Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.



Jack Of All Trades, Master Of None
Szenen-Informationen
Charaktere Gast
Datum 9 Mai 1822
Ort Eine kleine Insel bei Tarlenn
Tageszeit Vormittags
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Jun 2019
Zitat hinzufügen Zitieren
#1
Als Kind und Jugendlicher war Rúnar manchmal genervt davon gewesen, dass er ständig mit auf die Jagd hatte gehen müssen. Manchmal vor dem Unterricht, als die Sonne noch nicht aufgegangen war und ihm irgendeiner der Walfänger eine Tasse Tee in die Hand gedrückt hatte, die ihm erstaunlicherweise nie vor lauter Müdigkeit aus den Händen gefallen war. Manchmal nach dem Unterricht, wenn Hekla und Hrafn spielen durften und Jón bei den Pferden sein durfte. Rúnars Vater war nicht immer dabei gewesen -- an manchen Tagen hatte Rúnar vom Deck aus sehnsüchtig durch den Schneeschleier auf das gelb leuchtende Viereck gestarrt, welches bedeutet hatte, dass sein Vater neben dem Kamin an seinem Schreibtisch saß.

Aber jetzt ... war er so sehr daran gewöhnt immer etwas zu tun. Er fühlte sich faul und nutzlos, nachdem er ein paar Tage lang fast nur rumgesessen und -gelegen war. Natürlich war ihm nichts anderes übrig geblieben mit seinen verletzten Händen und der langen Naht auf seinem Unterarm, die mit jeder Bewegung juckte und ziepte.

Ablenkung.

Und Geld.

Er wollte (und brauchte) beides. Von dem Geld würde er eine schöne Füllfeder kaufen und endlich ein ordentliches Essen. Er würde sich in seiner sauberen Kleidung in ein Public House setzen wo Herren mit Seidenhalstüchern und Damen mit Handschuhen an den Tischen saßen und er würde ein Glas Wheel of Fortune trinken und Rinderfilet mit saftigem Gemüse essen. Und nebenbei würde er mit seiner neuen Füllfeder einen Brief an Ásta schreiben.

Manchmal hatte er diese Anwandlungen. Aber dann realisierte er, dass es ihm so schlimm eigentlich gar nicht ging und er auf Public Houses und Rinderfilets verzichten konnte. Wenn er einmal verglich, wie verzweifelt er am Anfang gewesen war und wie schnell er sich mit seiner Situation arrangiert hatte. Und er realisierte auch, dass er wichtigere Dinge zu tun hatte -- Dinge, die ihm wichtiger waren als eine Füllfeder und ein aufwändiges Gericht. Sein Vater war irgendwo da draußen. Bei Svavar.

Aber jetzt musste er erstmal dafür sorgen, dass er wieder Heim kam. Wofür er Geld brauchen würde. Wofür er arbeiten musste. Gestern war er an einem kleinen Markt vorbeigegangen an dem mehr als genug Fischer ihre Waren angeboten hatten. Wenn er dort für den Tag wenigstens aushelfen konnte. Jetzt konnte er sich Arbeit gegen Geld immerhin leisten. Bislang war es meistens Arbeit gegen Unterkunft und Verpflegung gewesen. (Er machte sich trotzdem nicht vor, dass er die Crew schon in den nächsten paar Tagen weiterziehen lassen konnte. Er musste in kleineren Schritten denken. Und hoffen, dass sie sich nicht noch weiter von Andalónia entfernten, oder zumindest ziemlich bald in die Richtung zurückkehrten.)

Und ein paar Wäscherinnen über den Weg zu laufen konnte auch nicht schaden. Oder einer Seife. Wenigstens das.
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Jul 2016
Zitat hinzufügen Zitieren
#2
„Achtung, frisch und bissig!“, flötete Trevor, während er sich und seine beiden Eimer durch die Menge der Dorfbewohner manövrierte, die die Straße vom Hafen zum Markt entlang strömte. Gerade bestand diese Menge aus exakt drei Leuten und einem kleinen Straßenhund, der in der Vormittagssonne schlief, was Trevors Engagement aber nicht im mindestens schmälerte. So eine winzige Insel! Da fühlte man sich ja fast wie zu Hause! Und man wusste ja nie – in diesem Moment zum Beispiel kam eine Horde kleiner Kinder aus einer Seitengasse geschossen, der Hund sprang auf, bellte, und Trevor musste die Eimer hoch über seinen Kopf heben, um sie in Sicherheit zu bringen.

