal beschert ist.“

 
Seit sie unterwegs war, zog sie die anderen Kulturen förmlich mit der Atemluft ein. Sie war fasziniert von der Lebensweise der Menschen, ganz gleich wo sie ankamen. Früher hatte William ihr oft irgendwelche Dinge von seinen Beutezügen mitgebracht. Dann hatte sie die Welt mit eigenen Augen sehen dürfen und jetzt – jetzt hatte sie alle Zeit der Welt, sich die fremden Kulturen anzusehen, ohne dass ihr Bruder ihr damit in den Ohren lag, dass sie zurück auf See mussten, wenn sie Beute machen wollten. Interessiert lag ihr Blick auf der Frau gegenüber. Auf ihr Angebot hin wurde das Lächeln auf ihren Lippen noch ein wenig freundlicher. „Kennst du denn noch etwas, was gegen Fieber helfen könnte und zufällig greifbar wäre?“ Übermannt von der angenehmen Tatsache, sich mit jemandem über derlei Dinge unterhalten zu können – es waren eben doch nicht alle so Banausen wie Liam und Alex – hatte sie schon ganz vergessen, dass sie hier nicht vor einer alten Freundin sondern vor einer Fremden stand. Für sie zumindest, denn wie es schien, ging es Alex da zumindest in Bezug auf ihren bärtigen Begleiter anders. Lubaya wusste allerdings noch nicht recht einzuschätzen, ob diese Bekanntschaft auf positiven oder negativen Begebenheiten beruhte. Alex hatte nicht selten eine eigentümliche Art, mit Menschen umzugehen. Und auch der blonde, ansehnliche Mann hatte eine provokante Art an sich, die sie auf die Schnelle nicht zu deuten wusste. „Lass mal. Nicht dass ich was finde, was ich als rechtschaffender Bürger der königlichen Marine melden müsste. Deine Kröten kannst du also vorerst behalten.“ Sonst waren seine Abende mit Sicherheit plötzlich einsam und still.
 
“Gegen Fieber?“
 
Meave schien fast schon erleichtert. Richtete sie kerzengerade auf und nickte lächelnd. Eigentlich befand sich in diesem Laden nichts, was nicht für allerlei Verwendungszwecke dienlich war. Und Fieber gehörte zu etwas, das sich mit mehr als einer Pflanze auskurieren ließ. Mit Pocken oder gravierenden Krankenheiten sah es dagegen schon anders aus.
 
“So wahr ich hier stehe.“
 
Hatten die hellen Augen der jungen Frau gerade noch auf ihrem Gegenüber geruht, huschten sie nun zu ihrem Bruder herum, dessen breites Grinsen sie argwöhnisch in Augenschein nahm. Wie Lubaya schien sie sich nicht allzu schlüssig darüber, welcher Natur diese Bekanntschaft war, die er augenscheinlich mit dem Dunkelhaarigen pflegte.

 
“Ich hätte dich ja jetzt nicht für einen Angsthasen gehalten. Interessant.“
 
Kaum hatte Ceallagh diese Worte ausgesprochen, spürte er einen Ellenbogen in seiner Seite. Mit hinaufschnellender Augenbraue huschte sein Blick auf Meave hinab, die ihm mit der Zunge schnalzend und Kopf schüttelnd angesichts dieser angenehmen Stichelei einen Strich durch die Rechnung machte.

 
“Benimm dich gefälligst.“, zischelte sie ihm zu. Mit einem ermahnenden Blick, ehe sie sich wieder Lubaya widmete und hinter dem Tresen hervor trat.
 
“Kommen Sie. Ich zeige Ihnen ein bisschen was.“

 
Lubaya nickte und schien einer weiteren Meinung ganz und gar nicht abgeneigt. Das Lächeln auf ihren Zügen wurde noch einen Hauch heller, kaum dass ihr ihr Gegenüber ihre Hilfe anbot. Zurückgehalten wurden sie lediglich vom Wortwechsel ihrer beiden Herren. Die andere Dame schien ähnlich überrascht wie sie. Ihre Augenbrauen schoben sich skeptisch zusammen. Je nachdem, auf welcher Ebene dieses Gespräch hier stattfand, bot es ein explosives Potential der Eskalation. Alex galt ein scharfer Blick, kaum dass sie das Amüsement auf seinen Zügen erkannt hatte, kaum dass der Blondschopf zurechtgewiesen worden war. Bei der achten Welt, wieso mussten Männer sich immer wie Kinder benehmen und wetteifern, wo es nur möglich war? Ein warnender Blick galt dem Lockenkopf, ehe sich die gute Laune wieder zurück auf ihre feinen Züge stahl und sie das Angebot annahm. „Du machst das hier schon länger, oder? So viel Hingabe und Interesse sieht man in unserer Generation selten. Hast du auch von einer Großmutter gelernt?“
 