„Achtung, frisch und bissig!“, wiederholte er und drehte sich, seine Last perfekt ausbalancierend, um sicher zugehen, dass alle Kinder samt Hund an ihm vorbei waren. Letzterer bremste abrupt. Offenbar hatte er gerochen, was Trevor ihm da vorenthielt, und wollte an ihm hochspringen, doch Trevor machte einen geschickten Ausfallschritt – und stieß rücklings mit jemandem zusammen.
Ein Schauer aus Krabben regnete zu Boden, der Hund stürzte darauf, Trevor schüttelte sich, fluchte, fluchte noch mal, weil eine Krabbe ihm in die Finger zwackte, und das dritte Mal blieb ihm im Hals stecken, als er bemerkte, wem er da Krabben übers Hemd gekippt hatte. Dann fiel sein Blick auf die Harpune und das Strahlen kehrte zurück als wäre nichts gewesen.

„Daggi! Hilf mir mal, schnell!“

Er schaffte es irgendwie, zumindest einen Eimer in den Armen des anderen unterzubringen und jagte den fliehenden Krabben hinterher. Er hatte inzwischen mitbekommen, dass der Rest der Crew den Harpunenträger anders ansprach, und sie immer hilfsbereit korrigiert. Aber irgendwie wollte ihm keiner so recht Glauben schenken. Zugegeben, er hatte in den letzten Tagen auch nicht sonderlich vertrauenswürdig gewirkt.

Ein Riese mit mehr Bart als Gesicht und ungefähr so vielen Tätowierungen wie Narben an den Armen beförderte eine Krabbe mit einem gezielten Tritt wieder in Trevors Richtung. „Is der Stand mit der blauen Markise!“, rief er ihm über die Schulter zu, selbst schon weiter auf dem Weg zum Markt, drei enorme Kisten voller ehemaliger Meeresbewohner in seinen Armen.

„Aye aye“, antwortete Trevor fröhlich und stopfte die Krabbe zurück in den Eimer, wo ihre Artgenossen die Ausreißerin erzürnt in ihre Mitte zogen. Er hatte keine Ahnung, ob ihn der Mann – Koeel? Joeel? Oder was mit noch mehr „e“s? – für das hier eigentlich zu bezahlen gedachte, aber hey, er hatte nichts zu tun und Koeel-Joeel mehrere Eimer voller frischer und bissiger Krabben, die zum Markt wollten. Na ja, „wollen“ war vielleicht nicht das richtige Wort …

„Bissig eigentlich auch nicht“, sagte Trevor plötzlich und hielt abrupt inne.

Schockiert hob er die linke Hand, an die sich eine besonders wütende Krabbe klammerte – mit ihren Scheren. Natürlich. Er brauchte einen neuen Satz!

„Sie sind nicht bissig, sondern …“ Er sah sich nach Daggi um und warf die Krabbe in dessen Eimer, „… scherig? Klapperig? Schneidig?“

Stimme des Krabbeneigentümers: #336666
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Jun 2019
Zitat hinzufügen Zitieren
#3
Rúnar verlangsamte seine Schritte, als vor ihm eine Schar Kinder von einem Hund aufgeschreckt wurde und seine Bahn kreuzte.

Er dachte gerade, dass ihm die Stimme eines einsamen Marktschreiers bekannt vorkam, als der Hund aus seinem Blickfeld verschwand und dann der Boden gefährlich nah in seinem Blickfeld auftauchte.

Er strauchelte ein paar Schritte ehe er sich fing, und bevor er überhaupt aufrecht stand, hatte ihm der allzu bekannte Marktschreier einen Eimer in die Hand gedrückt. "Trevor!" Rúnar beobachtete ihn kurz, während er versuchte, die Situation zu koordinieren. "Wie kommt es, dass Leute sich in deiner Nähe mehr in horizontalen Positionen befinden als in vertikalen?" Er überlegte kurz, seinen Kopf einfach in den Eimer zu stecken -- wahrscheinlich passte er farblich gerade wunderbar zu den umherrennenden Krabben. "Das war eine vielseitig interpretierbare Aussage. Aber du weißt, wie sie gemeint war." Hoffentlich. Trevor war einer der Menschen, die er mit Abstand am wenigsten einschätzen konnte.

Womöglich aber, hatte Trevor ihn gar nicht gehört. Er war schwer beschäftigt. Rúnar reagierte nun auch endlich -- "Ja. Natürlich!" -- und sammelte ein paar der Krabben ein. (Es waren weniger als zuvor. Oder? Irgendwie hatte Trevor ihm gerade Arbeit besorgt, aber wahrscheinlich auch Ärger.)

Ein vorbeistiefelnder Mann gab ihnen Auskunft über den Zielort der Krabben. Trevor antwortete ihm, während er eine weitere Krabbe fing und Rúnar fügte hinzu: "Vielen Dank."

Bevor Rúnar fragen konnte, was Trevor mit seinem Monolog meinte, hielt dieser seine Hand nach oben, warf die Krabbe hinein und sinnierte (offenbar) weiter über die korrekte Bezeichnung eines Krabben ... dings nach. "Anhänglich?" schlug Rúnar vor.
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Jul 2016
Zitat hinzufügen Zitieren
#4
„Anhänglich! Das ist – das ist genial!“

Trevor blickte Daggi mit großen Augen an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Abrupt schüttelte er den Kopf und hob seinen Eimer.

„Andererseits, wenn wir ‚Vorsicht frisch und anhänglich!‘ rufen, ist das ja kein Grund zum Weglaufen, anhängliche Tiere sind ja nichts Schlimmes, es ist sogar ganz praktisch, dann musst du ihnen nicht nachjagen –“

Er demonstrierte das anschaulich, in dem er die letzten freien Krabben ihrer chaotischen Wege ziehen ließ und mit Daggi zusammen der Straße zum Markt folgte.

„Es sei denn natürlich, sie sind so anhänglich, dass sie dir bis ins Bett folgen, das stell ich mir bei Krabben ungemütlich vor. Einmal bin ich mit einem Tintenfisch in meiner – pass auf!“

Sie schlugen einen großen Bogen um einen Mann und das schwer bepackte Pony, das er hinter sich herzuziehen versuchte. Offenbar war das Tier gar nicht begeistert von den beiden Krabben, die zielsicher durch seine Hufe flitzten. Oder es war gerade von ihrer Freiheit beeindruckt, war ja auch egal, denn hinter ihnen eröffnete sich Trevor und Daggi der Marktplatz. Vielleicht zehn oder fünfzehn Stände standen im Kreis, aber verglichen mit dem winzigen Hafen und den leeren Straßen herrschte hier regelrechter Trubel. Verkäufer priesen lautstark ihre Ware an, Käufer feilschten, die Kinderbande war wieder aufgetaucht und rempelte eine alte Dame an, deren Orangen im Staub landeten und Möwen stritten sich erbittert mit Krabben um Fischreste.

„– in meiner Hängematte aufgewacht“,  knüpfte Trevor nahtlos an seine Erzählung an, während sie sich ihren Weg zu dem Stand mit der blauen Markise bahnten, „aber der war wenigstens wabbelig-weich, obwohl Krabben das auch sein können, wenn sie ihren Panzer verlieren. – Tadaa!“

Schwungvoll platzierte Trevor seinen Eimer zwischen den Fischen, die bereits in der Auslage lagen. Die Frau auf der anderen Seite des Standes maß erst die Krabben mit einem kritischem Blick, dann Trevor und dann Joeel-Koeel, der neben ihr Fische aus seinen Kisten sortierte. Sie sah genauso aus wie er, nur extrem dürr, was hieß, dass sie entweder seine Schwester, seine Ehefrau oder sein Hund war, man sagte doch von Hunden, dass sie aussahen wie ihre Besitzer, oder? Andererseits wirkte sie nicht wie jemand, der irgendjemandem gehörte. Vielleicht war es andersherum. Trevor strahlte sie an. Sie rümpfte die Nase.

Die haben dir beim Tragen geholfen?“, fragte sie ihren Bruder/Ehemann/Hund. Joeel-Koeel gab einen zustimmenden Laut von sich, während er einen toten Hai von der Größe seines Unterarms auf den Tisch wuchtete. „Da waren doch sicher mal mehr drin.“ Sie klopfte mit ihren knochigen Fingern an den Eimer und starrte Trevor aus zusammengekniffenen Augen an, als erwarte sie, dass er reumütig alles zugab und die Krabben aus seinen Hosentaschen fischte. Aber Trevor lächelte nur fröhlich.

„Ach, die sammeln sich schon wieder an. Die sind … anhänglich.“

Er zwinkerte Daggi zu und das Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. Die Frau schnaubte und kramte in der Tasche ihrer Schürze. Mit einem letzten Blick auf Trevor reichte sie die wenigen Münzen demonstrativ an Daggi. „Fangt den Rest wieder ein, dann gibt es mehr.“

Trevor schnappte nach Luft.