Alex ließ sich das Schmunzeln nicht verbieten, verzichtete aber – vorerst – auf eine weitere Stichelei. Stattdessen straffte er die Schultern und beobachtete die beiden Frauen dabei, wie sie ihren kleinen Rundgang begangen. Sich anzuschließen kam ihm definitiv nicht in den Sinn. Er hatte wirklich genug davon, von Lubaya von einem Laden zum nächsten geschleift zu werden. „Hat der kleine Hund etwa das Spielen verboten bekommen? Du wirst dich doch nicht etwa vom Geschäft abgewendet haben, weil du dich dazu entschlossen hast, der weltbeste Vater zu werden, hm?“, fuhr er leise fort, als sowohl Lubaya als auch Ceallaghs Anhängsel weit genug weg waren.
 
Sie gingen davon wie kichernde Mädchen. Fehlte nur noch, dass sie Arm in Arm zu tuscheln begannen und man sie noch etliche Straßenzüge weiter hören konnte. Ein amüsiertes Schmunzeln blieb auf Ceallaghs Miene zurück, während er die Zwei eine Weile beobachtete und dann gänzlich unbeeindruckt zu seinem alten Bekannten zurück sah. Wenn er sich richtig erinnerte, gehörte eigentlich an anderer Kerl an seine Seite. Groß und schlacksig, wie er selbst. Wo der wohl steckte?
 
“Sagt derjenige, der den Mund erst wieder aufbekommt, nachdem Frauchen außer Hörweite ist.“
 
Er gluckste. Zuckte mit den Schultern und musste Alex zumindest in einem Punkt ein Quenchen Wahrheit zusprechen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit war er bereits (ungewollt) Vater irgendeines Rotzlöffels oder einer Räubertochter. Es würde ihn nicht verwundern, so viel wie er herum gekommen war und das ein oder andere Mal das Bett mit einer schönen Frau geteilt hatte.
 
“Es erstaunt mich, dass es euer Gesicht noch nicht auf irgendeines der Plakate geschafft hat.“

 
Das Lächeln verschwand für einen Augenblick von seinen Zügen, während er ebenfalls den beiden Damen nachsah, die in eigenartiger Einigkeit davonliefen. Dann konterte Ceallagh, erntete den ernsten Blick aus den dunklen Augen und schließlich ein flüchtiges Schmunzeln. „Mit der willst du dich nicht anlegen, glaub mir.“, brummte er belustigt und warf Lubayas Hinterkopf einen flüchtigen Blick zu. So engelsgleich und unverwüstlich die Blonde auch wirkte – wenn an sich mit ihr anlegte, zog man zwangsläufig den Kürzeren. Gegen ihre Moralpredigten fand man keine Ausflüchte. „Weil wir die Bösen verhauen und uns Schmugglerware aneignen?“, lachte Alex und bedachte den Blondschopf mit einem skeptischen Blick. Oh, sie waren definitiv keine rechtschaffenden Mitbürger. Aber sie waren kleine Fische, die sich hauptsächlich ums Überleben bemühten. Sie spielten in einer ganz anderen Liga als ein hauptberuflicher Schmuggler – oder eben ehemaliger Schmuggler. „Der einzige Grund, uns zu suchen, wäre vermutlich der angeknackste Stolz dieser nichtsnutzigen Marine, weil wir erfolgreicher sind als sie. Wie geht’s deinen Freunden? Haben sie sich erholt?“
 
Die Warnung des anderen klang ihn seinen Ohren wie eine spaßige Herausforderung. Fast als würde man etwas Spannendes aus ihr heraus kitzeln, wenn man sie nur weit genug triezte. Ein feines Lächeln zog sich über Ceallaghs Blick, den er nur zu gern auf die hoch gewachsene Frau gerichtet hätte und dennoch bei dem Dunkelhaarigen blieb. Sicher war sicher. Nicht dass er noch darauf kam, ihn aus dem Nichts wegen unterdrückter Eifersüchteleien attackieren zu wollen.
 