„Daggi! Das heißt – Wir haben eine Mission! Also –“

Er schlug die Hände zusammen, drehte sich in alle Richtungen und ließ seinen Blick über den Marktplatz schweifen.

„Hey, er! Er hat eine Krabbe!“

Er deutete auf ein kleines Kind mit verweintem Gesicht, das im Schatten eines Standes mit Tonkrügen mit einer Krabbe spielte.

„Und da ist eine und da und da und – wow, Krabben sind schnell – da ist noch eine und da!“

Stimme der Frau am Krabbenstand: #669999
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Jun 2019
Zitat hinzufügen Zitieren
#5
Auf das Kompliment hin lächelte Rúnar und auf die Ankedote mit dem Tintenfisch hin verzog er das Gesicht. Mehr konnte er bei Trevors Tatendrang und wasserfallartigem Monolog nicht erwidern (aber das störte ihn auch nicht). Als er dem kleinen Schecken auswich sah er ihm einige Sekunden sehnsüchtig hinterher, auch wenn dieser den Kopf hochriss und unerfreut zur Seite tänzelte, als ihm die Krabben zwischen die Hufe rannten.

Rúnar stellte seinen Krabbeneimer neben den von Trevor. Die Krabben wanden sich darin und zappelten mit ihren Beinchen. Eine versuchte hinauszuklettern und hing schon am Eimerrand, wurde dann aber von einer anderen Krabbe wieder in den Eimer reingezogen. Rúnar starrte. Er wusste genau, wie sich das anfühlte ...

Nein.

Er würde sich jetzt nicht in eine Spirale aus Gedanken verrennen. Er brauchte einfach dringend wieder ein Tagebuch. Oder jemanden, dem er seine Gedanken anvertrauen konnte ohne eine Last zu werden.

Der Hai, der neben ihm auf dem Tisch landete, riss ihn (zum Glück) aus seinen Gedanken. Rúnar versuchte, dem wertenden Blick der Fischverkäuferin auszuweichen -- er lächelte aber auf Trevors Zwinkern hin -- und sich stattdessen umzusehen um eine ungefähre Idee zu bekommen, wo der Rest der Krabben abgeblieben sein konnte. Zwei waren auf jeden Fall--

"Fangt den Rest wieder ein, dann gibt es mehr."

Er nahm den Beutel Münzen entgegen und steckte ihn in seine Umhängetasche. Er verbeugte sich leicht und sagte: "Vielen Dank. Wir werden dafür sorgen."

Rúnar versuchte Trevors Finger und Augen zu folgen, aber er entdeckte nur halb so viele Krabben wie dieser. Aber zwei Stück hatte er gesehen. Vorhin schon.

Er nahm Trevor am Arm und ging in Richtung wo sie hergekommen waren. "Da hinten bei dem Mann mit dem kleinen Schecken waren noch welche." Falls sie dort noch waren. (Er wollte ja doch nur einen Grund um sich endlich mal wieder in die Nähe eines Pferdes zu begeben.)
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Jul 2016
Zitat hinzufügen Zitieren
#6
„Der kleine Schecke?“, wiederholte Trevor und überlegte, ob ein Schecke wohl eine neuartige Form von Meeresbewohner war, die er noch nicht kannte. Vielleicht hatte er sich auch verhört und Daggi hatte „Schlecker“ gesagt, es gab eine ganze Menge Tiere, die einen abschlecken wollten. Meistens auch mehr als das. Jedenfalls ließ er sich bereitwillig mitziehen, hey, das war ja voll angenehm, zur Abwechslung mal selbst an den Marktständen vorbeigeschleift zu werden. Zumindest zwei, drei, vier, fünf Schritte, dann fiel bei ihm der Groschen –

„Oh, das gescheckte Pony? Du hast recht, da sind welche!“

– und er befreite sich aus Daggis Griff und lief auf das Pony zu. Er hatte immerhin in seinem Leben schon ganze drei Pferde (hey, vier, wenn man den Esel zählte!) von Nahem gesehen, das konnte ja nicht so schwer werden. Außerdem bewegte sich das Pony gar nicht mehr. Sein Besitzer zog und zerrte an dem Strick und schimpfte mindestens genauso energisch, aber das Tier hatte alle vier Füße in den Boden gestemmt und weigerte sich, einen Huf über die rote Krabbe zu heben, die erbost ihre Scheren in der Luft schüttelte.

„Ich nehm die mal kurz!“, flötete Trevor.

Er schlug einen Bogen um den machtlosen Pony-Dompteur, duckte sich zwischen die Vorderbeine des Ponys und schnappte sich die Krabbe. Das war der Moment, auf den das Pony gewartet hatte. Es machte einen Satz nach vorne, rammte Trevor zu Seite, er sah Hufe, Krabben, Kopfsteinpflaster auf ihn zufliegen, der Besitzer kreischte hell auf – aber da hatte ich sich das Tier bereits losgerissen und rannte auf Daggi und die Marktstände hinter ihm zu.
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Jun 2019
Zitat hinzufügen Zitieren
#7
"Mensch, ihr--", rief der Pony-Besitzer wütend, aber was auch immer danach hätte folgen sollen sparte er sich. War vielleicht auch besser so, es starrten sie ohnehin schon alle an. Das bemerkte Rúnar als er wieder die Augen aufmachte und die Arme herunternahm, die er sich schützend vors Gesicht gehalten hatte, als er Trevor zu Boden hatte segeln sehen. (Er könnte anfangen eine Strichliste zu führen, wie oft Trevor, Personen in Trevors Gegenwart, oder Gegenstände in Trevors Hand unfreiwilligen Kontakt mit dem Boden machten.)

Rúnar blickte zu Trevor, zu dem wegrennenden Pony, zu dem Besitzer, zu Trevor, dem Pony--

Er wusste nicht, wem er zuerst helfen sollte -- und entschied sich dann für das Pony. Trevor konnte sich schon allein helfen (auch, wenn Rúnar sich ein wenig schlecht fühlte, ihn da so liegen zu lassen), aber so konnte er zumindest Pony und Besitzer gleichzeitig beschwichtigen.

"Ich kümmere mich darum", sagte er an den Besitzer gewandt und stürzte dem Pony hinterher, dass direkt auf die Marktstände zurannte.

Trevor fing noch auf dem Boden an zu lachen. Es war zu komisch, wie Daggi dem Pony und der Pony-Dompteur Daggi hinterherrannte – und er sah das ganze auch noch auf dem Kopf!
Schließlich hatte er genug Atem beisammen, um sich aufzurappeln. Wow, so was passierte bemerkenswert oft, wenn man sich einem Pferd näherte. Musste eine Art Begrüßungsritual sein. Er fuhr sich mit der Hand– hoppla, beinahe hätte er sich mit der Krabbe durchs Gesicht gewischt. Hey, eigentlich ein hervorragendes Putzmittel, die hätte nicht nur den Dreck, sondern auch seine Nase gleich mit entfernt. So viele Anwendungsmöglichkeiten! Apropos. Er sah sich kurz um, schnappte sich auch die zweite Krabbe, steckte die eine in seine Hemd- und die andere in seine Hosentasche, und bereute beides sofort. Passenderweise hielt die Pony-Daggi-Dompteur-Karawane jetzt auf den Stand mit den Tonkrügen zu. „Lasst einen für mich heil!“, rief Trevor und beeilte sich, hinterherzukommen. Das kleine Kind auf dem Boden neben dem Stand kniff die Augen zu und hielt seine Krabbe vor sich wie einen Anti-Pony-Talisman.

Rúnar konnte noch Trevors Lachen hinter sich hören, also fühlte er sich nicht ganz so schlecht, dass er ihm nicht geholfen hatte. Und es frustrierte ihn auch ein wenig, denn so wie es aussah, war der Spaß jetzt endgültig vorbei. Eine ganz andere Art von Grauen erfüllte Rúnar, als er sah, worauf der Schecke zusteuerte. Er kannte dieses Pferd nicht, er konnte es nicht einschätzen. Manche Pferde würden in ihrer Panik dennoch vor dem Hindernis stoppen -- andere ... nicht.

"Aus dem Weg!", rief Rúnar. "Runter! Runter!" Beide, das Kind und die Frau, der der Stand gehörte, duckten sich und ein verzweifelter und entsetzter Laut entfuhr Rúnar, als das Pferd zum Sprung ansetzte, eine einzige, langhalsige Tonvase mit sich riss und dann jedoch in den danebenstehenden Stand mit den Zitrusfrüchten stürzte.

Eine wieder andere Art von Grauen riss an Rúnars Herz. Eine Erinnerung. Wie Sólfari damals den Hang hinabgestürzt war. Wie er versucht hatte, wieder aufzustehen, aber es nicht gekonnt hatte. Wie sein Vater und Onkel Nói mit dem Gewehr dort hin geritten waren, wo die Kinder Sólfari zurückgelassen hatten. Und wie danach dann alles anders gewesen war.