“Seid ihr das? Erfolgreich?“
 
In seinen Augen war das irgendwie eine ziemliche Auslegungssache. Gemessen an seinen eigenen Ambitionen war das „Stehlen von Hehlerware“ nichts, womit man sich rühmen konnte. Schon gar nicht wenn man dabei Hilfe von eben jenem Hehler bekam ohne es zu bemerken. Lustige Jungs.
 
“Sie haben sich die Augen ausgeweint. War ja auch reichlich unverschämt die ganze Bande frei zu lassen und auch noch so viel schönes Spielzeug mitzunehmen. “
 
Langfinger waren doch irgendwie alle gleich. Gab es auf ihrem Streifzug etwas, das sich leicht zu Geld machen ließ, landete es binnen weniger Sekunden in den Taschen. Davon konnte er sich nicht einmal selbst freisprechen.
 
“Einer hat sogar sein Auge verloren. War ganz schön angepisst.“, fügte der Hüne mit einem Schulterzucken hinzu.

 
„Bislang beläuft sich die Erfolgsquote auf 100%, also…“, bemerkte Alex beiläufig und zuckte mit der Schulter. Ihm war durchaus klar, dass das hauptsächlich daran lag, dass sie sich nicht wie bürgerliche Ritter der Ordnung aufführten. Sie waren nicht darauf aus, sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen, lebten vom Geben und Nehmen und mussten nur selten darauf zurückgreifen, sich irgendetwas zu Eigen zu machen, was ihnen nicht gehörte und was sie nicht bezahlen konnten. Sie waren auf Abenteuer aus, auf Erlebnisse – und dazu reichte ihnen das, was in ihre Taschen passte. Die Aktion mit Sineca war mehr der Gelegenheit geschuldet gewesen. Als Ceall erwähnte, dass einer nun einen Augapfel weniger sein Eigen nannte, kniff er die die eigenen ein wenig zusammen. Huch. „Tja. Mal verliert man, mal gewinnen die anderen, huw? Euer Boss scheint also nicht so erfreut gewesen zu sein über die ausbleibenden Erlöse. Hat der Organhandel es wieder eingebracht? Verkaufen sich Augen gut auf dem Schwarzmarkt?“
 
“Wir haben zur Zeit eine sehr große Nachfrage an Zungen. Wir kommen kaum mit der Beschaffung hinterher.“ Mit erhobenen Augenbrauen fügte Ceallagh noch ein wortloses “Nah, Interesse?“ hinterher und sog dann tief die geruchsintensive Luft des Ladens ein. Ihm war nicht klar, woher Alex der festen Überzeugung war, dass sie absolut alles schmuggelten und er sich irgendwie per se schon in die Reihe der Sexualtäter einordnen durfte. Recht kleingeistiger Verstand. Oder einfach ein anhaltender Versuch ihn damit auf die Palme zu bringen. In der Regel wehrten sich die Betroffenen ja, wenn sie mit solchen moralisch fragwürdigen Anschuldigungen konfrontiert wurden. Ihm selbst war es allerdings genauso egal, wie die Wahl seines Frühstücks oder die Anzahl seiner Biere am Abend. Er lebte in vollen Zügen und konnte mit den Konsequenzen leben. Mehr brauchte es für ihn nicht. Auf die Meinung anderer verzichtet er gern – es änderte nichts an seinem Lebensstil oder der Art, wie er sich selbst sah.
“Was verschlägt euch eigentlich in diese Stadt? Gibt’s wieder irgendwo was zu boykottieren? Ich hätte da ein paar Ideen, aber die kosten euch ein paar Rum mehr. Das letzte Mal war ein reiner Freundschaftspreis.“