Doch der Schecke stand ohne Probleme auf und rannte weiter, ohne weitere Stände zu beschädigen. Und Rúnar gab auf. Der Ponybesitzer überholte Rúnar. "Lassen Sie es gut sein", sagte Rúnar ihm hinterher.

Der Mann hielt kurz an. "Wie bitte?" Es war eine rhetorische Frage.

"Entschuldigen Sie meinen Ton", sagte Rúnar, ein wenig außer Atem. "Es ergibt keinen Sinn einem derart verängstigten Pferd hinterzulaufen, wenn man nicht gleichschnell sein kann um es einzufangen. Mein Begleiter und ich"--er zeigte in die Richtung, in der er Trevor zurückgelassen hatte--"werden Ihnen später gerne ihr Pferd wieder zurückzuholen."

"Später?", sagte der Mann. "Ich brauche es jetzt."

Und die Frau mit den Tongefäßen meldete sich ebenfalls zu Wort: "Und wer ersetzt mir meine Vase?"

"Und meine Früchte?", meldete sich der junge Mann vom Zitrusstand.

Rúnar nahm einen tiefen Atemzug, fuhr sich über die Stirn. Schweißtropfen rannen schon von dort aus seinen Hals hinab -- von der Hitze, von der Anstrengung, vom Stress und der Aufregung. Der stechende Geruch von den zerquetschten Zitronen und Orangen ... war gut, aber besser machte der es sicherlich nicht. Doch trotzdem konnte er nicht leugnen, dass ein kleiner Funken Energie ihn in dieser kurzen, aber ereignisreichen Jagd auf eine Art belebt hatte.

Einerseits war Rúnar frustriert mit Trevor. Andererseits hatte es wohl Gründe, warum er immer wieder dessen Gesellschaft suchte.

„Oh guck mal“, strahlte Trevor, als er Daggi und die Staubwolke des Ponys eingeholt hatte. „Wenn das nicht die Konsequenzen unserer Handlungen sind!“ Live und in Farbe und wahrscheinlich würde er sich morgen so gar noch daran erinnern! Das war so viel besser als … na ja, was auch immer auf der Kopfgeldjäger-Insel genau passiert war. Bloß was stellte man jetzt damit an? Trevor stemmte die Hände in die Hüften und runzelte die Stirn. Was würde Greg tun?
„Du verblutest nicht gerade an einer Scherbe, oder?“ Er warf Daggi einen besorgten Blick zu, der vermutlich wirklich seine Verwandtschaft mit Gregory gezeigt hätte, wäre das schiefe Grinsen darunter nicht. „Apropos, darf ich – Aua! Ist ja gut – Die könnt Ihr doch sicher entbehren?“
Er schnappte sich den größten zusammenhängenden Rest der zerdepperten Tonvase und stopfte alle drei Krabben unter großem Protest aller Seiten – Verkäuferin, Kind, Krabben – hinein. „Das ist Diebstahl!“, quiekte die Tonverkäuferin. Vermutlich hätte das Kind etwas ähnliches gesagt, aber es kannte das Gesetz noch nicht in all seinen Absätzen und Paragrafen, also fing es an zu weinen. Freundlicherweise übertönte es damit den Ex-Ponybesitzer. „Das ist ein Wocheneinkommen, mindestens!“ Der Mann vom Zitronenstand sammelte ein paar symbolische zerquetschte Früchte auf und fuchtelte damit vor ihren Gesichtern herum, dass es spritzte. „Soll ich meine Familie etwa von Limonade ernähren?!“
„Äh“, sagte Trevor, der die Idee eigentlich gar nicht schlecht fand, „nehmt Ihr auch Krabben?“
„Ich denke, dir gehören mir.“ Koeel-Joeel war hinter ihnen aufgetaucht, legte je eine Pranke auf Daggis und Trevors Schulter und seinen Blick auf die Krabben. Die beiden Verkäufer hielten abrupt in ihrer Tirade inne.

Die Konsequenzen ihrer Handlungen? Um zwanzig Ecken vielleicht. Wie konnte man auch so ein Pech haben. Das alles nur, weil ihnen ein paar ausgekommen Krabben zwischen die Hufe eines Ponys gelaufen waren.

Als Trevor nach Rúnars Wohlbefinden fragte, machte er sich für einen Moment Sorgen, dass er sich wirklich etwas getan, es aber nicht bemerkt hatte -- er hob seine Hände, drehte sie einmal -- sie sahen gut aus. Er sah zu Trevor, schüttelte den Kopf und ein ehrliches Lächeln stahl sich auf Rúnars Gesicht als er dessen Blick bemerkte.

Als Trevor die Überreste der Vase hochnahm war Rúnar kurz davor ihm dazwischen zu funken -- "Trevor, das ist sehr einfallsreich von dir, aber--"-- doch dann unterbrach ihn die Tonhändlerin schrill. Rúnar war zu sehr vor den Kopf gestoßen, um etwas dazu zu sagen und es half nicht, dass nun alle von dem Dilemma betroffenen Händler auf sie einzureden schienen.

Aber Rúnar war nicht das erste Mal in einer solchen Situation. Er wusste mit unzufriedener Kundschaft umzugehen, von denen die meisten auch Händler gewesen waren, also konnte er diese Situation sicher auch adäquat händeln. Er musste trotzdem seine Konzentration sammeln, kurz darüber nachdenken was er sagen könnte um die Situation zunächst einmal zu deeskalieren. "Meine Herrschaften--" Und er zuckte zusammen, als jemand auf seine Schulter Griff und die Krabben zu recht für sich beanspruchte.

Für ein paar Momente herrschte Stille.

"Ah! Da seid ihr ja!", flötete die helle Stimme eines Mannes in einem fröhlichen Sing-Sang.

Alle drehten sich zu der Quelle um und Rúnar bemerkte zwei Dinge:

Erstens: Sogar mit seinem üblichen Brett vorm Kopf -- vor allem wenn er so reizüberflutet war wie jetzt -- spürte Rúnar, wie die Stimmung um ihn herum sich schlagartig änderte. Die Haltungen der anderen gegenüber dem hinzugestoßen Mann war offensichtlich feindselig und doch respektvoll zugleich. Wie unangenehm.

Zweitens: Der Mann war ihm sympathischer, als er es wahrscheinlich sein sollte. Er sah aus als würde er sich regelmäßig einen Schneider leisten und seine langen, schwarzen Locken und der Bart wirkten gepflegt und rahmten ein hellhäutiges Gesicht ein, das einen Anflug von Arroganz aber auch Verschmitztheit trug. Und er trug einen schwarzen Mantel. Bei dem Wetter. Das war Rúnar durchaus sympathisch.

Als drittes realisierte er, dass der Mann ihn und Trevor gemeint hatte. Er schritt zu ihnen hinüber. "Joe, mein Guter!" Gestikulierte wild mit der einen Hand. "Lass nur, ich kümmere mich darum."

Joe nahm seine Hände von Trevors und Rúnars Schulter. Rúnar sah zwischen ihm, Trevor und dem Mann im schwarzen Mantel hin und her. "Ach, die gehören zu dir", brummte Joe in einem Ton wie: Wenn ich das gewusst hätte.

Nun legte der Fremde die Hände auf ihrer beider Schultern, drehte sich mit Schwung um und schob sie dabei mit sich. Sie gingen ein paar Schritte -- Rúnar protestierte nicht und zog einfach mit -- eher der Mann mit gesenkter, aber noch immer dieser fröhlichen, Stimme meinte: "Ich sagte, ich kümmere mich darum. Emmett Kincaid, zu Diensten -- und ihr seid?"

"Ähm -- Rúnar Dagur. Aber ich verstehe nicht ganz." Er sah etwas hilfesuchend zu Trevor.