 
Ein Teil von ihm besaß sogar fast so etwas wie ehrliches Interesse daran, was sich gerade gut auf dem Schwarzmarkt verkaufen ließ und was nicht. Er stöberte immer mal wieder gerne durch die Waren, wenn sich die Gelegenheit ergab, konnte meist aber nur den Kopf darüber schütteln, was andere Menschen als ‚wertvoll‘ erachteten. Artefakte, die neben ihrer Seltenheit weder Verwendung noch Zweck besaßen. Und bloß des Besitzes wegen so viel Gold in einer dieser verschlissenen Hände lassen? Mal ganz davon abgesehen, dass sich solche Dinge meist schlecht transportieren ließen. „Was denn, hast du all die Leichen in deinem Keller schon abgeerntet?“, schlug er das Angebot aus. Ihm war klar, dass ‚ernten‘ nicht unbedingt das moralischste Wort im Bezug zu menschlichen Zungen war, aber im Grunde war der Mensch im Auge des Organhändlers auch nicht mehr als Vieh oder Ackerfrucht. Und wer soetwas wie ‚Moral‘ nicht aktiv im Wortschatz führte, musste sich auch nicht über moralische Verwerflichkeit beschweren. „Jetzt wo du’s sagst – mir wäre wirklich mal wieder nach ‘ner schönen Sitzbarrikade.“, begegnete er Ceallaghs Hohn mit einem hörbaren Schmunzeln. „Hat dir jemand die Süßigkeiten geklaut und wir sollen uns jetzt um ihn kümmern? Oder gar dem Nachwuchs?“
 
“Wie ich schon sagte, hohe Nachfrage zur Zeit. Da kann man nicht genug im Keller haben.“ Unfassbar wie schräg allein die Vorstellung war, dass er derlei Dinge wirklich tat. Zwar käme er nicht auf den Gedanken sich als Pazifist zu bezeichnen, doch er vermied eine gewaltbereite Auseinandersetzung (vor allem tödlicher Art) wenn es nur irgend ging. Aber wenn der Lockenkopf schon so dämliches Zeug von sich, konnte er auch diese abstruse Welle mit reiten. Ging den Kerl wohl kaum etwas an, womit er sich tatsächlich seine Brötchen verdiente.
“Sitzbarrikade?“ Mit erhobener Augenbraue zeichnete sich ein spöttischer Ausdruck auf Ceallaghs Zügen ab. Wen wollten sie denn mit so etwas beeindrucken? Die Stadtwache schickte sie mit reichlich Munition zum Teufel. So viel war sicher.
“Mh.“ Nachdenklich verzogen sich die Lippen des Hünen. Die blaugrünen Augen kreisten durch den Laden, vorbei an den beiden Frauen, die sich wohl über irgendwelche fachspezifischen Wirkungsgrade und Anwendungsgebiete unterhielten und nahmen dann den Dunkelhaarigen wieder in Beschlag.
“Eigentlich find ich es nur ganz witzig, wenn kleine Jungs versuchen meine Drecksarbeit zu erledigen. Das ist alles.“ Und da war es wieder. Das selbstgefällige Lächeln, das seinen Onkel so sehr auf die Palme brachte.

 
„Liefert man solche ‚Ware‘ warm oder kalt? Nur für den Fall, dass uns vielleicht… was über den Weg läuft.“ Nicht einmal dann, wenn sie plötzlich über ein Schlachtfeld spaziert wären, hätte er darüber nachgedacht, mit den rausgelösten Muskeln Geld verdienen zu wollen. Zugegeben – der Gedanke, ihm eine Schachtel mit Wildzungen als menschliche Zungen zu verkaufen, amüsierte ihn. Aber leider schätzte er den Blondschopf dann doch so schlau ein, die Verwechslung anhand von Größe und Länge zu erkennen. Schad‘: Das Lächeln des Größeren erwiderte Alex ähnlich gelassen, hob langsam das Kinn und schnaubte belustigt. „Tja. Augen auf bei der Berufswahl. Aber mit dem Gesicht -“ Alex musterte den Blondschopf für einen Moment prüfend. „- kannst du im Zweifel immer noch Märchenprinzessin werden. Nur wenn’s dir zu dreckig wird, meine ich.“ Zufrieden blickte er ihn an, als hätte er einen guten Kumpel gerade einen unheimlich wertvollen Rat gegeben. „Nur der Damenbart muss weg, aber das versteht sich ja eigentlich von selbst. Wir Männer mögen’s nicht so, wenn’s im Gesicht kratzt beim Küssen.“
 
“Normalerweise frieren wir alles ein und panieren es dann mit Sägespäne, damit es nicht so schnell stinkt und zerläuft.“ Ceallagh war fast begeistert, wie leicht ihm diese Worte über die Lippen kamen, ohne dabei den gespielten Ernst zu verlieren, der sein Schmunzeln von den Zügen wischte. Der Bursche war ja echt ganz drollig. Ritt er jedoch noch länger auf dem Thema herum, würde er sich mit einem tiefen Gähnen verabschieden und seinem Buch widmen. Auf ermüdende Gespräche legte er nicht sonderlich viel Wert. Noch weniger auf solche, die sich ständig gegen ihn richteten und er ehrlich gesagt nicht einmal wusste, woher der Dunkelhaarige diese Energie dafür hernahm. Zu wenig Sex, wahrscheinlich? Stieg manchen Herrschaften ja gern mal aufs Gehirn.
Mit einem amüsierten Schnauben, lehnte sich der Hüne nun mehr voraus, um mit abgestützten Unterarmen auf dem Tresen Alex mit Blicken zu traktieren. Er und eine Märchenprinzessin. Wow. Bekam er ihn so nicht an den Eiern, dass er jetzt hoffte damit sein Ego zumindest etwas anzukratzen? So gesehen fühlte sich Ceallagh einfach nur geschmeichelt. Er liebte Frauen. Sehr sogar. Und so schön wie eine von ihnen zu sein, war definitiv nicht das schlechteste, das man ihm an den Kopf werfen konnte.
“Reden wir hier von Männern oder von dir?“, kurz kniffen sich die braun gebrannten Lider in einer überlegenden Kopfhaltung zusammen, mit aufeinander gepressten Lippen und einem gleichsam grüblerischen Zug um die Nase.
“Bah…“ Gespielt angewidert verzog der Hayes das Gesicht und schüttelte den Kopf. “Ich passe. Nichts für Ungut.“
 
Er nickte als Zeichen, dass er zugehört hatte. Hauptsächlich interessierte ihn, wie viel Ceallagh zu diesem Thema noch einfallen würde. Ob das, was er da faselte nun die Wahrheit oder erdacht war, spielte für ihn absolut keine Rolle. Er bezweifelte stark, dass er derlei Informationen irgendwann in seinem Leben mal gebrauchen konnte – oder wollte. Menschen die Zungen herausschneiden und für Weißgottwas an andere verkaufen? Was wollte man schon mit schleimigen, verwesten – menschlichen - Zungen anfangen? Wobei – vermutlich handhabte man das irgendwo auf dieser Welt auch als Delikatesse ähnlich wie Rinderzunge. Allerdings wirkte der Blondschopf nicht so, als würde er das Thema noch sonderlich lange mitmachen. Fast schon schade, wenn man außer Acht ließ, dass Lubaya und er eigentlich besseres vor hatten, als hier ein ausgedehntes Pläuschchen zu halten. Als Ceallagh zu einem Gegenschlag ausholte, lächelte Alex hörbar und ein bisschen enttäuscht. Der war erwartbar gewesen. Aber was wollte man machen. „Wirklich bedauerlich.“, gab er nach einem Seufzen von sich und zuckte demonstrativ mit der Schulter, ehe er den Kopf abermals zu seiner Freundin herumwandte. „Lubaya. Hast du den Laden dann bald leergekauft?“, brummte er zu den beiden Damen hinüber. „Du weißt, wir werden erwartet.“
Lubaya zuckte zusammen. Sie hatte die Zeit offensichtlich wirklich vergessen und war derart ins Gespräch vertieft gewesen, dass sie die beiden Herren fast vergessen hatte. „Entschuldige! Wir können sofort los.“ Mit einem entschuldigenden Blick wandte sie sich an die andere Frau. Zu gern hätte sie noch mehr Zeit damit verbracht, sich über allerlei Kräutermischungen zu unterhalten, aber ausnahmsweise hatte Alex Recht. Bei dem Gedanken, Liam so lange angeschlagen alleine in ihrem kleinen Lager zurückgelassen zu haben, überkam sie ein schlechtes Gewissen. „Vielen Dank für alles. Sollte doch noch etwas fehlen, werde ich noch einmal vorbeikommen.“ Ein verstohlener Blick galt Alex, der mittlerweile mit verschränkten Armen hinter ihr stand, während sie das Gold aus einem Lederbeutel auf dem Tresen ausbreitete und die Waren in ihrer Tasche verstaute. Ihr Blick war ein lautloses, aber herzlich gemeintes ‚ohne ihn.‘.
 
Der Lockenkopf schien absolut kein Interesse daran zu haben hier zu sein. Was Ceallagh bereits im ersten Moment klar gewesen war, bestätigte sich noch einmal in der Art, wie er sich abwandte und nach seiner Begleitung rief. Nicht auf die Weise, wie man mit seiner Freundin sprach. So viel stand fest, als er sich tief einatmend abwandte und entspannt auf seinen Stuhl nieder ließ. Die Nase bereits wieder in seinem Buch versunken, kaum dass Meave und die Fremde an den Tresen zurückkehrten.
 
“Gern geschehen. Wir helfen gern.“, entgegnete sie mit einem flüchtigen Seitenblick zu ihrem Bruder und verband ein Bund Kräuter, das sie Lubaya mit einem Lächeln mitsamt der kleinen und großen Kästchen hinüber schob.
“Wir kennen auch ein paar gute Medicus in der Gegend. Wenn sich mit den Kräutern nichts ausrichten lässt, können die euch ganz sicher am meisten helfen.“
 
Kurz lugten die blaugrünen Augen des Hünen unter dem dichten Wimpernkranz hinweg, als wollte er nonverbal seiner Schwester für zu viel Freundlichkeit und das sehr persönliche „euch“ in den Nacken zwicken. Dass sie nicht bereits ihre Seele an die Fremde verkauft hatte, war ja schier ein Wunder.

 
„Danke.“, wiederholte Lubaya. „Ich hoffe, dass wir damit erfolgreich sind-“ Mit einem freundlichen Lächeln verabschiedete sie sich auch von dem blonden Mann auf seinem Stuhl. Alex schenkte der Verkäuferin ebenfalls ein Lächeln, während er die Tür bereits für Lubaya offenhielt, die kurzerhand unter seinem Arm hindurchschlüpfte. „Du kanntest ihn?“, fragte sie schließlich, während sie nebeneinander Richtung Stadtrand schlenderten. Alex zuckte mit der Schulter und erzählte ihr schließlich beiläufig die Geschichte rund um Sineca. Luabyas Gesicht wurde ein wenig finsterer. Pelzhändler waren auch nicht das, was sie unbedingt als gute Gesellschaft bezeichnet hätte, aber sie hatte sich nicht in das Leben anderer Menschen einzumischen. Plötzlich allerdings blieb sie stehen und sah zu einer kleinen Gruppe aus drei Männern hinüber, die zwar nicht vertrauenserweckend aussahen, aber sonst nichts wirklich Interessantes hatten. „Was ist?“, fragte Alex, der nur ein Augenrollen unterdrückt hatte, als er bemerkt hatte, dass Lubaya abermals stehen geblieben war. „Toulouse. War das nicht der Kräuterladen, in dem wir gerade waren?“ - „Keine Ahnung, kann gut sein. Warum ist das wichtig?“ - „Komm mit.“ Lubaya zog ihn unauffällig mit in eine andere Richtung und schlenderte schließlich wieder in einem gemütlichen Tempo voran – genau in die Richtung, in der die Männer standen und sich leise unterhielten. An einem Schaufenster betrachtete sie gespielt interessiert die Waren. „Du meintest, der Mann, hinter dem Tresen sei Schmuggler?“ Alex hatte versucht, ebenso zu lauschen, um herauszufinden, worauf Lubaya hinauswollte.
„Irgendwas soll heute Nacht wohl in diesem Laden geschehen. Und es klang nicht nach einer freundschaftlichen Runde Karten.“ - „Was hast du vor? Das geht uns doch alles nichts an.“, versuchte es Alex, ahnte aber, dass er damit keinen Erfolg haben würde. Die Männer trennten sich. „Wir müssen sie zumindest warnen, Alex. Du wärst auch froh, wenn sich jemand dazu herablassen würde, dir den Arsch zu retten, oder?“ Ein neckendes Grinsen galt dem Älteren, dessen Sorge sie bereits wieder auf seinen Zügen lesen konnte. Lubaya überlegte kurz, ehe ihre Züge wieder heller wurden. „Vorschlag. Ich breche schon einmal auf, um Liam einen Wundertrank zu brauen. Und du warnst Maeve, für den Fall, dass es wirklich nicht um ein Treffen unter … Schmugglerfreunden geht oder sowas. Und falls sie Hilfe braucht…“ Alex ahnte, worauf Lubaya hinauswollte. Manchmal war es anstrengend, wie schnell sie Freundschaften schloss und sich aufopferungsvoll für die Leute einsetzte, die mit Sicherheit nicht einmal einen Finger für sie krummmachen würden. „Na los, wir treffen uns nachher.“, stimmte Alex ihrem Plan also widerwillig zu. „Versprochen, Alex?“ Der Lockenkopf brummte unbegeistert. „Ja, versprochen.“
 


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