Oh, Miniinsel-Dynamiken! Man musste auf einer aufgewachsen sein, um sie lieben zu lernen. Trevor und Daggi waren von den Verkäufern gestoppt worden, die Verkäufer von Joeel-Koeel und der wiederum von dem Herren im schwarzen Mantel, der hinter ihnen allen auftauchte. Es war wie das Bild von den kleinen Fischen, die von größeren gefressen wurden, hinter denen wiederum ein Hai sein Maul aufsperrte.
Trevor sortierte eilig eine Krabbe zum Kind, zwei zu Joe und legte den Tonkrugrest oben drauf, weil er sich großzügig fühlte. Dann ließ er sich brav von dem Hai zum Rand des Marktes schieben. Ihm gefiel der fröhliche Tonfall des Mannes. Aber der Mantel bewies schon fragwürdigen Modegeschmack – und Moment, das erinnerte ihn an etwas aus der Kopfgeldjäger-Nacht. Aber was? Er wollte Daggi einen verwirrten Blick zu werfen, aber offenbar hatte der dieselbe Idee, also wechselte Trevor zu blendender Selbstsicherheit.
„Ich bin Trevor Scovell.“ Er hielt kurz inne, um zu sehen, ob der Nachname irgendeine Reaktion hervorrief. Tat er nicht. „Nicht unbedingt zu Diensten, aber hey, wir revanchieren uns gerne.“ Leute, die ihm aus der Patsche halfen, wollten immer eine Gegenleistung – oder zumindest oft genug, dass Trevor das Wort „revanchieren“ problemlos über die Lippen hüpfte.
Emmett Kincaid lächelte. „Euer Schiff ist auf dem Weg in Richtung Tarlenn-Gebiet, Calbota vielleicht?“ Das klang eher nach einer rhetorischen Frage. Noch so eine Miniinsel-Dynamik: Informationen über Fremde wurden kollektiv gesammelt und ausgetauscht. Trevor für seinen Teil hatte keinerlei Ahnung, was Shanny zwischen ihren Karten so ausheckte, aber Calbota war immer eine gute Anlaufstelle. „Sieht so aus.“ Er zuckte fröhlich mit den Schultern. „Wir können Euch sicher eine Mitfahrgelegenheit organisieren.“
„Oh, nicht für mich. Nur für das hier.“
Trevor nahm endlich die Hand von seiner Waffe und griff nach der kleinen Schatulle, die Kincaid aus seinem Mantel gezaubert hatte. Sie war hölzern, schmucklos und mit einem winzigem Vorhängeschloss versehen. Neugierig schüttelte er sie an seinem Ohr. Kincaid riss die Augen auf und seine Hände zuckten vor, als wolle er Trevor die Kiste wieder einreißen. Er hielt sich im letzten Moment ab. „Nicht schütteln, bitte. Der Inhalt könnte, äh, ungünstig fallen.“ Trotz des professionellen Lächelns schien er froh, die Schatulle nicht mehr selbst mit sich herumtragen zu müssen. „Fragt euch in Silvestre einfach zu Tydea durch. Ihr Haus ist nicht zu verfehlen.“
Gut, das war nichts, was Trevors nie stillstehende Hände gehörte. Aber sonst sprach ja nichts dagegen, es ein bisschen spazieren zu fahren, oder? Er reichte die Kiste an Daggi – nein, Rúnar. Rúni? – weiter. „Was meinst du, schaffen wir das?“ Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen. Das war ja fast zu einfach.

Rúnar nickte bestätigend als Trevor dem anderen Mann ihre Hilfe als Gegenleistung anbot -- Mr. Kincaids Lächeln schien so, als ob dieser die Gegenleistung gerne annehmen würde.

Rúnar hob die Augenbrauen. Sie waren auf dem Kurs, den er erwähnte. Der Mann wusste offensichtlich was er tat. Durchaus sympathisch -- Rúnar hätte nichts dagegen, wenn er bei ihnen mitfahren würde. (Er hatte auch nichts dagegen zu haben, schließlich war er niemand, der hier diese Art von Entscheidungen traf.) Aber das hatte sich ohnehin erledigt, als Kincaid ihnen ein kleines Holzkästchen in die Hand drückte. Oder Trevor. Der es sofort an sein Ohr hielt und zu schütteln begann. Rúnar hatte dieselbe Reaktion wie Kincaid -- seine Hände schnellte vor -- wenn auch nicht so ausladend wie die des anderen Mannes. Sie warfen sich ein kurzes Lächeln zu, das sagte: Beruhigend, dass du auch so denkst.

"Tydea in Silvestre", bestätigte Rúnar und nickte. Er wollte Trevor gerade die Schatulle abnehmen, da reichte er sie ihm schon selbst. Und natürlich schafften sie das -- er gab Trevor ein zuversichtliches Lächeln. Aber er war ja nicht dumm. Er fragte sich, was für eine heikle Sache sich in der Schatulle befand, dass jemand sie an ein paar Fremde abtrat und dafür Anbot, deren hinterlassenes Chaos zu beseitigen.

Er nickte auch Kincaid zuversichtlich zu. "Vielen Dank für Ihre Hilfe", sagte Rúnar ihm und hielt ihm die Hand hin.

Er nahm Rúnars Hand und schüttelte sie zwei Mal kräftig. "Oh nein -- ich habe zu danken." Er war ganz offensichtlich froh, dass er lieber verärgerte Marktverkäufer beschwichtigen konnte anstatt dieses Kästchen mit sich rumzutragen. "Und seht ja zu, dass sie bei Tydea ankommt. Ich werde es erfahren, wenn sie das nicht tut." Er sagte es mit Humor, aber ein, Sonst mache ich euch das Leben zu Hölle, schwang deutlich mit.

"Verstanden", sagte Rúnar. "Sie können sich auf uns verlassen." Das hoffte er zumindest.


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste